Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Verordnungen des Gemeinderats der Stadtgemeinde Traiskirchen mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Anregung eines amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens oder der Erhebung einer Beschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht bzw VfGH im Zuge des derzeit anhängigen Bauplatzerklärungsverfahrens
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Die antragstellende Gesellschaft stellt den auf Art139 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge
"[…] die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 28.9.2022(Verordnung gemäß §26 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 idgF, mit der für die in der Plandarstellung PZ'BS409/2022', die wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung ist, in grüner Farbe gekennzeichnete Fläche eine Bausperre ('BS4') erlassen wurde), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 29.9.2022 bis 14.10.2022, sowie die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 24.6.2024 , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 26.6.2024 bis 11.7.2024, mit der die Bausperrenverordnung vom 28.9.2022 bis 28.9.2025 verlängert wurde, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben ,
in eventu
[…] die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 28.9.2022(Verordnung gemäß §26 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 idgF, mit der für die in der Plandarstellung PZ'BS409/2022', die wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung ist, in grüner Farbe gekennzeichnete Fläche eine Bausperre ('BS4') erlassen wurde), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 29.9.2022 bis 14.10.2022, sowie die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 24.6.2024 , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 26.6.2024 bis 11.7.2024, mit der die Bausperrenverordnung vom 28.9.2022 bis 28.9.2025 verlängert wurde, soweit damit die Bausperre für das Grundstück Nr 297/114, EZ1, KG 04038 Wienersdorf, erlassen wurde, als gesetzwidrig aufheben ,
in eventu
[…] die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 24.6.2024 , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 26.6.2024 bis 11.7.2024, mit der die Bausperrenverordnung vom 28.9.2022 bis 28.9.2025 verlängert wurde, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben ,
in eventu
[…] die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 24.6.2024 , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 26.6.2024 bis 11.7.2024, mit der die Bausperrenverordnung vom 28.9.2022 bis 28.9.2025 verlängert wurde, soweit damit die Bausperre für das Grundstück Nr 297/114, EZ1, KG 04038 Wienersdorf, erlassen wurde, als gesetzwidrig aufheben […]".
II. Rechtslage
1. §11 der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), LGBl 1/2015, zuletzt geändert durch LGBl 50/2017 lautet auszugsweise (ohne die Hervorhebungen im Original):
"§11
Bauplatz
(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach §18 Abs1a Z1, §17 Z8 und §23 Abs3 vorletzter Satz, bebaut war, oder
5. durch eine nach §15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl Nr 3/1930 in der Fassung BGBl I Nr 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß, oder
6. durch eine nach dem V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl Nr 3/2015 in der geltenden Fassung, durchgeführte Baulandumlegung ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist.
Mit dem Wegfall der Baulandwidmung erlischt die Bauplatzeigenschaft im Sinn der Z2 bis 6.
(2) Auf Antrag des Eigentümers ist ein Grundstück im Bauland zum Bauplatz zu erklären, wenn es
1. a) an eine bestehende oder im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche unmittelbar angrenzt oder
b) mit einer solchen durch eine Brücke verbunden ist oder verbunden werden kann oder
c) mit einem im Grundbuch sichergestellten Fahr- und Leitungsrecht, das dem Bebauungsplan nicht widerspricht, verbunden wird oder
d) die Widmung Bauland-Sondergebiet aufweist und durch eine im Flächenwidmungsplan vorgesehene im Eigentum des Bauplatzeigentümers stehende private Verkehrsfläche mit einer öffentlichen Verkehrsfläche verbunden ist,
2. aufgrund seiner Gestalt, Beschaffenheit und Größe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und den Festlegungen im Bebauungsplan bebaut werden darf,
3. nicht in einer Aufschließungszone (§16 Abs4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl Nr 3/2015 in der geltenden Fassung) liegt, und wenn
4. die Bauplatzerklärung dem Zweck einer Bausperre §§26 oder 35 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl Nr 3/2015 in der geltenden Fassung) nicht widerspricht.
Verliert ein zum Bauplatz erklärtes Grundstück, das weder mit einem Gebäude noch mit einer großvolumigen Anlage (§23 Abs3) bebaut ist, durch Umwidmung nach den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl Nr 3/2015 in der geltenden Fassung, die Baulandwidmung, erlischt die Bauplatzerklärung.
(3) – (4) […]"
2. §26 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 (NÖ ROG 2014), LGBl 3/2015, idF LGBl 97/2020 lautet (ohne die Hervorhebung im Original):
"§26
Bausperre
(1) Ist die Aufstellung oder Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes beabsichtigt, kann der Gemeinderat, unter Darstellung der anzustrebenden Ziele, durch Verordnung eine Bausperre erlassen.
