JudikaturVfGH

G265/2022 (G265/2022-45) – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
05. Oktober 2023
Leitsatz

Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot durch die Ausgliederung von staatlichen Verwaltungstätigkeiten an die COFAG, die Organisation der COFAG sowie die spezifische Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch die COFAG; privatwirtschaftliche Tätigkeit der COFAG ist auf Grund des organisatorischen und funktionellen Naheverhältnisses zum Bund sowie der Befugnis, (hohe) finanzielle Mittel an einen weiten Kreis begünstigter Unternehmen zu gewähren, als staatliche Verwaltung iSd Art20 Abs1 B VG zu qualifizieren; Unternehmensgegenstand der COFAG vollständig durch den Gesetz- und Verordnungsgeber determiniert; Unsachlichkeit der Ausgliederung der — nicht an Weisungen, sondern an zivilrechtliche "Aufträge" des Bundesministers für Finanzen gebundenen — COFAG mangels wesentlicher selbständig zu entscheidender Aufgaben sowie wegen Zuständigkeit der Finanzverwaltung zur Überprüfung der Voraussetzungen als Gutachter und nicht als Abgabenbehörde; hinreichend direkte Leitungs- und Aufsichtsbefugnisse des Bundesministers für Finanzen gegenüber der COFAG trotz Ausübung über eine — im Eigentum des Bundes stehende — zwischengeschaltete Gesellschaft mit beschränkter Haftung; Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch den kategorischen Ausschluss eines Rechtsanspruches auf Gewährung von finanziellen Maßnahmen

Verfassungswidrigkeit der §2 Abs1 Z3, §2 Abs2 Z7, §2 Abs2a, §3b Abs2 und §6a ABBAG-G idF BGBl I 228/2021. Fristsetzung: Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 31.10.2024.

Qualifizierung der Tätigkeit der COFAG als staatliche Verwaltung iSd Art20 Abs1 B‑VG:

Nehmen die Gebietskörperschaften Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung nicht selbst wahr, sondern übertragen sie diese auf einen ausgegliederten Rechtsträger, kann unter besonderen Voraussetzungen diese Tätigkeit ihren Charakter als Privatwirtschaftsverwaltung und damit staatliche Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG behalten. Eine solche Zurechnung zur staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG bei der Übertragung von privatwirtschaftlichen Angelegenheiten setzt eine spezifische organisatorische sowie spezifische funktionelle Nahebeziehung des Rechtsträgers zum Staat voraus:

Von einer spezifischen organisatorischen Nahebeziehung des Staates zu einem (anderen) Rechtsträger kann zB dann gesprochen werden, wenn eine Gebietskörperschaft alleine (oder mehrheitlich) an dem Rechtsträger beteiligt ist (oder auf sonstige, vergleichbare Weise beherrschenden Einfluss auf den Rechtsträger hat). Weiters muss zwischen der staatlichen Verwaltung im organisatorischen Sinn und dem mit der privatwirtschaftlichen Aufgabe betrauten Rechtsträger eine spezifische funktionelle Nahebeziehung im Sinne eines Aufgabenübertragungszusammenhanges bestehen. Die Besorgung einer derart übertragenen Aufgabe ist dementsprechend eine Verwaltungsführung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG. Jedenfalls keine in diesem Sinn spezifisch staatliche Aufgabe, sondern erwerbswirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn der mit entsprechenden Aufgaben betraute Rechtsträger als ein (weiteres) Wirtschaftssubjekt im Wirtschaftsverkehr der Privaten untereinander, also am Markt unter bestehenden oder staatlich organisierten (und regulierten) Wettbewerbsbedingungen, auftritt.

Überträgt der Gesetzgeber im vorgenannten Sinn zwar mit Mitteln des Privatrechtes wahrzunehmende, aber weiterhin unter besonderen Voraussetzungen der staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG zuzurechnende Aufgaben, trifft den Gesetzgeber die Verpflichtung, gegenüber dem betrauten Rechtsträger den Leitungs- und Verantwortungszusammenhang herzustellen, den Art20 Abs1 und Abs2 B‑VG vorgibt.

