JudikaturVfGH

G109/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
11. Dezember 2024
Leitsatz

Abweisung eines Parteiantrages auf Aufhebung von Bestimmungen des StGB betreffend die Konfiskation und den Verfall von Vermögenswerten; keine Wahlfreiheit des Gerichtes zwischen der Strafe der Konfiskation und der komplementären Maßnahme des Verfalls; weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Art und Weise des Entzugs rechtswidrig erlangter Vermögenswerte

Abweisung des zweiten Eventualantrags auf Aufhebung des §19a Abs1a StGB idF BGBl I 112/2015 und der §§20 und 20a StGB idF BGBl I 108/2010. Zurückweisung des Parteiantrags hinsichtlich des Hauptantrages und des ersten Eventualantrages wegen zu engen Anfechtungsumfangs, weil §20 und §20a StGB in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

Dem Gericht kommt keine Wahlfreiheit zu, ob es die aus dem Verkauf verbotener Gegenstände (zB Suchtmittel iSd Suchtmittelgesetzes) gewonnenen Erträge konfisziert (§19a Abs1a StGB) oder für verfallen erklärt (§20 Abs1 StGB). Denn gemäß §20a Abs2 Z3 StGB ist der Verfall ausgeschlossen, soweit seine Wirkung durch andere rechtliche Maßnahmen erreicht wird. Unter eine solche "andere rechtliche Maßnahme" kann auch die Konfiskation eines Ersatzwertes nach §19a Abs1a StGB fallen. Der Verfall hat somit komplementäre Funktion.

Die Strafe der Konfiskation und die komplementäre Maßnahme des Verfalls sind daher insoweit auch nicht, wie der Antragsteller meint, "austauschbar". Richtig ist zwar, dass beide Bestimmungen für den Betroffenen zum gleichen Ergebnis (Entzug von Vermögenswerten) führen können; indes einmal als Strafe, ein anderes Mal hingegen als vermögensrechtliche Maßnahme eigener Art, die keinen strafähnlichen Charakter hat und keine Schuld voraussetzt. Es ist aber keine Besonderheit gerade von Konfiskation und Verfall, dass eine Strafe zum gleichen Ergebnis führen kann wie eine sonstige Maßnahme (vgl insbesondere die Freiheitsstrafe einerseits und die vorbeugende Maßnahme der Unterbringung andererseits, die jeweils zum Entzug der Freiheit des Beschuldigten [Betroffenen] führen).

Der Gesetzgeber kann weitgehend frei darüber entscheiden, ob und auf welche Weise er rechtswidrig Erlangtes entziehen will (VfSlg 20.013/2015). Da bereits die Prämissen des Antrages (Freiheit des Gerichts, zwischen Konfiskation und Verfall zu wählen) nicht zutreffen, begegnet das vom Gesetzgeber geschaffene Verhältnis zwischen der Strafe der Konfiskation und der komplementären Maßnahme des Verfalls keinen Bedenken im Lichte des Gleichheitssatzes und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums. Auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebotes der Bestimmtheit gesetzlicher Vorschriften begegnen die angefochtenen Bestimmungen keinen Bedenken, weil ihr jeweiliger Anwendungsbereich unter Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden ermittelt werden kann.