Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der Bietergemeinschaft 1. T GesmbH und 2. C GmbH, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2014, Zl. W139 2006041- 2/37E; W139 2008320-1/34E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. U, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, 2. VGmbH Co KG in W, vertreten durch Weixelbaumer Rechtsanwälte in 1030 Wien, Reisnerstraße 61), den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. L 395 vom 30.12.1989,
S. 33, in der durch die Richtlinie 2007/66/EG zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. L 335 vom 20.12.2007,
S. 31, geänderten Fassung (Richtlinie 89/665) vor dem Hintergrund der Grundsätze des Urteils des EuGH vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA, dahin auszulegen, dass einem Bieter, dessen Angebot rechtskräftig vom Auftraggeber ausgeschieden wurde und der daher nicht betroffener Bieter nach Art. 2a der Richtlinie 89/665 ist, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung (Entscheidung über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung) und des Vertragsschlusses (einschließlich der nach Art. 2 Abs. 7 der Richtlinie geforderten Zuerkennung von Schadenersatz) verwehrt werden kann, auch wenn nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben und das Angebot des erfolgreichen Bieters, dem der Auftrag erteilt wurde, nach dem Vorbringen des nicht betroffenen Bieters ebenso auszuscheiden gewesen wäre?
Bei Verneinung der Frage 1:
2. Ist Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 vor dem Hintergrund der Grundsätze des Urteils des EuGH vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA, dahin auszulegen, dass dem nicht betroffenen Bieter (nach Art. 2a der Richtlinie) der Zugang zu einer Nachprüfung nur dann gewährt werden muss,
a) wenn sich offenkundig aus den Akten des Nachprüfungsverfahrens entnehmen lässt, dass die Ordnungsmäßigkeit des Angebotes des erfolgreichen Bieters nicht gegeben ist?
b) wenn die Ordnungsmäßigkeit des Angebotes des erfolgreichen Bieters aus gleichartigen Gründen nicht gegeben ist?
I. Sachverhalt und Ausgangsverfahren:
Vorgeschichte
Die U (Auftraggeberin und erstmitbeteiligte Partei) schrieb im Oktober 2012 als öffentliche Auftraggeberin die Technische Betriebsführung, Instandhaltung, Instandsetzung und Wartung der technischen Gebäudeausrüstung und Laborausstattung mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen aus (in Form eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung).
Die Revisionswerberin und ein weiteres Unternehmen (zweitmitbeteiligte Partei) legten rechtzeitig ein Angebot.
Mit Entscheidung vom 20. Dezember 2013 wurde der Revisionswerberin durch die Auftraggeberin das Ausscheiden ihres Angebotes bekannt gegeben, weil der Nachweis des Vadiums im Original nicht rechtzeitig vorgelegt worden sei.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes als Nachprüfungsstelle (Verwaltungsgericht) vom 31. Jänner 2014 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Ausscheidungsentscheidung abgewiesen.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 2014, Ra 2014/04/0001, wurde die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 14. März 2014 nahm die Auftraggeberin das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei an und schloss mit dieser die Rahmenvereinbarung ab. Mit dem Vertragsabschluss erfolgte mit Ausnahme einer näher bezeichneten Leistung auch der Abruf der ausgeschriebenen Leistungen.
Angefochtenes Erkenntnis
Die Revisionswerberin stellte eine Reihe von Nachprüfungsanträgen an das Verwaltungsgericht: Den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der mitbeteiligten Auftraggeberin, mit welchem Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden solle, und weitere Eventualanträge auf Nichtigerklärung; für den Fall, dass die Rahmenvereinbarung bereits abgeschlossen wurde, mehrere Anträge auf Feststellung, dass der Zuschlag (bei der Vergabe einer Leistung aufgrund der Rahmenvereinbarung) bzw. der Abschluss der Rahmenvereinbarung aus verschiedenen Gründen (auch) gegen Unionsrecht verstoßen habe und daher rechtswidrig war, sowie weitere Feststellungsanträge.
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom 8. August 2014 wies das Verwaltungsgericht diese Anträge zurück.
