UA75/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen,
• dass die Weigerung des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. LXXXVIII (Beilage ./3), nachzukommen, rechtswidrig ist,
sowie ferner,
• dass der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport dem grundsätzlichen Beweisbeschluss unverzüglich zu entsprechen hat und die Akten und Unterlagen, die in der – in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO UA eingebrachten – Aufforderung vom 14.07.2022, Blg. LXXXVIII (Beilage ./3), bezeichnet sind, unverzüglich dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln hat".
II. Rechtslage
1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:
"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.
[…]
Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
[…]
4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;
[…]"
2. §56f des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85/1953, idF BGBl I 101/2014 lautet:
"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss
des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen
Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen
zur Verfügung zu stellen
§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.
(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."
3. §24, §25 und §27 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG NR), BGBl 410/1975, idF BGBl I 99/2014 lauten:
"Grundsätzlicher Beweisbeschluss
§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B VG gefährden würde.
(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.
(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
Ergänzende Beweisanforderungen
§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.
(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.
(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam.
[…]
Vorlage von Beweismitteln
§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.
(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.
(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.
(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.
(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.
(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP Regierungsmitglieder (in der Folge: ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss) mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
1. Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren
Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über
Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten Dienstleistungen;
Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;
Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;
Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021; Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten 'B[.] ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der 'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;
mögliche Kick Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;
mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;
Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundesministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen;
Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen;
Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP geführten Bundesministerien, insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;
Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten Finanzierungsfondsgesetzes.
2. Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe, dem Zusammenwirken mit weiteren EigentümerInnen und jeweiligen OrganwalterInnen sowie der Ausübung von Aufsichtsrechten durch Mitglieder des Zusammenschlusses mit dem mutmaßlichen Ziel, die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen im Sinne der ÖVP zu steuern, und insbesondere über
(vorzeitige) Abberufung von Organen ausgegliederter Gesellschaften, insbesondere in Hinblick auf die Bestellung von B[.] G[.] [.] als ÖVP Kandidatin in den Vorstand der Casinos Austria AG und das Bestehen eines politischen Hintergrunddeals für diese Bestellung; den durch vorzeitige Abberufungen entstandene Schaden für die Republik;
den Informationsfluss in Angelegenheiten des Beteiligungsmanagements zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und den Bundesministern Blümel, Löger sowie Bundeskanzler Kurz, insbesondere in Hinblick auf die Auswahl von Organen der ÖBIB und ÖBAG und der Entstehung der Vorschläge für die Besetzung des Aufsichtsrats der ÖBAG sowie den Vorstand der ÖBAG;
Motive für Vorbereitungen für einen Verkauf (Privatisierung) von Anteilen an Beteiligungen des Bundes sowie entsprechende Szenarienentwicklung und Analyse, insbesondere von Anteilen der Austrian Real Estate als Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft, und das Zusammenwirken mit ParteispenderInnen der ÖVP aus dem Immobiliensektor sowie die Rolle von R[.] B[.] in Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der BIG und der ARE, insbesondere die Hintergründe des 99 jährigen Mietvertrags mit der BIG für das Gebäude der Postsparkasse.
3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über
Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie Josef Pröll und Hartwig Löger; Vorwürfe der politisch motivierten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP verbundenen Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex; Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei Hartwig Löger, Gernot Blümel, T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler Kurz;
Einflussnahme auf aus der Veranlagung von Parteispenden an die ÖVP oder ihr nahestehende Organisationen resultierende Finanzstrafverfahren bzw die mögliche Verhinderung der Einleitung solcher Verfahren; Einflussnahme auf gegen (potentielle) SpenderInnen der ÖVP geführte Finanzstrafverfahren;
die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;
Vorwürfe der Behinderung der Beweiserhebungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, insbesondere die interne Vorbereitung und Kommunikation zur Frage der Erfüllung der Beweisanforderungen und Erhebungsersuchen des Ausschusses im Bundesministerium für Finanzen einschließlich der Einbindung des Bundesministers für Finanzen und der Finanzprokuratur in diese Angelegenheiten zum mutmaßlichen Zwecke des Schutzes von mit der ÖVP verbundenen Personen einschließlich des Bundesministers Blümel selbst.
4. Begünstigung bei der Personalauswahl
Aufklärung über Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP, und insbesondere über
Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes bei der Vergabe von Leitungsfunktionen in ÖVP geführten Bundesministerien;
Interventionen für (ehemalige) PolitikerInnen der ÖVP und deren Versorgung mit Beschäftigungsverhältnissen; möglichen Schaden für den Bund durch Ermöglichung solcher Begünstigung insbesondere durch frühzeitige Abberufung anderer OrganwalterInnen oder die Schaffung neuer Funktionen;
Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen von Leitungsfunktionen auf parteipolitisch loyale KandidatInnen durch Mitglieder des ÖVP Zusammenschlusses;
Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Planstellen durch mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere durch MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP Regierungsmitgliedern.
[…]"
1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Gemäß §24 Abs1 VO UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.
Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.
Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.
Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.
Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1 4 zu erfolgen.
Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.
Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.
Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.
Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.
Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.
Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sine der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.
Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.
Bezeichnung der betroffenen Organe
Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:
[…]
3. Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und einrichtungen.
[…]"
1.3. In der 27. Sitzung des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 forderte das vor dem Verfassungsgerichtshof einschreitende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (in der Folge: BMKÖS) gemäß §27 Abs4 VO UA auf (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),
"seiner – sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebende[n] Verpflichtung – zur Vorlage aller Akten und Unterlagen betreffend
- die Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen und
- die Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen
des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentliche[n] Dienst und Sport betreffend die folgenden Veröffentlichungen in der Wiener Zeitung
nachzukommen. Alle angeführten Vorgänge liegen im Untersuchungszeitrum bzw ist davon auszugehen, dass diese im Untersuchungszeitraum begonnen wurden.
Die gesetzlich eingeräumte Frist, dieser Aufforderung zu entsprechen, beträgt zwei Wochen.
Begründung
1. Das Bundesministerium für Kunst, öffentliche[n] Dienst und Sport (BMKÖS) hat im Untersuchungszeitraum für die Besetzung von Funktionen Ausschreibungen gemäß dem Ausschreibungsgesetz 1989 durchgeführt (siehe oben). Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentliche[n] Dienst und Sport hat aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 2, wirksam geworden am 09.12.2021) weder Akten und Unterlagen zu diesen angeführten Ausschreibungs- und Besetzungsverfahren von hochrangigen Leitungsfunktionen in der Zentralstelle und nachgeordneten Dienststellen […] dem Untersuchungsausschuss vorgelegt noch die Nicht-Vorlage begründet.
2. Das vierte Beweisthema des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 1) lautet:
[…]
3. Der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP ist außerordentlich weit gefasst und betrifft eine große Anzahl von unterschiedlichen Vorgängen im Bereich der Vollziehung des Bundes. Damit der Untersuchungsausschuss sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, erreichen kann, muss er über eine umfassende Informationsgrundlage zu all den im Untersuchungsgegenstand angeführten Vorgängen verfügen. Das B VG räumt dem Untersuchungsausschuss ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden – aufgrund des Untersuchungsgegenstandes sehr zahlreichen – Sachverhalte umfassend zu beleuchten und aufzuklären.
So hält auch Univ. Prof. Dr. A[.] J[.] in seinem im Auftrag des Bundeskanzleramtes erstellten und dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Gutachten vom 17.11.2021 zusammengefasst fest, dass es dem Untersuchungsausschuss möglich sein muss, das Vorliegen der im Einsetzungsverla[n]gen genannten Kriterien, die im Einsetzungsverla[n]gen bzw im Untersuchungsgegenstand umschr[ie]ben sind, selbst zu ermitteln. Dazu ist aber die vollständige Vorlage der Akten und Unterlagen betreffend das vierte Beweisthema notwendig.
