UA3/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Beschluss des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom 25.5.2022, mit dem der Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderung Blg. VII mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig ist".
II. Rechtslage
1. Art53 und Art138b Abs1 Z3 B VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:
"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.
[…]
Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
[…]
3. die Rechtmäßigkeit des Beschlusses eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, auf Antrag des dieses Verlangen unterstützenden Viertels seiner Mitglieder;
[…]"
2. §56e des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85/1953, idF BGBl I 101/2014 lautet:
"c) Bei einem Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird
§56e. (1) Der Antrag im Sinne des Art138b Abs1 Z3 B VG hat die Feststellung zu begehren, dass der Beschluss eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, rechtswidrig ist.
(2) Der Antrag hat zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Verlangens;
2. die Bezeichnung des Beschlusses;
3. den Sachverhalt;
4. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt;
5. die erforderlichen Beweise;
6. die Angaben und Unterlagen, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.
(3) Dem Antrag ist eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des Verlangens der Antragsteller, der gegenständlichen Teile des Protokolls der Ausschusssitzung sowie des Beschlusses des Untersuchungsausschusses anzuschließen.
(4) Ein Antrag ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Beschluss des Untersuchungsausschusses zwei Wochen vergangen sind.
(5) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.
(7) Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit des Beschlusses wird das Verlangen auf Erhebung weiterer Beweise wirksam."
3. §24 und §25 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410/1975, idF BGBl I 99/2014 lauten:
"
Grundsätzlicher Beweisbeschluss
§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B VG gefährden würde.
(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.
(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.
Ergänzende Beweisanforderungen
§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.
(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.
(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.
(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (in der Folge: ÖVP Korruptions Untersuchungsausschuss) mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
1. Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren
Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über
Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten Dienstleistungen;
Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;
Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;
Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021; Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten 'B[.] ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der 'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;
mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;
mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;
Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundesministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen;
Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen;
Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;
Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes.
2. Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe, dem Zusammenwirken mit weiteren EigentümerInnen und jeweiligen OrganwalterInnen sowie der Ausübung von Aufsichtsrechten durch Mitglieder des Zusammenschlusses mit dem mutmaßlichen Ziel, die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen im Sinne der ÖVP zu steuern, und insbesondere über
(vorzeitige) Abberufung von Organen ausgegliederter Gesellschaften, insbesondere in Hinblick auf die Bestellung von B[.] G[.] K[.] als ÖVP-Kandidatin in den Vorstand der Casinos Austria AG und das Bestehen eines politischen Hintergrunddeals für diese Bestellung; den durch vorzeitige Abberufungen entstandene Schaden für die Republik;
den Informationsfluss in Angelegenheiten des Beteiligungsmanagements zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und den Bundesministern Blümel, Löger sowie Bundeskanzler Kurz, insbesondere in Hinblick auf die Auswahl von Organen der ÖBIB und ÖBAG und der Entstehung der Vorschläge für die Besetzung des Aufsichtsrats der ÖBAG sowie den Vorstand der ÖBAG;
Motive für Vorbereitungen für einen Verkauf (Privatisierung) von Anteilen an Beteiligungen des Bundes sowie entsprechende Szenarienentwicklung und Analyse, insbesondere von Anteilen der Austrian Real Estate als Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft, und das Zusammenwirken mit ParteispenderInnen der ÖVP aus dem Immobiliensektor sowie die Rolle von R[.] B[.] in Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der BIG und der ARE, insbesondere die Hintergründe des 99-jährigen Mietvertrags mit der BIG für das Gebäude der Postsparkasse.
