JudikaturVfGH

UA82/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
23. September 2022

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),

"der Verfassungsgerichtshof möge – mit Ausnahme der Studie betreffend 'Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA – Einflussfaktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Sektor Gesundheits- und Sozialwesen' und der Studie betreffend 'Institut für Wirtschaftsforschung – Kosten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge für die öffentliche Hand' – feststellen,

dass die Weigerung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. XCIII (Beilage ./3), nachzukommen rechtswidrig ist,

sowie ferner,

dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dem grundsätzlichen Beweisbeschluss unverzüglich zu entsprechen hat und die Akten und Unterlagen, die in der – in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO-UA eingebrachten – Aufforderung vom 14.07.2022, Blg. XCIII (Beilage ./3), bezeichnet sind, unverzüglich dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln hat."

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. §24, §25 und §27 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

"Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 (mit näherer Begründung) folgendes – auszugsweise wiedergegebenes – Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss hat ein Sittenbild türkiser Politik offenbart, das ansonsten hinter einer teuren PR-Fassade versteckt geblieben wäre. Die Realität türkiser Politik ist eine, wo es um 'Kriegst eh alles, was du willst', um die türkisen 'Aufsichtsratssammler', um 'Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung', um Millionenaufträge aus türkisen Ministerien an eng mit der ÖVP verbundene Unternehmen und zuallererst um die Frage geht: Gehörst du zur Familie?

Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe und die von ihr vorgelegten Belege für ein System des parteipolitischen Missbrauchs öffentlicher Gelder und Strukturen unter der Führung von Sebastian Kurz und seinen Gefolgsleuten übertreffen sämtliche Befürchtungen. Das bisher Bekannte ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs.

Damit klar wird, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass in unserem Land in den letzten Jahren ein mutmaßliches System der Korruption und des Machtmissbrauchs zum zentralen Instrument von Regierungspolitik werden konnte, muss die Aufklärung dort fortgesetzt werden, wo der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss aufhören musste. Der Kontrollauftrag, den die Bundesverfassung dem Nationalrat überträgt, gebietet dies.

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen daher gemäß Art53 Abs1 2. Satz B VG sowie §33 Abs1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit folgendem

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren

Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über

- Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten Dienstleistungen;

- Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;

- Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;

- Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021; Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten 'B[.] ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der 'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;

- mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;

- mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;

- Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundes- ministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen;

- Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die Förder- nehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen;

- Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;

- Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes.

[…]"

1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.

Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1-4 zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.

Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO-UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.

Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO-UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.

Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.

Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.

Bezeichnung der betroffenen Organe

Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO-UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

[…]

3. Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und –einrichtungen.

[…]"

1.3. In der 27. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 wurde der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),

"seiner sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Vorlage aller Akten und Unterlagen betreffend Vergabe- und Förderverfahren des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere betreffend der Vergabe folgender Inserate und Studien

nachzukommen. Alle angeführten Vorgänge liegen im Untersuchungszeitraum.

Die Frist, dieser Aufforderung zu entsprechen, beträgt zwei Wochen.

Begründung

1. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat im Untersuchungszeitraum die Vergabe von zahlreichen Inseraten und Studien durchgeführt. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat es unterlassen, aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 2, wirksam geworden am 09.12.2021) Akten und Unterlagen zum ersten Beweisthema, insbesondere zu den oben angeführten Inseraten und Studien, vollständig zu übermitteln oder zu begründen, warum aus seinem Verantwortungsbereich keine Akten und Unterlagen zum ersten Beweisthema vorgelegt wurden.

2. Das erste Beweisthema des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 1) lautet:

[…]

3. Der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP ist außerordentlich weit gefasst und betrifft eine große Anzahl von unterschiedlichen Vorgängen im Bereich der Vollziehung des Bundes. Damit der Untersuchungsausschuss sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, erreichen kann, muss er über eine umfassende Informationsgrundlage zu all den im Untersuchungsgegenstand angeführten Vorgängen verfügen. Das B VG räumt dem Untersuchungsausschuss ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden – aufgrund des Untersuchungsgegenstandes sehr zahlreichen – Sachverhalte umfassend zu beleuchten und aufzuklären.

So hält auch Univ.-Prof. Dr. A[.] J[.] in seinem im Auftrag des Bundeskanzleramtes erstellten und dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Gutachten vom 17.11.2021 zusammengefasst fest, dass es dem Untersuchungsausschuss möglich sein muss, das Vorliegen der im Einsetzungsverlangen genannten Kriterien, die die Vorlagepflicht umschreiben, selbst zu ermitteln. Dazu ist aber die vollständige Vorlage der Akten und Unterlagen betreffend das erste Beweisthema notwendig.

4. Hinsichtlich der Akten und Unterlagen, auf die sich diese Aufforderung bezieht, ist anzuführen, dass eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen selbstverständlich auch in Bundesministerien stattgefunden haben kann, die nicht vom einem Bundesminister oder von einer Bundesministerin geleitet werden, der oder die mit der ÖVP verbunden ist. Dementsprechend hat auch der Geschäftsordnungsausschuss einstimmig beschlossen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss an alle Bundesministerien zu richten, unabhängig davon, ob deren Leitung mit Organwalterinnen oder -waltern besetzt sind, die der ÖVP zurechenbar sind.

5. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein zu prüfen, ob bei der Vergabe von Aufträgen mit der ÖVP verbundene Personen an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sind und Handlungen gesetzt wurden, wie sie im Untersuchungsgegenstand umschrieben sind.

Das diese Aufforderung unterstützende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses geht davon aus, dass die in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen Informationen enthalten bzw es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass die in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen

- Informationen enthalten, die zur Aufklärung über Vorwürfe der partei- politischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Event- management sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbun- denen Personen und dem Bund daraus entstandene Kosten beitragen können;

- Informationen betreffend mögliche Einflussnahmen auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere im Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten Dienstleistungen,

- Informationen betreffend die Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist,

- Informationen betreffend der Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene Personen tätig sind und das tatsächliche Erbringen der gewünschten Leistungen, allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungs- erbringung und eine mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen,

- Informationen betreffend Buchungen von Inseraten, Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen und Inseratenvergaben von Organen des Bundes,

- Informationen betreffend mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahl- kampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben,

- Informationen betreffend mögliche Umgehungen der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungs- gesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum,

- Informationen betreffend Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Aus- schreibungen der Bundesministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen,

- Informationen betreffend der Vergabe von Förderungen der Bundes- ministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforder- lichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen,

- Informationen betreffend Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vor- gesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen oder

- Informationen betreffend Schaffung und Gestaltung von Finanzierungs- programmen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen enthalten.

Eine abstrakte Relevanz der von dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen wären zB dann nicht auszuschließen, wenn mit der ÖVP verbundene Personen an der Vorbereitung und Vergabe von Aufträgen mitgewirkt haben, wenn mit der ÖVP verbundene Personen Mitglieder von Vergabekommissionen waren, wenn mit der ÖVP verbundene Personen bzw Unternehmen beauftragt wurden bzw Angebote gelegt haben oder wenn seitens politischer Entscheidungsträgerinnen bzw -träger zu Gunsten mit der ÖVP verbundenen Personen bei Personen, die nicht mit der ÖVP verbunden sind, interveniert wurde.

Vor diesem Hintergrund erscheint es – nicht zuletzt angesichts des in Bezug auf die 'Verbundenheit' mit der ÖVP ebenfalls überaus weiten Untersuchungsgegenstandes – nahezu ausgeschlossen, dass bei keinem der aufgezählten Vorgänge mit der ÖVP verbundene Personen involviert waren.

6. In der Begründung des Einsetzungsverlangens (4/US 27. GP) wird zum Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Person mit der ÖVP verbunden ist, Folgendes ausgeführt:

'Der Begriff der 'Verbundenheit' beschreibt das erforderliche Naheverhältnis zur ÖVP, wobei dessen Grundlage vielfältig sein kann. Der Begriff der Verbundenheit erfasst in der Rechtsordnung unterschiedliche Formen der gegenseitigen Abhängigkeit, insbesondere wirtschaftlicher, aber auch rechtlicher Art. Gemeinsam ist den damit erfassten Sachverhalten ein Abhängigkeitsverhältnis, das gerade dadurch entsteht, dass jeweils eine Seite einen Vorteil anstrebt, der von der anderen Seite zur Verfügung gestellt werden kann, da er sich in dessen Ingerenz befindet. Die Verbundenheit mit der ÖVP indiziert bereits das Vorliegen des parteipolitischen Interesses. Verbunden sind insofern jedenfalls alle Unternehmen, an denen die ÖVP direkt oder indirekt beteiligt ist, ihr nahestehende Organisationen sowie Teilorganisationen, Unternehmen mit dauernder Geschäftsbeziehung zur ÖVP oder ihren Teilorganisationen sowie solche, die unter kontrollierendem Einfluss von ÖVP-FunktionärInnen stehen oder treuhänderisch für die ÖVP verwaltet werden. Verbunden sind ebenso Personen, die auf parteipolitisches Wohlwollen angewiesen sind, um ihr berufliches Fortkommen zu fördern. Dies wird insbesondere dort der Fall sein, wo Personalentscheidungen (wenn nicht formell, dann faktisch) von ÖVP-PolitikerInnen getroffen werden.'

Schon aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass ein Unternehmen oder eine Person mit der ÖVP verbunden ist, in unterschiedlichsten Konstellationen gegeben und die Verbundenheit unterschiedlichster Natur sein kann. Keinesfalls genügt daher, die Prüfung der Verbundenheit mit der ÖVP rein auf die Mitgliedschaft bei der ÖVP zu beschränken (ganz abgesehen davon, dass es öffentlichen Stellen schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen untersagt wäre, derartige Informationen zu erheben und zu verarbeiten).

Daher ist es den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten nicht möglich, Akten und Unterlagen mit Bezug zum ersten Beweisthema mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Unternehmen oder Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP-Regierungsmitgliedern und Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde.

Es muss vielmehr dem Untersuchungsausschuss selbst möglich sein, Auftragsvergaben dahingehend zu prüfen, ob die im Untersuchungsgegenstand umschriebenen Umstände vorliegen, weil ausschließlich der Untersuchungsausschuss aufgrund seiner vielfältigen ihm zur Verfügung stehenden Informationen (Akten und Unterlagen, Erhebungsersuchen, Befragung von Auskunftspersonen) in der Lage ist, auf Grundlage von ihm selbst anhand politischer Wertungen entwickelter Maßstäbe zu beurteilen, ob eine natürliche oder juristische Person mit der ÖVP verbunden ist bzw ob die anderen im Einsetzungsverlangen angeführten Kriterien vorliegen.