4. Hinsichtlich der Akten und Unterlagen, auf die sich diese Aufforderung bezieht, ist [an]zuführen, dass eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen selbstverständlich auch in Bundesministerien stattgefunden haben kann, die nicht vo[n] einem Bundesminister oder von einer Bundesministerin geleitet werden, der oder die mit der ÖVP verbunden ist. Dementsprechend hat auch der Geschäftsordnungsausschuss einstimmig beschlossen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss an alle Bundesministerien zu richten, unabhängig davon, ob deren Leitung mit Organwalterinnen oder waltern besetzt sind, die der ÖVP zurechenbar sind.
5. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein[,] zu prüfen, ob bei der Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen und bei der Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen mit der ÖVP verbundene Personen an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sind und Handlungen gesetzt wurden, wie sie im Untersuchungsgegenstand umschrieben sind.
Das diese Aufforderung unterstützende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses geht davon aus, dass die in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen Informationen enthalten bzw es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass [in den] in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen Informationen enthalten sind, die
- zur Aufklärung über Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, eine kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeit dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP beitragen können; oder
- Informationen betreffend mögliche Interventionen für (ehemalige) Politikerinnen und Politiker der ÖVP und deren Versorgung mit Beschäftigungsverhältnissen, die möglicherweise einen Schaden für den Bund durch Ermöglichung solcher Begünstigung, insbesondere durch frühzeitige Abberufung anderer Organwalterinnen oder walter oder die Schaffung neuer Funktionen, verursacht haben,
- Informationen betreffend Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen von Leitungsfunktionen auf parteipolitisch loyale KandidatInnen durch Mitglieder des ÖVP Zusammenschlusses oder
- Informationen betreffend die Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Planstellen durch mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere durch MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP Regierungsmitgliedern enthalten.
Eine abstrakte Relevanz der von dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen [wäre] zB dann nicht auszuschließen, wenn mit der ÖVP verbundene Personen an der Vorbereitung der Ausschreibung mitgewirkt haben, wenn mit der ÖVP verbundene Personen Mitglieder von Besetzungskommissionen waren, wenn mit der ÖVP verbundene Personen sich beworben haben, oder wenn seitens politische[r] Entscheidungsträgerinnen bzw träger zu Gunsten mit der ÖVP verbundenen Personen bei Personen, die nicht mit der ÖVP verbunden sind, interveniert wurde.
Vor diesem Hintergrund erscheint es – nicht zuletzt angesichts des in Bezug auf die 'Verbundenheit' mit der ÖVP ebenfalls überaus weiten Untersuchungsgegenstandes – nahezu ausgeschlossen, dass bei keinem der aufgezählten Vorgänge mit der ÖVP verbundene Personen involviert waren.
6. In der Begründung des Einsetzungsverlangens (4/US 27. GP) wird zum Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Person mit der ÖVP verbunden ist, Folgendes ausgeführt:
'Der Begriff der 'Verbundenheit' beschreibt das erforderliche Naheverhältnis zur ÖVP, wobei dessen Grundlage vielfältig sein kann. Der Begriff der Verbundenheit erfasst in der Rechtsordnung unterschiedliche Formen der gegenseitigen Abhängigkeit, insbesondere wirtschaftlicher, aber auch rechtlicher Art. Gemeinsam ist den damit erfassten Sachverhalten ein Abhängigkeitsverhältnis, das gerade dadurch entsteht, dass jeweils eine Seite einen Vorteil anstrebt, der von der anderen Seite zur Verfügung gestellt werden kann, da er sich in dessen Ingerenz befindet. Die Verbundenheit mit der ÖVP indiziert bereits das Vorliegen des parteipolitischen Interesses. […]
Verbunden sind ebenso Personen, die auf parteipolitisches Wohlwollen angewiesen sind, um ihr berufliches Fortkommen zu fördern. Dies wird insbesondere dort der Fall sein, wo Personalentscheidungen (wenn nicht formell, dann faktisch) von ÖVP PolitikerInnen getroffen werden.'
Schon aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Person mit der ÖVP verbunden ist, in unterschiedlichsten Konstellationen gegeben und die Verbundenheit unterschiedlichster Natur sein kann. Keinesfalls genügt daher, die Prüfung der Verbundenheit mit der ÖVP rein auf die Mitgliedschaft bei der ÖVP zu beschränken (ganz abgesehen davon, dass es öffentlichen Stellen schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen untersagt wäre, derartige Informationen zu erheben und zu verarbeiten).
Daher ist es den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten nicht möglich, Akten und Unterlagen mit Bezug zu[m] vierten Beweisthem[a] mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP Regierungsmitgliedern und Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde.
Es muss vielmehr dem Untersuchungsausschuss selbst möglich sein, Bewerbungsverfahren und Besetzungen dahingehend zu prüfen, ob die im Untersuchungsgegenstand umschriebenen Umstände vorliegen, weil ausschließlich der Untersuchungsausschuss aufgrund seiner vielfältigen ihm zur Verfügung stehenden Informationen (Akten und Unterlagen, Erhebungsersuchen, Befragung von Auskunftspersonen) in der Lage ist, auf Grundlage von ihm selbst anhand politischer Wertungen entwickelter Maßstäbe zu beurteilen, ob eine Person mit der ÖVP verbunden ist bzw ob die anderen im Einsetzungsverlangen angeführten Kriterien vorliegen.
Anders gewendet: Im Rahmen des vierten Beweisthemas hat der Untersuchungsausschuss zu prüfen, ob eine Person mit der ÖVP verbunden ist, ob diese Person begünstigt wurde und ob schließlich diese Begünstigung in einem Zusammenhang mit der Verbundenheit zur ÖVP steht. Eine solche Prüfung kann aber nur durch Vorlage der Unterlagen im beschriebenen Umfang erfolgen.
So kommt auch Univ. Prof. Dr. J[.] in seinem vorhin zitierten Gutachten zum Ergebnis, dass es gemäß Art53 Abs3 B VG geboten ist, dass die im grundsätzlichen Beweisbeschluss genannten vorlagepflichtigen Organe – somit auch der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentliche[n] Dienst und Sport – prinzipiell alle Akten und Unterlagen vorlegen [müssen], die die Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes im Untersuchungszeitraum betreffen.
7. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, bei der Klärung der Frage, ob es bei der Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen und bei der Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen zu den im vierten Beweisthema umschriebenen Handlungen gekommen ist, die Vorgehensweise unterschiedlicher Zentralstellen und nachgelagerter Dienststellen zu vergleichen, um anhand festgestellter Unterschiede zu untersuchen, ob diese Unterschiede auf das Vorliegen von Vorgängen im Sinn des Untersuchungsgegenstandes schließen lassen.
So hat auch die Vorsitzende in der 24. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 29.06.2022, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine Frage, die auf einen derartigen Vergleich gerichtet war, für zulässig erklärt und damit festgestellt, dass eine derartige Frage durch das in der Ladung festgelegte Beweisthema gedeckt ist (vgl vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. J[.] P[.], ÖVP Korruptions UsA-XXVII.GP, 24. Sitzung, 29.06.2022, Seite 16).
8. Genauso muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, aufgrund der eigenen Untersuchungen anhand der in dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen festzustellen, dass darin keine Hinweise auf die im vierten Beweisthema behaupteten und umschriebenen Handlungen enthalten sind, weil damit der Schluss nahe liegen könnte, dass die im vierten Beweisthema behaupteten und umschrieben[en] Vorgänge nicht stattgefunden haben, was das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sein kann. Dazu benötigt er aber zwingend die von dieser Aufforderung umfassten Akten und Unterlagen.
Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass bei von dieser Aufforderung umfassten Besetzungsverfahren Personen zum Zug gekommen sind, weil sie mit einer anderen Partei als der ÖVP verbunden sind. Unter dieser Voraussetzung könnte die Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen ausgeschlossen werden. Es muss dem Untersuchungsausschuss daher möglich sein, auch derart gelagerte Sachverhalte zu prüfen, um sich ein Bild darüber machen zu können, ob die im vierten Beweisthema behaupteten und umschrieben[en] Vorgänge stattgefunden haben.
9. Schließlich verlangt das vierte Beweisthema 'Aufklärung über Bestellung von Personen […] mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP, […]' (4/US 27. GP, Seite 5). Jedenfalls für die Aufklärung hinsichtlich einer '[Bestellung] als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP' ist es keineswegs erforderlich, dass die im Rahmen der Bestellung zum Zug gekommene Person eine 'mit der ÖVP verbundene Person ist'. Ob eine Bestellung einer nicht mit der ÖVP verbundenen Person – ausschließlich oder unter anderem – in Erwartung einer solchen Vorteilsgewährung vorgenommen wurde, kann der Untersuchungsausschuss daher nur klären, wenn ihm die Akten und Unterlagen zu allen Bestellungen im Untersuchungszeitraum vorgelegt werden.
10. Weil es der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentliche[n] Dienst und Sport bzw Vizekanzler bis jetzt unterlassen hat, aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes zu übermitteln oder zu begründen, warum aus seinem Verantwortungsbereich keine Akten und Unterlagen zum vierten Beweisthema vorgelegt wurden, wird er gemäß §27 Abs4 VO UA aufgefordert, binnen zwei Wochen die von dieser Aufforderung umfassten Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen, die vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, einer besonderen Begründung bedarf."
1.4. Mit Schreiben vom 2. August 2022 teilte der BMKÖS zu der soeben wiedergegebenen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA dem ÖVP Korruptions Untersuchungsausschuss Folgendes mit:
Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport mit der in Rede stehenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA direkt gerügt worden sei, ohne dass eine ergänzende Beweisanforderung vorausgegangen sei. Ein "wechselseitiger Kommunikationsprozess" zwischen vorlagepflichtigem Organ und dem Untersuchungsausschuss (vgl VfGH 10.5.2021, UA 4/2021) habe mangels einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 VO UA nicht stattgefunden.
Ungeachtet dessen sei eine eingehende Prüfung der nun begehrten Akten und Unterlagen durch den BMKÖS mit folgendem Ergebnis durchgeführt worden:
Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport habe auf Basis des grundsätzlichen Beweisbeschlusses die Akten und Unterlagen übermittelt, die im Untersuchungsgegenstand und zeitraum lägen. Im Sinne des grundsätzlichen Beweisbeschlusses seien für die Erhebungen zur Vorbereitung der Aktenvorlage jene Zeiträume als relevant erachtet worden, in denen das nunmehrige Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport bzw diesem zugeordnete Fachbereiche, die seinerzeit noch anderen Ressorts angehört hätten, im Untersuchungszeitraum 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 unter ÖVP Führung gestanden seien:
Frau Bundesministerin aD Juliane Bogner Strauß, Herr Bundesminister aD Gernot Blümel sowie der damals mit der Leitung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angelegenheiten für EU, Kunst, Kultur und Medien betraute Bundesminister Alexander Schallenberg seien zu den angeführten Zeiten Mitglieder der ÖVP und deshalb derselben zuzurechnen gewesen. Herr Bundesminister aD Eduard Müller sei zwar offiziell ein parteiloser Minister gewesen, jedoch sei auf Grund seiner vorherigen Funktionen in ÖVP Kabinetten und ÖVP Ministerien (beispielsweise sei er stellvertretender Generalsekretär im Bundesministerium für Finanzen unter Bundesminister Hans Jörg Schelling gewesen) eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand nicht von vornherein auszuschließen. So sei auch seitens des Abgeordneten Kai Jan Krainer in Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage des BMKÖS an den Untersuchungsausschuss bestätigt worden, dass "Dipl. Kfm. Eduard Müller, MBA, jedenfalls ein der ÖVP zuzurechnendes Mitglied der Bundesregierung im Sinne des Untersuchungsgegenstandes und seine Amtszeit daher von der Vorlagepflicht grundsätzlich erfasst" sei.
Die Unterlagen, die in die Amtszeit der in der Tabelle genannten Bundesministerinnen und Bundesminister fielen, seien dementsprechend bereits an den ÖVP Korruptions Untersuchungsausschuss geliefert worden.
Eine Übermittlung weiterer Akten und Unterlagen müsse sowohl vom Untersuchungsgegenstand als auch vom Untersuchungszeitraum und damit vom grundsätzlichen Beweisbeschluss aus rechtlicher Sicht gedeckt sein. Eine – verwaltungsökonomisch zwar wesentlich einfachere – "überschießende" Übermittlung – etwa sämtlicher Akten – liefe aus Sicht des BMKÖS dieser Verpflichtung zuwider, verwässerte den Untersuchungszweck und löste Amtshaftungsansprüche auf Grund bestehender rechtlicher Verpflichtungen aus.
Der Untersuchungsgegenstand begründe und begrenze die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsgegenstand enthalte in diesem Sinne mehrere kumulative Kriterien, deren (potentielles) Vorliegen bejaht werden müsse, um den fraglichen Sachverhalt in den Untersuchungsgegenstand einzubeziehen. Im Einsetzungsverlangen werde dazu ausgeführt:
"Die relevanten Akteure (die Mitglieder eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Personen) und Handlungen (unsachliche Vorteilsgewährung sowie diesbezügliche Vorbereitungsmaßnahmen auf Grundlage des 'Projekt […] Ballhausplatz'), der Zeitraum, der sachliche Umfang (Eignung zur parteipolitischen Begünstigung im Bereich der Vollziehung des Bundes) sowie die Zielrichtung der Untersuchung (Verdacht der Umgehung bzw Verletzung gesetzlicher Vorschriften) werden als konstitutive Merkmale des zu untersuchenden Vorgangs benannt. Gerade auf Grund des komplexen, der Untersuchung zu Grunde liegenden Sachverhalts muss die Bestimmung des Untersuchungsgegenstands durch eine Kombination mehrerer Elemente erfolgen."
In einer zusammenfassenden Betrachtung umschreibe der Untersuchungsgegenstand (Seite 5 des "Grundsätzlichen Beweisbeschlusses") "[…] das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 […] auf Grundlage […] des 'Projektes Ballhausplatz' auf Betreiben […] eines Zusammenschlusses […] von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros".
Unter Beweisthema 4 werde die Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie die Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, thematisiert. Beispielhaft würden hier etwa die Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes bei der Vergabe von Leitungsfunktionen in ÖVP geführten Bundesministerien, das "Maßschneidern" von Ausschreibungen von Leitungsfunktionen auf parteipolitisch loyale Kandidat:innen durch Mitglieder des ÖVP Zusammenschlusses oder die Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Planstellen durch mit der ÖVP verbundene Personen genannt.
Anzuführen seien hier insbesondere alle Bestellungen von Leitungsfunktionen, die dem Ausschreibungsgesetz unterlägen, sowie von AL Stellvertreterinnen und Stellvertretern, sofern diese ausgeschrieben worden seien. Konkret würden in der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA in einer Tabelle nähere Ausschreibungen genannt.
