JudikaturVfGH

G147/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2024
Leitsatz

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch eine Bestimmung des Krnt ChancengleichheitsG betreffend die Anrechnung des Einkommens eines unterhaltspflichtigen – in einer Haushaltsgemeinschaft mit dem behinderten Menschen lebenden – Elternteils auf Leistungen nach dem Krnt ChancengleichheitsG; Unsachlichkeit der gänzlichen Anrechnung des – den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende überschreitenden – Differenzbetrags unabhängig von weiteren Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen

Spruch

I. §6 Abs1 litb des Gesetzes zur Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung (Kärntner Chancengleichheitsgesetz – K-ChG), LGBl für Kärnten Nr 8/2010, idF LGBl für Kärnten Nr 23/2021 war verfassungswidrig.

II. Der Landeshauptmann von Kärnten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Kärnten, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, dass

"§6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, Kärntner LGBl 8/2010 in der Fassung Kärntner LGBl 23/2021,

in eventu

1. §6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, Kärntner LGBl 8/2010 in der Fassung Kärntner LGBl 23/2021, und

2. in §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBI I 41/2019, in der Stammfassung, die Wortfolge 'des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw'

in eventu

1. §6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, Kärntner LGBl 8/2010 in der Fassung Kärntner LGBl 23/2021, und

2. in §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBI I 41/2019, in der Stammfassung, die Wortfolge 'sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt.'

in eventu

1. §6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, Kärntner LGBl 8/2010 in der Fassung Kärntner LGBl 23/2021, und

2. in §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBI I 41/2019, in der Stammfassung, die Wortfolge 'sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.'

als verfassungswidrig aufgehoben wird (werden)."

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die §§6, 7 und 8 des Gesetzes zur Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung (Kärntner Chancengleichheitsgesetz – K-ChG), LGBl 8/2010, idF LGBl 107/2020 (§§7 und 8) und LGBl 23/2021 (§6) lauteten wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§6

Subsidiarität, Leistungen Dritter, Eigene Mittel

(1) Leistungen nach diesem Gesetz dürfen, soweit nicht anderes bestimmt ist, nur so weit gewährt werden, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden kann und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist. Zu den Leistungen Dritter zählen auch

a) jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten, der den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende pro Monat übersteigt, sowie

b) jener Teil des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil eines Menschen mit Behinderung mit Anspruch auf Familienbeihilfe, der den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende pro Monat übersteigt.

(1a) Als Leistungen Dritter nicht zu berücksichtigen sind freiwillige Leistungen, wenn diese sonst eingestellt würden, außer diese Leistungen erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, so dass keine Leistungen nach §8 erforderlich wären.

(2) Der Mensch mit Behinderung hat Ansprüche gegen Dritte, bei deren Erfüllung Leistungen nach diesem Gesetz nicht oder nicht in diesem Ausmaß zu gewähren wären, zu verfolgen, soweit

a) dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist oder

b) kein Fall des §19 Abs3a lita bis c oder litd Z1 und 3 vorliegt oder

c) nicht Unterhaltsansprüche von Menschen mit Behinderung, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber ihren Eltern betroffen sind.

Soweit dies zweckmäßig erscheint, ist ein Anspruchsübergang im Sinne des §19 Abs4 zu bewirken.

(3) Die eigenen Mittel umfassen das gesamte Einkommen und das verwertbare Vermögen des Menschen mit Behinderung.

(4) Als Einkommen gelten, soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt, alle Einkünfte, die dem Menschen mit Behinderung zufließen. Nicht zum Einkommen zählen

a) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, mit Ausnahme der Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich, ausgenommen bei der Bemessung der Leistung nach §13 Abs2,

b) Kinderabsetzbeträge gemäß §33 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988,

c) bei Bezug von Leistungen nach §8 in anderen Landesgesetzen vorgesehene Wohnbeihilfen, welche den angemessenen Wohnbedarf gemäß §8 Abs6 in Verbindung mit §12 Abs5 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 2021 übersteigen,

d) bei der Bemessung des Kostenbeitrages nach §17 Unterhaltsleistungen von Eltern gegenüber einem Menschen mit Behinderung, der das 25. Lebensjahr vollendet hat,

e) Leistungen des Sozialentschädigungsrechts nach bundesrechtlichen Vorschriften, soweit es sich dabei nicht um einkommensabhängige Leistungen mit Sozialunterstützungscharakter handelt,

f) Einkünfte, die im Rahmen von Leistungen nach diesem Gesetz erworben werden,

g) Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach gleichartigen gesetzlichen Bestimmungen oder andere pflegebezogene Geldleistungen bei dem pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung selbst oder bei einem Menschen mit Behinderung, der pflegebedürftige Angehörige im Sinne des §6 Abs7 iVm §10 Abs5 Z4 des Kärntner Sozialhilfegesetzes überwiegend betreut.

(4a) Menschen mit Behinderung, die nach mehr als sechs Monaten ununterbrochenen Bezuges von Hilfe zum Lebensunterhalt noch während des Bezuges von Leistungen nach §8, nach längerer Erwerbslosigkeit oder erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ist auf Antrag für die Dauer der ersten zwölf Monate der Erwerbstätigkeit ein Freibetrag in Höhe von 35 vH des Betrages nach Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende pro Monat aus dem daraus erzielten Einkommen einzuräumen.

(5) Erhält ein Mensch mit Behinderung auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung des Landes regelmäßig teilstationäre Leistungen, ist das Pflegegeld entsprechend der durchschnittlichen Dauer der Leistung als Einkommen zu berücksichtigen. Die Landesregierung darf durch Verordnung die prozentuelle Höhe des zu berücksichtigenden Pflegegeldes, abhängig von der durchschnittlichen Unterbringungsdauer unter Berücksichtigung allfälliger Schließzeiten, festsetzen.

(6) Wird der Lebensunterhalt bei stationärer Unterbringung weitgehend gesichert, so sind 20 vH des Einkommens des Menschen mit Behinderung nicht als Einkommen zu berücksichtigen (Taschengeld). Bei teilstationärer Unterbringung darf das Einkommen insoweit berücksichtigt werden, als durch die Unterbringung der Bedarf nach §8 Abs1 gedeckt und der Lebensunterhalt des Menschen mit Behinderung nicht gefährdet ist.

(7) Die Erbringung von Leistungen nach diesem Gesetz hat unter Berücksichtigung der Bereitschaft zum zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft des Menschen mit Behinderung zu erfolgen. §10 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 2021 ist anzuwenden.

