Leitsatz
Aufhebung einer Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch mangels ausreichender Determinierung; keine Konkretisierung der – von Fußgängern und Radfahrern gemeinsam oder getrennten – Benutzung eines Geh- und Radweges in einer Unterführung
Spruch
I. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn, kundgemacht durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn, als gesetzwidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Verordnung
des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch in Anwendung der Bestimmungen des §94 c Abs1 StVO 1960 iVm der Verordnung der Vlbg. Landesregierung über den übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde in Angelegenheiten der Straßenpolizei, LGBl Nr 30/1995, sowie des §67 Abs1 GG LGBl Nr 40/1985.
Im Interesse der Sicherheit des Radfahrer- und Fußgängerverkehrs wird gem §43 Abs1 litb StVO 1960 verordnet:
'Fußgänger und Radfahrer haben in der Fidelisstraße die Unterführung der L 53 zu benützen.'
Diese Verordnung ist durch nachstehende Verkehrszeichen kundzumachen und tritt mit der Aufstellung dieser Zeichen gem. §44 Abs1 StVO 1960 in Kraft.
Jeweils am Beginn der Unterführung sind die Gebotszeichen gem §52 b Abs17 a StVO 1960 'Geh- und Radweg' anzubringen.
Ergeht an: Der Bürgermeister:
[…] […]
mit dem Auftrag, die Verordnung im Einvernehmen mit der Polizei kundzumachen und über diesen Zeitpunkt einen Aktenvermerk anzulegen.
Nachrichtlich an:
[…]"
2. Die für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"§2. Begriffsbestimmungen.
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1.–9. […]
10. Gehsteig: ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße;
11. Gehweg: ein für den Fußgängerverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg;
11a. Geh- und Radweg: ein für den Fußgänger- und Fahrradverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg;
11b.–30. […]
(2)–(3) […]
§8. Fahrordnung auf Straßen mit besonderen Anlagen.
(1)–(3) […]
(4) Die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht
1. für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen, sofern Fußgänger und Radfahrer nicht gefährdet oder gehindert werden,
2.–3. […]
(4a)–(5) […]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c)–d) […]
(1a)–(11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […]
(1a)–(5) […]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1.–17. […]
17a. 'GEH- UND RADWEG'
a)
[Zeichen]
b)
[Zeichen]
Diese Zeichen zeigen einen Geh- und Radweg an, und zwar ein Zeichen nach a) einen für Fußgänger und Radfahrer gemeinsam zu benützenden Geh- und Radweg und ein Zeichen nach b) einen Geh- und Radweg, bei dem der Fußgänger- und Fahrradverkehr getrennt geführt werden, wobei die Symbole im Zeichen nach b) der tatsächlichen Verkehrsführung entsprechend anzuordnen sind (Fußgänger rechts, Fahrrad links oder umgekehrt).
[…]
§68. Fahrradverkehr
(1) […] Auf Gehsteigen und Gehwegen ist das Radfahren in Längsrichtung verboten. Auf Geh- und Radwegen haben sich Radfahrer so zu verhalten, dass Fußgänger nicht gefährdet werden.
(2)–(6) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 22. Juni 2023 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg zur Last gelegt, er habe am 11. Mai 2023, um 7.52 Uhr, die als Geh- und Radweg ausgewiesene Fußgänger- und Fahrradunterführung in 6800 Feldkirch, Fidelisstraße, durch Befahren mit einem PKW benützt. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen §8 Abs4 StVO 1960 verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,– und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 23 Stunden verhängt worden sei.
2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen diesen Bescheid stellt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag.
2.1. Zur Präjudizialität wird vorgebracht, dass der vom Beschwerdeführer mit einem PKW befahrene Geh- und Radweg mit der angefochtenen Verordnung erlassen worden sei. Im Fall einer Aufhebung der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn, gäbe es somit keine Rechtsgrundlage für eine Bestrafung des Beschwerdeführers. Der Erfolg der beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg anhängigen Beschwerde hänge daher allein davon ab, ob die angefochtene Verordnung gesetzmäßig sei oder nicht.
2.2. In der Folge legt das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die Bedenken dar, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben.
2.2.1. Es sei nicht erkennbar, dass die verordnete Verkehrsbeschränkung aus den in §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 genannten Gründen erforderlich sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes habe die Behörde vor dem Erlass einer verkehrsbeschränkenden Verordnung ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die erforderlichen Verfahrensschritte seien aktenkundig festzuhalten, um die Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten.