3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit
Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über
Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie Josef Pröll und Hartwig Löger; Vorwürfe der politisch motivierten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP verbundenen Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;
Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex; Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei Hartwig Löger, Gernot Blümel, T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;
Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler Kurz;
Einflussnahme auf aus der Veranlagung von Parteispenden an die ÖVP oder ihr nahestehende Organisationen resultierende Finanzstrafverfahren bzw die mögliche Verhinderung der Einleitung solcher Verfahren; Einflussnahme auf gegen (potentielle) SpenderInnen der ÖVP geführte Finanzstrafverfahren;
die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;
Vorwürfe der Behinderung der Beweiserhebungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, insbesondere die interne Vorbereitung und Kommunikation zur Frage der Erfüllung der Beweisanforderungen und Erhebungsersuchen des Ausschusses im Bundesministerium für Finanzen einschließlich der Einbindung des Bundesministers für Finanzen und der Finanzprokuratur in diese Angelegenheiten zum mutmaßlichen Zwecke des Schutzes von mit der ÖVP verbundenen Personen einschließlich des Bundesministers Blümel selbst.
4. Begünstigung bei der Personalauswahl
Aufklärung über Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP, und insbesondere über
Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes bei der Vergabe von Leitungsfunktionen in ÖVP-geführten Bundesministerien;
Interventionen für (ehemalige) PolitikerInnen der ÖVP und deren Versorgung mit Beschäftigungsverhältnissen; möglichen Schaden für den Bund durch Ermöglichung solcher Begünstigung insbesondere durch frühzeitige Abberufung anderer OrganwalterInnen oder die Schaffung neuer Funktionen;
Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen von Leitungsfunktionen auf parteipolitisch loyale KandidatInnen durch Mitglieder des ÖVP-Zusammenschlusses;
Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Planstellen durch mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere durch MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP-Regierungsmitgliedern.
[…]"
1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.
Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.
Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.
Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.
Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1 4 zu erfolgen.
Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.
Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.
Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO-UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.
Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.
Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO-UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.
Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.
Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.
Bezeichnung der betroffenen Organe
Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO-UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:
[…]
3. Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und -einrichtungen.
[…]"
1.3. In der 19. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 25. Mai 2022 richtete das (im verfassungsgerichtlichen Verfahren) antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO UA folgendes Verlangen an den Untersuchungsausschuss:
"Die Bundesministerin für Justiz wird gemäß §25 Abs2 VO-UA verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sämtliche (nicht bereits veraktete und vorliegende) schriftliche und elektronische Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insbesondere dem Ibiza-Ermittlungskomplex, dem Verfahrenskomplex um Mag C[.] P[.] und Mag J[.] F[.], damit verbundenes öffentlichkeitswirksames Engagement des WKStA-Dienststellenausschuss bzw der Behördenleiterin sowie Korrespondenzen über die SOKO-Tape und Mag L[.] P*[.], vorzulegen.
Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des ergänzten grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats sind anzuwenden. Es sind ausdrücklich auch alle elektronisch verfügbaren Dateien, Extraktionen und Datenbanken von dieser Definition erfasst. Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.
Begründung
Die Behördenleiterin der WKStA sowie im Ibiza-Komplex tätige Oberstaatsanwälte sind auch in das Verfahren gegen C[.] P[.] und J[.] F eingebunden.
Die ehemalige WKStA-Oberstaatsanwältin L[.] P*[.] berichtete zu Chatgruppen im Untersuchungsausschuss am 21.04.2022:
'Es gibt diverse Chatgruppen – hat es schon bei der Staatsanwaltschaft Wien gegeben -, und es gibt, was ich gehört habe, auch im Ibizaverfahren Whatsapp-Gruppen – also dementsprechend ist das nicht per se etwas Ungewöhnliches.'
Die Organe und Mitarbeiter der WKStA haben umfassende und erhebliche Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere zum Beweisthema 3. Aus der Erfahrung der bisherigen Aufklärungsarbeit ist gerade der informelle bzw nicht-veraktete Austausch zu Wahrnehmungen über Messenger-Gruppen von zentraler Bedeutung für die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss.
Bei lebensnaher Betrachtung enthalten ausgetauschte Inhalte über Messenger-Gruppen der WKStA-Mitarbeiter bedeutende Informationen über vermutete Einflussnahme auf Ermittlungen sowie allenfalls auch wesentliche Informationen zu Postenbesetzungen. (Beispielsweise berichtete die karenzierte WKStA-Oberstaatsanwältin Mag L[.] P*[.], dass OStA Mag G[.] A[.] Wahrnehmungen zu einer Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Mag C[.] P[.] hatte und nach dem öffentlich erhobenen Vorwurf durch einen Online- Blogger die Verhaftung Mag C[.] P[.] in Kollegenkreisen forderte.)