Anders gewendet: Im Rahmen des ersten Beweisthemas hat der Untersuchungsausschuss zu prüfen, ob eine Person mit der ÖVP verbunden ist, ob diese Person begünstigt wurde und ob schließlich diese Begünstigung in einem Zusammenhang mit der Verbundenheit zur ÖVP steht. Eine solche Prüfung kann aber nur durch Vorlage der Unterlagen im beschriebenen Umfang erfolgen.

So kommt auch Univ. Prof. Dr. J[.] in seinem vorhin zitierten Gutachten zum Ergebnis, dass es gemäß Art53 Abs3 B VG geboten ist, dass die im grundsätzlichen Beweisbeschluss genannten vorlagepflichtigen Organe – somit auch der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz – prinzipiell alle Akten und Unterlagen vorlegen, die die Vergabe von Aufträgen im Untersuchungszeitraum betreffen.

7. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, bei der Klärung der Frage, ob es bei der Vergabe von Aufträgen und Förderungen zu den im ersten Beweisthema umschriebenen Handlungen gekommen ist, die Vorgehensweisen unterschiedlicher Zentralstellen und nachgelagerter Dienststellen zu vergleichen, um anhand festgestellter Unterschiede zu untersuchen, ob diese Unterschiede auf das Vorliegen von Vorgängen im Sinn des Untersuchungsgegenstandes schließen lassen.

So hat auch die Vorsitzende in der 24. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 29.06.2022, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine Frage, die auf einen derartigen Vergleich gerichtet war, für zulässig erklärt und damit festgestellt, dass eine derartige Frage durch das in der Ladung festgelegte Beweisthema gedeckt ist (vgl vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. J[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 24. Sitzung, 29.06.2022, Seite 16).

8. Genauso muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, aufgrund der eigenen Untersuchungen anhand der in dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen festzustellen, dass darin keine Hinweise auf die im ersten Beweisthema behaupteten und umschriebenen Handlungen enthalten sind, weil damit der Schluss nahe liegen könnte, dass die im ersten Beweisthema behaupteten und umschriebenen Vorgänge nicht stattgefunden haben, was das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sein kann. Dazu benötigt er aber zwingend die von dieser Aufforderung umfassten Akten und Unterlagen.

Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass bei von dieser Aufforderung umfassten Vergabe- und Förderverfahren Unternehmen oder Personen zum Zug gekommen sind, weil sie mit einer anderen Partei als der ÖVP verbunden sind. Unter dieser Voraussetzung könnte die Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen ausgeschlossen werden. Es muss dem Untersuchungsausschuss daher möglich sein, auch derart gelagerte Sachverhalte zu prüfen, um sich ein Bild darüber machen zu können, ob die im ersten Beweisthema behaupteten und umschriebenen Vorgänge stattgefunden haben.

9. Weil es der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bis jetzt unterlassen hat, aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes zu übermitteln oder zu begründen, warum aus seinem Verantwortungsbereich Akten und Unterlagen zum ersten Beweisthema nicht vorgelegt wurden, wird er gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert, binnen zwei Wochen die von dieser Aufforderung umfassten Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen, die vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, einer besonderen Begründung bedarf."

1.4. Mit Schreiben vom 3. August 2022 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu der soeben wiedergegebenen Aufforderung mitgeteilt, dass der darin angeforderten Lieferung der Akten und Unterlagen auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses auch nach erneuter Prüfung mangels Bezuges zum Gegenstand der Untersuchung nicht nachgekommen werden könne, und hat dazu Folgendes ausgeführt:

Zunächst werde darauf hingewiesen, dass der in Rede stehenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA keine ergänzende Beweisanforderung vorausgegangen sei. Ein wechselseitiger Kommunikationsprozess zwischen dem vorlagepflichtigen Organ und dem Untersuchungsausschuss, wie ihn der Verfassungsgerichtshof voraussetze (vgl VfGH 10.5.2021, UA4/2021), habe nicht stattgefunden. Ungeachtet dessen habe das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Prüfung der angeforderten Akten und Unterlagen durchgeführt.

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz habe auf Basis des grundsätzlichen Beweisbeschlusses die Akten und Unterlagen, die im Untersuchungsgegenstand und Untersuchungszeitraum lägen, bereits übermittelt. Gemäß Art53 Abs3 B VG hätten die Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen. Die Verpflichtung zur Vorlage bestehe nicht bedingungslos, sondern sei daran gebunden, dass die angeforderten Unterlagen einen Bezug zum Gegenstand der Untersuchung aufwiesen. §24 VO UA, der den grundsätzlichen Beweisbeschluss regle, verpflichte die Organe des Bundes zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen (bloß) im "Umfang des Untersuchungsgegenstands".

