WII2/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit Eingabe an den Verfassungsgerichtshof vom 4. September 2023 hat der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee den – wohl auf Art141 Abs1 litc B VG gestützten – Antrag gestellt, das Mitglied des Gemeinderates *** gemäß §31 Abs1 litc K AGO seines Mandates für verlustig zu erklären. Begründend wird ausgeführt, dass der Antragsgegner am 13. April 2021 als Kandidat der Liste "Die Grünen Krumpendorf" in den Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee gewählt und als Mitglied des Gemeinderates angelobt worden sei. In weiterer Folge sei er zum Gemeindevorstand gewählt und angelobt, allerdings von dieser Funktion am 4. Mai 2022 durch die anspruchsberechtigte Gemeindepartei "Die Grünen Krumpendorf" wieder abgewählt worden.
Im Jahr 2022 habe der Antragsgegner an keiner der insgesamt vier Gemeinderatssitzungen teilgenommen. Da er einen Verhinderungsgrund nicht angegeben habe, sei er mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 aufgefordert worden, seinen Verpflichtungen nachzukommen und zur nächsten Sitzung am 22. Dezember 2022 zu erscheinen. Diese Aufforderung iSd §27 Abs3 K AGO sei dem Antragsgegner per Post übermittelt, aber mit dem Vermerk "verzogen" retourniert worden. Auf Grund des Fehlens einer anderen (bekannten) Abgabestelle und des Scheiterns von Versuchen der persönlichen und telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner sei eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt; diese sei am 19. Dezember 2022 wirksam geworden.
2. Mit Schreiben vom 13. September 2023 brachte der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee dem Verfassungsgerichtshof eine Eingabe der *** vom 10. September 2023 an das "Gemeindeamt Krumpendorf z.H. Herrn Amtsleiter *** " zur Kenntnis, in der diese mitteilt, dass sie "[a]ls Erwachsenenvertreterin von *** […] alle Funktionen von *** in der Gemeinde Krumpendorf als beendet erkläre". Diesem Schreiben lag der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2. August 2023, 2 P 81/22b, bei, durch welchen *** gemäß §120 AußStrG zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin des Antragsgegners bestellt wurde.
3. Dem Antragsgegner wurde der Antrag auf Verlustigerklärung des Mandates durch öffentliche Bekanntmachung vom 17. Oktober 2023, auf Grund des Unterbleibens der Abholung sohin mit Wirkung vom 2. November 2023, mit dem Bemerken zugestellt, dass es ihm frei stehe, binnen drei Wochen eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Eine Äußerung wurde nicht erstattet. Diese Aufforderung wurde auch der einstweiligen Erwachsenenvertreterin des Antragsgegners, ***, zur Kenntnis gebracht. Diese teilte mit, dass sie die Mutter des Antragsgegners sei, ihr Sohn an einer schweren Psychose leide und unbekannten Aufenthaltes sei.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat am 28. November 2023 die nach §19 Abs4 VfGG vorgesehene öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der den Parteien Gelegenheit gegeben wurde, ihre Standpunkte zu Sachverhaltsaspekten und Rechtsfragen darzulegen. Der Antragsgegner hat an der Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung weder persönlich teilgenommen noch hat er sich rechtswirksam vertreten lassen.
II. Rechtslage
1. In der vor dem 1. Jänner 2023 geltenden Fassung lauteten die maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – K AGO, LGBl 66/1998, idF LGBl 80/2020 auszugsweise:
"§27
Pflichten
(1) […]
(2) Die Mitglieder des Gemeinderates sind im besonderen verpflichtet, zu den Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse, deren Mitglieder sie sind, rechtzeitig zu erscheinen und daran bis zum Schluß teilzunehmen. Ist ein Mitglied verhindert, dieser Verpflichtung hinsichtlich der Sitzungen des Gemeinderates nachzukommen, so hat es dies - ausgenommen bei unvorhersehbaren Ereignissen - dem Gemeindeamt unter Angabe des Grundes so rechtzeitig bekanntzugeben, daß die Einberufung eines Ersatzmitgliedes noch möglich ist.
