JudikaturVfGH

V97/2025 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
12. September 2025
Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrag auf Aufhebung eines Flächenwidmungsplans; Möglichkeit der Anregung eines Verordnungsprüfungsverfahrens im anhängigen Baubewilligungsverfahren

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller,

"der Verfassungsgerichtshof möge den Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde St Leonhard im Pitztal vom 17.10.2024 auf Abänderung des Flächenwidmungsplanes 'Umwidmung Grundstück 5612/2 KG 80009 Pitztal rund 1046 m 2 von SG-1 – Sonderfläche sonstige land- oder forstwirtschaftliche Gebäude und Anlagen §47, Festlegung Gebäudearten oder Nutzungen, Festlegung Zähler: 1, Festlegung Erläuterung: Wirtschaftsgebäude in FL-Freiland §41', aufsichtsbehördlich genehmigt durch Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11.11.2024, RO

Bau-2-217/10074, von der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal ausschließlich kundgemacht im elektronischen Flächenwidmungsplan am 12.11.2024 als gesetzwidrig aufheben".

2. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller zusammengefasst Folgendes vor:

Der angefochtene Flächenwidmungsplan beziehe sich auf die Liegenschaft mit der Grundstücksnummer 5612/2, KG 80009, in der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal. Der Antragsteller sei Eigentümer der genannten Liegenschaft und habe am 20. September 2024 einen Antrag auf Baubewilligung zur Errichtung eines Heulagers und eines Nutztierstalles gestellt. Der Gemeinderat der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal habe am 17. Oktober 2024 die Umwidmung der Teilfläche des Grundstückes Nummer 5612/2 von "Sonderfläche" in "Freiland" beschlossen. In weiterer Folge sei das Bauansuchen des Antragstellers mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal vom 14. November 2024 wegen der zwischenzeitig erfolgten Rückwidmung des Bauplatzes in "Freiland" abgewiesen worden. Durch den Umwidmungsakt sei das beantragte Bauvorhaben des Antragstellers dementsprechend vereitelt worden.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Betroffenheit bei Bebauungsplänen sei regelmäßig die Bekundung konkreter Bauabsichten notwendig, um als Grundeigentümer einen aktuellen Eingriff in die Rechtssphäre durch die in der angefochtenen Verordnung getroffenen Festlegungen darzutun (VfSlg 15.144/1998, 18.684/2009 ua). Im vorliegenden Fall sei die konkrete Bauabsicht durch das Bauansuchen vom 20. September 2024 dokumentiert. Die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers sei aus diesem Grund gegeben.

3. Die Rechtswidrigkeit der bekämpften Verordnung begründet der Antragsteller zusammengefasst wie folgt:

Der Flächenwidmungsplan des Gemeinderates der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal vom 17. Oktober 2024 betreffend die Liegenschaft mit der Grundstücksnummer 5612/2 verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei mit den Zielen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 unvereinbar. Seitens der Gemeinde seien keine entsprechenden Ermittlungen (Grundlagenforschung) zur Klärung der Vor-aussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes vorgenommen worden. Darüber hinaus handle es sich um eine unzulässige Anlasswidmung. Der Flächenwidmungsplan sei hinsichtlich der Teilfläche des Grundstückes Nr 5612/2 geändert worden, nachdem der Antragsteller am 20. September 2024 ein entsprechend der Sonderwidmung genehmigungsfähiges Bauprojekt eingereicht habe. Der Verfassungsgerichthof qualifiziere eine Flächenwidmungsplanänderung, die ohne ausreichende Grundlagenforschung erfolgt sei, ebenso als gesetz- und verfassungswidrig, wie eine reine Anlasswidmung (vgl dazu VfSlg 18.026/2006, mwN). Ausgehend von dieser Rechtsprechung erscheine die vorliegende Flächenwidmungsplanänderung als unsachlich und damit als gesetzwidrig.

II. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

3. Der Verfassungsgerichtshof geht entgegen dem Vorbringen im Antrag davon aus, dass dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan zur Verfügung steht:

Dem Antragsvorbringen ist zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Baubewilligungsverfahren beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängig ist. Da der Bürgermeister der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal den Antrag des Antragstellers auf Baubewilligung mit Bescheid vom 14. November 2024 mit der Begründung abwies, dass das Bauvorhaben unter Hinweis auf die im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Widmung unzulässig sei, ist der hier angefochtene Flächenwidmungsplan im beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Baubewilligungsverfahren präjudiziell. Nach den Ausführungen des Antragstellers hat er gegen den abweisenden Baubescheid eine Beschwerde nach Art130 Abs1 Z1 B VG erhoben. In diesem beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Verfahren besteht für den Antragsteller die Möglichkeit, einen Gerichtsantrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG anzuregen sowie gegen ein gegebenenfalls abweisendes Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol eine Beschwerde gemäß Art144 B VG beim Verfassungsgerichtshof zu erheben, um die behauptete Gesetzwidrigkeit der hier angefochtenen Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Dementsprechend liegt für den Antragsteller ein zumutbarer anderer Weg vor, um seine Bedenken gegen den angefochtenen Flächenwidmungsplan des Gemeinderates der GemeindeSt. Leonhard im Pitztal an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl zB VfSlg 16.142/2001; VfGH 13.6.2022, V269/2021; 25.2.2025, V88/2024 ua).

Außergewöhnliche Umstände, die im vorliegenden Fall eine Ausnahme im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zuließen, hat der Antragsteller nicht vorgebracht und sind für den Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.