JudikaturVwGH

0174/70 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
17. März 1971

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Hofstätter, Dr. Karlik und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Arnberger, über die Beschwerde des J und der J N in A, vertreten durch Dr. Sepp Brauner, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 3. Dezember 1969, Zl. 13/58/4 BK/Z 1969, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Unbestritten ist, daß die Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1946 die Liegenschaft EZ. 58, Katastralgemeinde A (mit einem Ausmaß von 13.420 m²) unentgeltlich nämlich im Erbweg erworben hatte. Von ihr erwarb der Beschwerdeführer einen Hälfteanteil an dieser Liegenschaft im Jahre 1952 gleichfalls unentgeltlich auf Grund von Ehepakten. Mit Kaufvertrag vom 9. Februar 1967 veräußerten die beiden Beschwerdeführer die Liegenschaft an die Markgemeinde A gegen einen Kaufpreis von S 300.000, , der in zwei Raten von je S 150.000, , die erste Rate bei Vertragsunterfertigung, die zweite Rate in der Zeit zwischen 15. September 1967 und 1. März 1968 zu entrichten war, sowie gegen eine Leibrente in der Höhe von monatlich S 4.000, .

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1967 gaben die Beschwerdeführer sonstige Einkünfte von S 44.000, (11 Monate á S 4.000, ) an, fügten jedoch bei, diese Beträge (Leibrentenzahlungen) stammten vom Grundverkauf und seien daher steuerfrei. Das Finanzamt behandelte im Einkommensteuerbescheid 1967 indessen die zugeflossenen Rentenzahlungen als steuerpflichtige Einkünfte, wogegen der Erstbeschwerdeführer Berufung erhob und vorbrachte, es handle sich um die Teilzahlung des Kaufpreises für den an die Gemeinde A verkauften Grund. Derartige Leibrenten seien nur steuerpflichtig, soweit sie den Wert des veräußerten Wirtschaftsgutes überstiegen. Bei dem veräußerten Grund handle es sich um Baugrund, sodaß die Leibrente sicherlich noch viele Jahre einkommensteuerfrei bleiben müsse. In dem nach einer für ihn negativen Berufungsvorentscheidung gestellten Vorlageantrag ergänzte der Erstbeschwerdeführer seine Angaben dahin, der in der Berufungsvorentscheidung angewendete letzte Satz des § 22 Abs. 1 EStG. sei vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden. Die Aufhebung trete zwar erst mit Ablauf des 31. Dezember 1969 in Kraft, es wäre jedoch eine Härte, wenn nur derjenige keine Einkommensteuer zahlen müßte, der beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde einbringe. Eine im Zuge des Berufungsverfahrens an beide Beschwerdeführer gerichtete Anfrage wurde dahin beantwortet, es sei derzeit schwierig, den Wert der Grundstücke im Jahre 1946 festzustellen. Die Gemeinde A habe im Jahre 1951 für einen zur Straßenbegradigung benötigten Teil eben dieses Grundstückes S 14, pro Quadratmeter bezahlt. Da für einen zum Wohnbau verwendeten Grund (und dazu sei die Liegenschaft 1967 von der Gemeinde angekauft worden) stets etwas mehr bezahlt werde, könne man den Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes durch die Beschwerdeführer mit S 15, bis S 20, pro Quadratmeter ansetzen.

