UA5/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen,
• dass die Weigerung der Bundesministerin für Justiz, der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30.6.2022 nachzukommen und den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI und VII) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen, rechtswidrig ist
sowie ferner,
dass die Bundesministerin für Justiz die Erhebungen gem den beiden Verlangen vom 26.02.2022 unverzüglich durchzuführen und die Ergebnisse dem Untersuchungsausschuss unverzüglich zu übermitteln hat."
II. Rechtslage
1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B VG, BGBl 1/1930, idF BGBl 101/2014 lauten:
"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."
"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
[…]
4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;
[…]"
2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:
"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss
des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen
Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen
zur Verfügung zu stellen
§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.
(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 (mit näherer Begründung) Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP Regierungsmitglieder (ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss) im Nationalrat eingebracht.
1.2. Am 26. Jänner 2022 wurden zwei an die Bundesministerin für Justiz adressierte Verlangen wirksam, die im vorliegenden Antrag als "Beilage VI" und "Beilage VII" bezeichnet werden und wie folgt lauten (ohne die in den Originalen enthaltenen Hervorhebungen):
"'Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs2 VO UA ersucht, durch die WKStA für den Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand folgende Erhebungen in der angegebenen Reihenfolge durchzuführen:
1. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen mit Bezug zu H[.] C[.] S[.], C[.] H[.], MA, H[.] K[.], M[.] K[.], Mag. B[.] H[.] K[.], Ing. N[.] H[.], Mag. J[.] G[.] M.A.I.S, Dr. K[.] K[.];
2. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von H[.] C[.] S[.];
3. Auswertung der Handychats (SMS, Whatsapp, Telegram, Signal, i Message, etc.) sowie E Mails von H[.] C[.] S[.];
4. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von C[.] H[.], MA;
5. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von H[.] K[.];
6. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von M[.] K[.];
7. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. B[.] H[.] K[.];
8. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Ing. N[.] H[.];
9. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. J[.] G[.] M.A.I.S;
10. Auswertung der Handychats (SMS, Whatsapp, Telegram, Signal, i Message, etc.) sowie E Mails von Mag. J[.] G[.] M.A.I.S;
11. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Dr. K[.] K[.].
12. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen mit Bezug zu Mag. C[.] K[.], Dr. P[.] R[.] W[.], Mag. H[.] P[.] D[.], A[.] S[.], diplômé, Mag. J[.] L[.], Mag. Dr. S[.] H[.], MAS, Mag. T[.] D[.];
13. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. C[.] K[.];
14. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Dr. P[.] R[.] W[.];
15. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. H[.] P[.] D[.];
16. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von A[.] S[.], diplômé;
17. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. J[.] L[.];
18. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. Dr. S[.] H[.];
19. Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung von Mag. T[.] D[.]'
Begründung
Der Untersuchungsausschuss 4/US XXVII.GP kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein.
Die WKStA hat im Zuge der Ermittlungen, die im Zusammenhang mit der sogenannten Ibiza-Affäre geführt wurden und werden, einen umfangreichen Bestand an elektronischer Kommunikation sichergestellt. Bislang ist weder die gesamte Kommunikation noch alle teilnehmenden Personen dem Untersuchungsausschuss bekannt. Allerdings ist zu erwarten, dass die seitens der WKStA sichergestellte Kommunikation Informationen enthält, die es ermöglicht, gegebenenfalls die politische Verantwortung für die im Einsetzungsverlangen 4/US XXVII. GP behaupteten und näher umschriebenen Missstände abschließend klären zu können.
Daher ist es für den Untersuchungsausschuss unerlässlich, dass die seitens der WKStA sichergestellte elektronischen Kommunikation dahingehend ausgewertet wird, ob die im gegenständlichen Verlangen genannten Personen, die allesamt Spitzenpolitikerinnen bzw -politiker der Republik Österreich sind oder waren und denen ein entsprechender mittelbarer oder unmittelbarer Einfluss zukommt, an der Kommunikation teilgenommen haben.
Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die seitens der WKStA sichergestellte Kommunikation, an der die im Verlangen genannten Personen beteiligt sind, Hinweise auf die im Untersuchungsgegenstand 4/US näher beschriebenen Handlungen ('[...] Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes [...] auf Betreiben [...] von in Organen des Bundes tätigen Personen [...]', enthält.
Die gegenständliche Beweisanforderung zielt aus Gründen der Rücksichtnahme auf laufende Ermittlungsverfahren nicht auf die vollständige Übermittlung dieser Kommunikation, sondern ersucht die WKStA um Beweiserhebung in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand.
Keinen Grund für eine Nicht-Übermittlung stellt die mangelnde Relevanz der Kommunikation im Zuge des Strafverfahrens dar. Der Untersuchungsausschuss führt gerade eben kein Strafverfahren. Er zielt nicht auf die Feststellung von Schuld oder Unschuld, sondern auf die Klärung politischer Verantwortung. In diesem Sinne ist das einzig relevante Kriterium für eine Vorlage an den Untersuchungsausschuss der Untersuchungsgegenstand.
Es wird davon ausgegangen, dass die Bundesministerin für Justiz zur Festlegung der weiteren Vorgangsweise ein Konsultationsverfahren anregt."
"'Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs2 VO UA ersucht, durch die WKStA für den Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand folgende Erhebung durchzuführen:
Auswertung des vorliegenden Datenbestands von MMag. T[.] S[.] auf Korrespondenzen mit Bezug zu
Mag. M[.] R[.]; Mag. R[.] S[.], MAS; W[.] K[.]; Hon. Prof. Dr. C[.] K[.]; Dr. H[.] P[.] H[.]; Mag. B[.] E[.]; Mag. C[.] K[.]; Mag. T[.] D[.]; Dr. J[.] O[.]; Komm. Rat Dr. G[.] G[.]; J[.] K[.]; G[.] S[.]; Ing. Mag. (FH) A[.] M[.]; Mag. N[.] B[.]; Mag. E[.] C[.] S[.] F[.]; Mag. E[.] M[.] S[.] W[.]; Mag. A[.] H[.]; S[.] K[.]; Mag. M[.] K[.]; Mag. S[.] M[.]; Dr. A[.] K[.]; Mag. C[.] P[.]; Mag. E[.] W[.]; Mag. P[.] G[.] Z[.]; Mag. S[.] S[.] M[.]; Mag. F[.] F[.], MSc; Mag. C[.] B[.]; Dr. J[.] V[.]; S[.] G[.], LL.B.; MMag. J[.] F[.]; Mag. G[.] H[.]; Mag. Dr. K[.] S[.]; H[.] P[.] D[.]; Mag. R[.] R[.], MA; Mag. H[.] O[.]; Dr. M[.] L[.]; Dr. E[.] H[.]; Dr. P[.] K[.]; Mag. Dr. D[.] P[.], MAS; MMag. DDr. M[.] M[.], MAS MBA MPA; Dr. G[.] A[.]; L[.] M[.]; D[.] S[.]; M[.] B[.].'
Begründung
Der Untersuchungsausschuss 4/US XXVII.GP kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein.
Die WKStA hat im Zuge der Ermittlungen, die im Zusammenhang mit der sogenannten Ibiza-Affäre geführt wurden und werden, einen umfangreichen Bestand an elektronischer Kommunikation von MMag. T[.] S[.] sichergestellt. Bislang ist weder die gesamte Kommunikation noch alle teilnehmenden Personen dem Untersuchungsausschuss bekannt. Allerdings ist zu erwarten, dass die seitens der WKStA sichergestellte Kommunikation von MMag. T[.] S[.] Informationen enthält, die es ermöglicht, gegebenenfalls die politische Verantwortung für die im Einsetzungsverlangen 4/US XXVII. GP behaupteten und näher umschriebenen Missstände abschließend klären zu können.
Daher ist es für den Untersuchungsausschuss unerlässlich, dass die seitens der WKStA sichergestellte elektronischen Kommunikation dahingehend ausgewertet wird, ob die im gegenständlichen Verlangen genannten Personen, die allesamt Spitzenpolitikerinnen bzw politiker der Republik Österreich sind oder waren und denen ein entsprechender mittelbarer oder unmittelbarer Einfluss zukommt, an der Kommunikation mit MMag. T[.] S[.] teilgenommen haben.
Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die seitens der WKStA sichergestellte Kommunikation von MMag. T[.] S[.], an der die im Verlangen genannten Personen beteiligt sind, Hinweise auf die im Untersuchungsgegenstand 4/US näher beschriebenen Handlungen ('[...] Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes [...] auf Betreiben [...] von in Organen des Bundes tätigen Personen [...]', enthält.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zB W[.] K[.] sowohl bei der Beschlussfassung über die Umwandlung der ÖBIB in die ÖBAG als auch bei der Bestellung von MMag. T[.] S[.] zum Alleinvorstand der ÖBAG eine wesentliche Rolle gespielt hat (vgl AB 1040 BIgNR XXVII. GP).
Die gegenständliche Beweisanforderung zielt aus Gründen der Rücksichtnahme auf laufende Ermittlungsverfahren nicht auf die vollständige Übermittlung dieser Kommunikation, sondern ersucht die WKStA um Beweiserhebung in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand.
Keinen Grund für eine Nicht-Übermittlung stellt die mangelnde Relevanz der Kommunikation im Zuge des Strafverfahrens dar. Der Untersuchungsausschuss führt gerade eben kein Strafverfahren. Er zielt nicht auf die Feststellung von Schuld oder Unschuld, sondern auf die Klärung politischer Verantwortung. In diesem Sinne ist das einzig relevante Kriterium für eine Vorlage an den Untersuchungsausschuss der Untersuchungsgegenstand.
Es wird davon ausgegangen, dass die Bundesministerin für Justiz zur Festlegung der weiteren Vorgangsweise ein Konsultationsverfahren anregt."
1.3. Mit Schreiben vom 9. Februar 2022 teilte die Bundesministerin für Justiz dem Präsidenten des Nationalrates zu den beiden soeben wiedergegebenen Verlangen informativ mit, eine erste, grobe, oberflächliche Sichtung (nur) des Datenbestandes von MMag. T. S. habe laut Bericht der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in der Folge: WKStA) vom 7. Februar 2022 ergeben, dass dieser im relevanten Zeitraum von den in den zwei ergänzenden Verlangen angeführten Personen möglicherweise nur mit Mag. T. D. gechattet haben dürfte. Da der Aufwand für die gleichzeitige Auswertung in diesem Fall bezüglich der in Rede stehenden Chats nur geringfügig größer sein dürfte, erschiene es nach Ansicht der WKStA zweckmäßig, diese Chats in die Auswertung einzubeziehen. Falls sich der ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss mit der Parallelauswertung der ergänzenden Beweisverlangen vom 16. Dezember 2021 und 26. Jänner 2022 einverstanden erkläre, könne das Bundesministerium für Justiz – unter Hinweis auf den zu diesem Punkt nach wie vor bestehenden, dringenden Konsultationsbedarf – einen dementsprechenden Entwurf einer Konsultationsvereinbarung übermitteln.
1.4. Mit Schreiben vom 15. Februar 2022 übermittelte die Bundesministerin für Justiz dem Präsidenten des Nationalrates den aktualisierten Entwurf einer Konsultationsvereinbarung "auf Grundlage des derzeit bestehenden und umsetzbaren Konsenses" und teilte mit, eine inzwischen durchgeführte, eingehendere Prüfung des Datenbestandes vom MMag. T. S. habe ergeben, dass deutlich mehr Chat-Nachrichten zu den in den Verlangen vom 26. Jänner 2022 angeführten Personen vorlägen als ursprünglich ersichtlich.
Eine von der WKStA inzwischen vorgenommene Detailprüfung habe ergeben, dass MMag. T. S. zu 16 der in den ergänzenden Verlangen vom 26. Jänner 2022 namentlich genannten Personen (zumindest einmal) Chat-Kontakt gehabt habe und in diesem Zusammenhang insgesamt rund 1.800 Nachrichten auszuwerten wären. Im Hinblick auf den mit der Prüfung auf eine Relevanz für den Untersuchungsgegenstand verbundenen Zeitaufwand von mehreren Wochen allein für diese Chats könne die Entsprechung der Verlangen vom 26. Jänner 2022 – anders als zunächst erhofft – nicht "nebenbei eingeschoben" werden.
Im Hinblick auf die geänderte Ausgangslage, die eine Parallelauswertung der Verlangen vom 16. Dezember 2021 und vom 26. Jänner 2022 ohne erheblichen zeitlichen Mehraufwand bedauerlicherweise nicht zulasse, bestehe daher zur Frage der Reihenfolge der von der WKStA durchzuführenden Chat-Auswertung weiterhin dringender Konsultationsbedarf.
1.5. Laut einem Ergebnisprotokoll der Besprechung im Rahmen des Konsultationsverfahrens zum ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss vom 24. März 2022 hielt der Vorsitzende abschließend fest, dass die Sitzung ohne ein Ergebnis geschlossen werde und man sich auf Referentenebene um eine Lösung bemühen solle.
1.6. In der 11. Sitzung des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses am 7. April 2022 wurde die Bundesministerin für Justiz gemäß §27 Abs4 VO UA aufgefordert (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),
"binnen zwei Wochen den beiden ergänzende Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI. und VII.) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu entsprechen. […]
Begründung
1. Gemäß §27 Abs1 VO UA haben Organe des Bundes ergänzenden Beweisanforderungen unverzüglich zu entsprechen. Wird einer ergänzenden Beweisanforderung nicht entsprochen, ist gemäß Abs3 leg.cit. der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Abs4 leg.cit. normiert, dass der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern kann, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen, wobei die Aufforderung schriftlich zu begründen ist, wenn ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 leg.cit. nicht nachgekommen ist.
2. Mit zwei am 26.01.2022 wirksam gewordenen Verlangen ersuchte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Frau Bundesminister für Justiz durch die WKStA für den Untersuchungsausschuss 4/US im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand folgende Erhebung durchzuführen:
Erstens Auswertung des vorliegenden Datenbestands von MMag. T[.] S[.] auf Korrespondenzen mit Bezug zu näher beschriebenen Personen sowie zweitens Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen mit Bezug zu näher bezeichneten Personen bzw Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung näher bezeichneter Personen.
Mit Schreiben vom 10.02.2022 teilte die Frau Bundesminister für Justiz mit, dass eine erste grobe oberflächliche Sichtung des Datenbestandes ergeben hätte, dass MMag. T[.] S[.] im relevanten Zeitraum von den in den zwei Verlangen angeführten Personen möglicherweise nur mit einer Person Nachrichten ausgetauscht haben dürfte. Da der Aufwand für die gleichzeitige Auswertung (im Verhältnis zu einem Verlangen auf Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses vom 16.12.2021) nur geringfügig größer sein dürfte, erschiene es zweckmäßig, diese Nachrichten in die Auswertung einzubeziehen. Schließlich wies die Frau Bundesminister darauf hin, dass es hinsichtlich der Durchführung der Erhebungen entsprechend der ergänzenden Beweisverlangen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 dringender Konsultationsbedarf besteht.
In weiterer Folge teilte die Frau Bundesminister für Justiz mit Schreiben vom 15.02.2022 mit, dass eine neuerliche Prüfung des Datenbestandes ergeben hätte, dass deutlich mehr Nachrichten zu den in den Verlangen vom 26.01.2022 angeführten Personen vorliegen würden als ursprünglich ersichtlich gewesen wäre. Eine Parallelauswertung der Verlangen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 wäre ohne erheblichen zeitlichen Mehraufwand nun nicht möglich, weshalb weiterhin dringender Konsultationsbedarf zur Frage der Reihenfolge der durchzuführenden Auswertungen bestünde.
Am 24.03.2022 fand eine Besprechung betreffend Konsultationsverfahren zu den ergänzenden Beweisverlagen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 statt, an dem Vertreter des Bundesministeriums für Justiz und Mitglieder des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP. teilnahmen. Zusammengefasst brachten die Vertreter des Bundesministeriums für Justiz vor, dass aufgrund des immensen Umfanges bzw der großen Datenmenge der den Institutionen des Bundesministeriums für Justiz vorliegenden Nachrichten es nicht möglich sei, diese gleichzeitig auszuwerten, weshalb ein Konsultationsverfahren einzuleiten gewesen wäre. Es sei notwendig, dass die Fraktionen des Untersuchungsausschusses dem Bundesministerium für Justiz einen Auftrag übermitteln würden, in welcher Reihenfolge auszuwerten sei. Das Bundesministerium habe seiner Hauptaufgabe, der Ermittlungstätigkeit im Sinne des Beschleunigungsgebots, nachzukommen und könne nicht alle seine Ressourcen für den Untersuchungsausschuss aufbringen.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses einigten sich anlässlich dieser Sitzung nicht darauf, dem Bundesministerium für Justiz einen Auftrag zu übermitteln, in welcher Reihenfolge die Nachrichten auszuwerten sind, weshalb der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses die Sitzung ohne Ergebnis schloss.