Diese Entscheidung begründete das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen relevant - im Wesentlichen damit, mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung und dem Abruf der ausgeschriebenen Leistungen sei das Vergabeverfahren beendet. Daher komme dem Verwaltungsgericht nur mehr die Zuständigkeit zur Feststellung der Rechtswidrigkeit (gemäß § 312 Abs. 2 österreichisches Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006) zu. Für Feststellungsanträge seien das Vorliegen eines Interesses am Vertragsabschluss sowie eines Schadens Antragsvoraussetzung.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschieden worden sei, durch Rechtswidrigkeiten, die das Verfahren zur Wahl eines Angebotes für den Zuschlag betreffen, nicht in Rechten verletzt werden.
Der Sachverhalt im Verfahren, das zum Urteil des EuGH vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA, geführt habe, unterscheide sich von dem im vorliegenden Verfahren. Im vorliegenden Vergabeverfahren habe die Auftraggeberin das Angebot der Revisionswerberin förmlich ausgeschieden, während in der Rechtssache "Fastweb" die Prüfung durch das vorlegende Gericht - und nicht durch den Auftraggeber - das Vorliegen eines Ausscheidenstatbestandes ergeben habe.
Die Auftraggeberin sei nicht verpflichtet gewesen, der rechtskräftig ausgeschiedenen Revisionswerberin die Entscheidung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung mitzuteilen.
Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit den Ausführungen des EuGH im Urteil "Fastweb" noch nicht auseinandergesetzt habe.
Revision
Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Revision
an den Verwaltungsgerichtshof.
Darin bringt die Revisionswerberin zusammengefasst vor, ihr stehe, auch wenn ihr Angebot vom Vergabeverfahren bereits ausgeschieden worden sei, auf Grund des Urteils des EuGH "Fastweb" die Antragslegitimation im vorliegenden Nachprüfungsverfahren zu. Der vorliegende Fall sei mit der Konstellation in der Rechtssache "Fastweb" vergleichbar. Im gegenständlichen Vergabeverfahren seien zwei Angebote gelegt worden. Das Angebot der Revisionswerberin sei ausgeschieden worden, aber auch das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei wäre auszuscheiden gewesen, weil die Kalkulation der mitbeteiligten Partei in wesentlichen Positionen ihres Angebotes betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar sei.
Nach der Rechtsprechung des EuGH in "Fastweb" hätten die Bieter ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen. Dieses Interesse könne auch dann geltend gemacht werden, wenn das eigene Angebot auszuscheiden sei. Ein anderes Ergebnis würde den Zielsetzungen eines effektiven Rechtsschutzes zuwiderlaufen. Auch der deutsche BGH gehe davon aus, dass den Bietern ein Schaden entstehe, wenn alle Bieter auszuscheiden seien.
Das Verwaltungsgericht hätte die Ausscheidensgründe beim Angebot der zweitmitbeteiligten Partei von Amts wegen zu prüfen gehabt; es sei zu Unrecht der Auffassung, dass es nur verpflichtet sei, offenkundig aus den Akten zu entnehmende Ausscheidensgründe aufzugreifen.
Revisionsbeantwortungen
Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei sprachen sich in ihren Revisionsbeantwortungen gegen diese Auffassung aus. II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 89/665 lauten:
" Artikel 1
Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren
...
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.
...
Artikel 2
Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren
...
(7) ...
Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss in Übereinstimmung mit Artikel 1 Absatz 5, Absatz 3 des vorliegenden Artikels oder den Artikeln 2a bis 2f die Befugnisse der Nachprüfungsstelle darauf beschränkt werden, einer durch einen Verstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.
...
Artikel 2a
Stillhaltefrist
(1) Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe der Mindestbedingungen in Absatz 2 und in Artikel 2c Fristen fest, die sicherstellen, dass die in Artikel 1 Absatz 3 genannten Personen gegen Zuschlagsentscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksame Nachprüfungsverfahren anstrengen können.
(2) Der Vertragsabschluss im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung für einen Auftrag, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fällt, darf nicht vor Ablauf einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen erfolgen, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber abgesendet wurde, falls sie per Fax oder auf elektronischem Weg abgesendet wird, oder, falls andere Kommunikationsmittel verwendet werden, nicht vor Ablauf einer Frist von entweder mindestens 15 Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber abgesendet wurde, oder mindestens zehn Kalendertagen, gerechnet ab dem Tag nach dem Eingang der Zuschlagsentscheidung.
Bieter gelten als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.
Bewerber gelten als betroffen, wenn der öffentliche Auftraggeber ihnen keine Informationen über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt hat, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.
...