(3) Der Bürgermeister hat ein Mitglied des Gemeinderates, das seine besonderen Pflichten (Abs2) verletzt, schriftlich unter Hinweis auf die Rechtsfolgen (§31 Abs1 litc) zum Erscheinen bei der nächsten Sitzung aufzufordern.
(4)-(5) […]
[…]
§30
Beginn und Enden des Mandates
(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates, bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung.
(2) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates endet durch Tod, durch einen an das Gemeindeamt gerichteten schriftlichen Verzicht, durch Nichtigerklärung der Wahl, durch Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates.
§31
Mandatsverlust
(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es
a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs3, 5 und 6) verweigert;
b) nach erfolgter Wahl nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;
c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.
(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.
(3) […]
[…]
§35
Sitzungen des Gemeinderates
(1) Die Sitzungen des Gemeinderates sind vom Bürgermeister nach Bedarf, mindestens aber viermal im Jahr, einzuberufen. Der Bürgermeister ist verpflichtet, eine Sitzung innerhalb einer Woche einzuberufen, wenn ein Mitglied des Gemeindevorstandes oder wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Gemeinderates dies unter Vorschlag der Tagesordnung verlangen. Die Sitzung ist innerhalb von drei Wochen anzuberaumen. Der Bürgermeister hat die vorgeschlagenen Tagesordnungspunkte jedenfalls in die Tagesordnung aufzunehmen; er kann diesen Punkten jedoch weitere Punkte anfügen.
(2) Die Einberufung zu den Sitzungen ist den Mitgliedern des Gemeinderates unter Bekanntgabe der Tagesordnung mindestens eine Woche, in dringenden Fällen mindestens 24 Stunden vor der Sitzung gegen Nachweis zuzustellen. Ersatzzustellung im Sinne des §16 des Zustellgesetzes, BGBl Nr 200/1982, zuletzt in der Fassung BGBl I Nr 40/2017, ist zulässig. Die Einberufung kann auch in jeder anderen technisch möglichen Weise, insbesondere elektronisch, übermittelt werden, wenn das Mitglied des Gemeinderates dieser Übertragungsart schriftlich zugestimmt hat. In diesem Fall genügt die Sendebestätigung als nachweisliche Zustellung. Ersatzmitglieder dürfen in dringenden Fällen in der Reihenfolge der Liste der Ersatzmitglieder des betreffenden Wahlvorschlages mündlich oder telefonisch einberufen werden. Zeit, Ort und Tagesordnung der Sitzung sind gleichzeitig mit der Einberufung an der Amtstafel und im Internet kundzumachen.
(3)-(6) […]"
2. Die nunmehr geltenden maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – K-AGO, LGBl 66/1998, idF LGBl 104/2022 lauten auszugsweise:
"§6c
Automationsunterstützte Vollziehung
(1) Die Vollziehung der Aufgaben der Gemeinde nach diesem Gesetz darf – soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist – auch unter Anwendung von elektronischen Datenverarbeitungsverfahren erfolgen, soweit sichergestellt ist, dass
1. dokumentierte, freigegebene, geeignete und gültige Programme verwendet werden,
2. die Richtigkeit und Vollständigkeit der Datenerfassung, Dateneingabe, Datenspeicherung und Datenausgabe durch Kontrollen gewährleistet sind,
3. in den Verfahrensablauf nicht unbefugt eingegriffen werden kann,
4. Vorkehrungen gegen einen Verlust oder eine unkontrollierte Veränderung der gespeicherten Daten getroffen sind,
5. die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche der an der Vollziehung Beteiligten festgelegt und gegeneinander abgegrenzt sind,
6. bei Ausfall eines automatisierten Verfahrens Vorkehrungen zur Fortführung der Vollziehung im unbedingt notwendigen Ausmaß getroffen werden und
7. nur in visuell nicht lesbarer Form aufgezeichnete Daten während der Aufbewahrungsfrist so sichergestellt sind, dass diese Daten innerhalb einer angemessenen Frist in Form einer richtigen und vollständigen Wiedergabe visuell lesbar gemacht werden können.
(2) Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, gilt Abs1 auch in jenen Fällen, in denen dieses Gesetz die Schriftlichkeit vorsieht.