Auch der Verfassungsgerichtshof habe im Rahmen seiner Entscheidungen zu Untersuchungsausschüssen (vgl VfGH 2.12.2020, UA3/2020) festgestellt, dass die Beurteilung der Vorlageverpflichtung und damit der Frage, ob für den Untersuchungsausschuss angeforderte Akten und Unterlagen gemäß Art53 Abs3 B VG vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, zunächst dem informationspflichtigen Organ obliege. Der Verfassungsgerichtshof habe ebenfalls ausgeführt, dass die Festlegung des Untersuchungsgegenstandes auch dem Schutz der betroffenen Organe diene, weil damit deren Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen konkretisiert sowie der Umfang bestimmt werde, innerhalb dessen sie Ersuchen um Beweiserhebung Folge zu leisten hätten. Der Untersuchungsausschuss sei somit an den Untersuchungsgegenstand und die damit einhergehende Zielsetzung gebunden; er solle im Rahmen des Beweisverfahrens konkrete Fragen untersuchen. Dabei müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses innerhalb dieser Grenzen blieben und nicht missbräuchlich verwendet würden (vgl VfGH 3.3.2020, UA1/2020).

Der Untersuchungsgegenstand sei wie folgt definiert:

"Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden."

Ziel des Untersuchungsausschusses sei die Untersuchung des Verdachts der parteipolitischen Instrumentalisierung von Strukturen des Bundes durch Gewährung von Vorteilen an relevante Akteure als natürliche oder juristische Personen, die mit der ÖVP verbunden seien. Im grundsätzlichen Beweisbeschluss (vgl AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 1) werde dazu festgehalten:

"Die relevanten Akteure (die Mitglieder eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Personen) und Handlungen (unsachliche Vorteilsgewährung sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage des 'Projekt Ballhausplatz'), der Zeitraum, der sachliche Umfang (Eignung zur parteipolitischen Begünstigung im Bereich der Vollziehung des Bundes) sowie die Zielrichtung der Untersuchung (Verdacht der Umgehung bzw Verletzung gesetzlicher Vorschriften) werden als konstitutive Merkmale des zu untersuchenden Vorgangs benannt. Gerade auf Grund des komplexen, der Untersuchung zu Grunde liegenden Sachverhalts muss die Bestimmung des Untersuchungsgegenstands durch eine Kombination mehrerer Elemente erfolgen."

Der Untersuchungsgegenstand begründe und begrenze die Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsgegenstand enthalte im oben angeführten Sinne mehrere kumulative Kriterien, deren (potentielles) Vorliegen bejaht werden müsse, um den fraglichen Sachverhalt in den Untersuchungsgegenstand einzubeziehen.

Der Untersuchungsgegenstand werde im Einsetzungsverlangen nach Beweisthemen gegliedert (im vorliegenden Fall sei das Beweisthema 1. "Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren" relevant).

Im grundsätzlichen Beweisbeschluss (vgl AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 1) werde zum Begriff "Verbundenheit mit der ÖVP" Folgendes festgehalten:

"Verbunden sind insofern jedenfalls alle Unternehmen, an denen die ÖVP direkt oder indirekt beteiligt ist, ihr nahestehende Organisationen sowie Teilorganisationen, Unternehmen mit dauernder Geschäftsbeziehung zur ÖVP oder ihren Teilorganisationen sowie solche, die unter kontrollierendem Einfluss von ÖVP-FunktionärInnen stehen oder treuhänderisch für die ÖVP verwaltet werden. Verbunden sind ebenso Personen, die auf parteipolitisches Wohlwollen angewiesen sind, um ihr berufliches Fortkommen zu fördern. Dies wird insbesondere dort der Fall sein, wo Personalentscheidungen (wenn nicht formell, dann faktisch) von ÖVP-PolitikerInnen getroffen werden."

Die in der vorliegenden Aufforderung aufgezählten Aufträge wiesen jedoch aus den nachstehenden Gründen weder einen Bezug zu den Kriterien des Beweisthemas 1. noch zum Untersuchungsgegenstand auf:

Es seien jeweils keine Entscheidungen von (bzw unter dem Einfluss von) ÖVP Entscheidungsträgern vorgelegen:

– Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bzw davor das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sei im Zeitraum vom 18. Dezember 2017 bis zum 11. Oktober 2021 zu keinem Zeitpunkt von der ÖVP geführt worden. Das Ministerium sei ab 18. Dezember 2017 unter der Leitung einer Ministerin der FPÖ gewesen. In der Zeit der Minderheitsregierung Kurz bzw der ExpertInnenregierung sei das Ressort von zwei unabhängigen ExpertInnen geleitet worden; seit 7. Jänner 2020 stehe es unter der Leitung von Ministern der Grünen. Keine dieser Personen sei in irgendeiner Weise mit der ÖVP verbunden (gewesen) oder sei unter einem kontrollierenden Einfluss von ÖVP-FunktionärInnen gestanden. Eine solche werde in der in Rede stehenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA nicht einmal behauptet (und dementsprechend auch nicht begründet).