Im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind rein private Korrespondenzen nicht erfasst, da diese nicht der Vollziehung zuzurechnen sind. Es genügt jedoch eine abstrakte Relevanz der Korrespondenz, um eine Vorlagepflicht zu begründen.
Auf die vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Behauptungs- und Begründungspflichten bei Nichtvorlage bestimmter Akten und Unterlagen wird ausdrücklich hingewiesen."
1.4. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungssauschuss fasste am 25. Mai 2022 mehrheitlich den Beschluss, den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten. Die beschlussfassende Mehrheit des Untersuchungsausschusses begründete diesen Beschluss wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Zum gegenständlichen Verlangen ist folgendes festzuhalten:
Der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ist nicht offenkundig. Denn die im Verlangen angesprochene schriftliche und elektronische Kommunikation innerhalb der WKStA ist für sich allein ohne nähere Begründung nicht geeignet, einen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand herzustellen. Außerdem geht das Verlangen von falschen Prämissen aus: Zum einen werden die Verfahren gegen Mag. LOStA J[.] F und Mag. C[.] P[.] beide von der StA Innsbruck und nicht von der WKStA geführt. Es ist somit nicht ersichtlich, inwieweit eine Beeinflussung der Ermittlungen durch die WKStA auch nur hypothetisch Auswirkungen auf diese Verfahren haben könnte.
Zum anderen wird im Verlangen an keiner Stelle ein Bezug zu Regierungsmitgliedern der ÖVP hergestellt, auf deren Betreiben Ermittlungen beeinflusst worden sein sollen. Es ist auch unklar, welche mit der ÖVP verbundenen Personen überhaupt begünstigt worden sein könnten, da im Gegenteil gegen solche ja durch die WKStA Vorwürfe erhoben wurden, die sich auf eine Anzeigenerstattung und Amtshilfe beschränkten (wozu die entsprechenden Akten bereits vorliegen).
Gleichzeitig geht die Begründung des Verlangens (selbst unter Anerkennung der Möglichkeit, ein solches Verlangen auf Grund der unzureichenden Informationslage umfassender zu formulieren) nicht über bloße Behauptungen hinaus. Die Ausführungen im Verlangen, wonach 'Die Organe und Mitarbeiter der WKStA umfassende und erhebliche Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere zum Beweisthema 3 haben.' Bzw, dass: 'Aus der Erfahrung der bisherigen Aufklärungsarbeit gerade der informelle bzw nicht-veraktete Austausch zu Wahrnehmungen über Messenger-Gruppen von zentraler Bedeutung für die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss ist.', berufen sich lediglich auf Vermutungen der Auskunftsperson OStA Mag. L[.] P*[.]. Aus diesem Grund wäre eine solch weitreichende Anforderung in einem so sensiblen Bereich, die sich überdies lediglich auf bloße Vermutungen einer Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss beruft, konkret und nicht nur pauschal zu begründen, inwiefern diese Akten zumindest abstrakt relevant sein könnten.
Es besteht auf Grund der mangelnden Begründung des Verlangens der Abg. Hanger, Kolleginnen und Kollegen, für den Untersuchungsausschuss somit auch keine Grundlage, auf der er einen ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand bewerten könnte. An keinem Punkt sind Anhaltspunkte dafür enthalten, dass es bei der genannten Kommunikation überhaupt zu Handlungen von der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung etc. gekommen ist oder dass durch solche Handlungen mit der ÖVP verbundene Personen begünstigt werden konnten.