Die Finanzlandesdirektion hat die Berufung mit Bescheid vom 3. Dezember 1969 abgewiesen und dies damit begründet, die Meinung der Beschwerdeführer, die Leibrentenzahlungen hätten noch viele Jahre einkommensteuerfrei zu bleiben, würde voraussetzen, daß die Summe der vereinnahmten Beträge den Wert des übergebenen Wirtschaftsgutes, berechnet nach dem Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes, nicht übersteige. Nach dem Kaufvertrag sei die eine Hälfte des Kaufpreises in Höhe von S 150.000, bei Vertragsabschluß, die andere Hälfte in der Zeit zwischen. 15. September 1967 und 1. März 1968 fällig geworden. Die Beschwerdeführer hätten nicht bestritten, den Kaufpreis noch im Jahre 1967 erhalten zu haben; auch aus einer Eingabe vom 16. April 1969 sei ersichtlich, daß die zweite Kaufpreisrate noch im Jahre 1967 vereinnahmt worden sein müsse, weil im gleichen Zeitraum vom Kauferlös bereits S 202.294, verbraucht worden seien. Bei einer Fläche des Grundstückes von 13.420 m² ergäben sich unter Zugrundelegung der vom Erstbeschwerdeführer selbst angegebenen Quadratmeterpreise im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (S 20, pro Quadratmeter) fiktive Anschaffungskosten in Höhe von S 268.400, . Damit habe der zugeflossene Kauferlös bereits im Berufungsjahr den Wert der fiktiven Anschaffungskosten überschritten; folglich seien weitere Leistungen (Leibrentenzahlungen) aus diesem Titel, da es sich um wiederkehrende Bezüge handle, als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG. zu versteuern. Die Aufhebung des letzten Satzes des § 22 Z. 1 EStG. durch den Verfassungsgerichtshof sei unbeachtlich, weil sie erst mit Ablauf des 31. Dezember 1968 in Kraft getreten sei. Bis dahin habe sie noch dem Rechtsbestand angehört, sodaß sie auf vor ihrer Aufhebung liegende Tatbestände weiterhin anwendbar sei.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Um beurteilen zu können, ob und inwieweit die 1967 zugeflossenen Leibrentenzahlungen der Einkommensteuerpflicht unterlagen, war zunächst festzustellen, welchen Betrag die Beschwerdeführer einerseits im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes für die Liegenschaft hätten aufwenden müssen und ob andererseits die Summe der als Gegenleistung für die Veräußerung vereinnahmten Beträge im Jahre 1967 den vorerwähnten Betrag bereits erreicht oder überstiegen hat. Die belangte Behörde hat nun zwar in einem mangelfreien Verfahren, nämlich auf Grund der Angaben des Erstbeschwerdeführers selbst in der Vorhaltsbeantwortung den Wert der Liegenschaft im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes mit S 268.400, festgestellt. Anderseits hatte sie festzustellen, ob den Beschwerdeführern schon 1967 eine Gegenleistung für die Veräußerung der Liegenschaft mindestens in der Höhe dieses Betrages zugeflossen war, weil nur unter dieser Voraussetzung die gesamte Leibrentenzahlung als steuerpflichtig behandelt werden durfte. Eine Feststellung dieser Art hat die belangte Behörde auf Grund des oben wiedergegebenen Inhaltes des Kaufvertrages und auf Grund der zwei folgenden weiteren Überlegungen getroffen: 1.) hätten die Beschwerdeführer nicht bestritten, den Kaufpreis noch im Jahre 1967 erhalten zu haben; 2.) sei auch aus einer Eingabe vom 16. April 1969 ersichtlich, daß die zweite Kaufpreisrate noch im Jahre 1967 vereinnahmt worden sein müsse, weil im gleichen Zeitraum vom Kauferlös bereits S 202.294, verbraucht worden seien.

Die Beschwerde rügt mit Recht, daß beide Überlegungen und damit die auf sie gegründete Tatsachenfeststellung einer Prüfung nicht standhalten. Daß im Jahre 1967 vom Gesamtkaufpreis von S 300.000, bereits S 202.294, verbraucht wurden, kann als Grundlage für die Feststellung dienen, daß der zuletzt angeführte Betrag von S 202.294, schon 1967 an die Beschwerdeführer ausbezahlt worden sein muß, sagt aber keineswegs, daß dies schon hinsichtlich der gesamten zweiten Kaufpreisrate von S 150.000,der Fall war, die nach dem Inhalt des Kaufvertrages nur zwischen 15. September 1967 und 1. März 1968 entrichtet werden mußte, ohne daß die Entrichtung in Form von Teilzahlungen (die anzunehmen die Beschwerdeführer im Hinblick auf § 1415 ABGB zwar nicht verpflichtet, zweifellos jedoch berechtigt waren) innerhalb des Fälligkeitszeitraumes als unzulässig ausgeschlossen worden wäre. Nun war die Höhe des 1967 bereite von den Beschwerdeführern eingenommenen Kaufpreisteiles aber eine positive Tatsachenvoraussetzung für das Entstehen einer Abgabepflicht, die von den Beschwerdeführern in ihrer Abgabenerklärung verneint worden war. Die Abgabenbehörde war daher zur Vornahme der zur Erforschung des Sachverhaltes nötigen Ermittlungen von sich aus verpflichtet (§ 161 Abs. 2 BAO). Daß die Beschwerdeführer bloß nie ausdrücklich bestritten haben, schon 1967 sei ihnen der gesamte Kaufpreis von S 300.000,tatsächlich ausbezahlt worden, ersetzte das Ermittlungsverfahren nicht und berechtigte die Abgabenbehörde zu keinerlei Tatsachenfeststellungen, zumal sie einen Bedenkenvorhalt in diesem Punkt niemals an die Beschwerdeführe gerichtet hatte. Deren bloßes Stillschweigen ließ eine schlüssige Folgerung, daß der gesamte Kaufpreis bereits 1967 ausbezahlt war, unter sorgfältiger Berücksichtigung auch der sonstigen Ergebnisse dieses Abgabenverfahrens (§ 167 Abs. 2 BAO), nicht zu.

Mithin beruht die Feststellung der Summe der von den Beschwerdeführern im Streitjahre 1967 als Gegenleistung für die Veräußerung der Liegenschaft bereits vereinnahmten. Beträge auf mangelhafter Grundlage. Da diese Feststellung die Voraussetzung für alle weiteren im Verfahren gezogenen Schlußfolgerungen darstellt, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden, ohne daß der Verwaltungsgerichtshof auf die übrigen, von Beschwerde und Gegenschrift aufgeworfenen Streitfragen einzugehen in der Lage war.

Aufwandersatz haben die Beschwerdeführer nicht begehrt.

Wien, 17. März 1971