3. Die Frau Bundesminister für Justiz entsprach dem ergänzenden Beweisanforderung vom 16.12.2021 mit Lieferung vom 23.3.2022. Den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26.01.2022 hat sie bis zum heutigen Tag nicht entsprochen. Auch wurde bis zum heutigen Tag zu dieser Frage keine Konsultationsvereinbarung zwischen dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP und der Frau Bundesminister für Justiz abgeschlossen.
4. Gemäß §58 Abs2 VO UA kann der Bundesminister für Justiz beim Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses die Aufnahme des Konsultationsverfahrens verlangen, wenn er der Auffassung ist, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren.
Als Beispiele, bei Vorliegen welcher Umstände die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berührt werden könnten, sind zu nennen: Strafsachen bzw Sachverhaltskomplexe, in denen gemäß §35c StPO erst das Vorliegen eines Anfangsverdachts geprüft wird; Akten, in denen aktuell ein staatsanwaltschaftlicher Vorhabensbericht bei der Oberstaatsanwaltschaft oder im Bundesministerium für Justiz in Bearbeitung steht; Ergebnisse von Rechtshilfehandlungen durch Justizbehörden anderer Staaten; Vorbereitung von Ermittlungsmaßnahmen, die Betroffenen gegenüber geheim zu halten sind (vgl Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat, Parlamentsdirektion, Wien 2019, RZ 293).
5. Die Frau Bundesminister für Justiz hat bis heute nicht ausreichend begründet, warum sie den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26.1.2022 nicht entsprochen hat. Die seitens der Frau Bundesminister ins Treffen geführte Argumente, warum den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26.01.2022 nicht entsprochen wurde, nämlich dass aufgrund des immensen Umfanges bzw der großen Datenmenge der den Institutionen des Bundesministeriums für Justiz vorliegenden Nachrichten es nicht möglich sei, die ergänzenden Beweisanforderungen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 gleichzeitig auszuwerten, sind weder geeignet, das Erfordernis der Einleitung eines Konsultationsverfahrens und den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung zu begründen, zumal die seitens der Frau Bundesminister für Justiz ins Treffen geführten Herausforderungen gemäß §58 Abs2 VO UA nicht dahingehend verstanden werden können, dass ein Ersuchen um Beweiserhebungen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berührt, noch geeignet, die nicht erfolgte Durchführung der Ergebung zu begründen.
Im Gegenteil: Die Frau Bundesminister für Justiz hat die ausreichenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihren verfassungsgesetzlich angeordneten Verpflichtungen gemäß Art53 Abs3 B VG nachkommen kann. Ob und inwieweit ein vorlagepflichtiges Organ aus faktischen Gründen nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung nach Art53 Abs3 BVG iVm §27 VO UA nachzukommen, ändert nichts an der grundlegenden Verpflichtung, Ersuchen um Beweiserhebungen nachzukommen (vgl zur vergleichbaren Frage, unter welchen Umständen Akten und Unterlagen vorzulegen sind: VfGH 03.03/2021, UA1/2021; VfGH 10.05.2021, UA4/2021).
Das bedeutet aber, dass die Frau Bundesminister ihrer Begründungspflicht gemäß §25 Abs3 VO UA nicht ausreichend nachgekommen ist.
Es existiert auch keine Konsultationsvereinbarung, die einer unverzüglichen Durchführung der Erhebungen entgegenstehen könnte. Außerdem – wie bereits ausgeführt – rechtfertigen die seitens der Frau Bundesminister für Justiz angeführten Umstände nicht den Anschluss einer Konsultationsvereinbarung.
Die Frau Bundesminister ist als vorlagepflichtiges Organ grundsätzlich zur Entsprechung aller von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses begehrten Ersuchen um Beweiserhebung unverzüglich (§27 Abs1 VO UA) verpflichtet, außer sie legt mit hinreichender Begründung dar, warum bestimmte Ersuchen um Beweiserhebung nicht von (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind oder sie sonst durch andere rechtliche Gründe an der Entsprechung gehindert wäre.
Ist seitens eines vorlagepflichtigen Organs beabsichtigt, die Vornahme von Beweiserhebungen abzulehnen, so müssen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses nachvollziehen können, welchen Ersuchen um Beweiserhebungen aus welchen Gründen nicht entsprochen wird. Es bedarf daher einer substantiierten Begründung.
Bisher hat die Frau Bundesminister für Justiz ihrer Begründungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP nicht entsprochen, weshalb sie verpflichtet ist, den von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den beiden Verlangen vom 26.01.2022 begehrten Ersuchen um Beweiserhebung unverzüglich zu entsprechen."
1.7. Laut einem Ergebnisprotokoll der Besprechung im Rahmen des Konsultationsverfahrens zum ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss vom 19. April 2022 hielt die Vorsitzende abschließend fest, dass die Sitzung ohne ein Ergebnis geschlossen werde und eine Einigung auf Reihung der Auswertung zwischen den Fraktionen, vertreten durch ihre ReferentInnen, nicht möglich sei; zwischen den Fraktionsführern sollten weiterhin Gespräche über die Reihung der Auswertung stattfinden.
1.8. Mit Schreiben vom 25. April 2022 teilte die Bundesministerin für Justiz mit, dass der oben wiedergegebenen Aufforderung vom 7. April 2022 aus folgenden Gründen nicht entsprochen werden könne:
Das Bundesministerium für Justiz habe bereits mit Schreiben vom 15. Februar 2022 ausdrücklich erklärt, dass es den Verlangen vom 26. Jänner 2022 nachkommen wolle, gleichzeitig Konsultationsbedarf gemäß §58 Abs2 VO UA angemeldet und begründet, weshalb eine unverzügliche Vorlage der geforderten Datenauswertungen nicht möglich sei (es werde noch einmal ausdrücklich auf dieses Schreiben verwiesen). In der Folge sei seitens des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses auch ein entsprechendes Konsultationsverfahren eingeleitet worden.
In den einschlägigen Besprechungen vom 28. Jänner 2022 und insbesondere vom 24. März 2022 hätten sich die im Untersuchungsausschuss vertretenen Fraktionen nicht auf eine Reihenfolge der Datenauswertung einigen können, weshalb die Sitzung ohne Ergebnis geschlossen worden sei. Es sei besprochen worden, dass das Thema zunächst parlamentsintern weiter diskutiert und das Bundesministerium für Justiz über die Ergebnisse dieses parlamentsinternen Diskussionsprozesses informiert werden würde.
Da die Verlangen vom 26. Jänner 2022 folglich nach wie vor Gegenstand offener Konsultationen seien, sei aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz eine darauf bezogene Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA zum damaligen Zeitpunkt weder berechtigt noch zulässig.
Zur grundsätzlichen Problematik der (auch schon mit einem Verlangen vom 16. Dezember 2021 angeforderten) Datenauswertungen sei mit Schreiben vom 21. Jänner 2022 bereits darauf hingewiesen worden, dass allein die bereits entschlüsselten Daten einen enormen Umfang aufwiesen, wobei nach abgeschlossener Auswertung eine Prüfung der Daten auf Relevanz für die strafrechtlichen Ermittlungen notwendig sei (es werde noch einmal ausdrücklich auf dieses Schreiben verwiesen). Ohne den Inhalt der Daten zu kennen, könne nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern eine Vorlage der Daten zu einer Gefährdung der Ermittlungsarbeit führen würde. Es sei weiters darauf hingewiesen worden, dass die Übermittlung der vorlagepflichtigen Unterlagen an den Untersuchungsausschuss besondere Anforderungen sowohl hinsichtlich des Umfanges des angeforderten Materials als auch hinsichtlich der für die Auswertung erforderlichen Qualifikationen der MitarbeiterInnen mit sich bringe.
