JudikaturOLG Wien

15R20/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin Mag. Köller-Thier und die Richterin Mag. Klenk in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren **, Angestellte, **, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* N.V., **, Curacao, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 16.795 sA, über den Antrag der beklagten Partei auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision (§ 508 ZPO), in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Der Antrag der beklagten Partei, den Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision im Urteil des Berufungsgerichts vom 3.7.2025, 15 R 20/25h, dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision zulässig sei, wird samt der damit verbundenen ordentlichen Revision zurückgewiesen.

Text

Begründung :

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat sich mit den von der Beklagten in der Berufung behaupteten Begründungsmängeln der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RS0042963).

2.Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (RS0043371). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils wird von der Beklagten nicht behauptet.

3.Dass ein Klagsvorbringen schlüssig ist, wenn der Kläger zwar nicht jedes einzelne von zahlreichen Spielen nennt, wohl aber den Zeitraum angibt, während dem er bei der Beklagten als seiner Vertragspartnerin gespielt hat, und den Gesamtverlust nennt, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (vgl 1 Ob 97/21b; 4 Ob 232/23f; zuletzt 8 Ob 54/25m [8 f]).

4.Soweit die Beklagte meint, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil ansonsten die Möglichkeit eines „risikolosen Spiels“ bestehe, lässt sie die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (7 Ob 16/25s [7 f] mwN, 2 Ob 187/24z, 8 Ob 54/25m [10]). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Spieler bei verbotenem Glücksspiel die Wett- oder Spielschuld zurückfordern kann (RS0134152; zuletzt 6 Ob 19/25z). Dem steht die Möglichkeit des Glücksspielanbieters, den aus dem verbotenen Glücksspiel lukrierten Gewinn vom Spieler zurückzufordern, nicht entgegen (8 Ob 21/24g). Entgegen den Ausführungen der Beklagten liegt damit umfassende höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, auf die im Übrigen bereits im Berufungsurteil hingewiesen wurde. Dass die Beklagte die in den zitierten Entscheidungen vertretene Rechtsansicht nicht teilt, begründet keine erhebliche Rechtsfrage.

Das Argument der Beklagten, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil die Spieler sonst einerseits die Einsätze zurückverlangen aber andererseits auf die Auszahlung von Gewinnen vertrauen könnten, hat der Oberste Gerichtshof also bereits mehrfach abgelehnt (zB 2 Ob 187/24z [7]; 1 Ob 22/25d [6]).

5.Gleiches gilt für die weiteren Argumente der Beklagten, der Kläger habe mit der Teilnahme an einem verbotenen Spiel selbst einen Verwaltungsstrafbestand gesetzt, weshalb die Gewährung eines Rückforderungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstoße (vgl zB 9 Ob 135/22v; 3 Ob 69/23b; 1 Ob 22/25d [5]).

6. Mit der Behauptung, aus der Entscheidung des EuGH C 920/19, Fluctus, ergebe sich, dass die Gerichte eine Unionsrechtsmäßigkeit (des österreichischen Glücksspielmonopols) selbst prüfen müssten und sich nicht auf Entscheidungen höherer Gerichte berufen dürften, hat sich der Oberste Gerichtshof beispielsweise in der Entscheidung 1 Ob 22/25d auseinandergesetzt und klargestellt, dass sich aus dieser Entscheidung des EuGH ein derartiges Verbot nicht ergibt (1 Ob 22/25d [8]).

Außerdem liegt zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielrechts umfangreiche höchstgerichtliche Judikatur vor; die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols ist daher abschließend beantwortet (1 Ob 229/20p; 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p ua).

7. Die Beklagte beruft sich auf die vor dem EuGH anhängigen Rechtssachen C 9/25 und C 440/23 und meint, in jenen Verfahren gehe es um hier präjudizielle Rechtsfragen.

Das Verfahren C 9/25 des EuGH war aber weder im Verfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren ein Thema, weshalb sich das Berufungsgericht damit auch nicht auseinandersetzen konnte. Wegen dieses Verfahrens hat die Beklagte auch keinen Unterbrechungsantrag gestellt.

Dass eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C440/23 nicht erforderlich ist, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (8 Ob 140/24g [7] mwN; 1 Ob 22/25d [9]).

Zur Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, wird auf das Berufungsurteil verwiesen.

8.Zusammenfassend liegen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Änderung des Zulassungsausspruches nicht vor. Der Antrag der Beklagten samt der ordentlichen Revision ist deshalb gemäß § 508 Abs 4 ZPO zurückzuweisen.