JudikaturVfGH

WII3/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2024

Spruch

Dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee wird stattgegeben. *** wird seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee für verlustig erklärt.

Entscheidungsgründe

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit Eingabe an den Verfassungsgerichtshof vom 3. Mai 2024 stellt der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee den auf Art141 Abs1 litc B VG gestützten Antrag, das Mitglied des Gemeinderates *** gemäß §31 Abs1 litb K AGO seines Mandates für verlustig zu erklären. Begründend wird ausgeführt, dass der Antragsgegner am 13. April 2021 als Kandidat der Liste "Die Grünen Krumpendorf" in den Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee gewählt und als Mitglied des Gemeinderates angelobt worden sei. In weiterer Folge sei er zum Gemeindevorstand gewählt und angelobt, allerdings von dieser Funktion am 4. Mai 2022 durch die anspruchsberechtigte Gemeindepartei "Die Grünen Krumpendorf" wieder abgewählt worden.

2. *** habe seit 3. August 2023 keinen Wohnsitz (Hauptwohnsitz) mehr in der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee und somit seine Wählbarkeit zum Gemeinderat verloren.

3. Dem Antragsgegner wurde der Antrag auf Verlustigerklärung des Mandates durch öffentliche Bekanntmachung vom 8. Mai 2024, auf Grund des Unterbleibens der Abholung sohin mit Wirkung vom 24. Mai 2024, mit dem Bemerken zugestellt, dass es ihm frei stehe, binnen drei Wochen eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Eine Äußerung wurde nicht erstattet. Diese Aufforderung wurde auch der einstweiligen Erwachsenenvertreterin und Mutter des Antragsgegners *** zur Kenntnis gebracht. Diese teilte mit, dass ihr Sohn nach wie vor unbekannten Aufenthalts sei. Sie selbst sei überdies nicht mehr seine Erwachsenenvertreterin.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat am 26. Juni 2024 die nach §19 Abs4 VfGG vorgesehene öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der den Parteien Gelegenheit gegeben wurde, ihre Standpunkte zu Sachverhaltsaspekten und Rechtsfragen darzulegen. Der Antragsgegner hat an der Verhandlung trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung weder persönlich teilgenommen noch hat er sich rechtswirksam vertreten lassen.

II. Rechtslage

1. In der vor dem 1. Jänner 2023 geltenden Fassung lauteten die maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – K AGO, LGBl 66/1998, idF LGBl 80/2020 auszugsweise wie folgt:

"§30

Beginn und Enden des Mandates

(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates, bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung.

(2) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates endet durch Tod, durch einen an das Gemeindeamt gerichteten schriftlichen Verzicht, durch Nichtigerklärung der Wahl, durch Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates.

§31

Mandatsverlust

(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es

a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs3, 5 und 6) verweigert;

b) nach erfolgter Wahl nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;

c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.

(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.

(3) […]

[…]"

2. Die geltenden maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – K-AGO, LGBl 66/1998, idF LGBl 104/2022 lauten auszugsweise wie folgt:

"§30

Beginn und Enden des Mandates

(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates, bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung.

(2) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeinderates endet durch Tod, Verzicht (Abs3), Nichtigerklärung der Wahl, Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates.

(3) Der Verzicht auf das Mandat ist schriftlich zu erklären und eigenhändig zu unterschreiben. Er wird mit dem Einlangen beim Gemeindeamt wirksam, wenn die Verzichtserklärung nicht einen späteren Zeitpunkt enthält. Dem Verzicht beigefügte Bedingungen sind ohne rechtliche Wirkung. Eine Verzichtserklärung kann nach ihrem Einlangen beim Gemeindeamt nicht mehr widerrufen werden.

§31

Mandatsverlust

(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es

a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs3, 5 und 6) verweigert;

b) nach erfolgter Wahl nach der Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;

c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.

(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.

(3) […]"

3. §39 Kärntner Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 – K-GBWO 2002, LGBl 32/2002, idF LGBl 82/2023 lautet auszugweise wie folgt:

"§39

Wählbarkeit

(1) Wählbar sind alle Personen, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 und 4 B VG haben. Nicht wählbar ist, wer durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener und von Amts wegen zu verfolgender gerichtlich strafbarer Handlungen rechtskräftig

1. zu einer nicht bedingt nachgesehenen sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde,

2. zu einer bedingt nachgesehenen ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder

3. zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sofern diese Verurteilung auch oder ausschließlich wegen §§304 bis 307b StGB erfolgt ist.

Der Ausschluss von der Wählbarkeit endet nach sechs Monaten. Die Frist beginnt, sobald die Strafe vollstreckt ist und mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen vollzogen oder weggefallen sind; ist die Strafe nur durch Anrechnung einer Vorhaft verbüßt oder zur Gänze bedingt nachgesehen worden, so beginnt die Frist mit Rechtskraft des Urteils.