(3) […]
(4) Die Einberufungen zu den Sitzungen des Gemeinderates, des Gemeindevorstandes und der Ausschüsse haben – soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist – in elektronischer Form zu erfolgen. Die Übermittlungsbestätigung dient als nachweisliche Zustellung.
(5)-(6) […]
[…]
§27
Pflichten
(1) […]
(2) Die Mitglieder des Gemeinderates sind im besonderen verpflichtet, zu den Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse, deren Mitglieder sie sind, rechtzeitig zu erscheinen und daran bis zum Schluß teilzunehmen. Ist ein Mitglied verhindert, dieser Verpflichtung hinsichtlich der Sitzungen des Gemeinderates nachzukommen, so hat es dies - ausgenommen bei unvorhersehbaren Ereignissen - dem Gemeindeamt unter Angabe des Grundes so rechtzeitig bekanntzugeben, daß die Einberufung eines Ersatzmitgliedes noch möglich ist.
(3) Der Bürgermeister hat ein Mitglied des Gemeinderates, das seine besonderen Pflichten (Abs2) verletzt, schriftlich unter Hinweis auf die Rechtsfolgen (§31 Abs1 litc) zum Erscheinen bei der nächsten Sitzung aufzufordern.
(4)-(5) […]
[…]
§30
Beginn und Enden des Mandates
(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates, bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung.
(2) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates endet durch Tod, Verzicht (Abs3), Nichtigerklärung der Wahl, Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates.
(3) Der Verzicht auf das Mandat ist schriftlich zu erklären und eigenhändig zu unterschreiben. Er wird mit dem Einlangen beim Gemeindeamt wirksam, wenn die Verzichtserklärung nicht einen späteren Zeitpunkt enthält. Dem Verzicht beigefügte Bedingungen sind ohne rechtliche Wirkung. Eine Verzichtserklärung kann nach ihrem Einlangen beim Gemeindeamt nicht mehr widerrufen werden.
§31
Mandatsverlust
(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es
a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs3, 5 und 6) verweigert;
b) nach erfolgter Wahl nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;
c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.
(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.
(3) […]
[…]
§35
Sitzungen des Gemeinderates
(1) Die Sitzungen des Gemeinderates sind vom Bürgermeister nach Bedarf, mindestens aber viermal im Jahr, einzuberufen. Der Bürgermeister ist verpflichtet, eine Sitzung innerhalb einer Woche einzuberufen, wenn ein Mitglied des Gemeindevorstandes oder wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Gemeinderates dies unter Vorschlag der Tagesordnung verlangen. Die Sitzung ist innerhalb von drei Wochen anzuberaumen. Der Bürgermeister hat die vorgeschlagenen Tagesordnungspunkte jedenfalls in die Tagesordnung aufzunehmen; er kann diesen Punkten jedoch weitere Punkte anfügen.
(2) Die Einberufung zu den Sitzungen ist den Mitgliedern des Gemeinderates unter schriftlicher Bekanntgabe der Tagesordnung mindestens eine Woche, in dringenden Fällen mindestens 24 Stunden vor der Sitzung gegen Nachweis zuzustellen. Auf vorheriges schriftliches Verlangen eines Mitgliedes des Gemeinderates sind diesem die Einberufungen als Ausdruck zuzustellen. In diesem Fall ist eine Ersatzzustellung im Sinne des §16 ZustG zulässig. Ersatzmitglieder dürfen in dringenden Fällen in der Reihenfolge der Liste der Ersatzmitglieder des betreffenden Wahlvorschlages mündlich oder telefonisch einberufen werden. Zeit, Ort und Tagesordnung der Sitzung sind am Tag der Einberufung auch an der Amtstafel und im Internet kundzumachen.
(3)-(6) […]"
3. §120 Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG), BGBl I 111/2003, idF BGBl I 58/2018 lautet:
"Einstweiliger Erwachsenenvertreter
§120. (1) Erfordert es das Wohl der betroffenen Person, so hat ihr das Gericht zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen.