(8) Nicht zum verwertbaren Vermögen gehören Gegenstände, deren Verwertung eine soziale Notlage erst auslösen, verlängern oder deren Überwindung gefährden würde. Dies ist insbesondere anzunehmen bei

a) Gegenständen, deren Anrechnung oder Bewertung eine soziale Notlage erst auslösen, verlängern oder deren Überwindung gefährden würde, insbesondere bei

1. Gegenständen, die zur Erwerbsausübung oder Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse erforderlich sind,

2. Gegenständen, die als Hausrat anzusehen sind,

3. Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder aufgrund besonderer Umstände wie der Behinderung oder unzureichender Infrastruktur erforderlich sind;

b) Ersparnissen bis zu einem Freibetrag von 2000% des Netto-Ausgleichzulagen-Richtsatzes für Alleinstehende pro Monat;

c) sonstigen Vermögenswerten ausgenommen Immobilien, soweit sie den Freibetrag nach litb nicht übersteigen und solange Leistungen nach §8 nicht länger als sechs unmittelbar aufeinanderfolgende Monate bezogen werden. Für diese Frist sind auch frühere ununterbrochene Bezugszeiten von mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn diese nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

(8a) Ebenfalls nicht zum verwertbaren Vermögen gehört das Vermögen von Personen, welche in stationären oder teilstationären Einrichtungen gemäß §13 iVm §11 Abs1 des Kärntner Mindestsicherungsgesetzes untergebracht sind.

(10) Die Landesregierung darf durch Verordnung nähere Vorschriften über den Einsatz der eigenen Mittel erlassen. Diese Verordnung hat insbesondere zu regeln, inwieweit Einkommen oder verwertbares Vermögen des Menschen mit Behinderung nicht zu berücksichtigen ist. Bei der Erlassung der Verordnung ist auf die Lebenshaltungskosten in Kärnten für durchschnittliche Lebensverhältnisse, die Unterhaltspflichten, auf lebens- und existenznotwendige Ausgaben des Menschen mit Behinderung sowie auf Aufwendungen, die der Sicherung und Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage dienen, Bedacht zu nehmen.

§7

Leistungen und Grundsätze

(1) Als Leistungen für die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

a) Hilfe zum Lebensunterhalt (§8),

b) Zuschüsse zu Therapien und Hilfsmitteln (§9),

c) Förderung der Erziehung und Entwicklung (§10),

d) Fähigkeitsorientierte Beschäftigung und berufliche Eingliederung (§11),

e) Assistenzleistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (§12),

f) Unterbringung in Einrichtungen (§13),

g) Beratung für Menschen mit Behinderung (§14),

h) Sonstige Unterstützungsleistungen (§15),

i) Fahrtkostenzuschuss (§16).

(2) Auf Leistungen nach §§8 Abs2, 3 und 7, 13 und 16 besteht nach Maßgabe der von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach §46 besteht, angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen ein Rechtsanspruch. Auf eine bestimmte Leistung besteht kein Rechtsanspruch.

(3) Die Leistungen nach diesem Gesetz sollen sich nach dem individuellen Bedarf des Menschen mit Behinderung richten und so gestaltet sein, dass die Hilfe zur Selbsthilfe, die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung möglichst gestärkt werden. Auf angemessene Wünsche des Menschen mit Behinderung ist so weit wie möglich Bedacht zu nehmen.

(4) Die Leistungen nach diesem Gesetz sollen im Hinblick auf die Zielerreichung möglichst nachhaltig und so gestaltet sein, dass der Mensch mit Behinderung im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld möglichst integriert bleibt.

(5) Die Leistungen nach diesem Gesetz können mobil, ambulant, teilstationär, vollstationär sowie als Geld- und Sachleistungen erbracht werden. Stationäre Leistungen dürfen mit Zustimmung des Menschen mit Behinderung oder seines Vertreters gewährt werden, wenn andere Leistungsformen nicht möglich oder mit einem unangemessenen Mehraufwand verbunden sind. Den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ist bei der Zuerkennung von Leistungen zu entsprechen.

(5a) Als Geld- oder Sachleistungen kommen einmalige oder laufende Leistungen (Dauerleistungen) in Betracht. Dauerleistungen sind zu erbringen, wenn der Bedarf voraussichtlich für mehr als drei Monate besteht und keine Änderung der maßgeblichen Umstände für den Leistungsbezug zu erwarten ist. Als Sachleistung gilt auch die unmittelbare Entgeltzahlung an eine Person, die eine Sachleistung zugunsten eines Bezugsberechtigten erbringt, oder die Kostenerstattung für Zahlungen zur Deckung des Wohnbedarfs, die aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtungen zu leisten sind oder bereits geleistet wurden.

(6) Die Leistungen nach diesem Gesetz sind in fachgerechter Weise zu erbringen, wobei wissenschaftlich anerkannte Erkenntnisse und die daraus entwickelten Methoden berücksichtigt werden sollen.

(7) Die mit der Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz betrauten Personen müssen dafür persönlich und fachlich geeignet sein. Das Land Kärnten kann solchen Personen bei Bedarf eine Supervision anbieten. Dabei hat es sich Dritter zu bedienen.

(8) Ansprüche auf Leistungen nach diesem Gesetz dürfen weder gepfändet noch verpfändet werden. Die Übertragung von Ansprüchen nach diesem Gesetz ist bei sonstiger Unwirksamkeit nur mit Zustimmung der Landesregierung und nur befristet möglich. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Übertragung im Interesse des Menschen mit Behinderung liegt und der Erfolg der Leistung nicht gefährdet wird.

(9) Ein Anspruch auf Leistungen gemäß §8 besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.

§8

Hilfe zum Lebensunterhalt

(1) Die Hilfe zum Lebensunterhalt gewährleistet die Deckung des Lebensbedarfs und des angemessenen Wohnbedarfs. Der Lebensbedarf umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe. Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten, Energie und Abgaben.

(2) Der jeweilige Betrag der Hilfe zum Lebensunterhalt für Menschen mit Behinderung errechnet sich nach folgenden Prozentsätzen des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende pro Monat:

a) für alleinstehende oder alleinerziehende Personen 100 vH,

b) für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen

1. pro leistungsberechtigter Person 70 vH;

2. ab der dritten leistungsberechtigten Person 45 vH;

c) für in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 21 vH;

d) Zuschläge, die alleinerziehenden Personen zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts gewährt werden:

1. für die erste minderjährige Person 12 vH;

2. für die zweite minderjährige Person 9 vH;

3. für die dritte minderjährige Person 6 vH;

4. für jede weitere minderjährige Person 3 vH;

e) behinderungsbedingter Zuschlag pro Person 18 vH.

(3) Sofern es im Einzelfall zur Vermeidung besonderer Härtefälle notwendig ist, dürfen dem Menschen mit Behinderung zusätzliche Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts oder zur Abdeckung außerordentlicher Kosten des Wohnbedarfs in Form zusätzlicher Sachleistungen gewährt werden, soweit der tatsächliche Bedarf durch pauschalierte Leistungen nach Abs1 nicht abgedeckt ist und dies im Einzelfall nachgewiesen wird.

(4) Die sich aus Abs2 litb ergebende Summe ist rechnerisch auf alle volljährigen Personen in der Haushaltsgemeinschaft gleichmäßig aufzuteilen. Der sich so ergebende Betrag ist der Ausgangsbetrag für Zuschläge nach Abs2 lite sowie allfällige Kürzungen nach §6a.