Um der Vorlagepflicht an den Untersuchungsausschuss unter der gebotenen Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen dennoch in angemessener Frist nachkommen zu können, sei seitens des Bundesministeriums für Justiz bereits eine Aufstockung des (Hilfs )Personals veranlasst worden. Da aber das Ergebnis der Prüfung der Chats einerseits auf deren strafrechtliche Relevanz, andererseits auf deren abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand von den zuständigen Sachbearbeitern (den mit der Führung der Ermittlungen befassten Oberstaatsanwälten) begleitet bzw überprüft werden müsse, weil nur sie die nötige Kenntnis der Sachzusammenhänge hätten, könne das Problem durch eine Personalaufstockung allein nicht vollends gelöst werden ("Flaschenhalseffekt").
Hervorzuheben sei, dass es sich bei den verlangten Datenauswertungen nicht schlichtweg um die Vorlage bereits bestehender Akten oder Unterlagen handle, sondern vielmehr um Daten, die zu einem Großteil erst verschriftlicht und ausgewertet werden müssten. Die Auswertung habe sich an zwei Bezugspunkten zu orientieren; einerseits an der strafrechtlichen Relevanz und andererseits an der (zumindest abstrakten) Relevanz für den Untersuchungsgegenstand. Daten, die noch nicht einmal gesichtet worden seien und deren Inhalt den Strafverfolgungsbehörden daher noch nicht bekannt sei, könnten naturgemäß durchaus Informationen enthalten, die die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden berührten. Sie könnten daher sehr wohl auch Gegenstand eines Konsultationsverfahrens sein.
Seitens des Bundesministeriums für Justiz habe die Bereitschaft bestanden, die angeforderten Daten vollständig zu liefern; diese Bereitschaft bestehe selbstverständlich nach wie vor. Es sei aber auch unmissverständlich dargelegt worden, dass und weshalb eine gleichzeitige Auswertung der Verlangen vom 16. Dezember 2021 und vom 26. Jänner 2022 nicht möglich sei und daher die Reihenfolge der von der WKStA durchzuführenden Chat-Auswertungen im Konsultationswege geklärt werden müsste.
Eine entsprechende Vorgabe durch den Untersuchungsausschuss liege bislang nicht vor; ohne diese werde eine Auswertung – wie von Seiten des Bundesministeriums für Justiz bereits in der Konsultationssitzung am 24. März 2022 mitgeteilt worden sei – nach dem objektiven Kriterium des zeitlichen Einlangens der Beweisverlangen erfolgen.
Würde das Bundesministerium für Justiz von diesem – im Übrigen auch in der Vergangenheit in derartigen Konstellationen herangezogenen – objektiven Kriterium des zeitlichen Einlangens abweichen und bei der Auswertung aus Eigenem eine "Vorreihung" und damit eine (sachlich nicht begründete) Bevorzugung der Behandlung später eingelangter Verlangen (hier: jener vom 26. Jänner 2022) gegenüber einem früher eingelangten Verlangen (hier: jenem vom 16. Dezember 2021) vornehmen, würde es sich dem Vorwurf aussetzen, seiner rechtlichen Verpflichtung der Entsprechung des früheren Verlangens nicht ordnungsgemäß nachzukommen.
Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass dem Verlangen vom 26. Jänner 2022, Beilage VII., inhaltlich bereits durch Entsprechung des Verlangens vom 16. Dezember 2021, Beilage XVII., Punkt 11., nachgekommen werde. Sofern nämlich im Zuge der Auswertung des vorliegenden Datenbestandes von MMag. T. S. Korrespondenzen aufgefunden würden, die für den Untersuchungsgegenstand von Relevanz seien, würden diese – ungeachtet dessen, mit wem sie geführt worden seien (und folglich auch mit Bezug zu den im Verlangen vom 26. Jänner 2022, Beilage VII., angeführten Personen) bereits auf Grundlage des Verlangens vom 16. Dezember 2021 vorgelegt werden.
Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass dem Bundesministerium für Justiz in den in Rede stehenden Verlangen vom 26. Jänner 2022 keine Frist zur Vorlage gesetzt worden sei. Eine Aufforderung nach §27 Abs4 VO UA bedürfe allerdings einer Verletzung der Leistungspflicht des vorlagepflichtigen Organs. Diese liege – mangels Vorgabe einer konkreten Frist zur Aktenlieferung – nicht vor, weshalb die Aufforderung nach §27 Abs4 leg.cit. an sich schon unzulässig sei.
1.9. Am 5. Mai 2022 stellten ua der Erst , der Zweit- und der Fünftantragsteller sowie die Dritteinschreiterin einen auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrag,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, die Bundesministerin für Justiz ist verpflichtet, den beiden ergänzenden Beweisanforderungen zum Untersuchungsausschuss 4/US XXVII.GP vom 26.01.2022, und zwar
• Beilage VI. und
• Beilage VII.
unverzüglich nachzukommen und die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss vollständig vorzulegen."
1.10. Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag zurück, soweit er sich auf die Feststellung der Verpflichtung der Bundesministerin für Justiz zur vollständigen Vorlage der Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen vom 26. Jänner 2022 an den ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss bezog; im Übrigen wies er den Antrag ab.
1.11. In der 25. Sitzung des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses am 30. Juni 2022 wurde die Bundesministerin für Justiz gemäß §27 Abs4 VO UA aufgefordert (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),
"den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI. und VII.) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen.
Außerdem wird die Frau Bundesminister für Justiz ersucht, die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss in Entsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP Anlage 2) zu übermitteln.
Begründung
Mit zwei am 26.01.2022 wirksam gewordenen Verlangen ersuchte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Frau Bundesminister für Justiz durch die WKStA für den Untersuchungsausschuss 4/US im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand folgende Erhebung durchzuführen:
Erstens Auswertung des vorliegenden Datenbestands von MMag. T[.] S[.] auf Korrespondenzen mit Bezug zu näher beschriebenen Personen sowie zweitens Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen mit Bezug zu näher bezeichneten Personen bzw Auswertung des vorliegenden Datenbestands auf Korrespondenzen unter Beteiligung näher bezeichneter Personen.
Mit Schreiben vom 09.02.2022 teilte die Bundesministerin für Justiz mit, dass eine erste oberflächliche Sichtung des Datenbestandes ergeben hätte, dass MMag. T[.] S[.] im relevanten Zeitraum von den in den zwei Verlangen angeführten Personen möglicherweise nur mit einer Person Nachrichten ausgetauscht haben dürfte. Da der Aufwand für die gleichzeitige Auswertung (im Verhältnis zu einem Verlangen auf Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses vom 16.12.2021; dazu sogleich) nur geringfügig größer sein dürfte, erscheine es zweckmäßig, diese Nachrichten in die Auswertung einzubeziehen. Es bestehe zudem hinsichtlich der Durchführung von Erhebungen entsprechend der ergänzenden Beweisverlangen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 dringender Konsultationsbedarf. Mit Verlangen vom 16.12.2021 hatte ein (vom vorliegend antragstellenden Viertel verschiedenes) Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Bundesministerin für Justiz ersucht, durch die WKStA für den Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand den vorliegenden Datenbestand auf Korrespondenzen mit Bezug bzw unter Beteiligung zu näher im Verlangen bezeichneten Personen auszuwerten.
Mit Schreiben vom 15.02.2022 teilte die Bundesministerin für Justiz mit, dass eine neuerliche Prüfung des Datenbestandes ergeben hätte, dass deutlich mehr Nachrichten zu den in den Verlangen vom 26.01.2022 angeführten Personen vorlägen als ursprünglich ersichtlich gewesen wäre. Eine Parallelauswertung der Verlangen vom 16.12.2021 und vom 26.01.2022 wäre ohne erheblichen zeitlichen Mehraufwand nun nicht möglich, weshalb weiterhin dringender Konsultationsbedarf zur Frage der Reihenfolge der durchzuführenden Auswertungen bestünde.
Neben mehreren Besprechungen zwischen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses sowie zwischen Mitarbeitern der im Untersuchungsausschuss vertretenen Fraktionen fand am 24.03.2022 eine Besprechung zwischen Vertretern des BMJ und Mitgliedern des Untersuchungsausschusses statt. Die Vertreter des BMJ brachten vor, dass eine gleichzeitige Auswertung aufgrund des großen Umfanges nicht möglich sei, weshalb ein Konsultationsverfahren einzuleiten wäre. Es sei weiters notwendig, dass die Fraktionen des Untersuchungsausschusses dem BMJ einen Auftrag übermitteln, in welcher Reihenfolge auszuwerten sei. Das BMJ könne nicht alle seine Ressourcen für den Untersuchungsausschuss einsetzen. Die Sitzung wurde ohne Einigung vom Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses geschlossen.