Wie aus dieser Tabelle ersichtlich sei, würden Akten und Unterlagen des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport im Zeitraum 11. April 2020 bis 21. Dezember 2021 begehrt. Es fielen damit alle Ausschreibungen in die Amtszeit des Bundesministers Mag. Werner Kogler. Dieser sei Parteimitglied bei den Grünen und es handle sich bei ihm nicht um eine der ÖVP zuzurechnende bzw mit ihr verbundene Person. Ein solcher Zusammenhang könne nach menschlichem Ermessen auch nicht abstrakt hergestellt werden. Die auffordernde Minderheit habe einen solchen Zusammenhang in ihrer Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA auch nicht einmal behauptet. Somit sei auszuschließen, dass die geforderten Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien.
Die in den Tabellenzeilen 1 bis 3, 5, 7, 8 bis 10 sowie 15, 16 und 18 angeführten Ausschreibungsverfahren seien dem Bereich des öffentlichen Dienstes zuzurechnen. Sie beträfen somit die Zuständigkeit des BMKÖS Mag. Werner Kogler. Die in den Tabellenzeilen 4, 6, 11, 13, 14 und 17 angeführten Ausschreibungen seien dem Bereich Kunst und Kultur zuzurechnen, wodurch neben dem Bundesminister auch Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Amtszeit 7. Jänner 2020 bis 20. Mai 2020) sowie Andrea Mayer (20. Mai 2020 bis dato) verantwortlich zeichneten. Bei beiden handle es sich ebenfalls nicht um der ÖVP zuzurechnende bzw mit dieser verbundene Personen, weswegen sich nicht ableiten lasse, dass die geforderten Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien.
Obwohl keines der genannten Funktionsausschreibungsverfahren in die Amtszeit einer der ÖVP nahestehenden Personen falle, habe der BMKÖS selbstverständlich trotzdem auf Grund der vorliegenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA erneut eine umfassende Aktensuche durchgeführt.
Diese Prüfung habe ergeben, dass es keine Hinweise dafür gebe, dass der BMKÖS oder Staatssekretärin Andrea Mayer ein Verhalten entsprechend Punkt 4 des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gesetzt hätten bzw die äußeren Kriterien des Beweisthemas erfüllten, indem sie an einem Zusammenschluss von der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen oder MitarbeiterInnen der politischen Büros beteiligt gewesen seien. Aus Sicht des BMKÖS sei daher die Vorlage der Akten und Unterlagen nicht durch den grundsätzlichen Beweisbeschluss gedeckt.
Wenn behauptet werde, es könne nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen mit der ÖVP verbundene Organwalter im BMKÖS tätig gewesen seien und diese einen faktischen Einfluss auf Personalentscheidungen ausgeübt hätten, werde darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich dieser hypothetischen Möglichkeit zumindest irgendeines Anhaltspunktes, wonach ein solcher Einfluss ausgeübt worden sei, bedürfe. Der BMKÖS sei bei einer neuerlichen Prüfung der Akten und Unterlagen auf keinen derartigen Anhaltspunkt gestoßen. Der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass die vorliegende Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA solche Hinweise nicht einmal behaupte, geschweige denn belege. Sie begnüge sich mit hypothetischen Ausführungen, dass die Beurteilung der ÖVP Nähe potentiell begünstigter Personen dem Untersuchungsausschuss obliege. Es könne nicht Zweck einer Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA sein, ohne Bezeichnung näherer Anhaltspunkte die Vorlage von Akten und Unterlagen zu begehren. Es müsse vielmehr nachvollziehbar offengelegt werden, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes nachgegangen werden solle.
Ein gegenteiliges Verständnis ließe den Untersuchungsgegenstand, dessen Zweck gerade die Abgrenzung von Untersuchungsrelevantem von nicht Untersuchungsrelevantem sei, vollständig uferlos werden und verwässere den Kontrollauftrag des Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsgegenstand begründe nämlich den Rahmen der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses und bilde gleichzeitig die Begrenzung der diesem übertragenen Zwangsbefugnisse. Zudem diene die Festlegung des Untersuchungsgegenstandes auch dem Schutz der betroffenen Organe, weil damit deren Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen konkretisiert sowie der Umfang bestimmt werde, innerhalb dessen sie Ersuchen um Beweiserhebungen Folge zu leisten hätten. Durch das Erfordernis des Vorliegens eines bestimmten Vorganges werde es umgekehrt auch nicht in das Belieben der vorlagepflichtigen Organe gestellt, welche Beweismittel sie dem Untersuchungsausschuss vorlegen. Darüber hinaus biete die Konkretisierung auch einen Schutz der Einsetzungsminderheit vor "Bepackungen" und damit einer Verwässerung durch die Ausschussmehrheit. Die auffordernde Minderheit sei nicht berechtigt, die Untersuchung über das Einsetzungsverlangen hinaus zu erweitern.
Die Erfüllung der Aufforderung unterliefe genau diese Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes. Die verlangten Akten und Unterlagen seien daher nicht vorzulegen.
Abschließend werde angemerkt, dass in der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA die Vorlage aller Akten und Unterlagen betreffend die Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und nachgeordneten Dienststellen sowie die Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen gefordert werde. Die Tabelle der Ausschreibungen enthalte jedoch nicht nur Ausschreibungen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, sondern auch diverser ausgegliederter Unternehmen sowie jene des Präsidenten bzw der Präsidentin des Bundesfinanzgerichtes. Dazu werde angemerkt, dass es sich dabei nicht um eine Ausschreibung nach dem Ausschreibungsgesetz handle, sondern die Ausschreibung in §207 Abs2 RStDG iVm §5 Abs5 BFGG geregelt sei. Es gebe auch keine sinngemäße Anwendung des Ausschreibungsgesetzes auf dieses Verfahren. Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport habe die gesamte Prozessbegleitung inklusive der Bestellung der Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft sowie des Vorschlages der Bundesregierung in Form eines Ministerratsvortrages durchgeführt. Einzig in der Kommission seien neben den PräsidentInnen des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes sowie zwei VertreterInnen der Wissenschaft eine Vertreterin des Bundesministers für Finanzen sowie die Gleichbehandlungbeauftragte dieses Ministeriums vertreten gewesen.
2. Am 16. August 2022 stellte das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses den vorliegenden, auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag und begründete diesen wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"BEGRÜNDUNG DES ANTRAGS
3.1. Rechtlicher Rahmen
Die Verpflichtung von obersten Organen des Bundes zur Lieferung von Informationen an Untersuchungsausschüsse ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung und begünstigt den Nationalrat in einseitiger Weise. Art53 Abs3 B VG begründet ein Selbstinformationsrecht des Untersuchungsausschusses im Umfang des Untersuchungsgegenstandes. Nur durch unmittelbare Kenntnis aller diesbezügliche[n] Akten und Unterlagen ist eine Erfüllung des verfassungsgesetzlichen Kontrollauftrages möglich.
Die Einzelheiten des Verfahrens des Untersuchungsausschusses werden in der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO UA) geregelt. Gemäß §22 Abs1 VO UA erhebt der Untersuchungsausschuss die Beweise ua auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und der ergänzenden Beweisanforderungen im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes.
Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates gemäß §3 Abs5 VO UA zu fassende grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet gemäß §24 Abs1 VO UA die in ihm näher bezeichneten Organe 'zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands', wodurch der Untersuchungsausschuss von Beginn seiner Tätigkeit an eine möglichst umfassende Informationsgrundlage zur Verfügung haben soll. Die Setzung einer angemessenen Frist für die Erfüllung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses ist gemäß §24 Abs3 VO UA zulässig.