Bei einer solchen Aufgabenübertragung sind auch jene aus dem Organisationskonzept der Bundesverfassung folgenden verfassungsrechtlichen Schranken zu beachten. In diesem Sinn dürfen die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips und des (organisatorischen) Sachlichkeitsgebotes der Aufgabenübertragung nicht entgegenstehen; weiterhin dürfen nur vereinzelte und keine Kernaufgaben staatlicher Verwaltung übertragen werden.

Nach Auffassung des VfGH handelt es sich bei der (privatwirtschaftlichen) Aufgabenwahrnehmung der COFAG gemäß dem ABBAG-Gesetz funktionell um Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG. Es liegt eine spezifische organisatorische Nahebeziehung des ausgegliederten Rechtsträgers COFAG zum Bund und ein spezifischer Aufgabenübertragungszusammenhang zwischen der COFAG und dem Bund vor, für welchen die (Verwaltungs‑)Tätigkeit besorgt wird:

Das spezifische organisatorische Naheverhältnis der COFAG zum Bund zeigt sich insbesondere daran, dass der Bund über die in seinem Alleineigentum stehende ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der COFAG ist, mittelbarer Alleingesellschafter der COFAG ist. Die COFAG steht sohin auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsstruktur im alleinigen Einflussbereich des Bundes.

Das spezifische funktionelle Naheverhältnis der COFAG zum Bund zeigt sich an den von der COFAG zu erbringenden Tätigkeiten sowie der spezifischen Art und Weise, wie die COFAG die ihr übertragenen Aufgaben zu besorgen hat: Gemäß §6a iVm §2 Abs1 Z3 ABBAG-Gesetz besteht der Unternehmensgegenstand der COFAG in "der Erbringung von Dienstleistungen und dem Ergreifen von finanziellen Maßnahmen zugunsten von Unternehmen gemäß §3b Abs1, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit, Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten dieser Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten geboten sind". Zu diesem Zweck obliegt der COFAG "nach Maßgabe der gesetzlichen Ermächtigung oder Beauftragung durch den Bundesminister für Finanzen" die Erbringung der im Unternehmensgegenstand verankerten Dienstleistungen und finanziellen Maßnahmen. Gemäß §3b Abs3 ABBAG-Gesetz hat der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler (unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes) "per Verordnung Richtlinien zu erlassen", welche die in dieser Bestimmung näher bezeichneten Regelungen (Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen, Ausgestaltung und Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen, Höhe und Laufzeit der finanziellen Maßnahmen usw) zu enthalten haben.

Der Bund hat die COFAG gemäß §6a Abs2 ABBAG-Gesetz so auszustatten, "dass diese in der Lage ist, kapital- und liquiditätsstützende Maßnahmen, die ihr gemäß §2 Abs2 Z7 leg cit übertragen wurden, bis zu einem Höchstbetrag von 19 Milliarden Euro zu erbringen und ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Sämtliche Tätigkeiten der COFAG werden dementsprechend im Namen der COFAG, aber ausschließlich auf Rechnung des Bundes durchgeführt.

Das spezifische funktionelle Naheverhältnis der Tätigkeit der COFAG zur staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG erweist sich auch in dem vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 20.397/2020 hervorgehobenen Umstand, dass der Gesetzgeber unter anderem diese nach dem ABBAG-Gesetz zu ergreifenden – und von der COFAG zu vollziehenden – finanziellen Maßnahmen gegenüber den begünstigten Unternehmen zum Teil als funktionelles Äquivalent zu den (hoheitlich zu vollziehenden) Entschädigungsregelungen nach dem Epidemiegesetz ausgestaltet hat.

Die Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes zeigen weiterhin, dass der Unternehmensgegenstand und insbesondere die von der COFAG zu gewährenden Leistungen vollständig durch den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber determiniert werden. Der COFAG verbleibt somit (nahezu) kein unternehmerischer Spielraum:

So ist es die Aufgabe des Bundesministers für Finanzen, im Einvernehmen mit dem Vizekanzler mittels Verordnung abschließend die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die COFAG gegenüber den begünstigten Unternehmen (im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten) Dienstleistungen zu erbringen und finanzielle Maßnahmen zu ergreifen hat, um deren Zahlungsfähigkeit zu erhalten, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden und Liquiditätsschwierigkeiten dieser Unternehmen zu überbrücken.