Artikel 2b
Ausnahmen von der Stillhaltefrist
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die in Artikel 2a
Absatz 2 genannten Fristen in folgenden Fällen nicht angewendet
werden:
...
b) wenn der einzige betroffene Bieter im Sinne des Artikels 2a Absatz 2 der Bieter ist, dem der Zuschlag erteilt wird, und wenn es keine betroffenen Bewerber gibt;"
Die Erwägungsgründe zur Richtlinie 2007/66 lauten auszugsweise wie folgt:
"(3) Die Anhörung der Beteiligten wie auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs haben bei den gegenwärtigen Nachprüfungsverfahren in den Mitgliedstaaten einige Schwachstellen aufgedeckt. Aufgrund dieser Schwachstellen können die Verfahren der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG die Beachtung der Gemeinschaftsvorschriften nicht immer gewährleisten und insbesondere nicht in einem Stadium, in dem Verstöße noch beseitigt werden könnten. So sollten die mit diesen Richtlinien angestrebten Garantien im Hinblick auf Transparenz und Nichtdiskriminierung verstärkt werden, um zu gewährleisten, dass die positiven Effekte der Modernisierung und Vereinfachung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen im Rahmen der Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG für die Gemeinschaft insgesamt voll zum Tragen kommen. Es ist daher angezeigt, die Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG so zu präzisieren und zu ergänzen, dass die vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Ziele erreicht werden können.
(4) Zu den ermittelten Schwächen zählt insbesondere das Fehlen einer Frist, die eine wirksame Nachprüfung zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Abschluss des betreffenden Vertrags ermöglicht. Das führt zuweilen dazu, dass öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber sehr rasch die Vertragsunterzeichnung vornehmen, um die Folgen einer strittigen Zuschlagsentscheidung unumkehrbar zu machen. Um diese Schwachstelle zu beseitigen, die einen wirksamen Rechtsschutz der betroffenen Bieter, nämlich derjenigen Bieter, die noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden, ernstlich behindert, ist es erforderlich, eine Mindest-Stillhaltefrist vorzusehen, während der der Abschluss des betreffenden Vertrags ausgesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob der Vertragsschluss zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erfolgt oder nicht.
...
(8) Diese Art der Mindest-Stillhaltefrist soll nicht gelten, wenn die Richtlinie 2004/18/EG oder 2004/17/EG nicht die vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vorschreibt, insbesondere in Fällen äußerster Dringlichkeit gemäß Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2004/18/EG bzw. Artikel 40 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 2004/17/EG. In diesen Fällen genügt es, wirksame Nachprüfungsverfahren nach dem Vertragsschluss vorzusehen. Ebenso ist eine Stillhaltefrist nicht erforderlich, wenn dem einzigen betroffenen Bieter auch der Zuschlag erteilt wird und wenn es keine betroffenen Bewerber gibt. In diesem Fall gibt es in dem Vergabeverfahren keine weitere Person mit einem Interesse daran, unterrichtet zu werden und eine Stillhaltefrist zu nutzen, die eine wirksame Nachprüfung ermöglicht."
III. Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. II Nr. 513/2013 (BVergG 2006), lauten:
" Zuständigkeit
§ 312. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
...
(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig
1. im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde;
§ 331. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht , die Feststellung beantragen, ..."
IV. Zur Vorlageberechtigung :
Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass sich bei der Entscheidung der von ihm zu beurteilenden Revisionssache die im gegenständlichen Ersuchen um Vorabentscheidung angeführten und im Folgenden näher erörterten Fragen der Auslegung des Unionsrechts stellen.
V. Erläuterungen zu den Vorlagefragen :
1. Zur ersten Vorlagefrage:
Die Revision wirft die Rechtsfrage auf, welche Auswirkungen die Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA, auf die Möglichkeit der Nachprüfung durch einen im Vergabeverfahren bereits ausgeschiedenen Bieter hat.