Gemäß §27 Abs1 VO UA hat der Bundesminister dem grundsätzlichen Beweisbeschluss vom 02.12.2021 (§24 VO UA) zu entsprechen. Entspricht er dem grundsätzlichen Beweisbeschluss nicht oder nur teilweise, hat er gemäß §27 Abs3 VO UA den Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Die Verweigerung der Vorlage ist im Einzelnen auf einen verfassungsrechtlich anerkannten Grund zu stützen (Behauptungspflicht) und im Einzelnen zu begründen (Begründungspflicht).
Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung, dem grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24 VO UA oder ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 VO UA unverzüglich zu entsprechen (§27 Abs1 VO UA), oder der Verpflichtung, einen Untersuchungsausschuss über die Gründe darüber, warum dem grundsätzlichen Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen wird, zu unterrichten (§27 Abs3 VO UA), nicht nach, kann ein Untersuchungsausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Aufforderung ist zu begründen und bildet den 'äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens' nach Art138b Abs1 Z4 B VG. Die Meinungsverschiedenheit muss demnach 'konkret und durch eine Aufforderung zur Nachbesserung in ihrem äußersten Rahmen begrenzt sein'. Die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA findet ihre Grenze wiederum im Umfang des Untersuchungsgegenstandes.
Gemäß §27 Abs5 VO UA entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.
Der Verfassungsgerichtshof hat schon mehrfach festgestellt, dass – vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56f Abs3 VfGG in Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses – das vorlagepflichtige Organ seiner bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof diesem gegenüber nachzukommen hat, um zunächst dem Untersuchungsausschuss eine Überprüfung und allfällige Bestreitung der Argumentation zu ermöglichen und diese einer etwaigen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterziehen zu können (vgl zB VfGH 02.12.2020, UA3/2020 mwN).
3.2. Im Einzelnen
3.2.1. Am 13.10.2021 wurde die Einsetzung des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP verlangt. Die Einsetzung und Konstituierung erfolgten am 09.12.2021. Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates hat am 02.12.2021 einstimmig gemäß §3 Abs5 VO UA den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24 VO UA gefasst. Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet unter anderem 'die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und einrichtungen' zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes; sohin auch den Bundesminister. Er legte dem Untersuchungsausschuss die von der Aufforderung vom 14.07.2022 umfassten Akten und Unterlagen nicht vor.
Daraufhin forderte am 14.07.2022 ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Bundesminister gemäß §27 Abs4 VO UA auf, binnen 14 Tagen dem grundsätzlichen Beweisbeschluss vom 02.12.2021 hinsichtlich genau (abstrakt und konkret) bezeichneter Akten und Unterlagen, nämlich betreffend die Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen und die Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentliche[n] Dienst und Sport bezüglich den in der Aufforderung vom 14.07.2022 genannten Ausschreibungen, die in der Wiener Zeitung veröffentlicht wurden, zu entsprechen, weil der Bundesminister nach Ansicht eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses seiner sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss nicht vollständig nachgekommen ist.
Das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses begründete seine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA, Blg. LXXXVIII (Beilage ./3), ausführlich. Es legte dar, welche Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss bislang noch nicht vorgelegt wurden und warum diese vom grundsätzlichen Beweisbeschluss, der sich über den gesamten Untersuchungsgegenstand erstreckt, umfasst sind. Aus der Darlegung der wesentlichen Argumente dafür, dass die angeforderten Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, ergibt sich auch deren abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand.
Der Bundesminister hat bis zum Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO UA dieser Aufforderung weder entsprochen, noch hat er dem Untersuchungsausschuss ausreichende und nachvollziehbare Gründe für die Nichtentsprechung dargelegt. Diese Weigerung, der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist zu entsprechen, ist rechtswidrig.
3.2.2. Wenn der Bundesminister behauptet, dass die Abgeordneten, die ihn gemäß §27 Abs4 VO UA aufgefordert haben, dem grundsätzlichen Beweisbeschluss zu entsprechen und näher bezeichnete Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln, es unterlassen hätten, in einen wechselseitigen Kommunikationsprozess mit ihm einzutreten und somit insinuiert, dass ohne ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 VO UA eine Aufforderung gemäß §27 VO UA rechtswidrig sei, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
Die VO UA sieht diesen wechselseitigen Kommunikationsprozess insofern vor, indem normiert ist, dass vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wegen einer Meinungsverschiedenheit aufgrund der Nichtentsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses oder einer ergänzenden Beweisanforderung eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA zu ergehen hat. Dieser Zwischenschritt dient genau dazu, eine wechselseitige Kommunikation zu ermöglichen, die entweder die Übermittlung der Akten und Unterlagen oder die Abgabe einer hinreichenden Begründung, warum Akten und Unterlagen nicht vorgelegt wurden, zum Ergebnis hat.
Im vorliegenden Fall hat der Bundesminister dem Untersuchungsausschuss die in der Aufforderung vom 14.07.2022 näher bezeichneten Akten und Unterlagen auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht übermittelt, obwohl diese näher bezeichneten Akten und Unterlagen nach Auffassung eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom Untersuchungsgegenstand – und sohin auch vom sich auf den ganzen Untersuchungsgegenstand erstreckenden grundsätzlichen Beweisbeschluss – umfasst sind. Daraufhin hat ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 14.07.2022 den Bundesminister aufgefordert, hinsichtlich der in der Aufforderung näher beschriebenen Akten und Unterlagen seiner Vorlageverpflichtung binnen gesetzlicher Frist von 14 Tagen nachzukommen. Die Aufforderung war hinreichend begründet. So hat das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den wechselseitigen Kommunikationsprozess eingeleitet. Der Bundesminister hatte die Möglichkeit, gegenüber dem Untersuchungsausschuss darzulegen, welche Akten und Unterlagen sich in seinem Akten- und Unterlagenbestand befinden, welche dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden bzw detailliert und nachvollziehbar zu begründen, warum welche Akten und Unterlagen nicht vorgelegt werden.
Die VO UA sieht nicht vor, dass in jedem Fall vor einer Aufforderung nach §27 Abs4 VO UA zuerst eine ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 VO UA zu ergehen hat. Ganz im Gegenteil ergibt sich aus dem Wortlaut des §27 Abs4 VO UA ausdrücklich, dass die Aufforderung sowohl bei einer Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss als auch bei einer Nichterfüllung einer Verpflichtung aus einer ergänzenden Beweisanforderung möglich ist.
Dieses Instrument der ergänzenden Beweisanforderung stellt nur eine Ergänzung zum grundsätzlichen Beweisbeschluss dar, die immer – wie auch der grundsätzliche Beweisbeschluss selbst – innerhalb der Grenzen de[s] Untersuchungsgegenstandes bleiben muss. Die ergänzende Beweisanforderung trifft für den Fall Vorkehrung, dass sich zB aus den bereits aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorgelegten Unterlagen oder aufgrund von Befragungen von Auskunftspersonen ergeben hat, dass ein bestimmtes Beweismittel für die Erhebungen des Untersuchungs[aus]schuss[es] notwendig ist, dieses dem Untersuchungsausschuss aber bislang noch nicht vorgelegt wurde. Daraus lässt sich jedenfalls keine Einengung der Vorlageverpflichtung auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses ableiten.
Ebenso wenig dient eine ergänzende Beweisanforderung als 'Rechtsmittel' gegen die unzureichende Vorlage von Akten und Unterlagen in Entsprechung eines grundsätzlichen Beweisbeschlusses. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschluss[es] nicht oder ungenügend nach, hat der Untersuchungsausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder gemäß §27 Abs4 VO UA die Möglichkeit, das betreffende Organ aufzufordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Das Instrument der ergänzenden Beweisanforderung steht aber für diesen Zweck eben nicht zur Verfügung.