– Es sei auch zu keiner Begünstigung von Personen im Umfeld der ÖVP gekommen, wie (ehemalige) PolitikerInnen der ÖVP oder MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP-Regierungsmitgliedern in unmittelbarem Anschluss an ihre Tätigkeit für ÖVP Minister; es lägen auch keinerlei Hinweise auf eine solche Begünstigung vor. Eine solche Bevorteilung von mit der ÖVP verbundenen Personen werde in der in Rede stehenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA weder behauptet noch begründet. Bei den beauftragten Institutionen sei keine parteipolitische Bindung an die ÖVP oder Beteiligungsverhältnisse in Bezug auf die ÖVP oder ein kontrollierender Einfluss der ÖVP erkennbar. Die Auftragnehmer seien überwiegend Universitätsinstitute oder sonstige Institutionen mit anerkanntem wissenschaftlichen Ruf. Es handle sich auch nicht um kurzfristig gegründete Rechtsträger, sondern um etablierte Institutionen, die – unabhängig von der politischen Zusammensetzung der Bundesregierung – auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation schon über viele Jahre hinweg Aufträge von unterschiedlichen Bundesministerien erhielten.

Auch die Inhalte der erteilten Aufträge ließen sich aus den dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz übertragenen Aufgaben herleiten. Teilweise seien die Aufträge auf Grund von europarechtlichen Vorgaben unverzichtbar, aber jedenfalls zur qualitätsvollen Wahrnehmung der Agenden des Ressorts notwendig.

Die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA enthalte durch die simple Auflistung bestimmter Auftragsvergaben, die vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durchgeführt worden seien, keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen – mangels jeglicher Zuständigkeit – begründet werde.

Durch die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA seien im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nochmals die geforderten Akten und Unterlagen überprüft worden; bezogen auf die einzelnen in der Aufforderung aufgelisteten Bestellungen werde das Nachstehende mitgeteilt:

– Die Medienkooperation mit dem Falter habe dazu gedient, die Studien des Sozialberichtes einem breiteren Publikum näherzubringen, um die öffentliche Diskussion zu Ergebnissen sozialpolitischer Wissenschaft zu befördern. Dazu seien die Studien journalistisch und grafisch aufbereitet und in einer eigenen Beilage publiziert worden. Der Sozialbericht selbst sei dem Parlament übermittelt worden.

– Für die Effizienzstudie im Bereich der Sozialversicherung sei die LSE Enterprise Ltd. als Vertragspartnerin gewählt worden, weil es das Ziel gewesen sei, eine externe objektive und unvoreingenommene Sichtweise auf diese Problematik sicherzustellen. Dies sei mit der LSE als renommierter Universität mit einem Schwerpunkt gerade auch im Bereich der Gesundheitspolitik jedenfalls gewährleistet gewesen. Die Auswahl der LSE sei nach deren wissenschaftlicher Reputation und belegbarer internationaler Erfahrung erfolgt. Ziel der Studie sei es gewesen, Effizienzpotenziale in den Sozialversicherungen zu heben; das Sozialversicherungssystem sollte einer kritischen Reflexion unterzogen und weiterentwickelt werden.

– Hinsichtlich der Studie "Gewalt an und sexueller Missbrauch von Menschen mit Behinderungen" (Titel der Studie "Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen") mit einem Auftragswert iHv € 294.479,– habe es eine BieterInnengemeinschaft gegeben, die durch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien vertreten gewesen sei. Der Auftragnehmer sei als Bestbieter aus einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach BVergG 2006 hervorgegangen. Der Auftragnehmer sei von einer Bewertungs- bzw Vergabekommission auf Grund der Bewertung vorab festgelegter Bewertungskriterien ausgewählt worden. Dazu habe es auch einen Entschließungsantrag 94/A (E) betreffend Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen mit Behinderungen gegeben, der in der 51. Sitzung des Nationalrates vom 20. November 2014 angenommen worden sei (53/E 25. GP). Der Vertrag sei am 31. Oktober 2016 abgeschlossen worden, was sohin vor dem Untersuchungszeitraum liege.

– Es sei darauf hinzuweisen, dass nur ein Auftrag an das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien zum Thema "Situation pflegender Angehöriger" vergeben worden sei (Auftragswert € 182.050,–). Der Auftragnehmer sei als Bestbieter aus einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem BVergG 2006 hervorgegangen. Der Auftragnehmer sei von einer Bewertungs- bzw Vergabekommission auf Grund der Bewertung vorab festgelegter Bewertungskriterien ausgewählt worden. Der Vertrag sei am 19. Mai 2017 abgeschlossen worden, was sohin vor dem Untersuchungszeitraum liege.

– Hinsichtlich der Evaluierung der Parkausweise (Auftragswert € 54.660,–) durch die Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, sei festzuhalten, dass mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 die Zuständigkeit für die Ausstellung von Parkausweisen gemäß §29b StVO 1960 von den Bezirkshauptmannschaften (respektive Magistraten) auf das Sozialministeriumservice übergegangen sei. Im Zuge der parlamentarischen Behandlung der Novelle sei vorgesehen worden, dass im Jahr 2017 eine Evaluierung der getroffenen Maßnahme durchzuführen sei (siehe die Entschließung des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend Parkausweise für Menschen mit Behinderung 285/E 24. GP). Der betreffende Vertrag sei am 27. Juni 2017 nach Durchführung einer Direktvergabe gemäß BVergG 2006 abgeschlossen worden, was sohin vor dem Untersuchungszeitraum liege.

