JudikaturVfGH

V2/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
05. Oktober 2016

Aufhebung des Teilbebauungsplanes "TB10 - Wohngebietsbereiche", Bereich "Ortszentrum West und Nord", der Marktgemeinde Guntramsdorf in der Fassung der vom Gemeinderat am 22.12.2011 beschlossenen Verordnung, insoweit er für das Grundstück .179, KG Guntramsdorf, "Bauklasse I/II" und für das Grundstück .307, KG Guntramsdorf, "Bauklasse III/IV" festlegt.

Das Bedenken des VfGH im Hinblick auf eine extreme Ungleichbehandlung (bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken) kann durch die vorgelegten Planskizzen nicht zerstreut werden. Es wird vielmehr deutlich, dass bei einer derartigen Sachlage eine Grundlagenforschung, die die Auswirkungen der durch Bauklasse III/IV festgelegten Bebauungshöhe auf das Nachbargrundstück nachvollziehbar darlegt, unverzichtbar ist.

Im Hinblick auf die Bedenken gegen eine mögliche Anlasswidmung bezweifelt der VfGH nicht die Richtigkeit der Ausführungen des Gemeinderates, wonach die Bebauungsplanänderungen nicht geeignet seien, dem auf dem Grundstück .307 bereits errichteten Mehrfamilienhaus nachträglich eine Rechtsgrundlage zu verschaffen. Unbestreitbar wurden aber für das bestehende Bauprojekt auf dem Grundstück .307 (Mehrfamilienhaus) Bebauungsgrundlagen geschaffen, die der Eigentümer des Grundstücks im Fall einer neuerlichen Antragstellung jederzeit für sich nützen könnte, sofern ihm dies nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts nützlich erschiene.

Abgesehen von dem bei "Schwarzbauten" immer gegebenen Argument des Interesses der Wohnraumbeschaffung ist eine sachliche Rechtfertigung für die besonderen Bestimmungen der Bebauung des Grundstücks .307 nicht erkennbar. Ein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall im Sinne des obiter dictums des Erkenntnisses VfSlg 14681/1996 mit "ausnahmehaft formulierten Voraussetzungen" ist in den Verordnungsakten nicht dokumentiert.

Es findet sich im Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan nur ein Ziel, mit dem - isoliert betrachtet - die Festlegung der Bauklasse III/IV (ohne hintere Baufluchtlinie) für das Grundstück .307 sachlich gerechtfertigt werden könnte: Das Ziel der "Sicherung von ausreichendem Entwicklungspotential für das Ortszentrum". Eine durch eine hohe Bauklasse bewirkte "Verdichtung" könnte diesem Ziel dienen. Eine Abwägung mit anderen - allenfalls entgegenstehenden - Zielen und den Interessen der dadurch auch offensichtlich betroffenen Nachbarn fehlt aber. Es wäre zudem auch bei isolierter Betrachtung des Ziels der Verdichtung zu prüfen gewesen, ob nicht bei einer gesamthaften Betrachtung (zumindest) der beiden betroffenen Grundstücke (.307 und .179) eine dem Ziel der Verdichtung dienlichere Lösung gefunden hätte werden können.

Insbesondere wäre aber angesichts der Vergleichbarkeit der Grundstücke .307 und .179 auszuführen gewesen, weshalb die im Erläuterungsbericht angegebenen unterschiedlichen Zielsetzungen die unterschiedliche Bebaubarkeit in der Höhe ohne gleichzeitige Beschränkung der Bebauungstiefe für das Grundstück .307 - mit einer hinteren Baufluchtlinie hätte die Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Grundstück .179 gewährleistet werden können - rechtfertigen sollen. Eine derartige Ableitung wird im Erläuterungsbericht nicht angestellt.

Als Rechtfertigung für die Bauklasse III/IV auf dem Grundstück .307 findet sich im Erläuterungsbericht nur die allgemeine Regel des Festschreibens des Baubestands im Bebauungsplan. Diese Rechtfertigung trägt aber nicht, weil der Baubestand zum Zeitpunkt der Planerlassung (potentiell) konsenslos war, was in der Grundlagenforschung nicht aufgezeigt wird. Allein dieser zuletzt aufgezeigte Mangel der Grundlagenforschung zieht schon die Gesetzwidrigkeit der geprüften Verordnungsbestimmungen nach sich.

(Anlassfall E1909/2014, E v 05.10.2016, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

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