Am 07.04.2022 forderte daher ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses die Frau Bundesminister für Justiz gemäß §27 Abs4 VO UA auf, binnen 14 Tagen den beiden ergänzenden Beweisanforderungen vom 26.01.2022 zu entsprechen. Die Aufforderung begründete das Viertel damit, dass die Frau Bundesminister für Justiz nicht ausreichend begründet habe, warum sie den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26.01.2022 nicht entsprochen habe. Die von der Frau Bundesminister für Justiz ins Treffen geführten Gründe (Ressourcenknappheit, Erforderlichkeit einer Konsultationsvereinbarung) befreien diese nicht von ihrer Pflicht zur fristgerechten Vorlage. Die Frau Bundesminister für Justiz habe vielmehr ausreichend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um ihrer Vorlagepflicht nachzukommen. Der Abschluss einer Konsultationsvereinbarung sei weder gerechtfertigt noch wurde eine solche tatsächlich abgeschlossen. Die Frau Bundesminister für Justiz sei daher zur unverzüglichen Entsprechung der beiden Verlangen verpflichtet.
Mit Schreiben vom 25.04.2021 gab die Frau Bundesminister für Justiz erneut bekannt, dem Verlangen nicht nachkommen zu können, weil aufgrund von Ressourcenknappheit ein Konsultationsbedarf gemäß §58 Abs2 VO UA bestünde. Erneut wurde auch darauf hingewiesen, dass die Minderheit keine Reihung der Datenauswertungen vorgenommen habe und es bei den stattgefundenen Besprechungen diesbezüglich zu keiner Einigung gekommen sei. Eine Personalaufstockung sei bereits vorgenommen worden, würde das Problem aber aufgrund der notwendigen Begleitung der Auswertung durch mit der Führung der Ermittlungen befassten Oberstaatsanwälten nicht lösen. Die auszuwertenden Informationen könnten zudem sehr wohl Gegenstand eines Konsultationsverfahrens seien.
Am 05.05.2022 stellte eine Minderheit gestützt auf Art138b Abs1 Z4 B VG iVm §56f VfGG die beiden Anträge, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, die Bundesministerin für Justiz verpflichtet ist, den beiden ergänzenden Beweisanforderungen zum Untersuchungsausschuss 4/US XXVII.GP vom 26.01.2022 (Beilage VI. und Beilage VII.) unverzüglich nachzukommen und die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss vollständig vorzulegen.
Der Verfassungsgerichtshof wies diese Anträge zwar teilweise zurück- bzw ab, stellte aber Folgendes fest (VfGH 21.06.2022, UA1 2/2022, RZ 165 166):
'Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes: Da die angesprochene Frist von längstens drei Monaten bereits verstrichen ist, steht der Bundesministerin für Justiz nicht mehr die Möglichkeit offen, allein gestützt auf Art138b Abs1 Z6 B VG ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anzustrengen. Sie trifft daher unverzüglich nach Zustellung des vorliegenden Erkenntnisses in Bezug auf die beiden in Rede stehenden ergänzenden Beweisanforderungen gegenüber dem ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss die Verpflichtung, ihrer bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für das Nicht-Entsprechen (vgl §27 Abs3 VO UA) nachzukommen (vgl zuletzt VfGH 10.5.2021, UA4/2021 mwN). Vor dem Hintergrund der von der Bundesministerin für Justiz im Konsultationsverfahren vorgebrachten Gründe hat sie die Verpflichtung, den Untersuchungsausschuss umfassend über den Fortschritt der Erhebungen zu informieren und eine Prognose des erforderlichen Zeitaufwandes nachvollziehbar zu begründen, die auch den Einsatz der Personalressourcen umfasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allfällige von der Bundesministerin für Justiz angenommene Ausnahmen von der Entsprechungsverpflichtung ihre Grundlage in Art53 B VG haben müssen und entsprechend zu begründen sind; sollte die Bundesministerin für Justiz der Auffassung sein, Verlangen führten dazu, dass die Grenzen der Gewaltentrennung und Funktionsfähigkeit der Vollziehung überschritten werden, hätte sie diese Behauptung entsprechend zu begründen.
Die vorgebrachten Begründungen können bei Vorliegen einer neuen Meinungsverschiedenheit in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG (nach einer neuerlichen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA) vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden.'
Obwohl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof bereits am 23.06.2022 zugestellt wurde, hat die Frau Bundesminister für Justiz bisher – trotz der unmissverständlichen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes – ihrer Verpflichtung, unverzüglich nach Zustellung des Erkenntnisses VfGH 21.06.2022, UA1 2/2022 in Bezug auf die beiden in Rede stehenden ergänzenden Beweisanforderungen gegenüber dem ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss ihrer bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für das Nicht-Entsprechen (vgl §27 Abs3 VO UA) nachzukommen, nicht entsprochen.
Daher ist sie verpflichtet, den von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den beiden Verlangen vom 26.01.2022 begehrten Ersuchen um Beweiserhebung unverzüglich zu entsprechen und die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss in Entsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP Anlage 2) dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln."
1.12. Mit Schreiben vom 7. Juli 2022 hat die Bundesministerin für Justiz unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, und auf die soeben wiedergegebene Aufforderung vom 30. Juni 2022 folgende (auszugsweise wiedergegebene) Äußerung erstattet:
1.12.1. Keine neue Meinungsverschiedenheit:
Zur Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA sei zunächst vorauszuschicken, dass eine solche aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz verfrüht sei.
Mit dem genannten Erkenntnis vom 21. Juni 2022 habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Bundesministerin für Justiz die Verpflichtung treffe, unverzüglich nach Zustellung dieses Erkenntnisses in Bezug auf die beiden in Rede stehenden ergänzenden Beweisanforderungen gegenüber dem ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss "ihrer bestehenden Behauptungs- und Begründungspflicht für das Nicht-Entsprechen (vgl §27 Abs3 VO UA) nachzukommen […]. Vor dem Hintergrund der von der Bundesministerin für Justiz im Konsultationsverfahren vorgebrachten Gründe hat sie die Verpflichtung, den Untersuchungsausschuss umfassend über den Fortschritt der Erhebungen zu informieren und eine Prognose des erforderlichen Zeitaufwandes nachvollziehbar zu begründen, die auch den Einsatz der Personalressourcen umfasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allfällige von der Bundesministerin für Justiz angenommene Ausnahmen von der Entsprechungsverpflichtung ihre Grundlage in Art53 B VG haben müssen und entsprechend zu begründen sind; sollte die Bundesministerin für Justiz der Auffassung sein, Verlangen führten dazu, dass die Grenzen der Gewaltentrennung und Funktionsfähigkeit der Vollziehung überschritten werden, hätte sie diese Behauptung entsprechend zu begründen" (Pkt. IV.2.5.).
Laut Pkt. IV.2.5. könnten die "vorgebrachten Begründungen […] bei Vorliegen einer neuen Meinungsverschiedenheit in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG (nach einer neuerlichen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA) vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden".
Die verlangende Minderheit habe am 30. Juni 2022 – ohne die Begründungen des Bundeministeriums für Justiz abzuwarten – neuerlich eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA eingebracht. Im Hinblick auf den Wortlaut der Entscheidung, nach der "die vorgebrachten Begründungen" nach einer neuerlichen Aufforderung gemäß §27 Abs4 leg.cit. vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden könnten, erscheine diese verfrüht, zumal entsprechende Begründungen (warum den beiden Beweisverlangen vom 26. Jänner 2022 noch nicht entsprochen werden könne bzw wann damit zu rechnen sei) und folglich ein neues Tatsachensubstrat, aus dem sich eine Meinungsverschiedenheit ergeben könnte, zum Zeitpunkt der Aufforderung noch gar nicht vorgelegen seien und auf Grund der hiefür notwendigen Informationsbeschaffung auch noch nicht vorliegen könnten.
Die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA erweise sich daher schon aus diesem Grund als nicht berechtigt.
1.12.2. Zur Rechtzeitigkeit der vorliegenden Äußerung:
Für den Fall, dass die offenkundig unterschiedliche Beurteilung der Frage, was im Sinne des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes unter "unverzüglich" zu verstehen sei, als neue Meinungsverschiedenheit zu werten wäre, werde angemerkt, dass die Äußerung aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ehestmöglich erfolgt und folglich als "unverzüglich" zu beurteilen sei.