– Die beiden Aufträge an die Bundesanstalt Statistik Österreich im Rahmen von EU-SILC 2018 (EU Statistics on Income and Living Conditions) und dem Europäischen System der Integrierten Sozialschutzstatistik (ESSOSS) beruhten auf unionsrechtlichen Vorgaben und Anforderungen. Ebenso gründe sich das ESS (European Social Survey) auf europarechtlichen Grundlagen (Studie Einstellung zum Wohlfahrtsstaat in Österreich, Analyse der Welle 8 des Europäischen Sozialsurveys, durchgeführt vom Institut für Höhere Studien [IHS]).

– Hinsichtlich der Studie "Die Bedeutung von Kennzahlen im Rahmen des Nationalen Qualitätszertifikates für Alten- und Pflegeheime in Österreich (NQZ) unter besonderer Berücksichtigung der Messung von Lebensqualität" sei darauf zu verweisen, dass das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung (EZ) seit Jahren große Expertise zum Thema Langzeitpflege und -betreuung (Long-term care – LTC) aufgebaut habe. So etwa sei das EZ die österreichische Partnerorganisation im EU-Projekt "Interlinks" gewesen, bei dem es um die Entwicklung eines internetbasierten Modells zur Beschreibung und Analyse von LTC-Systemen für ältere Menschen gegangen sei. Für eine Peer Review zum Thema "Achieving quality long term care in residential facilities" habe das EZdas Grundlagenpapier "Achieving quality in long-term care" erstellt. Beim EU-Projekt "Progress", bei dem es um die Entwicklung von ergebnisorientierten Qualitätsindikatoren für Alten- und Pflegeheime gegangen sei, sei die Projektleitung beim EZ gelegen. Das EZ sei die einzige Institution in Österreich gewesen, die sich – unter Einbeziehung der Erfahrungen aus europäischen Mitgliedsländern – wissenschaftlich mit Kennzahlen zum Thema Lebensqualität in Alten- und Pflegeheimen auseinandergesetzt habe und zugleich mit der Ergebnismessung beim Nationalen Qualitätszertifikat vertraut gewesen sei.

– Die Auftragsvergabe an SORA betreffend die Studie "Lebens- und Erwerbssituation älterer Arbeiternehmerinnen am Übergang in den Ruhestand" sei bereits im Jahr 2010 und somit deutlich vor dem Untersuchungszeitraum erfolgt.

– Der Auftrag an die Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA "Einflussfaktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Sektor Gesundheits- und Sozialwesen" sei von der Sektion Arbeitsmarkt betreut worden, die jetzt dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft angehöre.

– Die WIFO-Studie "Kosten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge für die öffentliche Hand" (Kosten € 65.375,–) sei vom damaligen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der dortigen Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat in Auftrag gegeben worden. Die diesbezüglichen Akten müssten sich daher nun im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft befinden. Ausgehend von der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 13835/J 25. GP des Abgeordneten Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studien, die vom BMASK in Auftrag gegeben worden seien (12998/AB 25. GP), sei diese Studie bis zum Stichtag 13. Juli 2017 und somit vor dem Untersuchungszeitraum in Auftrag gegeben worden.

– Der Auftrag an die Wirtschaftsuniversität Wien für die Definition von Energiearmut habe als Basis für Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut gedient.

Aus der Sicht des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ergebe sich nach nochmaliger Prüfung weiterhin unter Bezugnahme auf die oben dargelegten Begründungen für keine dieser Bestellungen ein Hinweis für einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand, weil die im Beweisbeschluss genannten Merkmale nicht vorliegen würden.

Widersprochen werden müsse der in der Aufforderung zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht, dass im Ergebnis der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz prinzipiell alle Akten und Unterlagen vorlegen müsse, die die Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes im Untersuchungszeitraum beträfen. Bei einem derartigen unbeschränkten Verständnis der Vorlageverpflichtung, wie es in der Aufforderung vertreten werde, würde der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss durch eine von einer nicht-einsetzenden Minderheit getragene Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA in eine generelle Prüfung der Ausschreibungen im Bereich des Bundesministeriums umgedeutet und der Untersuchungsauftrag unterlaufen. In einer Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA müsse jedoch nachvollziehbar offengelegt werden, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der ergänzenden Beweisanforderung nachgegangen werden solle (vgl VfGH 29.6.2022, UA4/2022).

Die vorliegende Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA zur Vorlage von Akten und Unterlagen sei somit nicht vom Gegenstand der Untersuchung abgedeckt, weshalb ihr nicht nachgekommen werden könne.

2. Die Einschreiter begründen ihren auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag wie folgt:

2.1. Zur Zulässigkeit:

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sei seiner Pflicht zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht nachgekommen (§24 Abs1 VO-UA). Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss sei über die Gründe der nicht erfolgten Vorlage nicht unterrichtet worden (§27 Abs3 VO-UA).

Der daraufhin am 14. Juli 2022 eingebrachten und am 20. Juli 2022 zugestellten Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA sei nicht entsprochen worden. Mit Schreiben vom 3. August 2022 habe der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sein Vorgehen begründet.

Da es der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz unterlassen habe, bis zum Ablauf der zweiwöchigen Frist (§27 Abs4 VO UA) am 3. August 2022 die begehrten Akten und Unterlagen vorzulegen bzw für die Ablehnung der Vorlage eine vom Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses als hinreichend erachtete, substantiierte Begründung zu geben, bestehe zwischen dem antragstellenden Viertel des Untersuchungsausschusses und dem Bundesminister eine Meinungsverschiedenheit über die Pflicht zur Vorlage näher bezeichneter Akten und Unterlagen.

