Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren ** des ** erhobene Anzeige der Ausgeschlossenheit durch den Senatspräsidenten Dr. A* B* den
Beschluss:
Der Senatspräsident des ** Dr. A* B* ist gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO vom gesamten Verfahren ausgeschlossen.
Begründung:
Gegen C*, MSc, liegt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom 15. Oktober 2024, AZ **, GZ **75 des Landesgerichts Wiener Neustadt, wegen §§ 302 Abs 1 StGB uaD vor. Mit dieser wird ihr unter anderem vorgeworfen, als Abteilungsleiterin des D* mehrfach das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt begangen zu haben.
Konkret wird ihr zur Last gelegt, sie habe zwischen Herbst 2018 und Februar 2024 in ** (Arbeitsplatz) und ** (Wohnsitz) als Abteilungsleiterin des D* für den Bereich **, mithin als (Polizei-)Beamtin, mit dem Vorsatz, dadurch andere an ihren Rechten zu schädigen, und zwar das Bundesministerium für Inneres in der richtigen, vollständigen und rechtmäßigen Führung des unter dessen Hoheit stehenden zentralen Waffenregisters (ZWR) – insbesondere durch die Vornahme von ordnungsgemäßen und wahrheitsgetreuen Eintragungen und Löschungen -, der Dokumentierung von Waffenverboten, Übernahme von Waffen aufgrund von Abnahmen oder solcher durch Abgabe von Verzichtserklärungen ins Eigentum des Bundes übergegangener Waffen zum Zwecke der Weiterleitung bzw Zuführung dieser an die Logistikabteilung des E* (für Waffen), sodass der Bund ihr Recht auf Verwertung oder Vernichtung ausüben kann (vgl § 42a Abs 2 und Abs 3 WaffG), ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, in beinahe 20 Fällen wissentlich missbraucht. Weiters habe sie mehrfach Urkunden gefälscht und unterdrückt (§§ 223 Abs 1; 229 Abs 1 StGB).
Die Anklage stützt sich unter anderem auf die Aussage des Behörden- und Referatsleiters Stadthauptmann (Polizeidirektor) Dr. F* B* (Seite 16), dessen Ladung und Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung auch beantragt ist (Seite 8).
Der von der Angeklagten dagegen rechtzeitig erhobene Einspruch (ON 80) wurde dem ** vorgelegt und fiel dem Senat ** zu ** an. Senatspräsident dieses Senats ist Dr. A* B*.
Mit Schreiben vom 22. September 2025 zeigte dieser seine Befangenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO an, weil der genannte Behörden- und Referatsleiters (Polizeidirektor und somit unmittelbar Vorgesetzter der Angeklagten) Dr. F* B* sein Halbbruder sei, der auch in dem von der Angeklagten erhobenen zur Entscheidung anstehenden Einspruch mehrfach namentlich erwähnt werde. Deshalb lägen Umstände vor, die objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit des Senatspräsidenten gegenüber den Verfahrensbeteiligten wecken könnten.
Eine Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegt vor.
Ausgeschlossen ist ein Richter unter anderem dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Dazu genügt bereits der Anschein seiner Befangenheit. Es müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die bei einem unbeteiligten objektiv und emotionslos urteilenden Beobachter den Eindruck der (möglichen) Befangenheit, also einer auf unsachlichen Motiven beruhenden Beeinflussbarkeit hervorrufen können (RISJustiz RS0046052). Durch die in der Verfassung verankerte, mittels Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit garantierte Unabhängigkeit des gesetzlichen Richters wird die Freiheit der Rechtsfindung gegen Einflüsse von außen her gewährleistet. Daneben muss das Gesetz die Reinheit der Rechtsfindung durch vollkommene Unbefangenheit (SSt 31/123) auch gegen Einflüsse von innen her garantieren, die in den Beziehungen des Richters zum Einzelfall liegen können (Kirchbacher StPO 15§ 43 Rz 1). Zeigt ein Richter selbst seine Befangenheit an, so wird man annehmen können, dass eine Ausgeschlossenheit gegeben ist, weil er selbst am Besten wissen muss, inwieweit die tatsächliche Besorgnis besteht oder entstehen kann, dass er sich im konkreten Fall nicht ausschließlich von objektiven Gesichtspunkten leiten lassen werde. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit somit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (20 Ns 3/14t mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kann ( [T1]).
Der Umstand, dass es sich bei dem Vorgesetzten der Angeklagten und wesentlichen Tatzeugen, dessen Aussage zu beurteilen bereits im Angeklageeinspruchsverfahren wesentlich ist, um den Halbbruder des Senatspräsidenten handelt, ist geeignet, bei einem außenstehenden Dritten Zweifel an seiner völligen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit im vorliegenden Verfahren hervorzurufen, weshalb auf seine Ausschließung zu erkennen war.
Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).
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