(5) Hilfe zum Lebensunterhalt darf auch durch die Übernahme von Kosten geleistet werden, die erforderlich sind, um dem Menschen mit Behinderung Anspruch auf eine angemessene Alterssicherung zu verschaffen, wenn dadurch eine dauerhafte soziale Absicherung des Menschen mit Behinderung erreicht werden kann.

(6) §12 Abs5 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 2021 sind anzuwenden.

(7) Der Betrag nach §8 Abs2 erhöht sich um 10 vH, bei mehr als einer anspruchsberechtigten Person in einer Haushaltsgemeinschaft um 7 vH pro Person des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende pro Monat, bei Personen,

a) die das 60. Lebensjahr vollendet haben;

b) die für die Pflege und Erziehung mindestens eines Kindes zu sorgen haben oder hatten,

c) die keinen Anspruch auf Pension, Ruhegenuss oder eine vergleichbare Leistung aufgrund eigener Erwerbstätigkeit haben, und

d) die vom Land als Träger von Privatrechten aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen der lita bis c keine Leistungen erhalten, die der vorgesehenen Erhöhung entsprechen oder sie übersteigen; ist die Leistung des Landes als Träger von Privatrechten niedriger als die hier vorgesehene Erhöhung, erhöht sich der Betrag nach §8 Abs2 um den Differenzbetrag."

2. §1, §2 und §7 des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), BGBl I 41/2019, laute(te)n wie folgt (die mit dem ersten Eventualantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Ziele

§1. Leistungen der Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln sollen

1. zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen,

2. integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen und

3. insbesondere die (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitest möglich fördern.

Bedarfsbereiche

§2. (1) Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geld- oder Sachleistungen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs gewährt werden.

(2) Der allgemeine Lebensunterhalt umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege sowie sonstige persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Hausrat, Heizung und Strom, sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

(4) Dieses Bundesgesetz berührt nicht sonstige Leistungen der Sozialhilfe, die zum Schutz bei Alter, Schwangerschaft, Krankheit und Entbindung oder zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Pflege oder Behinderung erbracht werden. Gleiches gilt für besondere landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen infolge eines Pflegebedarfs oder einer Behinderung gewährt werden.

(5) Landesgesetzliche Vorschriften, die ausschließlich der Minderung eines Wohnaufwandes gewidmet sind und an eine soziale Bedürftigkeit anknüpfen, unterliegen nicht den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß §5 ausgeschlossen ist.

Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln

§7. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen – auch im Ausland – angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen auch sämtliche öffentlichen Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.

(2) Leistungen der Sozialhilfe sind davon abhängig zu machen, dass die diese Leistungen geltend machende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte verfolgt, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Die Zulässigkeit einer unmittelbar erforderlichen Unterstützung bleibt unberührt. Die Ansprüche können auch zu deren Rechtsverfolgung an den zuständigen Träger übertragen werden.

(3) Leistungen, die aufgrund des AlVG erbracht werden, sind auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen. Ansprüche, die dem Bezugsberechtigten aufgrund des AlVG grundsätzlich zustehen, aber aufgrund eines zurechenbaren Fehlverhaltens des Bezugsberechtigten verloren gehen, dürfen nur bis zum Höchstausmaß von 50 % des Differenzbetrages durch Leistungen der Sozialhilfe ausgeglichen werden.

(4) Die Familienbeihilfe (§8 FLAG), der Kinderabsetzbetrag (§33 Abs3 EStG) und die Absetzbeträge gemäß §33 Abs4 EStG sind nicht anzurechnen. Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.

(5) Eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln hat insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs des Bezugsberechtigten gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.

(6) Personen, die während des Bezuges von Leistungen der Sozialhilfe eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ist ein anrechnungsfreier Freibetrag von bis zu 35 % des hieraus erzielten monatlichen Nettoeinkommens und für eine Dauer von höchstens zwölf Monaten einzuräumen.

(7) Bezugsberechtigte sind zur Abgabe eines Einkommens- und Vermögensverzeichnisses, zur Vorlage geeigneter Urkunden zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen Situation sowie zur unverzüglichen Bekanntgabe nachträglicher Änderungen, längstens binnen eines Monats zu verpflichten.

(8) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass das Vermögen des Bezugsberechtigten keiner Anrechnung oder Verwertung unterliegt,

1. wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte;

2. wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes der Person, die Leistungen der Sozialhilfe geltend macht oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen dient (Wohnvermögen); insoweit kann die Landesgesetzgebung hinsichtlich solcher Leistungen, die nach drei unmittelbar aufeinander folgenden Jahren eines Leistungsbezugs weiterhin zu gewähren sind, die grundbücherliche Sicherstellung einer entsprechenden Ersatzforderung gegenüber dem Bezugsberechtigten vorsehen;

3. soweit das verwertbare Vermögen einen Wert von 600 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigt (Schonvermögen)."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die im Jahr 2001 geborene, einkommens- und vermögenslose, behinderte Beschwerdeführerin im Anlassverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens) ist ledig, lebt mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt und wird in einer Tagesstätte mit Verpflegung "halbintern" gefördert. Sie erhält erhöhte Familienbeihilfe sowie Pflegegeld der Stufe 1, wovon ein Kostenbeitrag einbehalten wird. Der im gemeinsamen Haushalt lebende Vater bezieht ein monatliches Einkommen in der Höhe von € 1.363,– die ebenfalls im gemeinsamen Haushalt lebende Mutter in der Höhe von € 387,32.

1.2. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 16. November 2021 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §8 K ChG stattgegeben und ab 1. Oktober 2021 eine monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt in der Höhe von € 138,75 gewährt. Die Kärntner Landesregierung ging bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt unter Bezugnahme auf "§8 Abs3 litb Z1 K-ChG" von einem Basisbetrag von 70 % (€ 664,62) des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende (€ 949,46) aus, weil die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens in Haushaltsgemeinschaft lebe, und rechnete zu diesem Betrag 18 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende (€ 170,90) als behindertenbedingten Zuschlag hinzu (§8 Abs2 lite K ChG). Von dem sich daraus ergebenden Betrag von € 835,52 zog die Kärntner Landesregierung den Sachbezug der Verpflegung in der Tagesstätte, den sie mit € 56,06 bewertete, und das anrechenbare Einkommen des Vaters in der Höhe von € 640,71 ab, woraus sich eine zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt in der Höhe von € 138,75 monatlich ergebe.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens im Wesentlichen aus, dass ihr Vater auch gegenüber ihrer Mutter unterhaltspflichtig sei. Dies sei bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden. Zudem erbringe ihr Vater Naturalleistungen für die Wohnversorgung, und die Beschwerdeführerin müsse für die teilstationäre Unterbringung einen Kostenbeitrag leisten, sodass die Anrechnung des Sachbezuges auf den Lebensunterhalt nicht zulässig sei.