Nachdem es wie ausgeführt nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein kann, die Begründung selbst anstelle der verlangenden Abgeordneten zu geben, kann der Untersuchungsausschuss nur den mangelnden sachlichen Zusammenhang feststellen. Er hat diesen vielmehr in einem solchen Fall zu bestreiten, um auch seinen aus der Verfahrensordnung entspringenden Pflichten zur Überprüfung eines Verlangens gemäß §25 Abs2 VO-UA nachzukommen.
Zwar steht es jedem möglichen Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses zu, seine eigenen politischen Anliegen mit den ihm eingeräumten Rechten wahrzunehmen, da der Untersuchungsausschuss einer umfassenden Aufklärung nach allen politischen Gesichtspunkten verpflichtet ist Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss ist in diesem Sinne nicht berechtigt, die Rechte eines verlangenden Viertels der Mitglieder des Ausschusses durch die Vornahme einer eigenen politischen Wertung zu beschneiden (vgl VfGH UA1/2020, 3.3.2020).
Im Wege der Wahrnehmung solcher Rechte kann sich ein (potentiell) einsetzungsberechtigtes Viertel der Abgeordneten zum Nationalrat jedoch nicht die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses mit dem von ihm selbst umschriebenen Untersuchungsgegenstand ersparen. Insbesondere dürfen vor dem Hintergrund der befristeten Dauer eines Untersuchungsausschusses auf diese Art keine über die im Einsetzungsverlangen des Untersuchungsausschusses festgelegten Beweisthemen hinausgehenden Themen der Untersuchung hinzugefügt werden, da dies eine unzulässige Verwässerung des dem Untersuchungsausschuss übertragenen Kontrollauftrags zur Folge hätte. Schließlich sollten die dem Untersuchungsausschuss vom Verfassungsgesetzgeber übertragenen Befugnisse eine wirksame parlamentarische Kontrolle durch den Nationalrat ermöglichen."
2. Am 8. Juni 2022 stellte das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses den vorliegenden, auf Art138b Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag und begründete diesen wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Im antragsgegenständlichen Beschluss kam die Mehrheit dieser sie treffenden verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nicht bzw nicht ausreichend nach, weshalb sie den Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet hat. Die Minderheit hat ihr Verlangen auf ergänzende Beweisanforderungen gem. §25 Abs3 VO-UA hingegen gesetzeskonform begründet. Das Verlangen steht zudem gem. §25 Abs2 VO-UA im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses. Um die Wirksamkeit des Verlangens zu erreichen, stellt die Minderheit daher den gegenständlichen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Mehrheit.
Dazu im Detail:
3.1. Sachlicher Zusammenhang des Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand gegeben / ausreichende Begründung des Verlangens
Die vorliegende Beweisanforderung zielt darauf ab, dass sämtliche (nicht bereits veraktete und dem Untersuchungsausschuss vorliegende) schriftliche und elektronische Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E-Mail und dergleichen innerhalb der WKStA im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insbesondere dem Ibiza-Ermittlungskomplex, dem Verfahrenskomplex um Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.], damit verbundenes öffentlichkeitswirksames Engagement des WKStA-Dienststellenausschuss bzw der Behördenleiterin sowie Korrespondenzen über die SOKO-Tape und Mag. L[.] P*[.], dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wird.
Der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ist eindeutig gegeben und wurde im Verlangen ausreichend dargelegt. Die Begründung referenziert auf die Aussage der ehemaligen WKStA-Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P*[.] zu den Chatgruppen im Untersuchungsausschuss am 21.04.20[2]2, die lautete: 'Es gibt diverse Chatgruppen – hat es schon bei der Staatsanwaltschaft Wien gegeben -, und es gibt, was ich gehört habe, auch im Ibizaverfahren Whatsapp-Gruppen – also dementsprechend ist das nicht per se etwas Ungewöhnliches'.