Dazu kommt, dass der (durch den Bundesminister für Finanzen vertretene) Bund das Rechtsverhältnis mit der COFAG als eine Geschäftsbesorgung iSd §1002 ABGB und damit als ein (zivilrechtliches) Auftragsverhältnis ansieht und es dementsprechend auch tatsächlich ausgestaltet hat. Die vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen werden als die Grundlage für das zivilrechtliche Auftragsverhältnis zwischen der COFAG als Auftragnehmer und dem Bund als Auftraggeber, und zwar jeweils bezogen auf ein "COFAG-Produkt" (betreffend zB Fixkostenzuschuss, Ausfallsbonus, Lockdown-Umsatzersatz, Verlustersatz), gesehen. In diesem Sinn gibt es zu jedem "COFAG-Produkt" einen eigenen "Auftrag" des Bundesministers für Finanzen an die COFAG, finanzielle Maßnahmen im Hinblick auf ein "COFAG-Produkt" zu ergreifen; und zwar mit auf den Verordnungen basierenden, weiterführenden Vorgaben gegenüber der COFAG zur Abwicklung der Antragsprüfung, zB zur Frage, welche Antragsvoraussetzungen die COFAG selbst in welchem Umfang zu prüfen hat und wann ein Ergänzungsgutachten der Finanzverwaltung zu beauftragen ist. Soweit sich seitens der COFAG in der Antragsprüfung auch Auslegungsfragen zu Verordnungen ergeben, gibt der Bundesminister für Finanzen in "Aufträgen" an die COFAG einen Leitfaden zur Auslegung oder Schließung einer solchen Lücke vor. In diesem Sinne wurden und werden auch tatsächlich "Aufträge" durch den Bundesminister für Finanzen an die COFAG erteilt. Diese "Aufträge" werden ausdrücklich nicht als Weisungen iSd Art20 Abs1 B‑VG, sondern als zivilrechtliche Aufträge auf Grund des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen dem Bund und der COFAG qualifiziert.

Ergänzend wird in den vorgelegten Unterlagen ausgeführt: Da weder die vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen (Richtlinien) alle Auslegungsfragen und denkbaren Sachverhalte für die Gewährung von finanziellen Maßnahmen im Hinblick auf die einzelnen "COFAG-Produkte" regeln könnten und auch der Bundesminister für Finanzen nicht in jedem Fall befragt werden könne, würden detaillierte Auslegungsfragen und der Umgang mit bestimmten Sachverhaltskonstellationen zwischen der COFAG und dem Bundesminister für Finanzen in einem eigenen FAQ-Prozess abgestimmt und diese abgestimmten FAQs dann veröffentlicht. Die FAQs für ein "COFAG-Produkt" bildeten einen integralen Bestandteil der Förderanträge. Da die Antragsprüfung der COFAG auf Basis dieser veröffentlichten FAQs erfolge, sei derart auch sichergestellt, dass alle Antragsteller auf Basis veröffentlichter FAQs (transparent) in gleicher Art und Weise in der COFAG-Antragsprüfung behandelt würden. Darüber hinaus werde in den zwischen dem Bund und der COFAG abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarungen unter anderem festgelegt, wie die COFAG mit den übertragenen Mitteln umzugehen habe (Gestionierung/besondere Informations- und Berichtspflichten) und somit das Auftragsverhältnis zwischen dem Bund und der COFAG weiter konkretisiert.

Der Sache nach gibt es keinen erkennbaren Unterschied in der Aufgabenbesorgung, ob der Bund die Tätigkeit selbst, dh in unmittelbarer Staatsverwaltung ausübt, oder diese privatwirtschaftlichen Tätigkeiten durch die COFAG besorgen lässt.