1.4. Aus Anlass dieser Beschwerde stellt das Landesverwaltungsgericht Kärnten den vorliegenden Antrag.

2. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"c. Abgrenzung zur Sozialhilfe

Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz — SH-GG, BGBl 41/2019, verpflichtet in §7 Abs1 den Landesgesetzgeber sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen — auch im Ausland — angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen nach dieser Bestimmung auch sämtliche öffentliche Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (514 BIgNR 26.GP) wird zum zweiten Teil dieser Bestimmung nichts ausgeführt. Das K-ChG hat im §6 Abs1 offenkundig die im Grundsatzgesetz vorgegebene Regelung umgesetzt bzw übernommen.

Der Verfassungsgerichtshof hatte die Bestimmung des §7 Abs1 SH-GG bereits in seinem Verfahren VfSlg 20359/2019 zu prüfen, er hat diese Bestimmung aber nicht als verfassungswidrig erkannt. Näher Ausführungen zu dieser Bestimmung sind im Erkenntnis nicht zu finden. Es sind aber die Ausführungen zum 'Armenwesen' zu beachten, welches die kompetenzrechtliche Grundlage für die Erlassung des Grundsatzgesetzes bildet:

'Zur kompetenzrechtlichen Zuordnung von Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand hat der Verfassungsgerichtshof zudem bereits ausgesprochen, dass die Erbringung von Geldleistungen grundsätzlich kompetenzrechtlich neutral ist (siehe dazu VfSlg 4609/1963 und 17.942/2006). Wie in VfSlg 4609/1963 festgestellt, ist im Hinblick auf die Zuordnung einer Geldleistung zu einem Kompetenztatbestand auf das Motiv der Gewährung dieser Leistung abzustellen: "Wenn Geldleistungen aus dem Gesichtspunkt der sozialen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden, ist daher zu untersuchen, ob sie im Rahmen einer bestimmten Verwaltungsmaterie gewährt werden, oder ob die soziale Hilfsbedürftigkeit das einzige Motiv der Gewährung ist; in letzterem Falle wäre eine derartige Regelung dem Armenwesen zuzuordnen, auch wenn es sich um Geldleistungen zum Zwecke der Hilfe gegen Krankheit handelt. Auch im Rahmen des Gesundheitswesens können daher Regelungen getroffen werden, mit denen einer sozialen Hilfsbedürftigkeit begegnet wird."

Es kommt sohin auf den Zusammenhang der Leistung mit jener Verwaltungsmaterie an, in deren Rahmen sie gewährt wird; wird die Leistung ohne Zusammenhang mit einer bestimmten Verwaltungsmaterie allein aus dem Motiv der Hilfsbedürftigkeit gewährt, kommt der Kompetenztatbestand "Armenwesen" in Betracht (VfSlg 17.942/2006). Nach dem SH-GG sollen Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen. Primär werden die Sozialhilfeleistungen daher aus dem Motiv der Hilfsbedürftigkeit gewährt und unterfallen folglich dem Kompetenztatbestand "Armenwesen"; dass dabei auch arbeitsmarktpolitische und fremdenpolizeiliche Aspekte berücksichtigt werden, ändert im Lichte der Vorjudikatur nichts an der Subsumtion unter Art12 Abs1 Z1 B VG.'

Das Motiv der Sozialhilfe ist, Hilfesuchenden ein Auffangnetz zu gewähren, gleichzeitig aber auch klarzustellen, welches Höchstmaß an Versorgung durch den Staat bei Hilfsbedürftigkeit zu gewähren ist. Wurden im Rahmen der Mindestsicherung noch Mindestsätze festgelegt, so sind es nun im SH-GG Höchstsätze, die Hilfesuchenden bei Hilfsbedürftigkeit maximal gewährt werden dürfen.

Das Motiv der Hilfeleistung bei Menschen mit Behinderung stellt aber nicht auf die Hilfsbedürftigkeit dieser Personen alleine ab, sondern hat als primäres Ziel Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die soziale Hilfsbedürftigkeit ist hier nicht das einzige und vorrangige Motiv der Gewährung der Leistungen; somit Fallen Leistungen für Menschen mit Behinderung aufgrund der speziellen Zielsetzung nicht unter das 'Armenwesen'. Es ist daher das SH-GG für die Regelung der Leistungen an Menschen mit Behinderung nicht zu beachten und damit auch nicht die spezielle Regelung in §7 Abs1 SH-GG.

d. Wirkung der angefochtenen Regelung

Ziel des K-ChG ist es — wie schon erwähnt - Mensch mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (§1 Abs1 K-ChG). Leistungen nach diesem Gesetz sind — ausgenommen dem Kärntner Mindestsicherungsgesetz oder dem Kärntner Sozialhilfegesetz — subsidiär zu gewähren, d. h. Leistungen sind nur dann und soweit an Menschen mit Behinderung zu gewähren, wenn sie nicht aufgrund anderer Rechtsvorschriften Leistungen erhalten oder den Erhalt von Leistungen geltend machen können, die mit den Leistungen nach diesem Gesetz vergleichbar sind (§5 Abs3 K-ChG). Weiters dürfen Leistungen nach diesem Gesetz nur gewährt werden, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden kann und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist (§6 Abs1 K-ChG). Wenn nun §6 Abs1 litb K-ChG bestimmt, dass zu den Leistungen Dritter auch jener Teil des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil eines Menschen mit Behinderung mit Anspruch auf Familienbeihilfe zählt, der den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende pro Monat übersteigt, so bedeutet dies, dass dem unterhaltspflichtigen Elternteil als Einkommen nur der Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende verbleibt.

In diesem Zusammenhang wird nicht berücksichtigt, ob der unterhaltspflichtige Elternteil andere Unterhaltspflichten zu erfüllen hat, welche sonstigen Leistungen er für den Menschen mit Behinderung bereits erbringt oder ob er möglicherweise selbst erhöhte Ausgaben aufgrund besonderer Lebensumstände hat.

Der Anlassfall zeigt sehr klar, dass die Behörde dem Vater der Beschwerdeführerin als eigenes Einkommen nur den Wert des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz zuerkennt; das darüberliegende Einkommen wird dem Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin zugerechnet. Dabei wird nicht beachtet, dass der Vater der Beschwerdeführerin auch unterhaltspflichtig gegenüber seiner Ehefrau ist und wird auch nicht berücksichtigt, dass er den Wohnbedarf der Beschwerdeführerin deckt und weitere Leistungen für sie erbringt.

e. Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelung

Das Landesverwaltungsgericht sieht in der angefochtenen Regelung eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegeben aber auch einen Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Zum Gleichheitsgrundsatz:

Der Gleichheitssatz bindet die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001; VfGH 06.12.2021, G275/2021ua). Demnach darf die Gesetzgebung nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vornehmen, welche nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Ein Abweichen davon kann nur mit wesentlichen Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden. Eine Norm ist gleichheitswidrig, wenn

- sie tatsächlich Gleiches aus unsachlichen Gründen rechtlich ungleich behandelt, - oder tatsächlich Ungleiches aus unsachlichen Gründen rechtlich gleich behandelt,

- oder eine unsachliche Regelung vornimmt,

- oder den Vertrauensschutz missachtet (vgl VfSlg 20.278/2018).