Gemäß §56f Abs1 VfGG sei ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO-UA zwei Wochen vergangen seien. Die Frist für ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, den Verfassungsgerichtshof nach Art138b Abs1 Z4 B VG anzurufen, ende am 17. August 2022. Somit seien die am Vortag im Wege des Präsidenten des Nationalrates eingebrachten "Anträge" rechtzeitig.

2.2. In der Sache begründen die Einschreiter ihren Antrag – auszugsweise – wie folgt:

2.2.1. Am 13. Oktober 2021 sei die Einsetzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses verlangt worden. Die Einsetzung und Konstituierung seien am 9. Dezember 2021 erfolgt. Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates habe am 2. Dezember 2021 einstimmig gemäß §3 Abs5 VO-UA den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24 VO-UA gefasst. Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichte ua "die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und -einrichtungen" zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes; sohin auch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Dieser habe dem Untersuchungsausschuss die von der Aufforderung vom 14. Juli 2022 umfassten Akten und Unterlagen nicht vorgelegt.

Daraufhin habe ein Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 14. Juli 2022 gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert, binnen 14 Tagen dem grundsätzlichen Beweisbeschluss vom 2. Dezember 2021 hinsichtlich genau (abstrakt und konkret) bezeichneter Akten und Unterlagen, nämlich betreffend die Vergabe- und Förderverfahren des Bundesministeriums, insbesondere die Vergabe ausdrücklich in der Aufforderung bezeichneter Inserate und Studien, zu entsprechen, weil der Bundesminister nach Ansicht eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses seiner sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss nicht vollständig nachgekommen sei.

Das Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses habe seine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA, Beilage XCIII, ausführlich begründet. Es habe dargelegt, welche Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss bislang noch nicht vorgelegt worden seien und warum diese vom grundsätzlichen Beweisbeschluss umfasst seien, der sich über den gesamten Untersuchungsgegenstand erstrecke. Aus der Darlegung der wesentlichen Argumente dafür, dass die angeforderten Akten und Unterlagen vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, ergebe sich auch deren abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand.

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz habe bis zum Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO-UA dieser Aufforderung weder entsprochen, noch habe er dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ausreichende und nachvollziehbare Gründe für die Nichtentsprechung dargelegt. Diese Weigerung, der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist zu entsprechen, sei rechtswidrig.

2.2.2. Wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz behaupte, dass es die Abgeordneten, die ihn gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert hätten, dem grundsätzlichen Beweisbeschluss zu entsprechen und näher bezeichnete Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln, unterlassen hätten, in einen wechselseitigen Kommunikationsprozess mit ihm einzutreten, und dass ohne ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 leg cit eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA rechtswidrig sei, sei ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Die VO-UA sehe diesen wechselseitigen Kommunikationsprozess insofern vor, als normiert sei, dass vor der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wegen einer Meinungsverschiedenheit auf Grund der Nichtentsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses oder einer ergänzenden Beweisanforderung eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA zu ergehen habe. Dieser Zwischenschritt diene genau dazu, eine wechselseitige Kommunikation zu ermöglichen, die entweder die Übermittlung der Akten und Unterlagen oder die Abgabe einer hinreichenden Begründung zum Ergebnis habe, warum Akten und Unterlagen nicht vorgelegt worden seien.

Im vorliegenden Fall habe der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss die in der Aufforderung vom 14. Juli 2022 näher bezeichneten Akten und Unterlagen auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht übermittelt, obwohl diese näher bezeichneten Akten und Unterlagen nach Auffassung eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses vom Untersuchungsgegenstand – und sohin auch vom sich auf den ganzen Untersuchungsgegenstand erstreckenden grundsätzlichen Beweisbeschluss – umfasst seien. Daraufhin habe ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 14. Juli 2022 aufgefordert, seiner Vorlageverpflichtung hinsichtlich der in der Aufforderung näher beschriebenen Akten und Unterlagen binnen der gesetzlichen Frist von 14 Tagen nachzukommen. Die Aufforderung sei hinreichend begründet gewesen. So habe das Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den wechselseitigen Kommunikationsprozess eingeleitet. Der Bundesminister habe die Möglichkeit gehabt, gegenüber dem Untersuchungsausschuss darzulegen, welche Akten und Unterlagen sich in seinem Akten- und Unterlagenbestand befänden, welche dem Untersuchungsausschuss übermittelt würden bzw detailliert und nachvollziehbar zu begründen, warum welche Akten und Unterlagen nicht vorgelegt würden.

Die VO-UA sehe nicht vor, dass in jedem Fall vor einer Aufforderung nach §27 Abs4 VO-UA zuerst eine ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 leg cit zu ergehen habe. Ganz im Gegenteil ergebe sich aus dem Wortlaut des §27 Abs4 VO-UA ausdrücklich, dass die Aufforderung sowohl bei einer Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss als auch bei einer Nichterfüllung einer Verpflichtung aus einer ergänzenden Beweisanforderung möglich sei.

