Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* B* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2025, GZ ** 6, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene polnische Staatsangehörige A* B* verbüßt derzeit in der Justizanstalt WienSimmering den mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Jänner 2022, AZ **, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zunächst bedingt nachgesehenen und mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. September 2024, AZ **, rechtskräftig widerrufenen Strafteil in der Dauer von zwölf Monaten. Der Widerruf erfolgte, weil der Verurteilte die Weisung, sich einer Alkoholtherapie sowie einer Anti-Gewalt-Therapie zu unterziehen, nicht einhielt (ON 5).
Das errechnete Strafende fällt auf den 6. Februar 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG lagen am 6. August 2025, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 6. Oktober 2025 vor (ON 2.2, 2).
Die bedingte Entlassung zum Hälfte-Stichtag wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 4. Juli 2025, GZ **-7, rechtskräftig abgelehnt. Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht nunmehr auch eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe aus spezialpräventiven Erwägungen ab (ON 6).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 8), worin er – verkürzt dargestellt – vorbringt, sich mittlerweile in Therapie zu befinden, diese nach seiner Entlassung fortsetzen zu wollen und über eine im Rahmen seines „Fußfesselantrags“ vom Verein Neustart positiv bewertete Wohn- und Arbeitsplatzbestätigung zu verfügen.
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der mit Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach § 46 Abs 4 StGB ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw. ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind vor allem die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen ( Jerabek/Ropper inWK² StGB § 46 Rz 15/1).
Wenn auch die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben soll ( Jerabek/Ropper aaO Rz 17), ist dem Erstgericht beizupflichten, dass derzeit spezialpräventive Gründe der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers unüberwindlich entgegenstehen.
Der Anlassverurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 6. Dezember 2021 in **
I./ C* B*
A./ am Körper verletzte, indem er ihr einen Stoß versetzte, wodurch sie mit dem Kopf gegen eine Wand stieß und zumindest eine Schädelprellung erlitt;
B./ gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihren Kopf in das Abwaschbecken drückte, versuchte den Wasserhahn aufzudrehen und sagte, sie solle ertrinken;
C./ eine fremde Sache beschädigte, indem er deren Mobiltelefon gegen die Wand warf, wodurch das Display brach und sich das Gerät nicht mehr einschalten ließ;
D./ durch die zu Punkt A./ genannte Handlung mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich ihre Wohnung nicht zu betreten, nötige.
Neben dieser Verurteilung weist der Beschwerdeführer zwei weitere einschlägige Vorstrafen auf (ON 3), und zwar vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom 6. November 2013, zu AZ ** wegen § 287 StGB (§§ 15, 269 Abs 1 StGB; §§ 83, 84 Abs 2 Z 4 StGB) und vom 11. Mai 2017, zu AZ ** wegen §§ 15, 105 Abs 1 StGB, § 83 Abs 1 StGB und § 88 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, wobei er jeweils in den Genuss der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht kam.
In Anbetracht der Vorstrafenbelastung, die, wie der psychologische Dienst in seiner Stellungnahme (ON 2.3) aufzeigt, im Zusammenhang mit dem problematischen Alkoholkonsum des Beschwerdeführers und dessen Gewaltbereitschaft in zwischenmenschlichen Konfliktsituationen zu sehen ist, kann der evidenten Gefahr neuerlicher Gewalthandlungen im Beziehungskontext nur durch eine deliktsorientierte Einzelpsychotherapie begegnet werden. Als besondere Risikofaktoren führt der psychologische Dienst den Missbrauch von Alkohol und massive kognitive Verzerrungen im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Konfliktsituationen an, die dem Strafgefangenen in keinster Weise bewusst zu sein scheinen. Bislang sei der Beschwerdeführer auch nicht bereit gewesen, sich mit seinen Problemfeldern auseinanderzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass er auch – trotz des bereits zuvor verspürten Haftübels des unbedingt verhängten Strafteils – die ihm zuletzt im Rahmen der teilbedingten Strafnachsicht gebotene Möglichkeit, eine Therapie zu absolvieren, nicht in Anspruch nahm (ON 3 und ON 5).
Selbst wenn der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge zwischenzeitlich mit der empfohlenen Therapie begonnen haben sollte, ist der erst kurzfristige therapeutische Prozess jedenfalls nicht ausreichend, um das evidente Rückfallrisiko hintanzuhalten. Im Zusammenhalt mit dem getrübten Vorleben des Strafgefangenen, insbesondere der Wirkungslosigkeit bisheriger strafrechtlicher Reaktionen kann – in Übereinstimmung mit dem Erstgericht – derzeit keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Freiheitsstrafe von einer künftigen neuerlichen Straffälligkeit abgehalten werden könnte. Daran vermag auch das bislang ohne Beanstandung gebliebene Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers (ON 2.1) sowie die – allerdings unbelegt gebliebene – Wohn- und Arbeitsmöglichkeit unter Berücksichtigung allfälliger unterstützender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB nichts zu ändern, sodass eine bedingte Entlassung auch nach Vollzug von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe derzeit (noch) nicht in Betracht kommt.
Da der angefochtene Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, im Falle einer erfolgreichen Anbindung an die vom psychologischen Dienst empfohlene deliktsorientierte Einzeltherapie sowie einer gewissen Bewährung bei der Wahrnehmung der Termine und Compliance gegenüber der therapeutischen Intervention unter Vorlage entsprechender Bestätigungen weiteres Wohlverhalten in der Haft und das Bestehen eines sozialen Empfangsraums vorausgesetzt zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag als Bittsteller zu stellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).
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