(2) Ein einstweiliger Erwachsenenvertreter kann erst nach Abklärung durch den Erwachsenenschutzverein und Durchführung der Erstanhörung bestellt werden, es sei denn, dass sonst ein erheblicher und unwiederbringlicher Nachteil für die betroffene Person zu befürchten ist. Die Abklärung und die Erstanhörung sind unverzüglich nachzuholen.
(3) Ein einstweiliger Erwachsenenvertreter kann auch für denselben Wirkungsbereich wie ein bereits eingesetzter Vertreter bestellt werden. Ansonsten gelten für die einstweilige Erwachsenenvertretung die Regelungen über die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Die einstweilige Erwachsenenvertretung ist im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis einzutragen. §123 – ausgenommen Abs1 Z4 und 5 – und §126 sind sinngemäß anzuwenden."
4. §25 Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz – ZustG), BGBl 200/1982, idF BGBl I 33/2013 lautet:
"Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
§25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß §8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art141 Abs1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof – soweit einfachgesetzlich nicht eine Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht vorgesehen ist (vgl Art141 Abs1 litj B VG) – auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder. Ein solcher Antrag kann auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper gegründet werden (Art141 Abs1 zweiter Satz B VG). Von dieser Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes ist gemäß Art117 Abs1 lita B VG unter anderem die Entscheidung über den Verlust des Mandates als Mitglied eines Gemeinderates erfasst (vgl zB VfSlg 15.950/2000, 18.497/2008, 19.983/2015; VfGH 30.6.2016, WII1/2016; 30.6.2016, WII2/2016; 11.10.2017, WII1/2017; 24.2.2020, WII1/2020). Eine bestimmte Frist für die Einbringung eines Antrages auf Verlustigerklärung eines Mandates gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist nicht vorgesehen (vgl auch §71 Abs1 VfGG).
1.2. Gemäß §31 Abs2 K-AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Gründe des Abs1 leg cit für den Verlust des Mandates als Mitglied oder Ersatzmitglied des Gemeindesrates einer Kärntner Gemeinde für gegeben erachtet. Das Mandat als Mitglied des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeindesrates bzw bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung (§30 Abs1 K AGO), es endet durch Tod, Verzicht iSd §30 Abs3 K AGO, Nichtigerklärung der Wahl, Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates (§30 Abs2 K AGO).
Die Stellung als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee hat der Antragsgegner am 13. April 2021, dem Tag der Angelobung der Mitglieder des am 28. Februar 2021 neugewählten Gemeinderates, erlangt.
Trotz der von *** – unter Berufung auf ihre Stellung als (einstweilige) Erwachsenenvertreterin – abgegebenen Erklärung vom 10. September 2023, dass sie "alle Funktionen von *** in der Gemeinde Krumpendorf als beendet erkläre", ist der Antragsgegner weiterhin Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee. Einen wirksamen Verzicht gemäß §30 Abs3 K AGO kann diese Eingabe schon deshalb nicht darstellen, weil der Verzicht auf das Mandat nur durch freien Willensentschluss des Mandatars möglich ist (vgl Trauner , Wahlen zum Gemeinderat, in: Pabel [Hrsg.], Das österreichische Gemeinderecht, 2016, Rz 358). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erfasst das passive Wahlrecht nämlich auch die Ausübung des Mandates (vgl etwa VfSlg 3169/1957, 3560/1959, 6106/1969, 19.014/2010 sowie im Bezug auf die K AGO auch Erläut zur RV BlgLT 27. GP, Zl Verf-581/37/1997, 23) und damit verbunden auch die Möglichkeit, auf das Mandat zu verzichten, weshalb die Mandatsausübung sowie der Verzicht darauf – ebenso wie das (aktive und passive) Wahlrecht im engeren Sinn – ein höchstpersönliches Recht darstellt (vgl VfSlg 10.412/1985, 20.071/2016; so auch zB Schreiner , Art26 B VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill/Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 1. Lfg. 2001, Rz 21; Trauner , aaO, Rz 29). Ein Verzicht, der ohne weiteren Vollzugsakt von Gesetzes wegen mit Zugang der Erklärung wirksam wird, ist einer Vertretung daher nicht zugänglich (vgl idS das durch LGBl 104/2022 ausdrücklich in §30 Abs3 K AGO verankerte Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Verzichtes; siehe zur Vertretungsfeindlichkeit von Wahlhandlungen VfSlg 5166/1965, 10.412/1985, 20.071/2016). Der Umfang der Bestellung von *** zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin des Antragsgegners durch den Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 8. August 2023, 2 P 81/22b, kann somit dahinstehen. Die Beendigung des Mandates als in §30 Abs2 K AGO geregelte Rechtsfolge eines Verzichtes gemäß Abs3 leg cit konnte durch die von *** am 10. September 2023 abgegebene Erklärung, ungeachtet ihrer Stellung als einstweilige Erwachsenenvertreterin, nicht ausgelöst werden.