(2) Der Gemeinderat hat durch Verordnung eine Bausperre unter Angabe des besonderen Zweckes zu erlassen, wenn
a) das örtliche Raumordnungsprogramm einem rechtswirksamen überörtlichen Raumordnungsprogramm widerspricht oder
b) sich herausstellt, dass eine als Bauland gewidmete und unbebaute Fläche von Gefährdungen gemäß §15 Abs3 Z1 bis 4 bedroht ist. Dies gilt nicht für Flächen gemäß §15 Abs4. Als bebaut gelten Grundstücke oder Grundstücksteile, auf denen ein Gebäude errichtet ist, das nicht als Nebengebäude anzusehen ist.
(3) Eine Bausperre gemäß Abs1 tritt, wenn sie nicht früher aufgehoben wird, zwei Jahre nach ihrer Kundmachung außer Kraft. Sie kann vor Ablauf dieser Frist einmal für ein Jahr verlängert werden.
Eine Bausperre gemäß Abs2 ist unbefristet; sie ist vom Gemeinderat aufzuheben, wenn die vermutete Gefährdung bzw die Erforderlichkeit nicht mehr besteht.
Die Bausperre ist auch teilweise aufzuheben, wenn nachgewiesen wurde (z. B. durch entsprechende Gutachten), dass die Erforderlichkeit der Bausperre für diese Flächen nicht mehr besteht.
(4) Baubewilligungsbescheide, welche dem Zweck einer Bausperre zuwiderlaufen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.
(5) Baubehördliche Verfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Bausperre bereits anhängig waren, werden nicht berührt."
III. Antragsvorbringen
Die antragstellende Gesellschaft bringt zunächst vor, sie sei grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr 297/114, EZ1, KG 04038 Wienersdorf. Bezüglich der Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft weiters aus, dass die angefochtene Verordnung bzw die angefochtenen Verordnungen sie aktuell und unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betreffe bzw betreffen würden, zumal sie durch die Bausperre (bzw deren Verlängerung) ihr geplantes Bauvorhaben nicht verwirklichen könne. Ein zumutbarer anderer Weg, die Gesetzwidrigkeit der Verordnung bzw der Verordnungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehe der antragstellenden Gesellschaft nicht zur Verfügung. Insbesondere das Bauplatzerklärungsverfahren gemäß §11 NÖ BO 2014 stelle keinen solchen zumutbaren Weg dar. Da das Grundstück Nr 297/114, EZ1, KG 04038 Wienersdorf, bereits ex lege einen Bauplatz darstelle, bedürfe es keiner Bauplatzerklärung. Schon aus diesem Grund könne der Antrag der antragstellenden Gesellschaft vom 6. März 2023 auf Erklärung des Grundstückes Nr 297/114, EZ1, KG 04038 Wienersdorf, zum Bauplatz nicht zu einem Bescheid führen, für den die angefochtene Bausperre (bzw deren Verlängerung) eine tragende bzw eine präjudizielle Rechtsgrundlage bilde.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.772/2002).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl zB VfSlg 12.810/1991 und 13.344/1993). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller über die Möglichkeit verfügte, eine amtswegige AntragsteIlung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl wiederum VfSlg 12.810/1991 und 13.344/1993). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen bestünde nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände (vgl zB VfSlg 15.786/2000 und 16.772/2022 jeweils mwN).
3. Ein solcher zumutbarer Weg liegt hier vor:
Dem Antragsvorbringen ist zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Bauplatzerklärungsverfahren gemäß §11 NÖ BO 2014 anhängig ist. Da bereits dem Wortlaut der Bestimmung des §11 Abs2 Z4 NÖ BO 2014 zu entnehmen ist, dass eine Bauplatzerklärung dann nicht erfolgen darf, wenn das projektierte Vorhaben dem Zweck einer Bausperre gemäß §§26 oder 35 des NÖ ROG 2014 widerspricht, ist die hier angefochtene Bausperre bzw deren Verlängerung im anhängigen Bauplatzerklärungsverfahren präjudiziell. Der antragstellenden Gesellschaft steht es nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges (s dazu §2 NÖ BO 2014) frei, beim zuständigen Verwaltungsgericht gemäß Art130 Abs1 Z1 B VG Beschwerde zu erheben und als Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG anzuregen oder gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes eine auf Art144 B VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu erheben, um die behauptete Gesetzwidrigkeit der hier angefochtenen Verordnungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Außergewöhnliche Umstände, die im vorliegenden Fall eine Ausnahme im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zuließen, liegen nicht vor.
Der antragstellenden Gesellschaft steht damit – entgegen ihrer Auffassung – mit dem Verfahren zur Bauplatzerklärung gemäß §11 Abs2 Z4 NÖ BO 2014 ein solcher zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl zB VfSlg 16.142/2001; VfGH 13.6.2022, V269/2021).
4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft als unzulässig zurückzuweisen. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.