JudikaturVfGH

V107/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
24. Februar 2025
Leitsatz

Gesetzwidrigkeit von Wortfolgen der FixkostenzuschussV, der AusfallbonusV III und der VerlustersatzverlängerungsV betreffend den Ausschluss von Förderungen zur wirtschaftlichen Bewältigung der COVID-19 Pandemie im Falle einer finanzstrafrechtlichen Verurteilung; Unsachlichkeit des Ausschlusses mangels Normierung einer zeitlichen Grenze für eine – auch weit zurückliegende – Abgabenhinterziehung

Spruch

Die Wortfolge "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein FKZ800.000 darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt;" in Punkt 3.1.6 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAGGesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ800.000), BGBl II Nr 497/2020, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, der Verfassungsgerichtshof möge in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ800.000), "BGBl II 497/2020 idF BGBl II 112/2022" unter Punkt 3.1.6 im Anhang die Wortfolge

"über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein FKZ800.000 darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt"

als gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §3b des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG Gesetz), BGBl I 51/2014, idF BGBl I 228/2021 lautete auszugsweise wie folgt:

"Richtlinien zur Gewährung von finanziellen Maßnahmen

(1) Finanzielle Maßnahmen gemäß §2 Abs2 Z7 dürfen nur zu Gunsten von Unternehmen gesetzt werden, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben.

(2) Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen besteht kein Rechtsanspruch.

(3) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU Beihilfenrechtes per Verordnung Richtlinien zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten haben und die auch im Internet zur Abfrage bereit zu halten sind:

1. Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen,

2. Ausgestaltung und Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen,

3. Höhe der finanziellen Maßnahmen,

4. Laufzeit der finanziellen Maßnahmen,

5. Auskunfts- und Einsichtsrechte des Bundes oder des Bevollmächtigten.

6. Rückforderungen.

[…]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Aufgaben der COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz COFAG NoAG), BGBl I 86/2024, lauten auszugsweise wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Förderantrag im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Antrag auf Abschluss eines Fördervertrages nach den Bestimmungen der in Abs9 angeführten Verordnungen des Bundesministers für Finanzen.

(2) […]

(9) Verordnungen im Sinne des Abs1 sind

[…]

5. Verordnung gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ800 000), BGBl II Nr 497/2020 in der jeweils geltenden Fassung;

[…]

Verordnungsermächtigung

§3. (1) Die in §2 Abs9 angeführten Verordnungen sind auf Förderanträge, die bis zum Ende der für diese vorgesehenen Fristen eingebracht wurden, weiter anzuwenden.

(2) […]"

3. Punkt 3 und Punkt 4 des Anhanges der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ800.000), BGBl II 497/2020, lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"3 Begünstigte Unternehmen

3.1 Ein FKZ800.000 darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

[…]

3.1.6über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein FKZ800.000 darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt;

[…]

4 Definition Umsätze und Umsatzausfall; Umgang mit Lockdown Umsatzersatz in Betrachtungszeiträume

4.2.1 Für die Berechnung der Umsätze eines Unternehmens im Sinne dieser Richtlinien ist auf die für die Einkommen- oder Körperschaftsteuerveranlagung maßgebenden Waren- und/oder Leistungserlöse abzustellen. Insbesondere Versicherungsleistungen, Zuwendungen von Gebietskörperschaften, die im Zusammen-hang mit der COVID 19 Krise geleistet werden, und Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz fließen daher nicht in die Umsatzberechnung ein.

4.2.2 Bei der Berechnung des Umsatzausfalls sind einer oder mehrere der folgenden Betrachtungszeiträume zu wählen, wobei sich der Umsatzausfall in diesem Fall aus dem Vergleich zu den jeweils entsprechenden Zeiträumen des Jahres 2019 ergibt:

(a) Betrachtungszeitraum 1: 16. September 2020 bis 30. September 2020;

(b) Betrachtungszeitraum 2: Oktober 2020;

(c) Betrachtungszeitraum 3: November 2020;

(d) Betrachtungszeitraum 4: Dezember 2020;

(e) Betrachtungszeitraum 5: Jänner 2021;

(f) Betrachtungszeitraum 6: Februar 2021;

(g) Betrachtungszeitraum 7: März 2021;

(h) Betrachtungszeitraum 8: April 2021;

(i) Betrachtungszeitraum 9: Mai 2021;

(j) Betrachtungszeitraum 10: Juni 2021."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die in der Rechtssache vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien klagende Partei begehrte von der beklagten Partei (damals COVID 19Finanzierungsagentur des Bundes GmbH [in der Folge: COFAG]) mit Klage vom 26. März 2024 den Betrag von € 345.984,05 aus dem Titel des FKZ800.000 für die Zeiträume 16. September bis 30. September 2020, Oktober 2020 sowie Jänner bis einschließlich Juni 2021 und brachte im Wesentlichen vor, im Zuge der Corona Krise ab dem 16. März 2020 über knapp zwei Jahre hinweg mehrfach von "Lockdowns" und sonstigen staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung betroffen gewesen zu sein, was beträchtliche Ausfälle in allen Betrieben der klagenden Partei zur Folge gehabt habe.