Im Zusammenhang mit der Gewährung eines Lebensunterhaltes an Menschen mit Behinderung ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zusteht (vgl VfSlg 18.885/2009). Es steht dem Gesetzgeber zB frei, besondere Regelungen für Haushaltsgemeinschaften zu schaffen, weil in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen geringere Wohnkosten und — in einem gewissen Ausmaß — auch geringere Lebenshaltungskosten aufweisen, die sich beispielsweise in degressiven Sozialhilfeleistungen niederschlagen können. Davon unabhängig muss das eingerichtete System seinem Zweck entsprechen sowie in sich sachlich sein (vgl VfSlg 19.698/2012).

Im gegenständlichen Fall wurde durch die Anrechnung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils unabhängig davon, welche sonstigen Verpflichtungen diese unterhaltspflichtige Person hat, eine unsachliche Regelung getroffen, die gerade nicht der Intention des Chancengleichheitsgesetzes entspricht, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten und Ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wenn nämlich unterhaltspflichtige Angehörige, die im selben Haushalt leben durch eine gesetzliche Regelung wie die angefochtene selbst in eine Armutssituation gebracht werden, so hat das auch Auswirkungen auf den Menschen mit Behinderungen selbst, der in diesem Haushalt lebt. Damit wird gerade nicht dem Ziel der lnklusion eines Menschen mit Behinderung gedient.

Ist in einem vom Gesetzgeber eingerichteten System der Gewährung einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der Zweck, der betroffenen Personen eine entsprechende Inklusion zu gewähren, nicht mehr gewährleistet, dann verfehlt ein solches System offensichtlich insoweit seine Aufgabenstellung (vgl VfSlg 19.698/2012).

Dazu kommt, dass tatsächlich Gleiches durch die nur fallweise Anwendung der angefochtenen Norm ungleich behandelt wird. Ein Mensch mit Behinderung, der in einem Zimmer im Haushalt der Eltern lebt, wird anders behandelt, als ein Mensch mit Behinderung, der ebenfalls im Zimmer des Hauses der Eltern wohnt, wenn dieses Zimmer eine Kochmöglichkeit und ein Waschmöglichkeit beinhalte. Bei letzterem liegt keine Haushaltsgemeinschaft vor und kommt daher die Regelung des §6 Abs1 K-ChG nicht zur Anwendung, obwohl beide Menschen mit Behinderung in den Familienverband eingebettet sind und damit auch beide die gleichen Chancen zur lnklusion erhalten sollten. Ebenso kommt diese Regelung nicht zur Anwendung, wenn keine Unterhaltspflicht - aus welchen Gründen auch immer — besteht, obwohl faktisch die gleiche Situation und die gleiche Notwendigkeit zur Förderung der lnklusion gegeben ist.

Weiters ist zu beachten, dass Menschen mit Behinderung Ansprüche gegen Dritte zu verfolgen haben. Ausgenommen davon sind Unterhaltsansprüche von Menschen mit Behinderung, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber ihren Eltern (§6 Abs2 K-ChG). Lebt also ein Mensch mit Behinderung in keiner Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern, so sind Unterhaltsansprüche überhaupt nicht einzurechnen und auch nicht zu verfolgen, was einen wesentlichen Unterschied zu einem Menschen mit Behinderung in Haushaltsgemeinschaft mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil darstellt, deren sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar ist.

Zu beachten ist auch die Ungleichbehandlung gegenüber unterhaltsberechtigten Geschwistern des Menschen mit Behinderung. Diesen wird durch diese Regelung faktisch kein Unterhalt in Form von Geldleistungen ermöglicht oder die unterhaltspflichtige Person wird selbst in die Armut gedrängt, wenn sie mehreren Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen hat. Dies erscheint insbesondere mit Hinweis auf §198 StGB eine besonders prekäre Situation.

Hingewiesen wird auch darauf, dass bei der Notstandshilfe die Einberechnung von PartnerInneneinkommen mit der Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz BGBl I 157/2017 abgeschafft wurde, mit der Begründung (siehe IA 1366/A vom 14.10.2015 25. GP), dass die Berücksichtigung des Einkommens der Partnerin bzw des Partners dazu führt, dass Frauen vielfach nur einen Anspruch auf Kranken- und Pensionsversicherung, jedoch keinen Anspruch auf Notstandshilfe haben. Von dieser Regelung waren massiv Frauen nachteilig betroffen und hat sich diese besonders negativ auf die eigenständige Absicherung von Frauen ausgewirkt. Diese Argumentation ist auch in Bezug auf die angefochtene Regelung im K-ChG beachtlich, da sich auch hier für den Menschen mit Behinderung, der in Haushaltsgemeinschaft lebt, besonders negative Auswirkungen ergeben in Bezug auf seine eigenständige Absicherung. Gerade die Eigenständigkeit soll aber Ziel der Regelungen im K-ChG sein.

Aus den hier zahlreich angeführten Argumenten geht klar hervor, dass die angefochtene Regelung dem Gleichheitssatz widerspricht.

Unversehrtheit des Eigentums:

Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl zB VfSlg 8201/1977, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

Die Regelung des §6 Abs1 K-ChG greift in das Eigentum unterhaltsverpflichteter Elternteile in unverhältnismäßiger Weise ein. Dadurch dass rein auf das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteiles abgestellt wird und sonstige Verpflichtungen und Verbindlichkeiten, die der Elternteil zu begleichen hat völlig außer Betracht bleibe, führt diese Regelung insbesondere dann, wenn auch andere Unterhaltsverpflichtungen bestehen zu einer übermäßigen Belastung des Elternteils. Diese Belastung geht soweit, dass dieser Elternteil — will es auch den anderen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen — in die Armut gedrängt wird. Ein solcher Eingriff ist, da er unverhältnismäßig ist, auch im Lichte des Art5 StGG verfassungswidrig.

B. Zu den Eventualanträgen

Sollte der Verfassungsgerichtshof der Meinung sein, dass das SH-GG sehr wohl auf die Bestimmungen betreffend die Gewährung des Lebensunterhaltes nach dem KChG anzuwenden ist, dann wäre §7 Abs1 SH-GG vom Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung des K-ChG zu beachten gewesen. Darüber hinaus hätte auch das Landesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die den Anlassfall bildende Beschwerde §7 Abs1 SH-GG anzuwenden, insbesondere bei der Interpretation der Regelung des §6 Abs1 litb K-ChG. Es wäre damit auch §7 Abs1 SH GG für das Landesverwaltungsgericht präjudiziell.