Dieses Instrument der ergänzenden Beweisanforderung stelle nur eine Ergänzung zum grundsätzlichen Beweisbeschluss dar, die immer – wie auch der grundsätzliche Beweisbeschluss selbst – innerhalb der Grenzen des Untersuchungsgegenstandes bleiben müsse. Die ergänzende Beweisanforderung treffe für den Fall Vorkehrung, dass sich zB aus den bereits auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorgelegten Unterlagen oder auf Grund von Befragungen von Auskunftspersonen ergeben habe, dass ein bestimmtes Beweismittel für die Erhebungen des Untersuchungsausschusses notwendig sei, dieses dem Untersuchungsausschuss aber bislang noch nicht vorgelegt worden sei. Daraus lasse sich jedenfalls keine Einengung der Vorlageverpflichtung auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses ableiten.

Ebenso wenig diene eine ergänzende Beweisanforderung als "Rechtsmittel" gegen die unzureichende Vorlage von Akten und Unterlagen in Entsprechung eines grundsätzlichen Beweisbeschlusses. Komme ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht oder ungenügend nach, habe der Untersuchungsausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder gemäß §27 Abs4 VO-UA die Möglichkeit, das betreffende Organ aufzufordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Das Instrument der ergänzenden Beweisanforderung stehe aber für diesen Zweck eben nicht zur Verfügung.

Daher gehe dieser Einwand des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ins Leere, zumal das antragstellende Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO-UA den Bundesminister aufgefordert habe, dem grundsätzlichen Beweisbeschluss zu entsprechen und die näher bezeichneten Akten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. Wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkomme, habe er dies nachvollziehbar zu begründen.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dem Verfassungsgerichtshof Bezug habende Akten und Unterlagen vorgelegt sowie eine Äußerung erstattet, in der er ua die Zurückweisung des Antrages begehrt:

3.1. Zur Zulässigkeit:

Zum ersten Punkt des Begehrens der Antragsteller ("[D]er Verfassungsgerichtshof möge […] feststellen, dass die Weigerung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO-UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. XCIII [Beilage ./3], nachzukommen rechtswidrig ist"):

Die im ersten Punkt des Begehrens beantragte Feststellung finde in den einschlägigen Bestimmungen des B VG und des VfGG keine Rechtsgrundlage (vgl dazu zuletzt VfGH 25.8.2022, UA5-6/2022, Pkt. IV.8., unter Berufung auf VfSlg 19.973/2015, S 657).

Der erste Punkt des Begehrens der Antragsteller sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.2. Zur inhaltlichen Begründetheit des Antrages (Auszug):

Die in der Aufforderung zur Fristsetzung genannten Akten und Unterlagen seien nicht bereits auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorzulegen gewesen. Dies ergebe sich – wie bereits im Schreiben des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 3. August 2022 ausführlich dargelegt – offenkundig aus dem Wortlaut des Untersuchungsgegenstandes und des ersten Beweisthemas sowie aus dem Fehlen einer Begründung in der Aufforderung zur Fristsetzung, die einen konkreten Bezug zum Beweisthema und zum Untersuchungsgegenstand herstellen würde.

Nach dem System der VO-UA bestehe eine Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen ausschließlich auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses oder auf Grund einer ergänzenden Beweisanforderung (vgl §27 Abs1 erster Satz leg cit).

Im vorliegenden Fall sei – wie im Schreiben des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 3. August 2022 ausführlich dargelegt – offenkundig, dass die in der Fristsetzungsaufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA angeforderten Unterlagen nicht bereits auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses vorzulegen gewesen seien.

Eine Pflicht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die in der Aufforderung zur Fristsetzung geforderten Akten und Unterlagen vorzulegen, könnte daher nur auf Grundlage einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 VO-UA bestehen.

Da eine solche ergänzende Beweisanforderung aber nicht ergangen sei, bestehe – wie bereits im Schreiben des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 3. August 2022 ausgeführt – keine Vorlagepflicht, womit die gesetzliche Voraussetzung für eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA nicht vorliege.

Würde man eine Aufforderung zur Fristsetzung in Fällen zulassen, in denen offenkundig keine Vorlagepflicht für Akten und Unterlagen auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses bestehe, ohne dass zuvor eine ergänzende Beweisanforderung erfolge, würde dies der Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit nehmen, den sachlichen Zusammenhang einer ergänzenden Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 VO-UA mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten.

Im vorliegenden Fall sei – wie bereits im Schreiben des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 3. August 2022 ausgeführt – dem in der VO-UA angelegten Kommunikationsprozess nicht entsprochen worden, weil eine Fristsetzungsaufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA ergangen sei, ohne dass in Bezug auf die angeforderten Akten und Unterlagen eine Vorlagepflicht auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses bestanden habe oder eine ergänzende Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 VO-UA ergangen sei.

IV. Zur Zulässigkeit

Der vorliegende Antrag entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen dem dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom heutigen Tag, UA75/2022 ua, zugrunde liegenden Antrag. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf Punkt IV. der Begründung des genannten Beschlusses zu verweisen. Daraus ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass der im ersten Teil des Begehrens enthaltene Feststellungsantrag in den einschlägigen Bestimmungen des B VG und des VfGG keine Rechtsgrundlage findet sowie der im zweiten Teil des Begehrens gestellte Antrag unzulässig ist, weil die Voraussetzungen für eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem einschreitenden Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses und dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (noch) nicht vorliegen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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