JudikaturVfGH

G5/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2014

Abweisung des Antrags des Landesverwaltungsgerichtes Tirol auf Aufhebung der Wortfolge "sowie des IV. Teiles" in § 17 VwGVG, BGBl I 33/2013.

Art130 Abs4 B-VG und §28 VwGVG verlangen grundsätzlich, dass das Verwaltungsgericht eine reformatorische Entscheidung mittels Erkenntnisses erlässt. Insofern unterscheidet sich die dem Verwaltungsgericht gemäß §28 VwGVG zukommende Entscheidungsbefugnis in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht von jener, die einer Berufungsbehörde nach §66 Abs4 AVG zukommt: Im Verwaltungsverfahren impliziert die Sachentscheidung einer unterinstanzlichen Behörde die Bejahung der Prozessvoraussetzungen, diese sind somit "Sache" des Berufungsverfahrens und können von der nach §66 Abs4 AVG entscheidenden Berufungsbehörde anders als von der Unterinstanz beurteilt werden. Wenn der Sachentscheidung der erstinstanzlichen Behörde res iudicata entgegenstand oder eine sonstige Prozessvoraussetzung fehlte, hat die Berufungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu §66 Abs4 AVG die Berufung mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf "Zurückweisung wegen entschiedener Sache" (oder Zurückweisung wegen Fehlens einer sonstigen Prozessvoraussetzung) zu lauten hat.

Auf gleiche Weise ist bei der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach §28 VwGVG vorzugehen. Das Verwaltungsgericht hat in jenem Falle, dass der Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde res iudicata entgegenstand oder eine sonstige Prozessvoraussetzung fehlte, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen. §28 VwGVG gebietet dem Verwaltungsgericht - bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art130 Abs4 B-VG -, die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorkommt, dass es schon bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde an einer Prozessvoraussetzung mangelte. Der Tiroler Landesregierung ist darin zuzustimmen, dass sich diese Kompetenz zur Sachentscheidung unmittelbar aus der - mit Art130 Abs4 B-VG übereinstimmenden - Bestimmung des §28 VwGVG ergibt, der bezüglich des Inhalts der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Sachentscheidung keine Einschränkungen macht. Inhalt einer solchen Sachentscheidung kann es daher auch sein, dass der verfahrenseinleitende Antrag wegen entschiedener Sache oder wegen Fehlens einer sonstigen Prozessvoraussetzung zurückgewiesen wird.

§17 VwGVG trifft Vorkehrungen für die vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden Verfahrensregeln, ist aber nicht als Einschränkung der den Verwaltungsgerichten durch Art130 Abs4 B-VG und §28 VwGVG eingeräumten Befugnis und Pflicht, grundsätzlich eine reformatorische Entscheidung zu erlassen, zu verstehen.

Die Bedenken in Hinblick auf Art7 B-VG, es sei sachlich nicht zu begründen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Kontrollinstanz der Verwaltungsgerichte gemäß §62 Abs1 VwGG das AVG subsidiär ohne jegliche Einschränkungen, die Verwaltungsgerichte aber die Bestimmungen des IV. Teils des AVG nicht anzuwenden haben, gehen ins Leere.

Da die Bestimmungen des Art130 Abs4 B-VG und §28 VwGVG dem Verwaltungsgericht ermöglichen, eine Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages wegen entschiedener Sache oder des Fehlens einer anderen Prozessvoraussetzung zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, unterscheidet sich insoweit die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes nicht von jener des VwGH (sofern dieser in der Sache selbst entscheidet), sodass sich die Frage der sachlichen Rechtfertigung unterschiedlicher Verfahrensbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang gar nicht erst stellt.

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