[…]"

4. §25 Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz – ZustG), BGBl 200/1982, idF BGBl I 133/2013 hat folgenden Wortlaut:

"Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung

§25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß §8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art141 Abs1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof – soweit einfachgesetzlich nicht eine Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht vorgesehen ist (vgl Art141 Abs1 litj B VG) – auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder. Ein solcher Antrag kann auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper gegründet werden (Art141 Abs1 zweiter Satz B VG). Von dieser Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes ist gemäß Art117 Abs1 lita B VG unter anderem die Entscheidung über den Verlust des Mandates als Mitglied eines Gemeinderates erfasst (vgl zB VfSlg 15.950/2000, 18.497/2008, 19.983/2015; VfGH 30.6.2016, WII1/2016; 30.6.2016, WII2/2016; 11.10.2017, WII1/2017; 24.2.2020, WII1/2020). Eine bestimmte Frist für die Einbringung eines Antrages auf Verlustigerklärung eines Mandates gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist nicht vorgesehen (vgl auch §71 Abs1 VfGG).

1.2. Gemäß §31 Abs2 K-AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Gründe des Abs1 leg cit für den Verlust des Mandates als Mitglied oder Ersatzmitglied des Gemeindesrates für gegeben erachtet. Das Mandat als Mitglied des Gemeinderates beginnt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeindesrates bzw bei später eintretenden Mitgliedern mit dem Tag der Teilnahme an ihrer ersten Sitzung (§30 Abs1 K-AGO), es endet durch Tod, Verzicht iSd §30 Abs3 K-AGO, Nichtigerklärung der Wahl, Mandatsverlust oder mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Gemeinderates (§30 Abs2 K-AGO).

Die Stellung als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee hat der Antragsgegner am 13. April 2021, dem Tag der Angelobung der Mitglieder des am 28. Februar 2021 neugewählten Gemeinderates, erlangt.

1.3. Zur Fassung eines Beschlusses über die Stellung eines Antrages gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist nach §37 Abs1 K-AGO die Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Gemeinderates, den Bürgermeister oder seinen Stellvertreter eingerechnet, und gemäß §39 Abs1 K-AGO die Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich. Wird ein solcher Beschluss gefasst, hat der Bürgermeister namens des Gemeinderates den entsprechenden Antrag beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (vgl auch §71 Abs1 letzter Satz VfGG). Eine Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht über den Mandatsverlust ist nach der K-AGO dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht vorgelagert (vgl §31 Abs2 K AGO).

1.4. Der vorliegende, vom Bürgermeister der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee namens des Gemeinderates eingebrachte Antrag gemäß Art141 Abs1 litc B VG ist von einem entsprechenden Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee gedeckt. In der Sitzung des Gemeinderates vom 25. April 2024 hat der Bürgermeister den Gemeinderat über das Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Grundes für den Verlust des Mandates des *** als Mitglied des Gemeinderates informiert. Der Gemeinderat hat in der Folge bei Anwesenheit von mehr als zwei Dritteln der 23 Mitglieder des Gemeinderates einschließlich des Bürgermeisters einstimmig dem Antrag des Bürgermeisters, beim Verfassungsgerichtshof die Verlustigerklärung des Mandates des *** zu beantragen, zugestimmt.

1.5. Der Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee ist sohin zulässig.

2. In der Sache

2.1. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen sowie der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2024 geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

2.1.1. Laut Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom 26. Juni 2024 hat der Antragsgegner seit 3. August 2023 keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet iSd MeldeG gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt hat er sohin auch in der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee keinen aufrechten melderechtlichen Hauptwohnsitz mehr.

2.1.2. Es ist für den Verfassungsgerichtshof nach den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Verhandlung und auch sonst kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass der Antragsgegner noch in der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee mit der Absicht niedergelassen ist, hier den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. Der Antragsgegner hat seit spätestens Mai 2022 an keinen Sitzungen des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee mehr teilgenommen. Er ist (jedenfalls) seit 3. August 2023 unbekannten Aufenthaltes.

2.2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2.2.1. Gemäß §31 Abs2 litb K-AGO ist ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates ua dann für verlustig zu erklären, wenn es nach erfolgter Wahl gemäß der K GBWO die Wählbarkeit verliert. Zu Folge §31 Abs2 K-AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs2 für gegeben erachtet.

2.2.2. Wählbar in den Gemeinderat sind, abgesehen von bestimmten Fällen von Verurteilungen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, nach §39 Abs1 erster Satz K-GBWO alle Personen, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 und 4 B VG haben.

2.2.3. Gemäß Art6 Abs3 B VG ist der Hauptwohnsitz einer Person dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat.

2.3. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ist dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee aus nachfolgenden Erwägungen stattzugeben:

Der Antragsgegner verfügt (spätestens) seit dem 3. August 2023 über keinen Hauptwohnsitz iSd Art6 Abs3 und 4 B VG in der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee.

Der Antragsgegner hat sohin den in §39 Abs1 erster Satz K-GBWO iVm §31 Abs1 litb K-AGO vorgesehenen Grund für den Verlust seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee verwirklicht (vgl auch VfSlg 15.950/2000, 18.497/2008), weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist. Das Fernbleiben des Antragsgegners von der mündlichen Verhandlung steht der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegen (§23 VfGG).

IV. Ergebnis

Dem Antrag ist daher stattzugeben. *** ist seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Stadtgemeinde Krumpendorf am Wörthersee für verlustig zu erklären.

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