JudikaturOLG Wien

20Bs121/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B*wegen § 107b Abs 1 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Dezember 2023, GZ ** 31a, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Mag. Hinterleitner sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* B* und seines Verteidigers Mag. Jakob Griller sowie der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Özge Tas-Tekin durchgeführten Berufungsverhandlung am 9. September 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wird nicht, hingegen jener wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche Folge gegeben und der Privatbeteiligtenanschluss zurückgewiesen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene portugiesische Staatsangehörige A* B* des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* B* im Zeitraum 19. Juli 2021 bis 13. April 2023 in ** gegen seine Ehefrau C* B* längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie wiederholt an beiden Armen packte und kräftig schüttelte, wodurch sie Hämatome an den Oberarmen erlitt, etwa drei- bis viermal im Monat am Hals packte und sie sechs bis sieben Sekunden lang bis zur Atemnot würgte, insgesamt vier- bis fünfmal mit der flachen Hand auf ihre Wange oder auf ihr Ohr schlug, sodass sie Hämatome erlitt, etwa einmal wöchentlich Gegenstände, wie beispielsweise Tassen, Teller, ein Handy, Schmuckboxen, Blumentöpfe oder Lampen auf sie warf, wodurch sie ebenso zumeist Hämatome erlitt, sie bei jedem Streit mit den Worten wie „du wirst Opfer meiner Hand“, „wenn du mich weiter provoziert, werde ich dich ernsthaft schlagen“, „ich werde dich angreifen“ oder „Du wirst nicht wissen, woher mein Schlag kommen wird.“ bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und sie wiederholt mit ihm für einige Stunden in der Wohnung einsperrte und ihr dadurch die persönliche Freiheit entzog, wie beispielhaft

1./ am 10. September 2022, indem er ihr ein Mobiltelefon auf das Knie schlug, wodurch sie ein großes Hämatom samt Schwellung oberhalb des linken Knies erlitt;

2./ am 2. Jänner 2023, indem er sie aufs Bett drückte, am Hals packte und sie würgte und danach ihr zwei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, wodurch sie Ohrenschmerzen erlitt;

3./ am 16. März 2023, indem er eine Holzbox auf ihr linkes Schienbein warf, wodurch sie ein großes Hämatom samt Prellung des linkes Schienbeins erlitt und

4./ am 13. April 2023, indem er sie an beiden Unterarmen packte und fest zudrückte, wodurch sie blaue Flecken am linken Unterarm und mehrere Kratzer am rechten Unterarm erlitt, und solcherart vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben und gegen die Freiheit (§§ 83 Abs 1, 15; 83 Abs 2; 99 Abs 1; 107 Abs 1 StGB) beging.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht den langen Tatzeitraum als erschwerend, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel.

Das aufgrund der Berufung des Angeklagten ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 26. August 2024, AZ 30 Bs 93/24g verlor wegen eines vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 29. Jänner 2025, GZ 12 Os 143/24g 6 erkannten Zustellmangels zum Nachteil des Angeklagten seine Wirksamkeit.

Daher ist neuerlich gegen das vom Angeklagten erhobene Rechtsmittel (volle Berufung), diesmal ausgeführt in ON 73.2, zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt nur eingeschränkt Berechtigung zu.

In seiner auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Berufung wegen Nichtigkeit kritisiert der Angeklagte die Abweisung seines in der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2023 gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des D* zum Beweis dafür, dass dieser C* B* am 11. September 2022 gesehen habe und dabei keinen Bluterguss oberhalb ihres linken Knies habe wahrnehmen können. Daraus folge, dass zu dem Zeitpunkt keine Verletzung vorgelegen sei, was auch insgesamt die Glaubwürdigkeit der Zeugin erschüttere.