Das Landesverwaltungsgericht habe die verordnungserlassende Behörde ersucht, zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Bedenken gegen die angefochtene Verordnung Stellung zu nehmen und den Verordnungsakt vorzulegen. Daraufhin habe die verordnungserlassende Behörde dem Landesverwaltungsgericht die angefochtene Verordnung vom 29. Oktober 1997 sowie Aktenvermerke über die Aufstellung von Verkehrszeichen vom 31. August 2006 und vom 20. November 2008 vorgelegt. Weitere Aktenteile, aus denen die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hervorgehen würde, seien nicht übermittelt worden. Ob die verordnungserlassende Behörde vor Erlassung der Verordnung ein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, sei weder aus den dem Landesverwaltungsgericht übermittelten Akten ersichtlich noch sei dies von der verordnungserlassenden Behörde behauptet worden.
Dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg sei es somit nicht möglich, festzustellen, ob die verordnungserlassende Behörde die gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gebotene Prüfung der Erforderlichkeit und die gebotene Interessenabwägung vorgenommen habe.
2.2.2. Die angefochtene Verordnung sei darüber hinaus gesetzwidrig, weil sie nicht hinreichend determiniert sei.
Der Verordnungsgeber sei dazu verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es sei daher unzulässig, den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, sondern vielmehr erforderlich, festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehene Verkehrsbeschränkung einzuhalten haben. Eine Verordnung müsse so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen – zweifelsfrei zum Ausdruck komme, für welche Bereiche diese Verkehrsbeschränkung gelte, sodass er sich danach richten könne.
Die angefochtene Verordnung scheine diesen Anforderungen nicht zu entsprechen, zumal dieser Verordnung auch keine planliche Darstellung zugrunde liege. Der Geltungsbereich der Verordnung werde "ausschließlich damit beschrieben, dass 'Fußgänger und Radfahrer […] in der Fidelisstraße die Unterführung der L53 zu benützen'" hätten und dass die Verordnung durch die Gebotszeichen "Geh- und Radweg" gemäß §52 litb Z17a StVO 1960 "jeweils am Beginn der Unterführung" kundzumachen sei.
Der Verordnungsgeber lege nicht dar, an welchen bestimmten Punkten die Unterführung der L 53 beginnt und endet. Der örtliche Geltungsbereich werde vielmehr vom Aufstellen der Vorschriftszeichen abhängig gemacht. Der Ort der Aufstellung in der Verordnung selbst erscheine mit "jeweils am Beginn der Unterführung" nicht ausreichend determiniert, zumal er letztlich von einem Willensakt der mit der Aufstellung befassten Organe abhängig gemacht werde.
2.2.3. Die angefochtene Verordnung sei nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg zudem auf Grund von Kundmachungsmängeln gesetzwidrig:
Der verordnete Geh- und Radweg sei durch Straßenverkehrszeichen kundgemacht worden, die jeweils auf der rechten Straßenseite in Geh- bzw Fahrtrichtung angebracht worden seien. Etwa ein Drittel der Straße sei vom restlichen Teil der Straße durch Randsteine abgegrenzt, die sich geringfügig über das sonstige Straßenniveau erheben würden. Das Straßenverkehrszeichen auf der östlichen Seite der Unterführung sei auf dem mit Randsteinen abgegrenzten Teil der Straße angebracht worden. Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht habe die Unterführung von dieser Seite kommend passiert.
Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg sei auf Grund der Anbringung der Straßenverkehrszeichen nicht zweifelsfrei erkennbar, auf welchen Teil der Straße sich das Gebotszeichen "Geh- und Radweg" beziehe.
Letztlich sei hinsichtlich der Kundmachung des Straßenverkehrszeichens zu beachten, dass Vorschriftszeichen gemäß §51 Abs1 StVO 1960 vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen seien. Da jedoch der räumliche Geltungsbereich der Verordnung nicht hinreichend bestimmt sei, könne auch nicht überprüft werden, ob die Anbringung der Vorschriftszeichen dieser Bestimmung entspreche.
