Ra 2020/21/0200 2 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Um vor dem Hintergrund der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 (die durch das FrÄG 2018 aufgehoben wurden), die im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiterhin beachtlich sind, eine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) zu rechtfertigen, müsste angesichts der Geburt des Fremden in Österreich eine spezifische Gefährdung von ihm ausgehen, die im Einzelfall trotz eines langjährigen Aufenthalts und der damit verbundenen Integration, insbesondere der familiären Kontakte, dazu führt, dass eine Aufenthaltsbeendigung iSd. § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 iVm. Art. 8 MRK dringend geboten ist. Eine derart massive Gefährdung aufgrund besonders gravierender Straftaten, die in dieser Konstellation eine Durchbrechung des in solchen Fällen typischerweise anzunehmenden Überwiegens der privaten und familiären Interessen eines Drittstaatsangehörigen erlaubt, ist hier trotz der einschlägigen Rückfälle des Fremden insgesamt nicht gegeben. Einer solchen Annahme steht nämlich entgegen, dass den Verurteilungen einerseits keine Gewalt- bzw. Körperverletzungsdelikte zugrunde lagen und andererseits zugunsten des Fremden bei den ersten drei strafgerichtlichen Verurteilungen das jugendliche Alter bzw. der Umstand, dass er noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte, zu berücksichtigen gewesen wäre. Auch die Höhe der verhängten Freiheitsstrafen bewegte sich jeweils im unteren Bereich des Strafrahmens und erreicht nicht jenes Maß, das eine gravierende Straffälligkeit erkennen ließe.