Daher geht dieser Einwand des Bundesministers ins Leere, zumal das antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO UA den Bundesminister aufgefordert hat, dem grundsätzlichen Beweisbeschluss zu entsprechen und die näher bezeichneten Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. Wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, hat er dies nachvollziehbar zu begründen.
3.2.3. Im Schreiben vom 02.08.2022 wird ausgeführt, dass die Aufforderung vom 14.07.2022 sich auf Akten und Unterlagen bezieht, die in die Amtszeit des Bundesministers Werner Kogler fallen. Dieser sei Parteimitglied der Grünen und sei daher weder der ÖVP zuzurechnen noch mit der ÖVP verbunden, weshalb ein Zusammenhang mit der ÖVP nach menschlichem Ermessen auch nicht abstrakt hergestellt werden könne.
Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen selbstverständlich auch in Bundesministerien stattgefunden haben kann, die von einem Bundesminister oder von einer Bundesministerin geleitet werden oder wurden, der oder die nicht mit der ÖVP verbunden ist. Außerdem könnte die Verbundenheit mit der ÖVP auch dadurch gegeben sein, dass derzeit zwischen den Grünen und der ÖVP eine Regierungskoalition besteht. Der Untersuchungsgegenstand stellt außerdem nicht darauf ab, dass jenes Organ der Vollziehung des Bundes, das möglicherweise mit der ÖVP verbundenen Personen Vorteile gewährt hat, selbst mit der ÖVP verbunden ist; auch nicht darauf, ob es sich um ein oberstes Organ gemäß Art20 Abs1 B VG handelt. Dementsprechend hat auch der Geschäftsordnungsausschuss einstimmig beschlossen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss an alle Bundesministerien zu richten, unabhängig davon, ob deren Leitung mit Organwalterinnen oder waltern besetzt sind, die der ÖVP zurechenbar sind.
Das antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses hat in seiner Aufforderung vom 14.07.2022 in Punkt 6. ausführlich dargelegt, warum seiner Meinung nach das Kriterium der ÖVP Verbundenheit untauglich für eine Einschränkung der Aktenvorlage ist. Weder ist der Bundesminister dieser Argumentation fachlich entgegen getreten noch hat er dem Untersuchungsausschuss nachvollziehbar dargelegt, anhand welcher Kriterien er bestimmt, ob eine natürliche oder juristische Person seiner Meinung nach mit der ÖVP verbunden ist oder nicht. Der Bundesminister behauptet in diesem Zusammenhang lediglich, dass die im maßgeblichen Zeitraum handelnden Personen nicht mit der ÖVP verbunden seien, seiner substantiierten Begründungspflicht kommt er hingegen nicht nach[.]
Der Bundesminister hat es unterlassen, nachvollziehbar zu begründen, warum es seiner Meinung nach ausgeschlossen ist, dass die in der Aufforderung vom 14.07.2022 konkret genannten Akten und Unterlagen Hinweise enthalten, ob es zu einer 'Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen', durch ein (im Untersuchungsgegenstand nicht näher umschriebenes) Organ der Vollziehung des Bundes auf Grundlage des Projekts Ballhausplatz und auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, Staatssekretärinnen sowie Mitarbeiterinnen ihrer politischen Büros zu parteipolitischen Zwecken gekommen sein kann oder nicht.
Besonders im Zusammenhang mit der Frage, was genau unter einer 'mit der ÖVP verbundenen natürlichen oder juristischen Person' zu verstehen ist, fällt eine völlig unterschiedliche Auslegung und damit Handhabungspraxis im Rahmen der Vorlage von Akten und Unterlagen zwischen den vorlagepflichtigen Organen auf. Der Untersuchungsgegenstand 4/US 27. GP scheint – zumindest – in diesem Punkt dem verfassungsgesetzlichen Bestimmtheitsgebot des Art53 Abs2 B VG nicht zu genügen. Dies insbesondere deshalb, weil durch seine unbestimmte Formulierung von den vorlagepflichtigen Organen eine Beurteilung (wer oder was eine mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Person ist oder eben nicht) im Rahmen ihrer verfassungsgesetzlichen Aktenvorlageverpflichtung nach Art53 Abs3 B VG verlangt wird, die von diesen – umfänglich – nicht vorgenommen werden kann. Selbst wenn sich definieren lassen würde, was unter der Wendung 'verbundene Person' eigentlich zu verstehen ist, wäre die Erhebung und Verarbeitung dieser Informationen, nämlich welcher politischen Partei eine natürliche oder juristische Person zuzuordnen ist, unzulässig. Es handelt sich bei der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei zweifelsohne um personenbezogene Daten besonderer Kategorie iSd Art9 Abs1 DSGVO. Die Verarbeitung solcher personenbezogener Daten ist grundsätzlich untersagt (Art9 Abs1 DSGVO), und selbst wenn die betroffene Person der Verarbeitung zugestimmt hat (Art9 Abs2 lita DSGVO), kann sich diese ausdrückliche Zustimmung immer nur auf 'einen oder mehrere festgelegte Zwecke' (Art9 Abs2 lita DSGVO) beziehen und darf in weiterer Folge nicht auf andere Zwecke, zu denen keine ausdrückliche Zustimmung erteilt wurde, ausgedehnt werden. Es ist somit für ein vorlagepflichtiges Organ schlicht nicht bestimmbar, wer oder was eine 'mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Person' ist, weshalb – zumindest in diesem Punkt – eine Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsgegenstandes im Raum steht.
3.2.4. Weiters wird im Schreiben vom 02.08.2022 ausgeführt, dass die Prüfung der in der Aufforderung vom 14.07.2022 genannten Akten und Unterlagen keine Anhaltspunkte hervorgebracht habe, dass mit der ÖVP verbundene Organwalter im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport tätig gewesen wären und einen faktischen Einfluss auf Personalentscheidungen ausgeübt hätten sowie dass die Aufforderung vom 14.07.2022 keine dahingehenden Angaben oder Anhaltspunkte beinhalten würde. Es hätte nachvollziehbar offengelegt werden müssen, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes nachgegangen hätte werden sollen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Bundesminister – schon aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und erst recht aufgrund der gegenständlichen Aufforderung – verpflichtet gewesen ist, alle vom grundsätzlichen Beweisbeschluss sowie von der Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen gegenüber dem Untersuchungsausschuss [genau zu] benennen, diese nach der Überprüfung der abstrakten Relevanz zu übermitteln oder nachvollziehbar zu begründen, warum welche Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand nicht erfasst sind und folglich nicht übermittelt werden.
Entgegen der Meinung des Bundesministers kommt es für die Beurteilung der Vorlagepflicht eben nicht darauf an, ob es in Akten und Unterlagen Hinweise auf eine Vorteilsgewährung im Sinn des Untersuchungsausschusses gibt, sondern darauf, ob ausgeschlossen werden kann, dass Akten und Unterlagen für die Untersuchung abstrakt von Bedeutung sein können. Diese abstrakte Bedeutung ist auch dann gegeben, wenn Akten und Unterlagen zum Vergleich von Vorgängen innerhalb unterschiedlicher Dienststellen seitens des Untersuchungsausschusses mit dem Ziel analysiert werden sollen, Hinweise auf Vorgänge im Sinn des Untersuchungsgegenstandes festzustellen. Genau so sind Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Bedeutung, wenn sich in ihnen Hinweise finden lassen könnten, dass es zu keiner Vorteilsgewährung im Sinn des Untersuchungsausschusses gekommen ist. Das kann etwa auch dann sein, wenn sich Hinweise finden, dass zwar Personen aus sachfremden Motiven Vorteile gewährt wurden, aber die im Untersuchungsgegenstand genannten Kriterien, die auf die ÖVP Bezug nehmen, nicht vorliegen. All dies hat das antragstellende Viertel in seiner Aufforderung vom 14.07.2022 nachvollziehbar dargelegt.
