JudikaturVwGH

0880/75 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. März 1976

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch` den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmelz, Großmann Dr. Drexler und Dr. Pichler als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Mag. Dr. Kail, über die Beschwerde des J D in V, vertreten durch Dr. Wilfried Piesch, Rechtsanwalt in Villach, Hauptplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28. März 1975, Zl. 7 V 819/1/75, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 720, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Bundespolizeikommissariat Villach sprach mit Straferkenntnis vom 3. Februar 1975 soweit im Beschwerdefall von Interesse aus, der Beschwerdeführer habe am 19. Oktober 1973, 15.25 Uhr, in V als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens sich dadurch geweigert, dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Führerschein und den Zulassungsschein zur Überprüfung auszuhändigen, daß er diese beiden Urkunden dem Organ wieder aus den Händen gerissen habe. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs. 5 lit. a bzw. lit. b Kraftfahrgesetz 1967. (KFG) begangen und es werden gemäß § 134 KFG gegen ihn Geldstrafen in der Höhe von zweimal S 500, (Ersatzarreststrafe je drei Tage) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung, welches mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28. März 1975 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß nach der Sachverhaltsdarstellung des Meldungslegers in seiner Anzeige vom 20. Oktober 1973 und in seinem Bericht vom 21. Dezember 1973 der Beschwerdeführer ihm über sein Verlangen zunächst die Fahrzeugpapiere ausgehändigt, diese ihm aber plötzlich und unmotiviert wieder aus den Händen gerissen habe. Nachdem der Beschwerdeführer wegen dieses Verhaltens abgemahnt worden war, habe er dem Meldungsleger auf dessen neuerliches Verlangen die Fahrzeugpapiere wieder ausgehändigt. Der Meldungsleger sei von der Behörde vernommen worden und habe unter der Strafsanktion des Art. IX EGVG 1950 das Geschehen zur Tatzeit als Zeuge wiederholt. Ein weiterer Zeuge E S habe gleichfalls, unter der Strafsanktion des Art IX EGVG von der Behörde zur Sache vernommen, die gleichen Wahrnehmungen bezüglich des Verhaltens des Beschwerdeführers gemacht. Die Vorschrift des § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG könne nur so verstanden werden, daß dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Aushändigung des Führerscheines und des Zulassungsscheines die uneingeschränkte Möglichkeit gegeben werde, diese Fahrzeugpapiere einer Überprüfung zu unterziehen. Eine Überprüfung sei aber nur dann möglich, wenn die Fahrzeugpapiere dem Organ für die zur Überprüfung erforderliche Dauer überlassen bleibe, also solange, bis dieses die Überprüfung beendet habe. Das bedeute, daß der Zeitpunkt der Beendigung der Überprüfung vom Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bestimmt werde und keineswegs vom Lenker des Fahrzeuges, dadurch daß er dem Organ die ihm vorher ausgefolgten Fahrzeugpapiere wieder abnehme (entreiße). Die Auffassung der belangten Behörde decke sich auch vollkommen mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der anläßlich der Durchführung einer Lärmkontrolle im Sinne des § 58 Abs. 2 KFG durch das einschreitende Organ abgenommene Zulassungsschein während der ganzen Dauer der Amtshandlung von diesem zurückgehalten werden könne. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Amtsorgan hebe zumindest nach der zweiten Ausfolgung der Fahrzeugpapiere die Möglichkeit gehabt, diese zu prüfen, sei bei der Sachlage rechtlich unerheblich, weil durch das Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich der Vereitlung der Überprüfung der Fahrzeugpapiere bei der ersten Aushändigung, das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG bereits verwirklicht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der „Rechtswidrigkeit“ geltend gemacht wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG hat der Lenker auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen soweit für den Beschwerdefall von Interesse den Führerschein und den Zulassungsschein zur Überprüfung auszuhändigen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem „durch § 8 VStG verbrieften Recht auf Straflosigkeit eines Versuches“ verletzt.

Der Beschwerdeführer meint, daß die Vorschrift des § 102 Abs. 5 KFG nur die Vollendung des dort bezeichneten Deliktes unter Strafsanktion stelle und keine besondere Anordnung über die Strafbarkeit eines Versuches enthalte. Gemäß § 8 VStG ergebe sich daher, daß ein bloßer Versuch nicht mit Strafsanktion bedroht sei.

Diese Ausführungen des Beschwerdeführers gehen aber schon deshalb fehl, weil gemäß den Strafbestimmungen des § 134 KFG letzter Satz grundsätzlich auch der Versuch einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen strafbar ist. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, wenn er sagt, Sinn der Vorschrift des § 102 Abs. 5 KFG sei, den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Überprüfung der Fahrzeugpapiere zu ermöglichen. Inhalt der dem Kraftfahrer vom Gesetz auferlegten Pflicht sei es daher, dem Amtsorgan die Fahrzeugpapiere auszuhändigen und sich danach so zu verhalten, daß das Amtsorgan diese Papiere vollständig prüfen kann.

Jede Behinderung des amtshandelnden Organs bei Prüfung der Papiere stelle eine Handlung dar, die den Eintritt des vorn Gesetz geforderten Erfolges, nämlich den Abschluß des Prüfungsvorganges vereiteln könne.

Dadurch aber, daß der Beschwerdeführer dem Sicherheitsorgan die auf dessen Verlangen bereits ausgehändigten Fahrzeugpapiere, nämlich den Führerschein und den Zulassungsschein, vor Abschluß der Überprüfung entrissen hat, hat er diese Urkunden dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht „zur Überprüfung“ ausgehändigt. Hatte der Beschwerdeführer aber die beiden Urkunden dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen nicht zur Überprüfung ausgehändigt, so durfte die belangte Behörde den Beschwerdeführer wegen dieses seines Verhaltens bestrafen. Die belangte Behörde konnte auch davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer die beiden Delikte schon mit dem Entreißen der beiden Urkunden aus den Händen des Organs der öffentlichen Aufsicht vollendet hatte. Waren die Delikte aber als vollendet anzusehen, dann vermochte die Tatsache, daß der Beschwerdeführer nachher die Fahrzeugpapiere wieder dem Organ ausgehändigt hatte, eine Straflosigkeit für die begangenen Delikte nicht herbeizuführen. Auch kann in dem Verhalten des Beschwerdeführers nicht, wie er vermeint, ein bloßer Versuch erblickt werden.

Sohin erwies sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die Vorschriften der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, 1. März 1976