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, mit dem der gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG gestellte Antrag eines Viertels der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses zurück- bzw abgewiesen worden sei, sei dem Bundesministerium für Justiz am 23. Juni 2022 zugestellt worden.
Unmittelbar nach Zustellung und Studium der Entscheidung habe noch am selben Tag zwischen den im Bundesministerium für Justiz mit der vorliegenden Rechtssache befassten MitarbeiterInnen eine Besprechung stattgefunden, in der der Inhalt der Entscheidung sowie die weitere Vorgangsweise erörtert worden seien.
Um der der Bundesministerin für Justiz in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auferlegten umfassenden und unverzüglichen "Behauptungs- und Begründungspflicht" gegenüber dem ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss nachkommen zu können, sei zur Beschaffung der hiefür erforderlichen Informationen eine Einbindung der nachgeordneten Dienststellen unerlässlich gewesen. Der hiefür erforderliche Berichtsauftrag sei unverzüglich vorbereitet und der WKStA am 24. Juni 2022 im Wege der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft zugestellt worden. Die Staatsanwaltschaft sei ersucht worden, umgehend (längstens jedoch bis zum 1. Juli 2022) über den Fortschritt der Erhebungen zu berichten und eine Prognose des erforderlichen Zeitaufwandes nachvollziehbar zu begründen, die auch den Einsatz der Personalressourcen umfasse.
In Entsprechung dieses Berichtsauftrages habe die Oberstaatsanwaltschaft am Nachmittag des 1. Juli 2022 fristgerecht einen Bericht der WKStA vom selben Tag übermittelt. Am 4. Juli 2022 sei eine ergänzende Stellungnahme eines bei der WKStA mit der Datenauswertung befassten IT Experten nachgereicht worden.
Bereits am 30. Juni 2022 sei (vorerst nur per E Mail) eine in der 25. Sitzung des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses wirksam gewordene Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA eingelangt, mit der die Bundesministerin für Justiz aufgefordert werde,
"den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI. und VII.) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen"
und außerdem
"die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss in Entsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP Anlage 2) zu übermitteln".
Die verlangenden Abgeordneten würden die Auffassung vertreten, dass die Bundesministerin für Justiz angesichts der am 23. Juni 2022 erfolgten Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf ihre darin festgestellte Behauptungs- und Begründungspflicht bereits säumig sei, und begründeten damit ihr Verlangen auf Übermittlung der begehrten Beweisunterlagen binnen zwei Wochen.
Wie sich bereits aus der Chronologie des dargestellten Sachverhaltes ergebe, liege eine der Bundesministerin für Justiz vorwerfbare Säumnis keinesfalls vor.
Um nämlich der vom Bundesministerium für Justiz zu erbringenden umfassenden Behauptungs- und Begründungspflicht nachkommen zu können, sei eine entsprechende Beschaffung der dafür notwendigen Informationen von der WKStA unabdingbar gewesen. Allein diese mit den vorliegenden Datenauswertungen für den ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschuss befasste Dienststelle könne eine auf Tatsachen basierende und folglich realistische Einschätzung des aktuellen und künftigen Fortschrittes der äußerst umfangreichen Datenauswertungen vornehmen. Die ihr zu diesem Zweck eingeräumte Frist von einer Woche sei das notwendige Mindestmaß gewesen, um ihr eine – neben den sonstigen von ihr wahrzunehmenden Aufgaben vorzunehmende – Evaluierung zu ermöglichen.
Auf Grundlage der von der WKStA bereitgestellten Informationen sei schließlich die vorliegende Äußerung ausgearbeitet worden, in die wiederum mehrere Stellen innerhalb des Bundesministeriums für Justiz ihr jeweiliges Fachwissen eingebracht hätten. Eine Ausarbeitungszeit von de facto weniger als vier Werktagen könne im Hinblick auf die Tragweite der Äußerung unter Berücksichtigung des dafür erforderlichen Aufwandes unter Einbeziehung mehrerer Fachabteilungen, die daneben auch noch ihre weiteren Aufgaben (zB dringende Erledigungen iZm der Wahrnehmung der Fachaufsicht über die [Ober ]Staatsanwaltschaften, Verpflichtungen iZm der Erfüllung weiterer inzwischen eingelangter, fristgebundener Beweisanforderungen) wahrnehmen müssten, keinesfalls als zu lange angesehen werden.
Da die vorliegende Äußerung daher schnellstmöglich – ohne schuldhafte Verzögerungen – unter Anspannung und Heranziehung aller hiefür notwendigen und möglichen Ressourcen erstattet werde, liege eine der Bundesministerin für Justiz vorwerfbare Säumnis nicht vor.
Die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA sei daher auch aus diesem Grund nicht berechtigt.
2. Die Einschreiter begründen die Zulässigkeit ihres auf Art138b Abs1 Z4 B VG gestützten Antrages wie folgt:
Es lägen alle formalen Voraussetzungen für eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vor: Ein "informationspflichtiges Organ [ist] nach Auffassung [...] eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 und Abs3 nicht oder ungenügend nach[gekommen] [...]". Nach der Literatur könne eine Aufforderung gestellt werden, wenn entweder die im Verlangen gesetzte Frist abgelaufen sei oder das informationspflichtige Organ mitgeteilt habe, seiner Verpflichtung nicht nachzukommen.
Beides sei hier der Fall: Die Bundesministerin für Justiz habe dem Untersuchungsausschuss mehrfach – zuletzt mit Schreiben vom 7. Juli 2022 – mitgeteilt, dass den beiden Verlangen nicht nachgekommen werde. Die Minderheit habe daher iSv §27 Abs4 VO UA zur Auffassung gelangen müssen, dass die Bundesministerin für Justiz den beiden Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung nicht nachkommen werde. Sie habe daher an die Bundesministerin für Justiz zulässigerweise die Aufforderung gemäß §27 Abs4 leg.cit. vom 30. Juni 2022 gerichtet, den beiden ergänzenden Beweisanforderungen zu entsprechen.
Wenn die Bundesministerin für Justiz in ihrem Schreiben vom 7. Juli 2022 ausführe, die Aufforderung nach §27 Abs4 VO UA sei verfrüht eingebracht worden und daher nicht berechtigt, so sei ihr zu entgegnen, dass – unbeschadet der Frage, welcher Zeitraum als "unverzüglich" iSd Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, anzusehen wäre – aus der der Bundesministerin für Justiz durch den Verfassungsgerichtshof auferlegten Verpflichtung, in Folge seines Erkenntnisses "unverzüglich" ihrer Behauptungs- und Begründungsverpflichtung für das Nicht-Entsprechen der beiden Verlangen vom "16. Jänner 2022" nachzukommen, keine Verpflichtung für den Untersuchungsausschuss abzuleiten sei, mit einer Fristsetzung nach §27 Abs4 leg.cit. zuzuwarten, bis die Bundesministerin ihren verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen nachkomme.
Die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30. Juni 2022 sei der Bundesministerin für Justiz am 4. Juli 2022 zugestellt worden. Die Frist nach §27 Abs4 leg.cit., der Aufforderung zu entsprechen, habe daher am 18. Juli 2022 geendet. Die Bundesministerin für Justiz habe der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30. Juni 2022 bislang nicht entsprochen. Es liege daher eine Nicht-Erfüllung der Aufforderung nach §27 Abs4 leg.cit. vor, den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26. Jänner 2022 zu entsprechen oder hinreichend zu begründen, warum diesen nicht entsprochen werde. Gemäß §56f Abs1 VfGG sei ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO UA zwei Wochen vergangen seien. Die Frist für ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, den Verfassungsgerichtshof nach Art138b Abs1 Z4 B VG anzurufen, ende daher am 1. August 2022. Somit seien die am 21. Juli 2022 im Wege des Präsidenten des Nationalrates eingebrachten Anträge rechtzeitig.
Die Meinungsverschiedenheit bestehe darin, dass die Bundesministerin für Justiz in rechtswidriger Weise ihre Pflicht, den Verlangen vom 26. Jänner 2022 und der Aufforderung vom 30. Juni 2022 betreffend die unverzügliche Durchführung von Erhebungen zu entsprechen, sowie ihre Pflicht zur Begründung für die Nicht-Entsprechung nicht erfüllt habe.