Der Bundesminister hat zwar in abstrakter Weise behauptet, aber nicht nachvollziehbar und konkret dargelegt, aufgrund welcher Umstände er zu dem Ergebnis kommt, dass es ausgeschlossen ist, dass die in der Aufforderung vom 14.07.2022 genannten Akten und Unterlagen für die Untersuchung eine abstrakte Relevanz haben könnten.
Darüber hinaus ist der Beurteilungsmaßstab für die Vorlage von Akten und Unterlagen einzig der Untersuchungsgegenstand. Beweisthemen können hingegen nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr gliedern sie den Gegenstand der Untersuchung inhaltlich und können folglich den Untersuchungsgegenstand weder einschränken noch ausdehnen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Untersuchungsgegenstand nicht darauf abstellt, dass jenes Organ der Vollziehung des Bundes, das möglicherweise mit der ÖVP verbundenen Personen Vorteile gewährt hat, selbst mit der ÖVP verbunden ist. Vielmehr stellt der Untersuchungsgegenstand darauf ab, dass bloß 'auf Betreiben eines [...] Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, Staatssekretärinnen sowie Mitarbeiterinnen ihrer politischen Büros' es zu einer Vorteilsgewährung gekommen ist. Jede Person innerhalb der Verwaltungsstruktur des Bundes kann gebeten worden sein, entsprechend dem Willen des im Untersuchungsgegenstand genannten 'Zusammenschlusses' zu handeln. Nicht verlangt wird, dass oberste Organe gemäß Art20 Abs1 B VG oder Staatssekretäre selbst gehandelt haben.
Hinsichtlich der Frage, ob in der gegenständlichen Aufforderung ein konkreter Bezug zum Untersuchungsgegenstand fehlt, ist auf die Punkte 3. bis 9. der Begründung der gegenständlichen Aufforderung zu verweisen. So wird auch detailliert ausgeführt, welchen Erkenntnisgewinn sich die Abgeordneten erwarten.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP außerordentlich weit gefasst ist und eine große Anzahl von unterschiedlichen Vorgängen im Bereich der Vollziehung des Bundes betrifft. Damit der Untersuchungsausschuss sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, erreichen kann, muss er über eine umfassende Informationsgrundlage zu all den im Untersuchungsgegenstand angeführten Vorgängen verfügen. Das B VG räumt dem Untersuchungsausschuss dazu ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden – aufgrund des Untersuchungsgegenstandes sehr zahlreichen – Sachverhalte umfassend zu beleuchten und aufzuklären.
So wird auch im – im Auftrag des Bundeskanzleramtes erstellten und dem Untersuchungsausschuss vorliegenden – Gutachten von Univ. Prof. Dr. A[.] J[.] folgendermaßen auf Seite 9 ausführt:
'13. Im Ergebnis folgt aus alldem, dass es den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten de facto kaum möglich sein wird, Akten und Unterlagen mit Bezug zu einem der vier Beweisthemen mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP Regierungsmitgliedern und Mitarbeiter*innen deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde. Vielmehr wird es gemäß Art53 Abs3 B VG geboten sein, dass die (im grundsätzlichen Beweisbeschluss zu definierenden) vorlagepflichtigen Organe prinzipiell alle Akten und Unterlagen vorlegen, die Vergabe- und Förderverfahren (mit einem Volumen von mindestens € 40.000, ) die Ausübung von Beteiligungsrechten an Unternehmen, straf- und disziplinarrechtliche Verfahren, den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten sowie Organbestellungen, die Ausübung von Nominierungsrechten oder die Aufnahme von Personen in Beratungsgremien oder Delegationen im Untersuchungszeitraum betreffen, und zwar – wegen der Einbeziehung zeitlich vorgelagerter 'Vorbereitungshandlungen' – selbst dann, wenn diese Dokumente selbst schon vor dem Untersuchungszeitraum entstanden sind, aber in einem Zusammenhang mit dem – wie auch immer abzugrenzenden – 'Projekt Ballhausplatz' stehen bzw zumindest stehen können.' (Beilage ./6)
3.2.5. Hinsichtlich der in der Aufforderung vom 14.07.2022 konkret umschriebenen Akten und Unterlagen hat es der Bundesminister in rechtswidriger Weise unterlassen, konkret und nachvollziehbar zu begründen, aufgrund welcher Umstände er es für ausgeschlossen hält, dass diese keine (zumindest) abstrakte Relevanz für die Untersuchung haben. Zur mangelnden Stichhaltigkeit seiner ausschließlich abstrakten Argumente ist auf die Ausführungen unter 3.2.2. bis 3.2.4. zu verweisen.
Der Bundesminister ist daher seiner – schon aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und erst recht aufgrund der gegenständlichen Aufforderung bestehenden – Verpflichtung, hinsichtlich der nicht vorgelegten Akten und Unterlagen eine Begründung zu liefern, aus der hervorgeht, um welche Art von Akten und Unterlagen es sich handelt, und an Hand der sich die Feststellung der Nichtzugehörigkeit zum Untersuchungsgegenstand für das verlangende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nachvollziehen lässt, in rechtswidriger Weise nicht nachgekommen. Damit ist er lediglich seiner Behauptungs , nicht aber auch seiner diesbezüglichen Begründungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss nachgekommen."
3. Dem BMKÖS wurde die Möglichkeit eingeräumt, bis 2. September 2022, 15.30 Uhr, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Der BMKÖS erstattete am genannten Tag eine Äußerung, in der er dem Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG mit näherer Begründung entgegentrat.
IV. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs.
1.2. Nach Art53 Abs3 erster Satz B VG haben ua alle Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Gemäß §27 Abs1 erster Satz und Abs3 VO UA haben ua Organe des Bundes Beweisbeschlüssen iSd §24 VO UA und ergänzenden Beweisanforderungen iSd §25 VO UA unverzüglich zu entsprechen, bei einem Nicht- oder teilweisen Entsprechen ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß §27 Abs1 oder 3 VO UA nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ gemäß §27 Abs4 leg.cit. (schriftlich begründet) auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen.
Nach §27 Abs5 leg.cit. entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist des §27 Abs4 VO UA anruft oder der Ausschuss eine Anrufung auf Grund eines schriftlichen Antrages nach Ablauf der Frist des §27 Abs4 leg.cit. beschließt. Ein solcher Antrag ist nach §56f Abs1 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO UA zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach §56f Abs3 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.
1.3. In der 27. Sitzung des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 forderte das im verfassungsgerichtlichen Verfahren einschreitende Viertel des Untersuchungsausschusses den BMKÖS gemäß §27 Abs4 VO UA mit näherer Begründung auf, binnen zwei Wochen seiner sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen betreffend Stellenbesetzungen des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport nachzukommen. Diese Aufforderung wurde dem BMKÖS am 19. Juli 2022 zugestellt.
1.4. Nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach )Frist des §27 Abs4 VO UA können binnen zwei Wochen Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden (vgl §27 Abs5 leg.cit. und §56f Abs1 VfGG). Der am 16. August 2022 von vier Mitgliedern des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses eingebracht.