1.3. Zur Fassung eines Beschlusses über die Stellung eines Antrages gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist nach §37 Abs1 K AGO die Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Gemeinderates, den Bürgermeister oder seinen Stellvertreter eingerechnet, und gemäß §39 Abs1 K AGO die Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich. Wird ein solcher Beschluss gefasst, hat der Bürgermeister namens des Gemeinderates den entsprechenden Antrag beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (vgl auch §71 Abs1 letzter Satz VfGG). Eine Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht über den Mandatsverlust ist nach der K-AGO dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht vorgelagert (vgl §31 Abs2 K AGO).
1.4. Der vorliegende, vom Bürgermeister der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee namens des Gemeinderates eingebrachte Antrag gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist von einem entsprechenden Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee gedeckt. In der Sitzung des Gemeinderates vom 25. April 2023 hat der Bürgermeister den Gemeinderat über das Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Grundes für den Verlust des Mandates des Antragsgegners informiert. Der Gemeinderat hat in der Folge bei Anwesenheit von mehr als zwei Dritteln der 23 Mitglieder des Gemeinderates inklusive des Bürgermeisters einstimmig dem Antrag des Bürgermeisters, beim Verfassungsgerichtshof die Verlustigerklärung des Mandates des Antragsgegners zu beantragen, zugestimmt.
1.5. Der Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee ist sohin zulässig.
2. In der Sache
2.1. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen sowie der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28. November 2023 geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
2.1.1. Zu den vier im Jahr 2022 abgehaltenen Sitzungen des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee ist der Antragsgegner nicht erschienen. In der Niederschrift der Sitzung vom 4. Mai 2022 wird er als "entschuldigt", in den Niederschriften der Sitzungen vom 20. Oktober 2022, vom 29. November 2022 und vom 22. Dezember 2022 wird er jeweils als "nicht entschuldigt" angeführt. Auch zu den beiden bisher im Jahr 2023 abgehaltenen Sitzungen des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee ist der Antragsgegner nicht erschienen. Sowohl in der Niederschrift der Sitzung vom 25. April 2023 als auch jener der Sitzung vom 28. Juni 2023 wird er als "nicht entschuldigt" angeführt.
2.1.2. Der Antragsgegner wird weiters in den Niederschriften zu sämtlichen Sitzungen des Ausschusses für Kontrolle und Gebarung sowie des Ausschusses für Finanzen, Wirtschaft und Land- und Forstwirtschaft des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee, die in den Jahren 2022 und 2023 stattgefunden haben, als Mitglied angeführt. In allen Niederschriften dieser insgesamt acht Sitzungen wird er als "unentschuldigt" bzw "unentschuldigt abwesend" angeführt.
2.1.3. Der Antragsgegner wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 – unter Hinweis auf sein jeweils unentschuldigtes Fernbleiben von den Sitzungen des Gemeinderates am 20. Oktober 2022 und 29. November 2022, der Sitzung des Ausschusses für Kontrolle und Gebarung am 5. Dezember 2022 und der Sitzung des Ausschusses für Finanzen, Wirtschaft und Land- und Forstwirtschaft am 12. Dezember 2022 – zur Teilnahme an der nächsten Sitzung des Gemeindesrates am 22. Dezember 2022 aufgefordert. In diesem Schreiben wurde auf §31 K AGO verwiesen, wonach ein Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen ist, wenn der Aufforderung nicht Folge geleistet wird und der Antragsgegner an dieser Sitzung ohne Angabe eines Verhinderungsgrundes wieder nicht teilnimmt.