Vorgelegt werden soll laut Verlangen nicht sämtliche (nicht bereits veraktete und vorliegende) Kommunikation innerhalb der WKStA, sondern nur jene, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand steht. Dies wird im Verlangen konkret damit begründet, dass Organe und Mitarbeiter der WKStA umfassende und erhebliche Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben und zwar insbesondere zum dritten Beweisthema ('Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit'). Sollte es, wie [es] aufgrund der Aussage von Mag. P*[.] der Fall zu sein scheint, auch im Zusammenhang mit dem [Ibiza]-Verfahren Whatsapp-Gruppen geben, d.h. elektronische Kommunikation, ist es naheliegend, dass die Organe und Mitarbeiter der WKStA diese Wahrnehmungen über die im Verlangen genannten Kommunikationskanäle ausgetauscht haben und dass diese Kommunikation Informationen im sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand enthält.
Nach der Rechtsprechung des VfGH unterliegen Akten und Unterlagen immer dann der Pflicht zur vollständigen Vorlage an den Untersuchungsausschuss, sofern diese irgendeine abstrakte Relevanz für die Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses, der durch den Untersuchungsgegenstand konkretisiert wird, hat bzw haben könnten. […] Dies ist gegenständlich der Fall. Die angeforderte elektronische Kommunikation ist abstrakt geeignet, Inhalte über vermutete Einflussnahmen auf Ermittlungen sowie auch wesentliche Informationen zu Postenbesetzungen zu beinhalten. Untersuchungsgegenstand ist ua 'das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes' in einem näher bezeichneten Zeitraum. Laut Einsetzungsverlangen steht beim dritten Beweisthema 'Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit' im Zentrum die 'Einflussnahme durch ... C[.] P[.] ... auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerden des Ibiza-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie Josef Pröll und Hartwig Löger'; und weiters 'die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, ins-besondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;'.
Aus der Aussage von Mag. P*[.], wonach es 'auch im Ibizaverfahren Whatsapp- Gruppen' gebe, geht eindeutig hervor, dass die angeforderte Kommunikation inhaltlich den Untersuchungsgegenstand und insbesondere das dritte Beweisthema betrifft. Die Tatsache, dass – wie im Bestreitungsantrag (S. 3) angeführt – die Verfahren gegen LOStA Mag. J[.] F[.] und Mag. C[.] P[.] beide von der StA Innsbruck und nicht von der WKStA geführt werden, nimmt der angeforderten Kommunikation nicht ihre abstrakte Relevanz für den Untersuchungsausschuss. Dass Organe und Mitarbeiter der WKStA umfassende Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben, ist öffentlich bekannt. Es ist daher zu erwarten, dass diese Kommunikation Hinweise betreffend die im Untersuchungsgegenstand umschriebenen Vorgänge, insbesondere zum Beweisthema 3, enthalten könnte, und damit geeignet ist, das Bestehen von Vorgängen im Sinn des Untersuchungsgegenstandes zu bestätigen. Whatsapp-Gruppen, die insbesondere den Ibiza-Ermittlungskomplex betreffen, komm[t] daher jedenfalls eine abstrakte Relevanz für die Erfüllung des Kontrollauftrages des Untersuchungsausschusses zu.
Im Bestreitungsantrag behauptet die Mehrheit zudem, es sei unklar, welche mit der ÖVP verbundenen Personen überhaupt begünstigt worden sein könnten. Es ist die genuine Aufgabe des Untersuchungsausschusses[,] genau das zu untersuchen. Die Mehrheit verkennt in ihrer Bestreitung ganz offenkundig, dass – schon nach dem Wortlaut – Aufgabe eines Untersuchungsausschusses das Untersuchen von Sachverhalten ist.
Der Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum vom 18.12.2017 bis 11.10.2021. Im Laufe des Untersuchungsausschusses war immer wieder Thema, ob Sektionschef Mag. P[.] oder auch LOStA Mag. F[.] Wahrnehmungen betreffend Einflussnahmen auf Verfahren der WKStA aus sachfremden Motiven hatten. Seitens der Mitglieder des das gegenständliche Verlangen bestreitenden Mehrheit wurde wiederholt behauptet, dass zugunsten von ÖVP-nahen Personen Einfluss auf Strafverfahren genommen wurde. Dass Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.] selbst im Fokus des Untersuchungsausschusses stehen, liegt auf der Hand; beide wurden ja schon vor den Untersuchungsausschuss geladen und befragt; der Untersuchungsgegenstand erwähnt sie namentlich. Der sachliche Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand ergibt sich bereits aus diesem Faktum. Mit dem Verlangen wird schließlich insbesondere die Vorlage bestimmter Kommunikation im Zusammenhang mit dem Verfahrenskomplex um Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.] verlangt.