1.2. Die COFAG bestritt das Klagebegehren und brachte vor, dass über die klagende Partei und deren Geschäftsführer im Jahr 2019 verhängte Finanzstrafen nach dem klaren Wortlaut der Verordnung einen Ausschlussgrund von der Antragsberechtigung darstellten.

1.3. Aus Anlass der Klage stellt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Mit zwei Erkenntnissen vom 5.10.2023 (V 145/202213 und V172/202214) hat der VfGH die wortgleichen Teile in anderen Verordnungen als gesetzwidrig aufgehoben. Das Gericht gründete seine Bedenken im konkreten Fall nun auf die offenkundig gesetzwidrige Wortfolge in Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO Gewährung eines FKZ800.000, welche lautet: 'über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein FKZ800.000 darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt.'.

Diese Regelung unterstellt der ursprünglichen gesetzlichen Grundlage des §3b Abs3 ABBAG Gesetz bzw nunmehr des §3 Abs1 iVm §2 Abs9 Z5 COFAG NoAG idF BGBl I 86/2024 einen dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 BVG) widersprechenden Inhalt. Dies deshalb, da der Verordnungsgeber in der angefochtenen Regelung ausschließlich darauf abstellt, dass in den letzten fünf Jahren vor der Stellung des Antrages auf Gewährung auf FKZ800.000 eine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße auf Grund von Vorsatz über das antragstellende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe (in Ausübung ihrer Organfunktion) verhängt worden ist. Dabei hat es der Verordnungsgeber aber verabsäumt, einen Zeitraum zu normieren, in welchem die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben muss. Dies bedeutet, dass auch jene Unternehmen von der Gewährung des FKZ800.000 ausgeschlossen sind, die weit zurückliegend in der Vergangenheit eine Abgabenhinterziehung begangen haben.

Die in Zweifel gezogene Regelung in Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO Gewährung eines FKZ800.000 hat somit in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen des Finanzstrafgesetzes (vgl insbesondere §31 Abs4 und 5 FinStrG) zur Folge, dass es keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung des FKZ800.000 wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehung geben kann.

Die einzige zeitliche Festlegung für den Ausschluss ist, dass die rechtskräftige Verhängung der Finanzstrafe oder einer entsprechenden Verbandsgeldbuße in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung erfolgt sein muss. Dabei ist auch festzuhalten, dass der Zusammenhang mit dem steuerlichen Fehlverhalten und der Nichtgewährung der Zahlungen sich umso stärker verdünnt und daher keine entscheidende Rolle mehr spielen kann, umso weiter die vorsätzlich begangene Finanzstraftat zurückliegt.

Nach Auffassung des antragstellenden Gerichts findet somit die angefochtene Regelung in Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO Gewährung eines FKZ800.000 keine Deckung in §3b Abs3 ABBAG Gesetz bzw §3 Abs1 COFAG NoAG idF BGBl I 86/2024, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, bei der Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen eine unsachliche Festlegung vorgesehen zu haben.

Darüber hinaus hat das Gericht Bedenken im Zusammenhang mit dem in Art4 7. ZP EMRK normierten Doppelbestrafungsverbot. Nach Ansicht des OGH erlaubt das Doppelbestrafungsverbot der EMRK eine mehrfache Sanktionierung einer Tat nur, wenn die mehrfachen Sanktionen jeweils unterschiedliche Aspekte betreffen und zu keiner übermäßigen Belastung des Betroffenen führen (16 Ob 5/23f). Der Ausschluss eines bereits zur Verantwortung gezogenen Unternehmens von - dem Grunde nach existenzsichernden - Entschädigungen kommt einer Doppelbestrafung gleich. Sowohl §33 FinStrG als auch Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO Gewährung eines FKZ800.000 sollen in ihrer Stoßrichtung das Vermögen des Bundes bzw dessen Steuergebarung schützen, sodass in diesem Fall gerade nicht von einer Sanktion, welche verschiedene Aspekte betrifft, ausgegangen werden kann.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sieht sich daher veranlasst, die Frage der Gesetz- bzw Verfassungsmäßigkeit der angeführten Wortfolge an den VfGH heranzutragen."

2. Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

3. Die im gerichtlichen Anlassverfahren klagende Partei erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie die Bedenken des antragstellenden Gerichtes gegen die angefochtene Verordnungsbestimmung teilt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in Punkt 3.1.6 Anhanges zur VO über die Gewährung eines FKZ800.000 zweifeln ließe.

1.2. Für den Verfassungsgerichtshof besteht – nicht zuletzt angesichts der wörtlichen Wiedergabe – kein Zweifel, dass das antragstellende Gericht Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO über die Gewährung eines FKZ800.000 in der Stammfassung BGBl II 497/2020 anfechten wollte. Die angefochtene Bestimmung wurde durch die vom anfechtenden Gericht angeführte Verordnung BGBl II 112/2022 nicht geändert.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Wortfolge von Punkt 3.1.6 des Anhanges zur VO über die Gewährung eines FKZ800.000, BGBl II 497/2020, als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

Der Antrag ist begründet.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, G172/2022, V172/2022, aus, dass §3 Z4 des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen des Bundes auf Grund der COVID 19 Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft wurden (im Folgenden: COVID 19 WohlverhaltensG), und damit auch Punkt 3.1.7 des Anhanges zur VO Ausfallsbonus, BGBl II 74/2021, unsachlich waren, weil der Gesetz- bzw Verordnungsgeber in der Regelung ausschließlich darauf abstellte, dass in den letzten fünf Jahren vor der Stellung des Antrages auf Gewährung des Ausfallsbonus eine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße auf Grund von Vorsatz über das antragstellende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe (in Ausübung ihrer Organfunktion) verhängt worden war. Es ist zwar dem Grunde nach nicht unsachlich, finanzielle Maßnahmen an das steuerliche Wohlverhalten zu knüpfen. Der Gesetz- bzw Verordnungsgeber normierte jedoch nicht, in welchem Zeitraum die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben musste. Dies bedeutete, dass auch Unternehmen von der Gewährung der Hilfsmittel ausgeschlossen waren, die weit zurückliegend in der Vergangenheit eine Abgabenhinterziehung begangen hatten.

Die angefochtenen Regelungen hatten sohin zur Folge, dass es keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung des Ausfallsbonus wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen geben konnte. Der Verfassungsgerichtshof hob dementsprechend §3 Z4 COVID 19 WohlverhaltensG mit Wirkung ab Ablauf des 15. April 2024 auf; desgleichen hob der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Regelung in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur VO Ausfallsbonus mit Wirkung ab Ablauf des 15. April 2024 auf, weil diese Verordnungsbestimmung nach Aufhebung des §3 Z4 des genannten Bundesgesetzes keine Deckung in §3b Abs3 ABBAG Gesetz fand.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, V145/2022 ua, die Wortfolgen

–"über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Lockdown Umsatzersatz darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Lockdown Umsatzersatzes durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO Lockdown Umsatzersatz), BGBl II 503/2020,

– "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus), BGBl II 74/2021,

– "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Lockdown Umsatzersatz darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Lockdown Umsatzersatzes durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (3. VO Lockdown Umsatzersatz), BGBl II 567/2020, sowie

– "und über das Unternehmen darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe (ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten) oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein" in Punkt 3.1.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG), BGBl II 72/2021,

mit näherer Begründung als gesetzwidrig auf.

2.3. Die durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien angefochtene Regelung des Punktes 3.1.6 Anhanges zur VO über die Gewährung eines FKZ800.000, BGBl II 497/2020, gleicht den mit den Erkenntnissen vom 5. Oktober 2023, V145/2022 ua, und G172/2022, V172/2022, aufgehobenen Verordnungsbestimmungen, weswegen auf die dortigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden kann. Die durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien angefochtene Regelung des Punktes 3.1.6 des Anhanges zur VO über die Gewährung eines FKZ800.000 findet aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2023, V145/2022, genannten Gründen keine Deckung in §3b Abs3 ABBAG Gesetz bzw nunmehr §3 Abs1 iVm §2 Abs9 Z5 COFAG NoAG.

2.4. Im Hinblick auf dieses Ergebnis kann eine Auseinandersetzung mit den vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot nach Art4 7. ZPEMRK unterbleiben.

V. Ergebnis

1. Die Wortfolge "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein FKZ800.000 darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.6 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ800.000), BGBl II 497/2020, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Ausspruch, dass der Bundesminister für Finanzen zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung verpflichtet ist, kann hier entfallen, weil diese Verpflichtung bereits im heutigen Erkennntnis zur Zahl V103105/2024 enthalten ist (vgl VfGH 13.12.2019, G119/2019 ua).

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.