3. Die Bundesministerin für Justiz hat dem Verfassungsgerichtshof mehrere Schriftstücke im Zusammenhang mit der dem vorliegenden Antrag zugrunde liegenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie ua die Zurückweisung des Antrages beantragt:
Vorweg sei zu bemerken, dass das Abwarten des Einlangens der Begründung der Bundesministerin für Justiz jedenfalls auch den grundsätzlichen Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen hätte, nach denen seine Entscheidung voraussetze, dass das zuständige vorlagepflichtige Organ und der Untersuchungsausschuss bzw das verlangende Viertel seiner Mitglieder in einen vorherigen wechselseitigen Kommunikationsprozess eintreten würden.
So habe der Verfassungsgerichtshof in seinem hier in Rede stehenden Erkenntnis vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, ausgeführt, dass die vorgebrachten Begründungen bei Vorliegen einer neuen Meinungsverschiedenheit in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG (nach einer neuerlichen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA) vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden könnten (vgl Pkt. IV.2.5.).
Da jedenfalls ein Nachschieben von Begründungen im verfassungsgerichtlichen Verfahren weder für den Untersuchungsausschuss bzw das verlangende Viertel seiner Mitglieder noch für das vorlagepflichtige Organ möglich sei (vgl VfSlg 20.304/2018; VfGH 3.3.2021, UA1/2021), prüfe der Verfassungsgerichtshof lediglich, ob und inwieweit den sich so ergebenden Begründungspflichten in der Kommunikation zwischen den Parteien der Meinungsverschiedenheit spätestens bis zum Ende der (Nach )Frist gemäß §27 Abs4 VO UA entsprochen worden sei (vgl VfGH 10.5.2021, UA4/2021).
Die im vorliegenden Antrag angeführten Argumente, die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nunmehr erstmals vorgebracht würden, erfüllten diese Voraussetzungen daher nicht.
Nach Ansicht der Bundesministerin für Justiz erweise sich der vorliegende gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG eingebrachte Antrag im Übrigen aber auch in seiner Gesamtheit aus den im Folgenden dargestellten Gründen als unzulässig.
3.1. Fehlen der formalen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Art138b Abs1 Z4 B VG:
Nach Auffassung der Bundesministerin für Justiz sei das in der VO UA festgelegte Fristenregime in Bezug auf die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA nicht eingehalten worden.
Die zitierte Bestimmung normiere nämlich eine Frist von zwei Wochen, innerhalb der ein vorlagepflichtiges Organ aufgefordert werden könne, seinen Verpflichtungen gemäß §27 Abs1 oder 3 VO UA nachzukommen.
Als Beginn für den Lauf dieser Frist komme nur jener Zeitpunkt in Betracht, in dem der Untersuchungsausschuss (oder ein Viertel seiner Mitglieder) davon ausgehen könne, dass die Bundesministerin für Justiz ihrer Verpflichtung nicht (oder nur ungenügend) nachkommen werde. Abweichend von der im konkreten Fall gegebenen Sachlage sei dies im Falle einer vorangehenden Beweisaufforderung gemäß §25 Abs2 VO UA etwa dann der Fall, wenn entweder die in der Aufforderung gesetzte Frist verstrichen oder eine Vorlagepflicht innerhalb dieser Frist vom vorlagepflichtigen Organ verneint worden sei.
In der vorliegenden Fallkonstellation sei der Aufforderung jedoch nicht unmittelbar eine Beweisanforderung gemäß §25 Abs2 VO UA vorangegangen, sondern sei sowohl die Bundesministerin für Justiz als auch der Untersuchungsausschuss durch das am 23. Juni 2022 eingelangte bzw auf der Homepage des erkennenden Gerichtes abrufbare Erkenntnis über die vom Verfassungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht in Kenntnis gesetzt worden.
Prima vista überraschend erscheine das Vorbringen, nach dem die Antragsteller (zumindest auch) auf Grund der erst nach Wirksamwerden der hier in Rede stehenden Aufforderung eingelangten Äußerung der Bundesministerin für Justiz vom 7. Juli 2022 bereits am 30. Juni 2022 zu der Auffassung gelangt seien, dass der Vorlageverpflichtung nicht nachgekommen werde.
Die Antragsteller vermeinten, dass es der Bundesministerin für Justiz bereits innerhalb von bloß fünf Werktagen nach Einlangen des höchstgerichtlichen Erkenntnisses möglich sein müsste, eine den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragende Begründung abzufassen und diese – ebenfalls innerhalb dieser Frist – dem Untersuchungsausschuss zur Kenntnis zu bringen.
Diese Einschätzung sei nicht nachvollziehbar, insbesondere deshalb, weil der Untersuchungsausschuss (und somit auch die Antragsteller) mit Blick auf die bislang geführten Kommunikationsprozesse und Konsultationsverfahren zweifellos über die Notwendigkeit der Verbreiterung der vorliegenden Informationsgrundlage im Wege der Einholung von Berichten mehrerer nachgeordneter Dienststellen in Kenntnis seien. Den Einschreitern sei überdies zweifellos bekannt, dass die vorliegenden Informationen sowohl innerhalb der nachgeordneten Dienststellen als auch seitens der Fachabteilung einer Evaluierung unterzogen werden müssten, bevor sie dem Untersuchungsausschuss mitgeteilt werden könnten.
Die von den Antragstellern vertretene Auffassung, nach der (spätestens) am 30. Juni 2022 davon auszugehen gewesen sei, dass die Bundesministerin für Justiz ihrer Vorlageverpflichtung nicht nachkommen werde, entbehre aus den dargelegten Erwägungen einer hinreichenden Grundlage.
Vielmehr hätte aus Sicht der Bundesministerin für Justiz eine Frist, die eine sinnvolle Erfüllung des Auftrages des Höchstgerichts ermögliche, abgewartet werden müssen. Mit Blick auf den aufgezeigten Aufwand zur Erstellung einer solchen tragfähigen Begründung, der den Einschreitern überdies hinlänglich bekannt sei, wären dafür zumindest zwei Wochen zu veranschlagen gewesen. Auch das Fristenregime der VO UA spreche in seiner Gesamtheit von "angemessenen Fristen" (vgl §25 Abs3 VO UA) und statuiere in §27 Abs1 und 4 VO UA: "Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. [...] Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen."
Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Lauf der in §27 Abs4 VO UA statuierten Frist im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorliegenden Aufforderung (aber auch im Zeitpunkt der Zustellung derselben) noch nicht begonnen habe, weil zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen seien, dass die Bundesministerin für Justiz ihrer Verpflichtung nicht nachkommen würde.
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz sei die Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA somit verfrüht erfolgt. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse sei die an eine fristgerechte Einbringung einer solchen Aufforderung anknüpfende Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG unzulässig, weil die von den Antragstellern behauptete "rechtswidrige Säumnis" gerade nicht vorliege.
Im Übrigen sei Folgendes zu bemerken:
Die vorliegende Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30. Juni 2022 unterscheide sich von jener vom 7. April 2022 nur in dem Begehren, dass die Bundesministerin für Justiz "außerdem […] ersucht [wird], die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss in Entsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP Anlage 2) zu übermitteln". Den auf dieses Begehren Bezug nehmenden Antrag habe der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, zurückgewiesen. Das übrige Begehren ("den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 [Beilage VI. und VII.] um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen") sei ident.
Das bedeute aber, dass eben dieses in beiden Aufforderungen gestellte Begehren bereits Gegenstand eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses geworden sei und sich unter diesem Gesichtspunkt die Sachlage nicht geändert habe: Auch der vorliegende Antrag betreffe denselben Sachverhalt.
Der Verfassungsgerichtshof mache im angesprochenen Erkenntnis selbst deutlich, unter welchen Umständen bzw wann er im gegebenen Zusammenhang neuerlich angerufen werden könne: "Die [Anmerkung: von der Bundesministerin für Justiz für ihr Nicht-Entsprechen in Bezug auf die beiden in Rede stehenden ergänzenden Beweisanforderungen gegebenenfalls] vorgebrachten Begründungen können bei Vorliegen einer neuen Meinungsverschiedenheit in einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG (nach einer neuerlichen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA) vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden" (Pkt. IV.2.5.).
Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30. Juni 2022 diese von der Bundesministerin für Justiz gegebenenfalls vorzubringenden Begründungen noch nicht vorgelegen seien und sich deshalb an der Sachlage nichts geändert gehabt habe, sei diese Verfahrenslage wohl jener bei Vorliegen einer res iudicata gleichzuhalten.