Die Zustellung dieses Schreibens an der Meldeadresse des Antragsgegners konnte nicht rechtswirksam vorgenommen werden und es kam zu einer Rücksendung an die Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee mit dem Vermerk "verzogen". Da der Antragsgegner über keine andere Meldeadresse verfügte, keine andere Abgabestelle ermittelt werden konnte und die Versuche einer persönlichen wie auch telefonischen Kontaktaufnahme scheiterten, erfolgte vom 19. Dezember 2022 bis 9. Jänner 2023 ein Anschlag (eine öffentliche Bekanntmachung) an der Amtstafel der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee, dass für den Antragsgegner ein postalisch unzustellbares Schriftstück beim Meldeamt/Bürgerbüro zur Abholung bereitliegt, das nach Verstreichen von zwei Wochen nach Anschlag an der Amtstafel gemäß §25 ZustG als durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt gilt. Dieses Schriftstück wurde vom Antragsgegner nicht behoben.
2.2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.2.1. Gemäß §31 Abs2 K AGO hat der Gemeinderat einen Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, um ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist (Abs1 litc leg cit). Nach §27 Abs2 K AGO sind die Mitglieder des Gemeinderates im besonderen verpflichtet, zu den Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse, deren Mitglieder sie sind, rechtzeitig zu erscheinen und daran bis zum Schluss teilzunehmen. Ist ein Mitglied verhindert, dieser Verpflichtung hinsichtlich der Sitzungen des Gemeinderates nachzukommen, so hat es dies – ausgenommen bei unvorhersehbaren Ereignissen – dem Gemeindeamt unter Angabe des Grundes so rechtzeitig bekanntzugeben, dass die Einberufung eines Ersatzmitgliedes noch möglich ist. Verletzt ein Mitglied des Gemeinderates seine besonderen Pflichten iSd §27 Abs2 K AGO, hat der Bürgermeister es gemäß Abs3 leg cit schriftlich unter Hinweis auf die Rechtsfolgen gemäß §31 Abs1 litc K AGO zum Erscheinen bei der nächsten Sitzung aufzufordern.
2.2.2. Schon aus Gründen des Schutzes vor einem Verlust des Mandates (vgl dazu insbesondere die Erläut zur RV BlgLT 27. GP, Zl Verf 581/37/1997, 23 f.) bestehen für den Verfassungsgerichtshof – auch nach der Neufassung des §31 Abs1 K AGO durch LGBl 48/1998 (vgl zuvor §31 Abs1 K AGO idF LGBl 8/1982) – keine Zweifel, dass ein Mandatsverlust gemäß §31 Abs1 litc K AGO nur in Betracht kommt, wenn an das betreffende Mitglied des Gemeindesrates (jedenfalls) eine Aufforderung iSd §27 Abs3 K AGO ergangen ist (vgl Erläut zur RV BlgLT 27. GP, Zl Verf 581/37/1997, 23 f., worin – ungeachtet des Entfalles der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Aufforderung in §31 Abs1 litc K AGO – die Verbesserung des Schutzes des passiven Wahlrechtes als gesetzgeberisches Ziel genannt wird).
2.2.3. §35 Abs2 K AGO bzw (seit 1. Jänner 2023) §6c Abs4 K AGO enthält eine Sonderregelung im Hinblick auf die (elektronische) Einberufung zu Sitzungen des Gemeinderates bzw nun auch des Gemeindesvorstandes und der Ausschüsse. Aufforderungen iSd §27 Abs3 K AGO sind davon nicht erfasst. Hinsichtlich ihrer Zustellung ist daher – ungeachtet des seit dem 1. Jänner 2023 geltenden §6c Abs2 K AGO – das ZustG anzuwenden (vgl betreffend die Anwendbarkeit des ZustG etwa VfSlg 20.383/2020).