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:
3.1. Wie die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten dokumentieren würden, sei dem Erlass der angefochtenen Verordnung ein umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der verordnete Geh- und Radweg sei Teil eines großen "Maßnahmenpaketes". Sachverständige hätten zwischen dem Ende der 1980er Jahre und dem Ende der 1990er Jahre im Hinblick auf eine Neugestaltung der Verkehrswege in Feldkirch verschiedene Varianten der Streckenführung verglichen, Verkehrsbelastungen analysiert und die Auswirkungen auf den Kraftfahrverkehr, auf Radfahrer und Fußgänger, auf den öffentlichen Nahverkehr und den Verkehrsnahraum bei der Planung untersucht. Das Ergebnis habe gezeigt, "dass die Variante Ardetzenbergtunnel mit Absonderung des Rad- und Fußgängerverkehrs am Ardetzenberg entlang, durch eine neue Unterführung die bestgeeignete Lösung […] für Fußgänger und Radfahrer" darstelle. Die für das Gesamtprojekt erforderlichen straßenpolizeilichen Maßnahmen seien mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. August 1999, III 3 2/2/Bärenkreuzung/99, und mit der angefochtenen Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn, angeordnet worden.
3.2. Entgegen den Annahmen des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg entspreche der in der angefochtenen Verordnung festgelegte Geltungsbereich auch den nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes maßgeblichen Anforderungen. Beginn und Ende des Geh- und Radweges seien in der Verordnung mit "jeweils am Beginn der Unterführung" festgelegt. Laut Duden werde eine Unterführung als "Verkehrsweg, der unter einem anderen Verkehrsweg hindurchführt" definiert. Wie den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten planlichen Darstellungen aus dem Verordnungsakt zu entnehmen sei, beginne der "unterquerende Verkehrsweg" in Fahrtrichtung Busplatz abzweigend von der durch Fahrzeuge gemäß §2 Z19 StVO 1960 befahrenen Straße Widnau/Fidelisstraße und ende mit Einmündung in den Busplatz. Der Geltungsbereich der erlassenen Verordnung bzw die Ausschilderung des Geh- und Radweges entspreche somit exakt dieser Definition. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Beginn einer Unterführung mit jenem Bereich definiert, bei dem das Gefälle des Verkehrsweges beginne, was im vorliegenden Fall ebenfalls zutreffe. Der Bereich in dem die Verkehrsbeschränkung des Geh- und Radweges gelte, sei für die Normunterworfenen somit bereits zweifelsfrei aus dem Verordnungstext erkennbar.
3.3. Letztlich könne den Projektplänen entnommen werden, dass die Unterführung seit Anbeginn als Geh- und Radweg geplant worden sei. Das Verkehrszeichen des Geh- und Radweges sei gesetzeskonform gemäß §48 Abs2 StVO 1960 aufgestellt und beziehe sich auf die gesamte Straße. In natura sei zur Lenkung bzw Kanalisierung des Fußgänger- und Radverkehrs eine in Fahrtrichtung Busplatz rechtsseitige Erhöhung der Straße vorgenommen worden, der jedoch keine rechtliche Bedeutung zukomme. Für Lenker von Kraftfahrzeugen sei jedenfalls eindeutig erkennbar, dass dieser Verkehrsweg lediglich von Radfahrern und Fußgängern benützt werden dürfe.
4. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hat als beteiligte Partei ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie in der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde entgegentritt.
5. Die Vorarlberger Landesregierung hat mitgeteilt, dass sie von der Erstattung einer eigenen Äußerung absehe und auf die Äußerung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hinweise.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht zu Art89 Abs1 B VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).
Wie die vorgelegten Akten ausweisen, wurde die angefochtene Verordnung durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie ein Mindestmaß an Publizität erreicht hat und mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.2.1. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg äußert das Bedenken, dass nicht zweifelsfrei erkennbar sei, auf welchen Teil der Straße sich der verordnete Geh- und Radweg beziehe. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg erblickt darin zwar eine fehlerhafte Kundmachung, macht der Sache nach jedoch Bedenken gegen die ausreichende Determinierung der angefochtenen Verordnung geltend.
2.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss der Inhalt einer Verordnung als Gesetz im materiellen Sinn das weitere Vollzugsgeschehen im Sinne des Art18 Abs1 B VG ausreichend vorherbestimmen (vgl VfSlg 7072/1973, 19.592/2011) und insbesondere dem Normunterworfenen die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg 19.592/2011, 19.721/2012 mwN).
2.2.3. Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen (§43 Abs1 litb Z1 StVO 1960).