1.5. Der Begriff der Meinungsverschiedenheit wird für Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG – anders als für jene nach Art126a B VG (vgl §36a Abs1 VfGG) – nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs )Gesetzgebers, das Art53 Abs3 und Art138b Abs1 Z4 B VG zugrunde liegt und das in §27 VO UA sowie in §56f VfGG näher ausgestaltet wird, lässt jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof auf Antrag über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen ua über die Verpflichtung erkennt, dem Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen vorzulegen. Einem solchen Antrag hat zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach )Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen und/oder ergänzenden Beweisanforderungen bzw bei der Aufforderung durch ein Viertel der Mitglieder zur unverzüglichen Entsprechung von ergänzenden Beweisanforderungen nachzukommen, wenn das Organ dieser (in der Aufforderung näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen ist. Diese Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art138b Abs1 Z4 B VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Gegenstand seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl zuletzt VfGH 25.8.2022, UA5 6/2022 mwN).
1.6. Mit seinem Antrag begehrt das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses zunächst, "der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Weigerung des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. LXXXVIII (Beilage ./3), nachzukommen, rechtswidrig ist".
Der (im ersten Teil des vorliegenden Begehrens enthaltene) Feststellungsantrag des einschreitenden Viertels der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses, die Weigerung des BMKÖS, der in der 27. Sitzung des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 wirksam gewordenen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA, Beilage LXXXVIII, nachzukommen, sei rechtswidrig, findet in den einschlägigen Bestimmungen des B VG und des VfGG keine Rechtsgrundlage (vgl VfGH 25.8.2022, UA5 6/2022 unter Hinweis auf VfSlg 19.973/2015).
Der Antrag erweist sich daher insoweit als unzulässig.
1.7. Der Antrag erweist sich auch in Bezug auf das zweite Begehren auf Feststellung, "dass der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport dem grundsätzlichen Beweisbeschluss unverzüglich zu entsprechen hat und die Akten und Unterlagen, die in der – in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO UA eingebrachten – Aufforderung vom 14.07.2022, Blg. LXXXVIII (Beilage ./3), bezeichnet sind, unverzüglich dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln hat", als unzulässig.
1.7.1. Der auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützte Antrag des einschreitenden Viertels der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses ist unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem einschreitenden Viertel der Mitglieder und dem BMKÖS (noch) nicht vorliegen.
1.7.2. Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses begründet die Aufforderung und Fristsetzung gemäß §27 Abs4 VO UA gegenüber dem BMKÖS damit, dass sich die Verpflichtung zur Vorlage der bezeichneten Akten und Unterlagen betreffend die Ausschreibung von dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen sowie die Betrauung von Personen mit dem Ausschreibungsgesetz unterliegenden Funktionen und Arbeitsplätzen der Zentralstelle und der nachgeordneten Dienststellen des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend die näher bezeichneten Veröffentlichungen in der Wiener Zeitung schon aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergäbe. Aus diesem Grund sei es nicht erforderlich gewesen, vor der Fristsetzung gemäß §27 Abs4 VO UA ergänzende Beweisanforderungen iSd §25 Abs2 und 3 VO UA durch das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses zu verlangen.
1.7.3. Art53 Abs1 B VG räumt auch einem Viertel der Mitglieder des Nationalrates das Recht ein, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung führen aus, dass "[…] aus dem Minderheitsrecht auf Einsetzung auch eine gebührende Berücksichtigung der Minderheit bei der weiteren Regelung des Verfahrens im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates folgen" soll, um dem Charakter als Minderheitsrecht gerecht zu werden. Demnach soll der Minderheit "[…] auch die Möglichkeit gegeben werden, über die Beweiserhebung und den Gang des Verfahrens mitzubestimmen" (AB 439 BlgNR 25. GP, 2).
Die VO UA stellt eine Beteiligung der Minderheit im Verfahren sicher, sie vermittelt aber keine beherrschende Stellung der Minderheit im Verfahren. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Minderheitsrechte auf ergänzende Beweisanforderungen und Ladung von Auskunftspersonen unter Vorbehalt stehen: Die Mehrheit des Untersuchungsausschusses kann gemäß §25 Abs4 bzw §29 Abs4 VO UA den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens nach ergänzenden Beweisanforderungen bzw nach Ladung einer Auskunftsperson mit dem Untersuchungsgegenstand durch Beschluss bestreiten. Zur Absicherung der Rechte der Minderheit steht dieser jedoch die Möglichkeit offen, diesen Beschluss der Mehrheit im Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z3 bzw Z5 B VG vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten.
Im vorliegenden Fall hat die einschreitende Minderheit der Sache nach ergänzende Beweisanforderungen verlangt, ohne jedoch zuvor ein entsprechendes Verlangen gemäß §25 Abs2 VO UA gestellt zu haben; vielmehr richtete das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses unmittelbar eine Aufforderung nach §27 Abs4 VO UA an das informationspflichtige Organ. Es steht jedoch nicht im freien Ermessen des Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses, sich der beiden Instrumente (Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen und Aufforderung gegenüber dem informationspflichtigen Organ) beliebig zu bedienen:
Den Zuständigkeitsregelungen des Verfassungsgerichtshofes in Art138b Abs1 Z3 und Z4 B VG und der VO UA liegt ein System zugrunde, wonach zunächst die Mehrheit des Untersuchungsausschusses darüber zu entscheiden hat, ob ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses nach Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen (oder Beweiserhebungen) in sachlichem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses steht (vgl zB VfGH 29.6.2022, UA4/2022). Dies wird – wie bereits dargelegt – insbesondere aus Art138b Abs1 Z3 B VG iVm §25 Abs2 und 3 VO UA deutlich, wonach ein Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen durch Beschluss der Mehrheit des Untersuchungsausschusses bestritten werden kann und dieses Organstreitverfahren gegebenenfalls letztlich vom Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B VG zu entscheiden ist.
Räumte man nun einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit ein, in jedem Fall unmittelbar eine Aufforderung nach §27 Abs4 VO UA gegenüber einem informationspflichtigen Organ vorzunehmen, käme der Regelung des §25 VO UA keinerlei Bedeutung mehr zu bzw wäre der Mehrheit des Untersuchungsausschusses die in §25 Abs2 und 3 VO UA eingeräumte Möglichkeit genommen, einen Beschluss zu fassen, mit dem der sachliche Zusammenhang des Verlangens des Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird.
1.7.4. Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass die auf §27 Abs4 VO UA gestützte Aufforderung des Viertels der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses an den BMKÖS, ohne vorher ein Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 Abs2 und 3 VO UA gestellt zu haben, unzulässig ist. Da es sich nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes der Sache nach um ergänzende Beweisanforderungen handelt, hätte das einschreitende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ein Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen im Sinne des §25 Abs2 und 3 VO UA erheben müssen. Erst wenn ein solches Verlangen nach ergänzenden Beweisanforderungen gestellt wurde, die Mehrheit des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang des Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand nicht bestritten hat oder ein solcher Bestreitungsbeschluss in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B VG vom Verfassungsgerichtshof als rechtwidrig erklärt worden ist und in der Folge das informationspflichtige Organ der auf §27 Abs4 VO UA gegründeten Aufforderung zur Vorlage von Akten oder Unterlagen oder Durchführung von Beweiserhebungen nicht oder ungenügend nachgekommen ist, kann dies zum Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit im Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG gemacht werden.
1.7.5. Da das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses somit den Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zu einem Zeitpunkt gestellt hat, zu dem eine solche nach den einschlägigen Regelungen des Art138b Abs1 Z3 und 4 B VG und der VO UA noch gar nicht entstanden sein konnte, ist der Antrag auch in seinem zweiten Teil unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.