Verstoß des §2 Abs1 Z3, Abs2 Z7 und Abs2a iVm §6a Abs1 ABBAG-G betreffend die Ausgliederung staatlicher Verwaltungstätigkeit auf die COFAG gegen das Sachlichkeitsgebot:

Nicht nur die Übertragung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung, sondern auch die Übertragung von Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung auf einen nichtstaatlichen Rechtsträger, der funktionell staatliche Verwaltung iSd Art20 Abs1 B‑VG besorgt, muss dem Sachlichkeitsgebot und dem Effizienzgebot entsprechen. Die im ABBAG-Gesetz normierte Ausgliederung der staatlichen Verwaltungstätigkeiten auf die COFAG hält einer Prüfung anhand des Sachlichkeitsgebots nicht stand. Sowohl die Ausgliederung an sich als auch die konkrete Organisation der COFAG und die spezifische Art und Weise der Aufgabenerfüllung widersprechen dem Sachlichkeitsgebot:

Die COFAG wurde nach Maßgabe des §2 Abs2a ABBAG-Gesetz als Tochtergesellschaft der ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes von derselben über Auftrag des Bundesministers für Finanzen gemäß §2 Abs2a ABBAG-Gesetz idF BGBl I 15/2020 neu gegründet.

Unabhängig von der Frage, ob der COFAG die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung standen, ergibt sich die Unsachlichkeit der Übertragung der staatlichen Aufgaben auf die COFAG daraus, dass die COFAG nicht über die notwendige sachliche Ausstattung, insbesondere nicht über die notwendige technische Ausstattung außerhalb der staatlichen (Finanz-)Verwaltung verfügte. Für den VfGH ist schon deshalb nicht erkennbar, inwiefern die COFAG die ihr übertragenen Aufgaben tatsächlich in einer gleichwertigen Art und Weise besorgen konnte, wie dies in unmittelbarer Staatsverwaltung der Fall gewesen wäre.

Das von der COFAG verwendete IT-System für die Abwicklung der Unterstüt-zungsleistungen gegenüber den Unternehmen wurde weder von der COFAG selbst noch von externen Personen entwickelt. Die COFAG hat vielmehr von Anfang an bis heute für die Antragstellung durch die Unternehmen das System von FinanzOnline herangezogen, das für die Finanzverwaltung entwickelt wurde und von dieser seit langem verwendet wird. Das System von FinanzOnline wurde für die Zwecke der Antragstellung bei der COFAG adaptiert. Des Weiteren hat die COFAG für die automatisierte Prüfung und Beurteilung der eingehenden Anträge das sogenannte Predictive Analytics Competence Center (PACC) herangezogen, welches ebenso für die Finanzverwaltung entwickelt wurde und von dieser verwendet wird. Dieses IT-System weist die Anträge je nachdem, ob ein Anspruch auf Gewährung der finanziellen Mittel besteht, dies unsicher ist oder abzulehnen ist, als sogenannte Grün-, Orange- oder Rot-Fälle aus.

Angesichts dieses (im Wesentlichen) vollautomatischen "Analysetools" – die Antragsteller sind verpflichtet (gewesen), sämtliche Anträge ausschließlich elektronisch einzubringen – erweist sich nach Auffassung des VfGH (auch) aus diesem Grund, dass die Übertragung der Aufgaben auf die COFAG dem Sachlichkeitsgebot widerspricht.

Unabhängig von den (personellen und auch sachlichen) Ressourcen, welche der COFAG zum Zeitpunkt ihrer Gründung und auch danach im Tatsächlichen zur Verfügung standen, hat der Gesetzgeber selbst grundgelegt, dass der COFAG der Sache nach (nahezu) keine wesentlichen selbstständig zu entscheidenden Aufgaben zukommen:

Im Zusammenhang mit der Ergreifung der finanziellen Maßnahmen gegenüber den begünstigten Unternehmen waren und sind im Wesentlichen Überprüfungsaufgaben zu erfüllen, die nicht von der COFAG, sondern von der Finanzverwaltung, also in unmittelbarer Staatsverwaltung, zu besorgen waren. Dass diese Aufgaben in erster Linie von der Finanzverwaltung wahrzunehmen sind, ergibt sich aus dem COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG, BGBl I 44/2020: Nach §1 Z1 CFPG sind Gegenstand einer Prüfung unter anderem die von der COFAG zu gewährenden finanziellen Maßnahmen auf der Grundlage von §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz. Bei der Erfüllung der den Finanzämtern durch das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz übertragenen Aufgaben handeln die Finanzämter entsprechend §2 Abs1 CFPG als Gutachter und nicht in ihrer Funktion als Abgabenbehörde des Bundes. Die Finanzämter haben im Rahmen von abgabenbehördlichen Maßnahmen die Richtigkeit der vom begünstigten Unternehmen zum Zwecke der Erlangung eines Zuschusses oder der Garantieübernahme erteilten Auskünfte, vorgelegten Unterlagen oder Bestätigungen bzw die Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe des Zuschusses angegebenen Daten zu überprüfen (vgl §6 Abs2 CFPG). Nach §7 CFPG ("Beauftragte Förderungsprüfung") hat das zuständige Finanzamt auf Weisung des Bundesministers für Finanzen die Prüfung des Zuschusses auch dann vorzunehmen, wenn keine abgabenrechtliche Prüfung oder Nachschau durchgeführt werden soll. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der vom Unternehmen zum Zwecke der Erlangung eines Zuschusses erteilten Auskünfte, vorgelegten Unterlagen oder Bestätigungen bzw an der Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe des Zuschusses angegebenen Daten, hat das zuständige Finanzamt gemäß §8 (Z1) CFPG einen gesonderten Prüfungsbericht zu erstellen und der COFAG sowie dem Bundesminister für Finanzen zu übermitteln.

Dazu kommt, dass der Bund das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der COFAG als eine Geschäftsbesorgung im Sinne des §1002 ABGB und damit als ein (zivilrechtliches) Auftragsverhältnis ansieht und es dementsprechend auch tatsächlich ausgestaltet hat.

Darüber hinaus wird in den zwischen dem Bund und der COFAG abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarungen unter anderem festgelegt, wie die COFAG mit den übertragenen Mitteln umzugehen hat und somit das Auftragsverhältnis zwischen dem Bund und der COFAG weiter konkretisiert.

Kein Verstoß gegen Art20 Abs1 B-VG hinsichtlich der Leitungs- und Aufsichtsbefugnis des Bundesministers für Finanzen:

Bei der Ausgliederung staatlicher Verwaltung auf einen nichtstaatlichen Rechtsträger ist es nicht notwendig, dass der Gesetzgeber den im Hinblick auf Art20 Abs1 B‑VG geforderten Verantwortungszusammenhang durch eine ausdrückliche und eigenständige gesetzliche Regelung herstellt. In Ermangelung anders lautender Bestimmungen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für die Gründung der COFAG als Tochtergesellschaft der ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgesehen hat. Im Hinblick darauf genügt es, wenn der Verantwortungszusammenhang nicht durch eine ausdrückliche Regelung im ABBAG-Gesetz, sondern aus dem GmbH-Gesetz hergestellt werden kann. Hiezu kann auf die Rsp des VfGH verwiesen werden, wonach der geforderte Verantwortungszusammenhang als erfüllt angesehen werden kann, wenn sich bei der Übertragung der staatlichen Verwaltung auf einen Rechtsträger in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die (umfassenden) Ingerenzbefugnisse des obersten Verwaltungsorgans (nur) aus dem GmbH-Gesetz ergeben.

Diese Rsp ist so zu verstehen, dass es der öffentlichen Hand als (Allein-)Gesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, so auch als Gesellschafterin der COFAG, iSd Art20 Abs1 B‑VG verwehrt ist, im Gesellschaftsvertrag die Weisungsbindung der Geschäftsführung gegenüber der Generalversammlung bzw der (Allein-)Gesellschafter auszuschließen.