2.2.4. Nach dieser Bestimmung ist der Verordnungsgeber verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es ist daher unzulässig, den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, vielmehr ist es erforderlich festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehene Verkehrsbeschränkung einzuhalten haben (zu Geschwindigkeitsbeschränkungen vgl etwa VwGH 19.10.1988, 87/03/0196; 19.10.1988, 88/03/0007; 5.9.2008, 2008/02/0011). Die Verordnung muss so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen (vgl auch VfSlg 7072/1973, 10.469/1985, 18.840/2009) – zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, für welche Bereiche bzw welche Strecke diese Anordnung bzw Verkehrsbeschränkung gilt, sodass er sich danach richten kann (VfSlg 8658/1979).
2.2.5. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Verordnung nicht gerecht:
Mit Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 WaJn, wurde im Interesse des Radfahrer- und Fußgängerverkehrs verordnet, dass Fußgänger und Radfahrer in der Fidelisstraße die Unterführung der L 53 zu benützen haben. Entsprechend der Kundmachungsanordnung dieser Verordnung sind "[j]eweils am Beginn der Unterführung" die Gebotszeichen gemäß "§52 b Abs17 a StVO 1960 'Geh- und Radweg'" anzubringen.
Hiedurch sind – entgegen den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg – Beginn und Ende des örtlichen Geltungsbereichs der angefochtenen Verordnung in der Längsseite ausreichend konkretisiert. Im Hinblick auf die verordnete Verhaltensweise erweist sich die Verordnung jedoch als nicht ausreichend determiniert.
Die Kundmachungsanordnung nennt hinsichtlich der anzubringenden Verkehrszeichen "§52 b Abs17 a StVO 1960". Damit ist wohl – wie auch das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg bemerkt – §52 litb Z17a StVO 1960 gemeint, der die Gebotszeichen für Geh- und Radwege normiert. Nach dieser Bestimmung bestehen für Geh- und Radwege zwei unterschiedliche Gebotszeichen. Das Zeichen gemäß §52 litb Z17a Sublita StVO 1960 zeigt "einen für Fußgänger und Radfahrer gemeinsam zu benützenden Geh- und Radweg" an, während litb Z17a Sublitb par. cit. einen Geh- und Radweg anzeigt, "bei dem der Fußgänger- und Fahrradverkehr getrennt geführt werden, wobei die Symbole im Zeichen nach b) der tatsächlichen Verkehrsführung entsprechend anzuordnen sind (Fußgänger rechts, Fahrrad links oder umgekehrt)". Die für Fußgänger und Radfahrer jeweils gebotenen Verhaltensweisen auf einem gemäß §52 litb Z17a Sublita StVO 1960 und einem gemäß litb Z17a Sublitb par. cit. angezeigten Geh- und Radweg unterscheiden sich somit voneinander.
Die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Lichtbilder zeigen, dass jeweils am Beginn der Unterführung, auf die sich die angefochtene Verordnung bezieht, ein Gebotszeichen gemäß §52 litb Z17a Sublita StVO 1960 angebracht wurde. Es wurde sohin ein Geh- und Radweg kundgemacht, der von Fußgängern und Radfahrern gemeinsam zu benützen ist. Auf den vorgelegten Lichtbildern ist jedoch ersichtlich, dass ein circa 1,80 Meter breiter Teil der Unterführung durch Randsteine von der restlichen Fläche abgegrenzt und zudem erhöht ist, was auf das Vorliegen eines Gehsteiges im Sinn des §2 Abs1 Z10 StVO hinweist. Die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Planungsakten sehen für die Unterführung der L 53 einen "Gehsteig" und einen parallel dazu verlaufenden "Radweg" vor. Die verordnungserlassende Behörde meint hingegen, es sei bloß zur Lenkung bzw Kanalisierung des Fußgänger- und Radverkehrs eine rechtsseitige Erhöhung der Straße vorgenommen worden, der jedoch keine rechtliche Bedeutung zukomme.
Jedenfalls vor diesem Hintergrund erweist sich die angefochtene Verordnung als nicht hinreichend im Sinn des Art18 Abs1 BVG determiniert, weil sie sowohl die Aufstellung eines Gebotszeichens gemäß §52 litb Z17a Sublita StVO 1960 als auch eines solchen gemäß litb Z17a Sublitb par. cit. zulässt. Es bleibt demnach offen, ob die Unterführung in ihrer gesamten Breite als Geh- und Radweg zu benützen ist, oder ob der Fußgänger- und Fahrradverkehr (durch Randsteine) getrennt geführt wird.
2.3. Die Verordnung ist sohin gesetzwidrig.
V. Ergebnis
1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1997, Z220 9703974 Wa Jn, ist als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz BVG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litf Vbg KundmachungsG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.