Aufbauend auf das Urteil des EuGH vom 19. Juni 2003 in der Rechtsache C-249/01, Hackermüller, erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die Vergabekontrollbehörde (bei der Prüfung der Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren) befugt ist, auf solche Gründe für das Ausscheiden eines Angebotes Bedacht zu nehmen, die vom Auftraggeber nicht herangezogen wurden. Bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei ist die Vergabekontrollbehörde sogar verpflichtet, diese eingewendeten Gründe dahin zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, wobei sie bei dieser Prüfung nur die aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen hat und in einem solchen Fall nicht etwa ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausscheidungsgrundes einholen muss (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2014, 2011/04/0133, mwN). Unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 25. Februar 2003 in der Rechtssache C-249/01, Hackermüller, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass ein Bieter, dem es nicht gelingt, auf Grund einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschreibung ein für den Zuschlag geeignetes Angebot zu legen, nicht schutzwürdig ist und daher nicht geltend machen kann, dass auch andere bzw. alle anderen Bieter auszuscheiden gewesen wären (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. März 2007, 2005/04/0200, mwN). Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C- 249/01, Hackermüller, auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verwiesen und dann Folgendes ausgeführt:
"Daraus ergibt sich, dass ein Bieter nicht den Zuschlag erhalten kann, wenn er selbst gegen die Ausschreibungsbedingungen oder gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstoßen hat. Der Umstand, dass, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, andere Bieter möglicherweise ebenfalls Verstöße begangen haben, ändert daran nichts, da ein Bieter sich nicht darauf berufen kann, dass anderen Bietern ein Rechtsverstoß zugute kommt, um geltend zu machen, dass er Opfer einer Diskriminierung sei." (Rn. 62)
Mit Urteil vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA gegen Azienda Sanitaria Locale di Alessandria, hat der EuGH festgehalten, dass Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist,
"dass er, wenn im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens der erfolgreiche Bieter, dem der Auftrag erteilt wurde und der Widerklage erhoben hat, eine auf die fehlende Klagebefugnis des klagenden Bieters gestützte Einrede der Unzulässigkeit geltend macht, weil dessen Angebot wegen seiner Nichtübereinstimmung mit den in den Verdingungsunterlagen festgelegten technischen Anforderungen vom öffentlichen Auftraggeber hätte zurückgewiesen werden müssen, dem entgegensteht, dass die Klage nach der Vorabprüfung dieser Unzulässigkeitseinrede für unzulässig erklärt wird, ohne dass darüber entschieden wird, ob das Angebot des erfolgreichen Bieters, dem der Auftrag erteilt wurde, und dasjenige des Bieters, der Klage erhoben hat, den technischen Anforderungen entsprechen." (Tenor)
In den Entscheidungsgründen dieses Urteils hielt der EuGH Folgendes fest:
"31 Im Ausgangsverfahren hat das vorlegende Gericht, nachdem es geprüft hatte, ob die Angebote der beiden betroffenen Gesellschaften den Verdingungsunterlagen entsprechen, festgestellt, dass das von Fastweb eingereichte Angebot nicht alle dort festgelegten technischen Anforderungen erfülle. Bezüglich des vom anderen Bieter, Telecom Italia, eingereichten Angebots ist es jedoch zum gleichen Ergebnis gelangt.
32 Eine solche Konstellation unterscheidet sich von der dem Urteil Hackermüller zugrunde liegenden insbesondere dadurch, dass festgestellt worden ist, dass das ausgewählte Angebot bei der Überprüfung der Angebote zu Unrecht nicht ausgeschlossen wurde, obwohl es nicht den technischen Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprach.
33 Wurde eine solche Feststellung getroffen, kann die Widerklage des erfolgreichen Bieters jedoch dann nicht zur Abweisung der Klage eines Bieters führen, wenn die Ordnungsmäßigkeit des Angebots jedes dieser Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen desselben Verfahrens und aus gleichartigen Gründen in Frage gestellt wird. Denn in einem solchen Fall kann sich jeder Wettbewerber auf ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen berufen, was zu der Feststellung führen kann, dass es dem öffentlichen Auftraggeber unmöglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen."
Der EuGH hat in dieser Rechtsprechung - wie dargestellt - die Aussage getroffen, dass sich jeder Bieter in einem Fall wie dem dort vorliegenden "auf ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen berufen" kann (siehe die oben genannte Rn. 33). Damit nimmt der EuGH in dieser Konstellation eine Schutzwürdigkeit des Bieters, dessen Angebot nicht den in der Ausschreibung festgelegten Anforderungen entspricht, an.
Das dortige Ausgangsverfahren war dadurch gekennzeichnet - wie der EuGH im Tenor dieses Urteils ausdrücklich festhält -, dass "im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens" eine "auf die fehlende Klagebefugnis des klagenden Bieters gestützte Einrede der Unzulässigkeit" erhoben wurde (dort nach italienischem Recht in Form einer Widerklage). Die Entscheidung, das Angebot auszuscheiden, wurde nicht vom Auftraggeber getroffen, sondern ein Ausscheidensgrund wurde erst im Nachprüfungsverfahren für beide Angebote "im Rahmen desselben Verfahrens" festgestellt (Rn. 33 des Urteils "Fastweb").