Demgegenüber wird den in Art20 Abs1 B‑VG geforderten Ingerenzbefugnissen des obersten Verwaltungsorgans nicht entsprochen, wenn diese Befugnisse gegenüber dem nichtstaatlichen Rechtsträger bloß auf privatrechtlicher, durch die Vertragsparteien jederzeit gestaltbarer Grundlage beruhen, wie sie etwa nach Auffassung der Bundesregierung durch den (angeführten) Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Bund und der COFAG hergestellt wird. Derartige, alleine auf privatrechtlicher Basis bestehende Ingerenzbefugnisse können nicht als Äquivalent zu den gesetzlich verankerten (und damit von den beteiligten Rechtsträgern nicht änderbaren) Befugnissen bezeichnet werden.

Zu klären ist im gegebenen Zusammenhang somit nur mehr, ob das aus Art20 Abs1 B‑VG abgeleitete Erfordernis der Leitungs- und Aufsichtsbefugnis nur dann erfüllt wird, wenn das oberste Verwaltungsorgan seine Befugnisse direkt gegenüber dem nichtstaatlichen Rechtsträger ausüben kann oder ob dies – wie im Falle der COFAG – auch dann der Fall ist, wenn das oberste Verwaltungsorgan diese Befugnisse nur indirekt, dh über eine zwischengeschaltete Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausüben kann, auf welche das oberste Verwaltungsorgan direkt einwirken kann.

Nach Auffassung des VfGH kann auch dann von den Anforderungen des Art20 Abs1 B‑VG genügenden Ingerenzbefugnissen des obersten Verwaltungsorgans auf eine (ausgegliederte) Gesellschaft mit beschränkter Haftung gesprochen werden, wenn diese Befugnisse nicht direkt gegenüber der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche staatliche Aufgaben besorgt, sondern nur über eine zwischengeschaltete, im Alleineigentum der Gebietskörperschaft stehende Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgeübt werden können. Befolgt nämlich die Geschäftsführung einer zwischengeschalteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht die Weisungen des obersten Verwaltungsorgans in Bezug auf eine bestimmte Vorgangsweise gegenüber dem ausgegliederten Rechtsträger (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung), kann das oberste Verwaltungsorgan sofort die erforderlichen Schritte gegenüber der ihm direkt unterworfenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung setzen, um (indirekt) gegenüber dem ausgegliederten Rechtsträger, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine effektive Handlung setzen (lassen) zu können.

Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot betreffend den Ausschluss eines Rechtsanspruches auf Gewährung finanzieller Maßnahmen gem §3b Abs2 ABBAG-G:

Bei den einschlägigen Regelungen des ABBAG-Gesetzes und den auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen, so auch bei der im Anlassverfahren anwendbaren Fixkostenzuschuss-VO, handelt es sich nicht um sogenannte Selbstbindungsregelungen.

Selbstbindungsgesetze sind dadurch charakterisiert, dass der Gesetzgeber die Vollzugsorgane (im internen Verhältnis) bindet, ohne Einzelpersonen in ihrer Rechtssphäre zu berühren oder diesen (irgend-)einen Rechtsanspruch einzuräumen. Da sich die Regelungen des ABBAG-Gesetzes sowie die einschlägigen, durch den Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen nicht an den Bundesminister, sondern vielmehr zunächst an die COFAG als jene außerhalb der Staatsorganisation stehende Einrichtung, welche den zu begünstigenden Unternehmen die Ausgleichsleistungen und Zuschüsse zu gewähren hat, richtet, scheidet die Qualifikation der maßgeblichen Bestimmungen im ABBAG-Gesetz genauso wie der auf Grund des ABBAG-Gesetzes durch den Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen als Selbstbindungsregelungen von Vornherein aus.

Dass es sich bei den einschlägigen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen betreffend die Gewährung von Ausgleichsleistungen an Unternehmen (jedenfalls in Bezug auf jene behördlichen Maßnahmen, welche die Tätigkeit der Unternehmen beschränkten) nicht um sogenannte Selbstbindungsregelungen handelt, ergibt sich im Übrigen bereits aus dem Erkenntnis VfSlg 20.397/2020, in dem ausgesprochen wurde, dass Adressat der Förderregelungen der gesamte Kreis der in Frage kommenden Leistungswerber ist und diese Ausgleichsleistungen vom Gesetzgeber offenkundig als funktionelles Äquivalent für (hoheitlich zu gewährende) Entschädigungen angesehen wurden.