§7 Abs1 zweiter Teil des zweiten Satzes SH-GG sieht vor, dass jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehen Bemessungsgrundlage übersteigt, zu den Leistungen Dritter zu zählen ist. Aufgrund des klaren Wortlautes dieser Bestimmung, ist davon auszugehen, dass bereits die Bestimmung des Grundsatzgesetzes vorgibt, dass dem im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten nur jener Betrag seines Einkommens verbleibt, der der Bemessungsgrundlage des §5 SH-GG entspricht, dies ohne Berücksichtigung allfälliger sonstiger bestehender Verpflichtungen. Dies ergibt sich auch daraus, dass von einem umfassenden Einkommensbegriff traditionell in der Sozialhilfe ausgegangen wird.

Festzuhalten ist, dass nur die Wortfolge 'des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw' maßgeblich für den vorliegenden Fall ist; dies deshalb weil im Anlassfall das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Vaters der Beschwerdeführerin für die Bemessung des Lebensunterhaltes mit einzubeziehen ist. Aufgrund dieser Beurteilung erfolgte die Formulierung des ersten Eventualantrages.

Für den Fall dass der Verfassungsgerichtshof der Meinung sein sollte, dass der gesamte hinter Teil des zweiten Satzes des §7 Abs1 SH-GG als Einheit zu werten ist und daher nicht die einzelne Wortfolge herausgelöst werden kann, wurde ein weiterer Eventualantrag gestellt.

Der dritte Eventualantrag inkludiert auch den letzten Satz des §7 Abs1 SH-GG, weil dieser unmittelbar mit dem davorliegenden Satz eine Einheit bildet. Dieser Aufhebungsumfang wurde für den Fall gewählt, dass der Verfassungsgerichtshof hier einen untrennbaren Zusammenhang des letzten Satzes mit dem zweiten Halbsatz des zweiten Satzes des §7 Abs1 SH-GG erkennen sollte.

Alle Eventualanträge wurden aufgrund derselben Bedenken gestellt, wie sie bereits beim Hauptantrag zu §6 Abs1 K-ChG dargelegt wurden und darf, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Begründung des Hauptantrages verwiesen werden. Die angefochtenen Wortfolgen in §7 Abs1 SH-GG widersprechen daher auch dem Gleichheitssatz des Art7 BVG und verletzen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums des Art5 StGG."

3. Die Kärntner Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung des Antrages begehrt und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"I .

Der in Anfechtung stehende §6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, LGBl Nr 8/2010, in der Fassung LGBl Nr 23/2021, beruht – wie das Kärntner Landesverwaltungsgericht richtigerweise ausführt – auf den Vorgaben des §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019. §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz normiert, dass zu den Leistungen Dritter jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt, zählt.

§2 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz definiert als Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes Geld- oder Sachleistungen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs gewährt werden. Der allgemeine Lebensunterhalt umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege sowie sonstige persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe (§2 Abs2 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz). Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Hausrat, Heizung und Strom, sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben (§2 Abs2 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz).

§2 Abs4 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz schränkt den Anwendungsbereich des Grundsatzgesetzes ein und normiert, dass hierdurch Leistungen zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Behinderung oder landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen infolge einer Behinderung gewährt werden, nicht berührt werden.

§5 Abs2 Z5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sieht einen Zuschlag für Menschen mit Behinderung bei der monatlichen Leistung der Sozialhilfe vor, sofern nicht besondere landesgesetzliche Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, höhere Leistungen vorsehen.

Der Vergleich der grundsatzgesetzlichen Vorgaben mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §8 Kärntner Chancengleichheitsgesetz zeigt, dass §8 Abs1 Kärntner Chancengleichheitsgesetz die Hilfe zum Lebensunterhalt nahezu wortgleich mit §2 Abs2 und 3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz definiert und hierbei keine landesgesetzliche Vorschrift, die nur aufgrund der Behinderung gewährt wird, oder die einen Sonderbedarf abdecken will, vorliegt. §8 Kärntner Chancengleichheitsgesetz regelt die Hilfe zum Lebensunterhalt und zum Wohnbedarf entsprechend den Vorgaben des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, da diese Leistung unter die vom Grundsatzgesetz vorgegebene Sozialhilfeleistung zu subsumieren ist.

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist daher eine Leistung der 'offenen Sozialhilfe', die sowohl nach den grundsatzgesetzlichen Vorgaben wie auch aus gleichheitsrechtlichen Gründen allen Personen in Kärnten grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen zukommen muss. Dem Landesgesetzgeber kommen daher bei Leistungen der Sozialhilfe, wie sie die Leistungen nach dem Kärntner Sozialhilfegesetz 2021 und auch §8 Kärntner Chancengleichheitsgesetz vorsehen, nur jener Spielraum und jene Differenzierungsmöglichkeiten zu, den das Grundsatzgesetz dem Ausführungsgesetzgeber überlässt. Auch die Erläuterungen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz verweisen zwar auf die Möglichkeit des Landesgesetzgebers, weiterhin 'Leistungen, die an eine Behinderung des Bezugsberechtigten anknüpfen, im Rahmen besonderer Gesetze (vgl etwa das Oö ChG oder das Stmk StBHG) oder besonderer Regelungen im Rahmen bestehender Sozialhilfe- oder Mindestsicherungsgesetze, die eine finanzielle Besserstellung des behinderten oder pflegebedürftigen Bezugsberechtigten bewirken, zu gewähren (vgl etwa §7 Abs2 Z5 WMG), ohne dabei an den besonderen Rahmen dieses Bundesgesetzes gebunden zu sein.' (ErlRV 514 BlgNR XXVI. GP 3). Für den Bereich der Leistung der offenen Sozialhilfe, wie er in §8 Kärntner Chancengleichheitsgesetz geregelt ist, sieht §5 Abs2 Z5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz jedoch einen Zuschlag vor, sollten landesgesetzliche Bestimmungen nicht höhere Leistungen zur Abgeltung des damit verbundenen Sonderbedarfes vorsehen. Der Verweis auf 'höhere Leistungen' lässt nicht den Schluss zu, dass auch Abweichungen in sonstigen Bereichen bei der Bemessung der offenen Sozialhilfe für Menschen mit Behinderung zulässig sind. So wird in §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz keine abweichende Regelungsmöglichkeit für Menschen mit Behinderung normiert.

Unbenommen scheint es dem Landesausführungsgesetzgeber daher, spezielle Regelungen für Leistungen für Menschen mit Behinderung oder höhere Geldleistungen im Bereich der offenen Sozialhilfe vorzusehen; eine unabhängig vom Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ausgestaltete offene Sozialhilfe nur für den Personenkreis der Menschen mit Behinderung lässt sich aus §2 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, der in Abs4 auf 'sonstige Leistungen der Sozialhilfe [....] zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Pflege oder Behinderung' und besondere landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen infolge eines Pflegebedarf oder einer Behinderung gewährt werden', nicht herleiten.