Das vorliegende Verfahren wirft die Frage auf, ob diese Grundsätze der Rechtsprechung im Urteil "Fastweb" auch für die Konstellation des vorliegenden Ausgangsverfahrens gelten, in der zwei Bieter Angebote abgegeben haben, das Angebot eines Bieters rechtskräftig vom Aufraggeber ausgeschieden wurde und dem anderen Bieter der Auftrag erteilt wurde.
Vorauszuschicken ist, dass die Tragweite der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Fastweb" sowohl in der Rechtsprechung der österreichischen Vergabekontrollbehörden in Diskussion steht (vgl. zusammenfassend Schramm/Pesendorfer , Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz. Eine Bestandsaufnahme, ZVB 2015/3) als auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten nicht offenkundig ist, wie das Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Giustizia Amminstrativa per la Regione siciliana (Italien) an den EuGH in der Rechtssache C-689/13, PFE, zeigt.
Dass vorliegend das Angebot der Revisionswerberin bereits vom Auftraggeber rechtskräftig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden wurde, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein entscheidender Unterschied zwischen der Konstellation in der Rechtssache "Fastweb" und in der vorliegenden Rechtssache. Auf die Bedeutung des Umstandes des Nichtausscheidens durch die Auftraggeberin in der Rechtssache "Fastweb" weist auch Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen vom 23. April 2015 in der Rechtssache C-689/13 hin (Rn. 32).
Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH "entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen" eine wirksame und vor allem möglichst rasche Nachprüfung nach Maßgabe der Art. 2 bis 2f dieser Richtlinie (vgl. das Urteil des EuGH vom 12. März 2015 in der Rechtssache C-538/13, eVigilo Ltd, Rn. 50).
Nach Art. 2a zweiter Unterabsatz der RechtsmittelRL gelten Bieter als betroffen (und ist ihnen gemäß Art. 2a Abs. 2 erster Unterabsatz der RechtsmittelRL die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen), wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist nach dieser Bestimmung endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.
Nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens wurde das Angebot der Revisionswerberin durch die Auftraggeberin aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Der gegen diese Ausscheidensentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Revisionswerberin hatte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes somit die Möglichkeit der Anfechtung dieser Entscheidung nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG (im Sinne der Rn. 26 des Urteiles "Fastweb") und die Ausscheidensentscheidung wurde nach Art. 2a Abs. 2 der RechtsmittelRL von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt. Damit ist die Revisionswerberin nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht betroffener Bieter nach Art. 2a der Richtlinie 89/665.
Als nicht betroffenem Bieter könnte der Revisionswerberin aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nach Art. 2a der Richtlinie 89/665 der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung und des daran anschließenden Vertragsabschlusses verwehrt werden. So spricht der vierte Erwägungsgrund zur Richtlinie 2007/66/EG dafür, dass der Unionsgesetzgeber mit der Einführung der Stillhaltepflicht und der verpflichtenden Mitteilung der Zuschlagsentscheidung in Art. 2a der Richtlinie 89/665 den effektiven Rechtsschutz sicherstellen wollte. Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und damit der wirksame Rechtsschutz gegen diese Entscheidung des Auftraggebers soll lediglich den betroffenen Bietern, nämlich denjenigen Bietern, "die noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden", zur Verfügung stehen. Nichts anderes kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für den an die Zuschlagsentscheidung anschließenden Vertragsabschluss angenommen werden.
Dafür spricht auch Art. 2b der Richtlinie 89/665, wonach die Stillhaltefrist nicht angewendet werden muss, "wenn der einzige betroffene Bieter im Sinne des Artikels 2a Absatz 2 der Bieter ist, dem der Zuschlag erteilt wird, und wenn es keine betroffenen Bewerber gibt", was die Konstellation des vorliegenden Ausgangsverfahrens ist.
