JudikaturVwGH

2011/12/0089 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerden des S A in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen die Bescheide des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport

1. vom 20. April 2011, Zl. P402425/55 PersB/2010, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages nach § 113 Abs. 12 GehG (iVm § 13 Abs. 3 AUG), und

2. vom 15. Juni 2011, Zl. P402425/55 PersB/2010, betreffend Abweisung eines Antrages auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages nach § 113 Abs. 10 GehG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der erstgefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Beschwerdeführer steht als Oberst in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und an der Theresianischen Militärakademie in Verwendung.

Seine Überleitung vom Dienstklassensystem (Verwendungsgruppe H 2, Dienstklasse VI) in das Funktionszulagenschema (Besoldungsgruppe Militärischer Dienst, Verwendungsgruppe MBO 2) erfolgte auf Grund seiner Überleitungserklärung vom 2. Oktober 1996 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner d.J.

In einer Eingabe vom 25. März 2010 ersuchte er um rückwirkende Anrechnung näher angeführter Zeiten vor Vollendung seines 18. Lebensjahres und um Auszahlung allenfalls daraus resultierender Differenzbeträge. Mit Erledigung vom 23. November 2010 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, derartige Anträge seien nach geltender Rechtslage unter Verwendung eines vom Bundeskanzler mit Verordnung festgelegten Formulars zu stellen. Der vom Beschwerdeführer ohne Verwendung dieses Formulars gestellte Antrag sei daher mangelhaft und dürfe von der belangten Behörde in dieser Form nicht bearbeitet werden. Zur Verbesserung dieses Mangels ersuche die belangte Behörde, diesen Antrag innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens unter Verwendung eines angeschlossenen Formulars erneut im Dienstweg einzubringen. Sein Antrag gelte dann als ursprünglich richtig eingebracht.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer innerhalb der ihm gesetzten Frist unter Verwendung des ihm zugesandten Formulars "Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages" im Dienstweg nach § 113 Abs. 10 GehG die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und seiner daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie allenfalls die Nachzahlung von Bezügen aus diesem Anlass aus näher dargelegten Gründen beantragte.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 25. März 2010 gemäß § 113 Abs. 12 GehG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG mit folgender Begründung zurück:

"Sie haben mit Schreiben vom 25.3.2010 die Anrechnung von Zeiten vor dem (vollendeten) 18. Lebensjahr bzw. die Neufestsetzung Ihres Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung dieser Zeiten beantragt.

Derartige Anträge sind nach § 113 Abs. 12 GehG unter Verwendung eines vom Bundeskanzler mit Verordnung festgelegten Formulars zu stellen. Wird ein Antrag ohne Verwendung des Formulars gestellt oder nicht unter Verwendung des Formulars neu eingebracht, ist § 13 Abs. 3 AVG sinngemäß anzuwenden.

Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Zur Verbesserung dieses Mangels wurden Sie daher mit Schreiben vom 23.11.2010 ersucht, Ihren ursprünglichen Antrag innerhalb von vier Wochen ab dem Tag der Zustellung (1.12.2010) dieses Schreibens unter Verwendung des beigelegten Formulars erneut im Dienstweg einzubringen.

Da Sie diesem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen sind, wird Ihr ursprünglicher Antrag als mangelhaft zurückgewiesen."

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 25. März 2010 gemäß § 113 Abs. 10 GehG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 ab. Begründend führte sie nach Zitierung dieser Gesetzesstelle sowie des § 175 Abs. 66 GehG aus, der Beschwerdeführer habe mit 1. Jänner 1996 aus dem Dienstklassensystem in die Besoldungsgruppe "Militärischer Dienst M2" optiert. Seine besoldungsrechtliche Stellung seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 werde daher nicht durch den Vorrückungsstichtag bestimmt.

In den gegen beide Bescheide erhobenen infolge des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erachtet sich der Beschwerdeführer jeweils in seinem Recht auf Anrechnung von Vordienstzeiten verletzt; er beantragt jeweils die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides sieht die Beschwerde zusammengefasst darin, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt; ansonsten hätte er vorgebracht und bewiesen, dass die Verbesserung seines Antrages auf Anrechnung von Vordienstzeiten frist-und ordnungsgemäß erfolgt sei.

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid geht davon aus, dass dieser Bescheid an die Stelle des erstangefochtenen getreten und der frühere damit beseitigt worden sei. Durch die Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides würde allerdings allenfalls der erstangefochtene wieder wirksam werden. Die Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides erblickt diese Beschwerde darin, die Begründung dieses Bescheides enthalte keine Angaben darüber, inwieweit die belangte Behörde vom Vorliegen von prinzipiell nach § 113 Abs. 10 GehG zusätzlich anrechenbaren Vordienstzeiten ausgehe und weshalb der Vorrückungsstichtag für die besoldungsrechtliche Stellung nicht bestimmend sein solle. Erst eine nähere diesbezügliche Darstellung könnte erkennbar machen, inwieweit solche Überlegungen im Fall des Beschwerdeführers überhaupt in Betracht kämen.

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift zum erstangefochtenen Bescheid u.a. vor, sie habe im Zuge der laufend eintreffenden Mängelbehebungen von verschiedensten Dienststellen und unterschiedlichen Bediensteten keine Verbesserung des ursprünglichen Antrages des Beschwerdeführers aufgefunden. Sie sei daher davon ausgegangen, dass dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen worden sei und habe deshalb mit dem erstangefochtenen Bescheid den ursprünglichen Antrag infolge Mangelhaftigkeit zurückgewiesen. Verspätet (nach Erlassung dieses Zurückweisungsbescheides) habe sie festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 doch den ursprünglichen Mangel behoben habe. Auf Grund der zwischenzeitlich erfolgten rechtskräftigen inhaltlichen Entscheidung über den Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages mit dem zweitangefochtenen Bescheid sei auf die Beschwerdeausführungen hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides nicht mehr einzugehen, weil der Beschwerdeführer durch die rechtskräftige inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag materiell klaglos gestellt worden sei, weshalb der erstangefochtene Zurückweisungsbescheid keine nachteiligen Auswirkungen mehr entfalte und somit die Beschwer bzw. das Rechtsschutzinteresse weggefallen sei.

In ihrer Gegenschrift zur zweiten Beschwerde bekräftigt die belangte Behörde ihren Standpunkt, dass die besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers (seit dem In Kraft Treten der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010) nicht durch dessen Vorrückungsstichtag bestimmt werde, weil dieser am 1. Jänner 1996 aus dem Dienstklassensystem in das Funktionszulagenschema optiert habe.

Der zweitangefochtene Bescheid erweist sich aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/12/0026, dargelegten Erwägungen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, als inhaltlich rechtswidrig, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wurde einem früheren Bescheid durch einen späteren derogiert, so entfalte er ohne dass es dazu seiner förmlichen Aufhebung bedurfte keine Rechtswirkungen mehr (vgl. etwa die in Walter/Thienel, AVG I², unter E 157 zu § 68 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, sowie Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 4. Teilband, Rz. 49 ff zu § 68 AVG).

Durch die Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz. 52 zu § 68 AVG mwN), sohin in die Lage der (rechtskräftigen) Zurückweisung des Antrages vom 25. März 2010.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid selbst einräumt, entbehrt die diesen Bescheid tragende Annahme, der Beschwerdeführer habe einem Verbesserungsauftrag nicht Folge geleistet, jeglicher Grundlage, weshalb der erstangefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über die Zuerkennung von Aufwandersatz (für zwei Beschwerden) gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Dezember 2011