3.2. Keine substantiierte Begründung der Bestreitung
Der Beschluss der Mehrheit erweist sich außerdem aus einem weiteren Grund als mit Rechtswidrigkeit belastet: Die Mehrheit trifft im Fall des Bestreitens eines Verlangens gem §25 Abs2 VO-UA eine verfassungsrechtliche Begründungspflicht. Es bedarf daher nicht nur der Behauptung eines fehlenden sachlichen Zusammenhangs des Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand, sondern einer substantiierten Begründung für die fehlende (potentielle) abstrakte Relevanz der verlangten nicht vorgelegten einzelnen Akten und Unterlagen. Der pauschale Verweis allein darauf, dass bestimmte Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, kann das Zurückhalten von Informationen nicht rechtfertigen und belastet den Beschluss mit Rechtswidrigkeit.
Die Mehrheit kam dieser sie treffenden verfassungsrechtliche[n] Begründungspflicht nicht nach: Sie hat im gegenständlichen Beschluss nicht dargelegt, warum den verlangten Akten und Unterlagen keine potentielle abstrakte Relevanz zukommt. Stattdessen behauptet sie pauschal, es fehle der Bezug zum Untersuchungsgegenstand. Die Mehrheit hätte im Beschluss begründen müssen, warum der (nicht bereits veraktete und vorliegende) schriftlichen und elektronischen Kommunikation wie Chats, Whatsapp, Signal, SMS, E Mail und dergleichen innerhalb der WKStA im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insbesondere dem Ibiza-Ermittlungskomplex, dem Verfahrenskomplex um Mag. C[.] P[.] und Mag. J[.] F[.], damit verbundenes öffentlichkeitswirksames Engagement des WKStA-Dienststellenausschuss bzw der Behördenleiterin sowie Korrespondenzen über die SOKO-Tape und Mag. L[.] P*[.], über keine potentielle abstrakte Relevanz zukommt. Dies vor dem Hintergrund, dass die ehemalige WKStA-Oberstaatsanwältin Mag. L[.] P*[.] aussagte, dass sie gehört habe, dass [es] 'auch im Ibizaverfahren Whatsapp-Gruppen' gibt.
Statt ihrer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nachzukommen, unterstellt die Mehrheit der Minderheit[,] keine 'Anhaltspunkte' geliefert zu haben, dass es bei der genannten Kommunikation überhaupt zu Handlungen von der ÖVP zuzurechnender Mitgliedern der Bundesregierung etc. gekommen ist oder dass durch solche Handlungen mit der ÖVP verbundene Personen begünstigt werden konnten. Sie verlangt damit von der Minderheit ihr Verlangen mit Tatsachen zu begründen, die sich erst definitiv durch Kenntnis der verlangten Akten und Unterlagen ergeben und deren Ermittlung alleinige Aufgabe des Untersuchungsausschusses im Rahmen des Untersuchungsgegenstands ist.
Weiters geht das Verlangen keineswegs über die im Einsetzungsverlangen festgelegten Beweisthemen hinaus oder fügt ein weiteres Beweisthema hinzu, wie dies von der Mehrheit im Beschluss behauptet wird. Zusammenfassend ist aus dem Beschluss der Mehrheit an keiner Stelle ersichtlich, auf welche Gründe sie ihre Beschlussfassung stützt. Sie ist ihrer gegenüber dem Untersuchungsausschuss bestehenden verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nicht nachgekommen und hat den Beschluss auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet."