Bei §8 Kärntner Chancengleichheitsgesetz handelt es sich gerade nicht um besondere Regelungen, sondern Geldleistungen (oder im Einzelfall Sachleistungen), die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfes (vgl §1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) an einen Teil der potenziell anspruchsberechtigten Personen, den der Menschen mit Behinderung, gewährt werden. Damit wurde die Leistung der offenen Sozialhilfe aus systematischen Gründen auf zwei Gesetze (Kärntner Sozialhilfegesetz 2021 und Kärntner Chancengleichheitsgesetz) aufgeteilt, die Anspruchsberechtigung und die Leistung selbst stimmen jedoch weitestgehend überein, und sowohl das Kärntner Sozialhilfegesetz 2021 als auch §8 des Kärntner Chancengleichheitsgesetzes und damit korrelierend §§5, 6 und 6a Kärntner Chancengleichheitsgesetzes sind daher in Ausführung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes ergangen.

II .

Die Vorgaben zur Berücksichtigung von Einkommensbestandteilen von im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw Lebensgefährten sind in §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz zu finden. Der Landesausführungsgesetzgeber ist an die Grundsatzregelungen gebunden, auch wenn verfassungswidrige Grundsätze normiert werden (Stöger, Art15 Abs6 B VG, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rill-Schäfer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, Rz 8; Wiederin, Art15/7, in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 15).

Der Landesgesetzgeber ist in der Gestaltung der Einkommensberechnung und der Berücksichtigung Leistungen Dritter daher an die grundsatzgesetzlichen Vorgaben des §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gebunden. Differenzierungsmöglichkeiten oder zulässige Abweichungen von den Grundsätzen werden im Hinblick auf §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz dem Ausführungsgesetzgeber nicht eröffnet. Aus diesem Grund kommt dem Landesausführungsgesetzgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von Leistungen Dritter im Hinblick auf im gemeinsamen Haushalt lebende unterhaltspflichtige Angehörige bzw Lebensgefährten kein Spielraum zu und die grundsatzgesetzlichen Vorgaben sind zu übernehmen. Daher ist der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes, '§6 Abs1 litb Kärntner Chancengleichheitsgesetz, Kärntner LGBl 8/2010 in der Fassung Kärntner LGBl 23/2021' als verfassungswidrig aufzuheben, zu eng gefasst und eine allfällige Verfassungswidrigkeit würde bereits der grundsatzgesetzlichen Vorgabe anhaften. Die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachten Bedenken betreffend daher gleichermaßen §7 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz als grundsatzgesetzliche Vorgabe für den Landesausführungsgesetzgeber."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Eventualantrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"I. Zur Rechtslage:

[…]

3.3.

§7 (Abs1) SH-GG ist Ausdruck des für die Sozialhilfe charakteristischen Subsidiaritätsprinzips, wonach Leistungen aus der Sozialhilfe nur insoweit gewährt werden, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch diesem zustehende und einbringliche Leistungen Dritter abgedeckt werden kann (vgl §3 Abs3 SH-GG). In diesem Sinne legt §7 Abs1 erster Satz SH-GG fest, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen – auch im Ausland – anzurechnen sind.

Im Familienverband findet das Subsidiaritätsprinzip seine besondere Ausprägung darin, dass vor einer Inanspruchnahme von Sozialhilfe der „Schutz“ durch den Familienverband möglichst ausgeschöpft werden muss, was sich vor allem in der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, die der Hilfesuchende von Angehörigen erhält, niederschlägt (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht [1989] 365 f und 411 bis 413).

Vor diesem Hintergrund sieht §7 Abs1 zweiter Satz vor, dass auch jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt, zu den Leistungen Dritter zählt.

Die Anrechnung des den eigenen Sozialhilfeanspruch 'übersteigenden' Einkommensteils unterhaltspflichtiger Angehöriger ist keine Neuerung des mit 1. Juni 2019 in Kraft getretenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes. Eine entsprechende Regelung war bereits in Art13 Abs1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I Nr 96/2010, vorgesehen:

'Artikel 13

Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln

(1) Bei der Bemessung von Leistungen nach den Art10 bis 12 sollen die zur Deckung der eigenen Bedarfe (bzw jener der nach Art4 Abs2 zugehörigen Personen) zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, Einkünfte und verwertbares Vermögen berücksichtigt werden. Zu den Leistungen Dritter zählt auch jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin, der den für diese Person nach Art10 Abs3 Z1 lita vorgesehenen Mindeststandard übersteigt. [...]'

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

[…]

2. Die Bundesregierung verweist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl zB VfSlg 19.824/2013 und 19.833/2013).

Dies ist hier der Fall:

Das antragstellende Gericht begehrt in eventu die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen der grundsatzgesetzlichen Bestimmung §7 Abs1 SH-GG. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind grundsatzgesetzliche Regelungen (ausschließlich) an die Ausführungsgesetzgebung adressiert, und erst die Bestimmungen des Ausführungsgesetzes werden von den Vollzugsbehörden und damit auch vom Verwaltungsgerichtshof (oder anderen Gerichten) angewandt. Die Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Kärntens, es habe in dem Verfahren, das dem Antrag zugrunde liegt, auch §7 Abs1 SH-GG anzuwenden, ist daher denkunmöglich (vgl VfSlg 15.576/1999, 16.244/2001; VfGH 8.6.2020, G147/2020 ua).

Außerdem ist §7 Abs1 SH-GG für die im vorliegenden Verfahren anwendbaren landesgesetzlichen Bestimmungen nicht maßgeblich:

Gegenstand des Anlassverfahrens ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Landesregierung Kärnten betreffend die Zuerkennung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Menschen mit Behinderung nach dem K-ChG. Die Regelungen des K-ChG werden durch das SH-GG nicht determiniert: In §2 Abs4 SH-GG wird ausdrücklich festgelegt, dass durch dieses Bundesgesetz landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund deren Leistungen infolge eines Pflegebedarfs oder einer Behinderung gewährt werden, nicht berührt werden. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage (ErlRV 514 Blg XXVI. GP, 3) wird dazu Folgendes ausgeführt:

'Der Landesgesetzgebung ist es weiterhin unbenommen, Leistungen, die an eine Behinderung des Bezugsberechtigten anknüpfen, im Rahmen besonderer Gesetze (vgl etwa das Oö ChG oder das Stmk StBHG) oder besonderer Regelungen im Rahmen bestehender Sozialhilfe- oder Mindestsicherungsgesetze, die eine finanzielle Besserstellung des behinderten oder pflegebedürftigen Bezugsberechtigten bewirken, zu gewähren (vgl etwa §7 Abs2 Z5 WMG), ohne dabei an den besonderen Rahmen dieses Bundesgesetzes gebunden zu sein.'

Das K-ChG knüpft an eine Behinderung der Bezugsberechtigten an (vgl die §§1 und 2 K-ChG) und sieht verschiedene Leistungen für Menschen mit Behinderung vor (vgl §7 K-ChG). Es steht daher nach Ansicht der Bundesregierung fest, dass die im Anlassverfahren anwendbaren Regelungen des K-ChG nicht durch das SHGG determiniert werden. Auch aus diesem Grund ist es denkunmöglich, dass §7 Abs1 SH-GG im Anlassverfahren präjudiziell ist.

3. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag, insoweit er in eventu auf die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen des §7 Abs1 SH-GG gerichtet ist, unzulässig ist.

III. In der Sache:

Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Antrags nimmt die Bundesregierung davon Abstand, in der Sache zu §7 Abs1 SH-GG Stellung zu nehmen. Dies erscheint auch deshalb nicht angezeigt, als das antragstellende Gericht seine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die integrationspolitischen Ziele des K-ChG und die besondere Situation von Menschen mit Behinderung darlegt (siehe die Seiten 18 bis 22 des Antrags), nicht jedoch im Hinblick auf die Ziele und den Regelungskontext des SH-GG.

Durch das Absehen von einer Stellungnahme in der Sache soll nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Bundesregierung Zweifel an der Verfassungskonformität des §7 Abs1 SH-GG hätte."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Mit seinem Hauptantrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Kärnten (ausschließlich) die Aufhebung von §6 Abs1 litb K-ChG idF LGBl 23/2021. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität dieser Bestimmung zweifeln ließe. Zwar wurde §6 Abs1 K-ChG durch die Novelle LGBl 29/2023 neu gefasst, das Landesverwaltungsgericht Kärnten hat §6 Abs1 K-ChG in der angefochtenen Fassung jedoch weiterhin bei der Beurteilung der für Zeiträume bis zum 1. Mai 2023, dem Tag des Inkrafttretens der Novelle LGBl 29/2023, zustehenden Hilfe zum Lebensunterhalt anzuwenden (vgl ArtIV Abs3 LGBl 29/2023).

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag daher als zulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Eventualanträge.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hegt auf das Wesentliche zusammengefasst folgende Bedenken gegen §6 Abs1 litb K-ChG idF LGBl 23/2021:

2.2.1. Die Bestimmung verstoße zunächst gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zwar stehe es dem Gesetzgeber frei, besondere Regelungen für Haushaltsgemeinschaften zu treffen, weil diese zum Teil niedrigere Kosten hätten, diese müssten jedoch in sich sachlich sein. §6 Abs1 litb K-ChG treffe durch die Anrechnung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils unabhängig davon, welche sonstigen Verpflichtungen diese unterhaltspflichtige Person habe, eine unsachliche Regelung. Wenn unterhaltspflichtige Angehörige durch die angefochtene Regelung selbst in eine Armutssituation gebracht würden, so habe dies auch Auswirkungen auf den Menschen mit Behinderung selbst, der in dem Haushalt lebe. Auch werde ein Mensch mit Behinderung, der in einem Zimmer im Haushalt der Eltern lebe, anders behandelt als ein Mensch mit Behinderung, der ein Zimmer im Haus der Eltern bewohne, das mit einer Kochmöglichkeit und einer Waschmöglichkeit ausgestattet sei; obwohl beide Menschen in den Familienverband eingebettet seien, komme im einen Fall §6 Abs1 K-ChG nicht zur Anwendung. Weiters sei zu beachten, dass Menschen mit Behinderung Ansprüche gegen Dritte zu verfolgen hätten; ausgenommen seien davon gemäß §6 Abs2 leg. cit. Unterhaltsansprüche von Menschen mit Behinderung, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber ihren Eltern. Lebe ein Mensch mit Behinderung in keiner Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern, so seien Unterhaltsansprüche überhaupt nicht einzurechnen und auch nicht zu verfolgen; das mache einen wesentlichen Unterschied zu einem Menschen mit Behinderung in Haushaltsgemeinschaft mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil, der nicht sachlich gerechtfertigt sei. Überdies werde unterhaltsberechtigten Geschwistern des Menschen mit Behinderung "faktisch kein Unterhalt in Form von Geldleistungen ermöglicht oder die unterhaltspflichtige Person [werde] selbst in die Armut gedrängt, wenn sie mehreren Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen" habe.

2.2.2. Einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums sieht das Landesverwaltungsgericht Kärnten darin, dass §6 Abs1 K-ChG unverhältnismäßig in das Eigentum unterhaltspflichtiger Elternteile eingreife. Indem allein auf das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgestellt werde und sonstige Verpflichtungen und Verbindlichkeiten außer Betracht blieben, führe die Regelung bei mehreren nebeneinander bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu einer übermäßigen Belastung dieses Elternteils, der – wenn er auch anderen Unterhaltspflichten nachkomme – in die Armut gedrängt werde.

2.3. Die Kärntner Landesregierung hält diesen Bedenken im Wesentlichen entgegen, dass der Inhalt des §6 Abs1 litb K-ChG durch die grundsatzgesetzliche Bestimmung des §7 Abs1 SH-GG vorgegeben sei.

2.4. Der Antrag ist im Ergebnis auch begründet:

2.4.1. Gemäß §6 Abs1 K-ChG dürfen Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich nur so weit gewährt werden, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden kann und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist. Zu den Leistungen Dritter zählt litb dieser Bestimmung auch jenen "Teil des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil [s] eines Menschen mit Behinderung mit Anspruch auf Familienbeihilfe, der den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende pro Monat übersteigt".

2.4.2. Daraus folgt, dass im Falle einer Haushaltsgemeinschaft das Einkommen eines unterhaltspflichtigen Elternteils, soweit es den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende überschreitet, zur Gänze dem unterhaltsberechtigten Unterstützungswerber zuzurechnen ist. Dies gilt lege non distinguente auch dann, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil noch weitere Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen hat. Nach dem Gesetzestext ist der Differenzbetrag gegebenenfalls sogar zu Lasten mehrerer unterhaltsberechtigter, um Hilfe zum Lebensunterhalt werbender, behinderter Angehöriger jeweils zur Gänze – sohin mehrfach – anzurechnen. Diese (im Unterschied zu der zu VfSlg 19.747/2013 maßgeblichen Bestimmung) nicht hinreichend differenzierende Regelung führt damit offenkundig zu unsachlichen Ergebnissen und steht sohin schon aus diesem Grund in Widerspruch zum Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes (Art7 BVG, Art2 StGG).

2.4.3. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten. §7 Abs1 SH-GG ist nicht einschlägig (§2 Abs4 SH GG, vgl Erläut zur RV 514 BlgNR 26. GP, 3)

2.5. Die Novelle zum K-ChG, LGBl 29/2023, hat (ua) §6 Abs1 neu gefasst. Dadurch trat diese Bestimmung in der Fassung LGBl 23/2021 außer Kraft. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art140 Abs4 B VG auf den Ausspruch zu beschränken, dass §6 Abs1 litb K-ChG idF LGBl 23/2021 verfassungswidrig war.

V. Ergebnis

1. §6 Abs1 litb K-ChG war daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig.

2. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz BVG und §64 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 K-KMG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.