Da zum Zeitpunkt der vorliegenden Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA, die bereits am 30. Juni 2022 und somit noch vor Einlangen der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, entsprechenden Äußerung der Bundesministerin für Justiz vom 7. Juli 2022 erfolgt sei, sei noch keine geänderte Sachlage vorgelegen. Es würde im Übrigen dem Fristenregime des §56f VfGG widersprechen, wenn eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA ohne Änderung des Sachverhaltes völlig willkürlich jederzeit erneut wirksam werden könnte und die 14 tägige Frist zur Einbringung eines Antrages auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit damit jederzeit neu beginnen würde.
Schon aus diesem Grund sei der vorliegende Antrag aus Sicht der Bundesministerin für Justiz zurückzuweisen.
3.2. Unzulässigkeit des Feststellungsantrages laut dem ersten Punkt des Antrages gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG iVm §56f VfGG:
Soweit die Antragsteller die Feststellung begehren, dass "die Weigerung der Bundesministerin für Justiz der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30.6.2022 nachzukommen und den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI und VII) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen, rechtswidrig ist", sei festzuhalten, dass diese in den einschlägigen Bestimmungen des B VG und des VfGG keine Rechtsgrundlage finde (vgl dazu VfSlg 19.973/2015, S 657).
Der vorliegende Antrag sei somit auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Unbestimmtheit des Prozessgegenstandes beim zweiten Punkt des Antrages gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG iVm §56f VfGG:
Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56f Abs3 VfGG, über einen Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, und des Umstandes, dass dieser Antrag den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bilde (vgl sinngemäß VfGH 10.5.2021, UA5/2021, sowie zuletzt auch VfGH 29.6.2022, UA3/2022), habe der Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG an den Verfassungsgerichtshof ein hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten.
Dieser Voraussetzung werde der zweite Punkt des vorliegenden Antrages aus folgendem Grund nicht gerecht:
Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses stelle in seiner vorliegenden Eingabe den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass "die Bundesministerin für Justiz die Erhebungen gem. den beiden Verlangen vom 26.02.2022 unverzüglich durchzuführen und die Ergebnisse dem Untersuchungsausschuss unverzüglich zu übermitteln hat".
Dazu sei festzuhalten, dass die bezogenen Verlangen "vom 26.02.2022" der Bundesministerin für Justiz nicht bekannt und auch dem Antrag nicht beigeschlossen seien. Da somit nicht klar sei, welche Verlangen gemeint seien, erweise sich die Bezeichnung im Antrag als mehrdeutig.
Da dem Verfassungsgerichtshof eine – korrigierende – Interpretation des vorliegenden Antrages verwehrt und somit der Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hinreichend bestimmt sei, erweise sich der vorliegende Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG als unzulässig.
IV. Erwägungen
1. Gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs.
2. Nach Art53 Abs3 erster Satz B VG haben ua alle Organe des Bundes einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Gemäß §27 Abs1 erster Satz und Abs3 VO UA haben ua Organe des Bundes Beweisbeschlüssen iSd §24 leg.cit. und ergänzenden Beweisanforderungen iSd §25 leg.cit. unverzüglich zu entsprechen, bei einem Nicht- oder teilweisem Entsprechen ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten. Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß §27 Abs1 oder 3 VO UA nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ gemäß §27 Abs4 leg.cit. (schriftlich begründet) auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen.
3. Nach §27 Abs5 leg.cit. entscheidet der Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist des §27 Abs4 VO UA anruft oder der Ausschuss eine Anrufung auf Grund eines schriftlichen Antrages nach Ablauf der Frist des §27 Abs4 leg.cit. beschließt. Ein solcher Antrag ist nach §56f Abs1 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 VO UA zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach §56f Abs3 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.
4. In der 25. Sitzung des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses am 30. Juni 2022 wurde die Bundesministerin für Justiz gemäß §27 Abs4 VO UA (näher begründet) aufgefordert, binnen zwei Wochen den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses vom 26. Jänner 2022 um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu entsprechen und die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem Untersuchungsausschuss in Entsprechung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses zu übermitteln.
5. Nach Ablauf der zweiwöchigen (Nach )Frist des §27 Abs4 VO UA können binnen zwei Wochen von allen dazu Berechtigten Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden (vgl §27 Abs5 leg.cit. und §56f Abs1 VfGG). Der am 21. Juli 2022 von zumindest vier (die Frage der Antragslegitimation des Vierteinschreiters kann angesichts der Ausschussgröße von 13 Abgeordneten offen bleiben) Mitgliedern des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG erweist sich somit als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses eingebracht.
6. Der Begriff der Meinungsverschiedenheit wird für Verfahren nach Art138b Abs1 Z4 B VG – anders als für jene nach Art126a B VG (vgl §36a Abs1 VfGG) – nicht definiert. Das Konzept des (Verfassungs )Gesetzgebers, das Art53 Abs3 und Art138b Abs1 Z4 B VG zugrunde liegt und das in §27 VO UA sowie in §56f VfGG näher ausgestaltet wird, lässt jedoch deutlich erkennen, dass der Verfassungsgerichtshof auf Antrag über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen ua über die Verpflichtung erkennt, Ersuchen um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nachzukommen. Einem solchen Antrag hat zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach )Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen und/oder ergänzenden Beweisanforderungen nachzukommen, wenn das Organ dieser (in der Aufforderung näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen ist. Diese Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art138b Abs1 Z4 B VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den Verfassungsgerichtshof konkretisiert schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Gegenstand seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt (vgl zuletzt VfGH 21.6.2022, UA1 2/2022 mwN).
7. Mit seinem Antrag begehrt das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen,
• dass die Weigerung der Bundesministerin für Justiz, der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30.6.2022 nachzukommen und den ergänzenden Beweisanforderungen des Untersuchungsausschusses 4/US 27. GP vom 26.01.2022 (Beilage VI und VII) um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen, rechtswidrig ist
sowie ferner,
dass die Bundesministerin für Justiz die Erhebungen gem den beiden Verlangen vom 26.02.2022 unverzüglich durchzuführen und die Ergebnisse dem Untersuchungsausschuss unverzüglich zu übermitteln hat."
8. Der im ersten Teil des vorliegenden Begehrens enthaltene Feststellungsantrag der Einschreiter, das Verhalten der Bundesministerin für Justiz iZm dem Verlangen gemäß §27 Abs4 VO UA vom 30. Juni 2022 sowie den ergänzenden Beweisanforderungen vom 26. Jänner 2022 sei rechtswidrig, findet in den einschlägigen Bestimmungen des B VG und des VfGG keine Rechtsgrundlage (VfSlg 19.973/2015, S 657).
9. Der Antrag erweist sich daher insoweit als unzulässig.
10. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56f Abs3 VfGG, über einen Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, und des Umstandes, dass dieser Antrag den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bildet, hat der Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B VG an den Verfassungsgerichtshof ein hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten (vgl zu einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B VG VfGH 29.6.2022, UA3/2022 mwN).
11. Dieser Voraussetzung wird der vorliegende Antrag in seinem zweiten Teil aus folgenden Gründen nicht gerecht:
12. Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses stellt in seiner vorliegenden Eingabe ua den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, "dass die Bundesministerin für Justiz die Erhebungen gem den beiden Verlangen vom 26.02.2022 unverzüglich durchzuführen und die Ergebnisse dem Untersuchungsausschuss unverzüglich zu übermitteln hat". Die beiden bezogenen Verlangen existieren jedoch nicht.
13. Da dem Verfassungsgerichtshof eine – (die Datumsangabe) korrigierende – Interpretation des vorliegenden Antrages verwehrt ist und somit der Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hinreichend bestimmt ist, erweist sich der vorliegende Antrag insoweit als unzulässig (vgl zu einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B VG VfGH 29.6.2022, UA3/2022 mwN).
14. Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob sich aus dem vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof überhaupt eine Meinungsverschiedenheit ergibt. Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions-Untersuchungsausschusses hält nämlich in seinem Antrag ausdrücklich fest, dass die Frage, ob die Bundesministerin für Justiz dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2022, UA1 2/2022, "unverzüglich" entsprochen habe oder nicht, nicht Inhalt der nunmehr zu entscheidenden Meinungsverschiedenheit sei.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.