Das würde bedeuten, dass wirksamer Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung und den daran anschließenden Vertragsabschluss nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 unionsrechtlich alleine dem betroffenen Bieter gewährt werden müsste.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen die Vorschriften der Richtlinie 89/665 die Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen (vgl. das Urteil des EuGH vom 12. März 2015 in der Rechtssache C-538/13, eVigilo Ltd, Rn. 50). Im vorliegenden Ausgangsverfahren behauptet die Revisionswerberin, die Auftraggeberin hätte willkürlich nur sie, nicht hingegen die erfolgreiche Bieterin, mit welcher der Vertrag geschlossen wurde, ausgeschieden. Würde der rechtskräftig ausgeschiedene Bieter keinen Zugang zum Nachprüfungsverfahren gegen den Vertragsschluss haben, wäre er vor der Willkür des Auftraggebers nicht geschützt. Dies scheint aber die Richtlinie 89/665, insbesondere deren Art. 2a, in Kauf zu nehmen. Andererseits könnte aber der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter fordern, in einer Konstellation wie der vorliegenden einem rechtskräftig ausgeschiedenen Bieter den Zugang zu einer Nachprüfung des Vertragsschlusses mit einem einzigen anderen Bieter einzuräumen, wenn die Ordnungsmäßigkeit des Angebotes des erfolgreichen Bieters vom Antragsteller bestritten wird.
2. Zur zweiten Vorlagefrage:
Wird die erste Vorlagefrage verneint und ist daher davon auszugehen, dass die Grundsätze des Urteils des EuGH vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C-100/12, Fastweb SpA, auch in dieser Konstellation maßgeblich sind, so stellt sich die Frage nach der konkreten Bedeutung dieser Grundsätze für das Ausgangsverfahren.
Der EuGH ist im Urteil "Fastweb" davon ausgegangen, dass von der dortigen Nachprüfungsstelle bereits im Nachprüfungsverfahren "festgestellt worden ist, dass das ausgewählte Angebot bei der Überprüfung der Angebote zu Unrecht nicht ausgeschlossen wurde, obwohl es nicht den technischen Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprach" (Rn. 32) und er hielt fest, dass die Ordnungsmäßigkeit des Angebots jedes Bieters "aus gleichartigen Gründen in Frage gestellt" wurde (Rn. 33).
Zu a):
Im vorliegenden Ausgangsverfahren hat jedoch das Verwaltungsgericht als Nachprüfungsstelle die nähere Prüfung und damit die Feststellung des von der Revisionswerberin behaupteten Ausscheidensgrundes verweigert, weil dieser nach Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Antragslegitimation zukam und ihr damit kein Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu gewähren war. Auch hat das Verwaltungsgericht gestützt auf die oben dargestellte Rechtsprechung (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2014, 2011/04/0133, mwN) des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung vertreten, es habe bei der Prüfung der Antragslegitimation nur jene Ausscheidensgründe aufzugreifen, die sich offenkundig aus den Akten des Nachprüfungsverfahrens entnehmen ließen. Diese Einschränkung könnte auf die Richtlinie 89/665 gestützt werden, da diese nach ihrem Art. 1 Abs. 1 und 3 eine "vor allem möglichst rasche Nachprüfung" verlangt (vgl. das Urteil des EuGH eVigilo Ltd, Rn. 50).
Zu b):
Wenn der EuGH die erste Vorlagefrage verneint, so wird in dieser Rechtssache zu beurteilen sein, ob es sich bei den Ausscheidensgründen, aus denen das Angebot der Revisionswerberin ausgeschieden wurde und aus denen das Angebot der erfolgreichen Bieterin (zweitmitbeteiligte Partei) auszuscheiden gewesen wäre, im Sinne der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Fastweb" um "gleichartige Gründe" handeln muss. Die Bedeutung des Begriffes der "gleichartigen Gründe" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Fastweb" wurde in den Schlussanträgen von Generalanwalt Wathelet vom 23. April 2015 in der Rechtssache C-689/13 behandelt (Rn. 43 bis 45). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es fraglich, ob es aus Sicht eines wirksamen Rechtsschutzes nach der Richtlinie 89/665 einen Unterschied macht, aus welchem Grund beide Angebote auszuscheiden sind und das Vergabeverfahren daher zu widerrufen ist.
Daher stellt sich im Rahmen der Tragweite der Grundsätze des Urteils "Fastweb" die zweite Vorlagefrage.
3. Da die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. hierzu das Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache C-283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und andere, Slg. 1982, 3415) werden die eingangs formulierten Vorlagefragen gemäß Art. 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.
Wien, am 20. Mai 2015