2.3. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ist der Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee aus den nachfolgenden Erwägungen abzuweisen:
2.3.1. Der vom Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee eingebrachte Antrag auf Mandatsverlust gegen den Antragsgegner stützt sich ausdrücklich auf §31 Abs1 litc K AGO. Der Gemeinderat bringt vor, dass der Antragsgegner zu allen Sitzungen des Gemeinderates sowie der Ausschüsse, deren Mitglied er sei, im Jahr 2022 und auch den bisher abgehaltenen Sitzungen im Jahr 2023 nicht erschienen sei. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 sei er – unter Vorhalt der unentschuldigten Abwesenheit von insgesamt vier Sitzungen des Gemeinderates sowie der Ausschüsse, deren Mitglied er sei, und unter Hinweis auf den Mandatsverlust gemäß §31 K AGO – zum Erscheinen bei der Sitzung des Gemeinderates am 22. Dezember 2022 aufgefordert worden.
2.3.2. Die Zustellung des in Rede stehenden Schreibens vom 13. Dezember 2022 war nach den Bestimmungen des ZustG vorzunehmen und wurde daher – nach einem gescheiterten Zustellversuch an der Meldeadresse des Antragsgegners, der zu einer Rücksendung mit dem Hinweis "verzogen" führte – durch öffentliche Bekanntmachung gemäß §25 Abs1 ZustG veranlasst. Die Kundmachung, der die Bereithaltung eines Schriftstückes für den Antragsgegner zu entnehmen war, wurde am 19. Dezember 2022 an der Amtstafel der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee angeschlagen und am 9. Jänner 2023 abgenommen. Da der Antragsgegner sich nicht zur Empfangnahme des Dokumentes eingefunden hat, trat die Zustellwirkung – wie ausdrücklich auch im Text der an der Amtstafel angeschlagenen öffentlichen Bekanntmachung erwähnt – mit dem Verstreichen von zwei Wochen seit der Kundmachung, sohin am 3. Jänner 2023, ein.
Damit galt das Schreiben vom 13. Dezember 2022 allerdings erst nach dem Termin der Sitzung am 22. Dezember 2022, für den der Antragsgegner zum Erscheinen aufgefordert werden sollte, als rechtswirksam zugestellt. Eine gesetzeskonforme – den Mandatsverlust auslösende – Aufforderung kann dieses Schreiben somit nicht darstellen, weil sich die Aufforderung – anders als in §27 Abs3 K AGO gefordert – nicht auf die nächste Sitzung, sondern eine im Zeitpunkt des Eintrittes der Zustellfiktion bereits abgehaltene Sitzung bezog (vgl zur strikten Interpretation anhand des Wortlautes auch im Hinblick auf den Mandatsverlust VfSlg 19.983/2015 mwN).
2.3.3. Die Voraussetzungen für die Verlustigerklärung des Mandates des Antragsgegners gemäß §31 Abs1 litc K AGO sind somit schon deshalb nicht erfüllt und es kann dahinstehen, ob sein Fernbleiben durch einen triftigen Grund iSd §31 Abs1 litc K AGO entschuldigt war.
2.3.4. Nach §71 Abs1 VfGG hat sich der Antrag des allgemeinen Vertretungskörpers, ein Mitglied des Vertretungskörpers seines Mandates für verlustig zu erklären, auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund zu beziehen. Zudem finden nach Abs2 leg cit die Bestimmungen über Wahlanfechtungen – und damit auch die Beschränkung auf die Überprüfung der behaupteten Rechtswidrigkeiten (vgl zur daraus resultierenden Unzulässigkeit einer darüber hinausgehenden, amtswegigen Überprüfung zB VfSlg 20.418/2020; VfGH 23.6.2022, WI1/2022) – sinngemäß Anwendung. Dem Verfassungsgerichtshof ist es daher verwehrt, über das Antragsvorbringen hinaus zu prüfen, ob allenfalls ein anderer Verlusttatbestand – wie etwa der Verlust der Wählbarkeit wegen Aufgabe des Hauptwohnsitzes in der Gemeinde – erfüllt ist (vgl VfSlg 2803/1955 sowie Kuderer , Die Anfechtung von Entscheidungen zum Mandatsverlust beim Verfassungsgerichtshof, JBl 2023, 545 [552 f.]).
IV. Ergebnis
Der Antrag ist daher abzuweisen.