3. Mit Verfügung vom 10. Juni 2022 forderte der Verfassungsgerichtshof die Einschreiter gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, ehestmöglich, spätestens aber bis zum 17. Juni 2022 beim Verfassungsgerichtshof einlangend, eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie der maßgeblichen Teile des Protokolls der Ausschusssitzung (§56e Abs3 VfGG) vorzulegen. Dieser Aufforderung kamen die Einschreiter fristgerecht nach.
4. Dem Präsidenten des Nationalrates wurde die Möglichkeit eingeräumt, bis 23. Juni 2022 zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 22. Juni 2022, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 23. Juni 2022, übermittelte die Parlamentsdirektion eine vom ÖVP Korruptions Untersuchungsausschuss am 22. Juni 2022 auf der Grundlage des §39 Abs1 GOG NR beschlossene Äußerung.
IV. Erwägungen
1. Gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, auf Antrag des dieses Verlangen unterstützenden Viertels seiner Mitglieder.
2. Gemäß Art53 Abs1 zweiter Satz B VG ist ein Untersuchungsausschuss auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates einzusetzen (vgl auch §1 Abs2 erster Satz VO-UA: "mindestens 46 […] Mitglieder"). Nähere Bestimmungen trifft nach Art53 Abs5 erster Satz B VG das GOG-NR. Insbesondere fasst der Geschäftsordnungsausschuss den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24 VO UA. Dieser verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Die vorlagepflichtigen Organe können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden.
3. Gemäß §25 Abs2 VO-UA kann ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 VO-UA im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen (§25 Abs3 VO-UA). Die Beweisanforderung ist zu begründen.
Ein solches Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nicht mit Beschluss bestreitet (§25 Abs2 VO-UA). Erfolgt eine solche Bestreitung, kann das verlangende Viertel der Mitglieder nach §25 Abs4 VO-UA den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nach §25 Abs2 VO-UA anrufen. Ein solcher Antrag ist gemäß §56e Abs4 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Beschluss des Untersuchungsausschusses zwei Wochen vergangen sind. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach §56e Abs6 VfGG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.
4. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss hat mit (Mehrheits-)Beschluss vom 25. Mai 2022 den sachlichen Zusammenhang des Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder auf ergänzende Beweisanforderungen mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten.
5. Der am 8. Juni 2022 von vier – das Verlangen gemäß §25 Abs2 VO-UA vom 25. Mai 2022 unterstützenden – Mitgliedern des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG erweist sich als rechtzeitig und als von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern dieses Untersuchungsausschusses eingebracht.
6. Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §56e Abs6 VfGG, über einen Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen) zu entscheiden, und des Umstandes, dass dieser Antrag den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bildet (vgl sinngemäß VfGH 10.5.2021, UA5/2021), hat der Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG an den Verfassungsgerichtshof ein hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten.
7. Dieser Voraussetzung wird der vorliegende Antrag aus folgendem Grund nicht gerecht.
7.1. Das einschreitende Viertel der Mitglieder des ÖVP Korruptions Untersuchungsausschusses stellt in seiner vorliegenden Eingabe den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass "der Beschluss des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom 25.5.2022, mit dem der Zusammenhang des Verlangens des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderung Blg. VII mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig ist".
7.2. Dem vorliegenden Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG liegt jedoch die bezogene "Beilage VII" nicht bei. Bei dieser Beilage handelt es sich – ausweislich des vorgelegten Protokolles der 19. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses vom 25. Mai 2022 – um jenes Verlangen gemäß §25 Abs2 VO-UA, das dem beim Verfassungsgerichtshof zur Zahl UA4/2022 protokollierten Verfahren zugrunde lag. Beigelegt haben die Einschreiter demgegenüber jedoch ein mit "Beilage V" bezeichnetes Verlangen vom selben Tag. Damit erweist sich die Bezeichnung im Antrag als mehrdeutig.
8. Da dem Verfassungsgerichtshof eine – korrigierende – Interpretation des vorliegenden Antrages verwehrt ist und somit der Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hinreichend bestimmt ist (vgl VfGH 10.5.2021, UA5/2021), erweist sich der vorliegende Antrag gemäß Art138b Abs1 Z3 B VG als unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.