Da es sich bei den Regelungen des ABBAG-Gesetzes und der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen, somit auch der im Anlassverfahren maßgeblichen Fixkostenzuschuss-VO, nicht um Selbstbindungsregelungen handelt, sind diese jedenfalls an sämtlichen in Frage kommenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen.

Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, aus §3b Abs2 ABBAG-Gesetz, wonach "auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen […] kein Rechtsanspruch" besteht, sei zu schließen, dass über die Anträge der antragstellenden Unternehmen nicht mit Bescheid zu entscheiden sei. Dem stimmt der VfGH im Ergebnis zu; aus dem Gesamtzusammenhang des ABBAG-Gesetzes und der auf dieser Basis vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen ergibt sich, dass die COFAG über die Anträge nicht mit Bescheid, sondern privatrechtsförmig zu entscheiden hat.

Nach Auffassung des VfGH hat die in Prüfung gezogene Bestimmung des §3b Abs2 ABBAG-Gesetz aber einen weiter gehenden normativen Gehalt als bloß darzutun, dass die Angelegenheit nicht hoheitlich zu besorgen ist. Aus §3b Abs2 ABBAG-Gesetz folgt nämlich auch, dass es grundsätzlich keinen unbedingten Anspruch der in den vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler erlassenen Verordnungen begünstigten Unternehmen auf Gewährung von finanziellen Mitteln durch die COFAG gibt.

Dieser Ausschluss eines unbedingten Anspruches steht zunächst im Gegensatz zur Tatsache, dass der Gesetzgeber in den auf Grund des ABBAG-Gesetzes erlassenen Verordnungen nähere finanzielle Maßnahmen festgelegt haben wollte, welche zum Teil ein funktionelles Äquivalent für (hoheitlich zu gewährende) Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz darstellten. Bereits aus diesem Grund ist es sachlich nicht gerechtfertigt, den Rechtsanspruch der begünstigten Unternehmen auf finanzielle Maßnahmen auszuschließen. Dazu kommt, dass in den Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes klar zum Ausdruck kommt, dass die in den auf Grund des ABBAG-Gesetzes erlassenen Verordnungen vorgesehenen finanziellen Maßnahmen den begünstigten Unternehmen auch tatsächlich zukommen sollen.

Der (kategorische) Ausschluss eines Anspruches auf Gewährung von finanziellen Maßnahmen erweist sich daher als Verletzung des aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebotes. Daran ändert auch die in der Rsp des VfGH und des OGH anerkannte Fiskalgeltung der Grundrechte nichts, weil diese voraussetzt, dass zunächst (irgend-)einem Unternehmen die entsprechende Leistung gewährt wurde, was dann zur Folge hat, dass andere vergleichbare Unternehmen in einem vergleichbaren Zusammenhang einen Anspruch auf Gleichbehandlung und damit ebenfalls einen (abgeleiteten) Anspruch auf Gewährung der Leistungen haben.

Zur Klärung:

Die Aufhebung hat keine Auswirkungen auf bereits zum Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung in diesem Gesetzesprüfungsverfahren vor dem VfGH anhängige (Quasi-)Anlassfälle. Durch die vorliegende Aufhebung verliert die COFAG als beklagte Partei der jeweiligen gerichtlichen Anlassverfahren nicht ihre Rechtspersönlichkeit.

Der VfGH erachtet es als notwendig, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmungen eine Frist zu setzen, weil der Gesetzgeber auf Grund dieses Erkenntnisses gehalten ist, für die weitere Ausübung der aktuell der COFAG übertragenen Tätigkeiten und die (voraussichtlich notwendige) Abwicklung der COFAG nähere Regelungen zu erlassen. Die COFAG ist nicht gehindert, weiterhin – bis zur gesetzlichen Neuregelung – die ihr bisher übertragenen Tätigkeiten auszuüben.

(Anlassfall G108/2022 ua, V139/2022 ua, E v 05.10.2023, Ab- und Zurückweisung der Parteianträge).