Der Verfahrensrüge ist vorweg zu erwidern, dass eine erfolgreiche Geltendmachung der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO wegen unterlassener Beweisaufnahme nur im Zusammenhang mit der gebotenen Klärung erheblicher Tatsachen, das sind jene, die die rechtliche Beurteilung die Lösung der Schuldund der Subsumtionsfrage (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) beeinflussen können (Ratz, WKStPO § 281 Rz 23), möglich ist. Eine Beweisaufnahme, die schon dem Antragsvorbringen zufolge nicht geeignet ist, eine solche Tatsache zu beweisen, kann unterbleiben (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Einem Beweisantrag muss dahersoweit dies nicht offensichtlich ist (§ 55 Abs 1 StPO) zu entnehmen sein, aus welchem Grund die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (widrigenfalls ein unzulässiger Erkundungsbeweis vorliegt; vgl. Ratz, WKStPO § 281 Rz 330) und inwieweit dieses für die Schuld oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (Ratz, WKStPO § 281 Rz 327 f). Erst im Rechtsmittel nachgetragene Erörterungen unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RISJustiz RS0099618).

Warum aus der Vernehmung des beantragten Zeugen D* zwingend der Schluss zu ziehen sei, dass der Angeklagte C* B* am 11. September 2022 nicht verletzt habe, erschließt sich dem Rechtsmittelgericht nicht. Wie die Erstrichterin schon zutreffend ausführte, können selbst bei unterstelltem Aussageverhalten des begehrten Zeugen damit nicht die objektivierten Verletzungsbilder (Bild 1 und 2 in ON 2.10) widerlegt werden. Der Beweisantrag lässt im Übrigen missen, warum genannter Zeuge die Verletzung der Privatbeteiligten jedenfalls gesehen haben müsste. Auf die zutreffende mit allgemeinen Sittlichkeitsvorstellungen argumentierende Begründung des Erstgerichts wird ausdrücklich verwiesen (US 17).

Auch die Berufung wegen Schuld verschlägt.

Wie das Oberlandesgericht Wien in seiner Entscheidung vom 26. August 2024, AZ 30 Bs 93/24g schon richtig konstatierte, ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Auch der aktuellen Berufungsschrift gelingt es nicht, Zweifel an der geradezu akribisch vorgenommenen Beweiswürdigung der Erstrichterin zu wecken, die nach erschöpfender Beweisaufnahme unter Einbeziehung des von allen Beteiligten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und unter Würdigung aller wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens sehr gewissenhaft und nachvollziehbar darlegte, wie sie zu ihren für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen gelangte (US 8 ff). Dabei konnte sie sich im Wesentlichen auf die für glaubwürdig befundenen Depositionen des Tatopfers C* B* stützen, das die sich über fast zwei Jahre erstreckenden Drohungen und körperlichen Attacken, die teilweise durch Lichtbilder (ON 2.10, ON 5.3) und Wahrnehmungen Dritter (ON 2.11, 6; ON 31, 7 ff) belegte Verletzungsfolgen nach sich zogen, in der Hauptverhandlung im Wesentlichen widerspruchsfrei zu ihren polizeilichen und auch im Rahmen eines Zivilverfahrens getätigten Angaben schilderte. Auch mit der lediglich Streitigkeiten, die fallweise mit dem Werfen von Gegenständen einhergingen, zugestehenden Verantwortung des Angeklagten sowie den von diesem zur Entlastung vorgebrachten Beweisen setzte sich die Tatrichterin eingehend ebenso auseinander (US 10 ff) wie mit den Aussagen der Zeugen E* (US 12) und F* (US 14) sowie den zahlreichen im Verfahren vorgelegten Textnachrichten und Lichtbildern (US 12, 17).

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite wiederum leitete die Erstrichterin zulässigerweise wie methodisch gar nicht anders möglich bei leugnender Verantwortung des Angeklagten aus den objektiven Tatumständen ab (US 9, 11, 12, 13, 15).

Die in der Folge in der Schuldberufung aufgezählten Widersprüchlichkeiten in der Aussage der Belastungszeugin C* B* sind nicht geeignet, die grundsätzliche Glaubwürdigkeit der Zeugin entscheidend in Frage zu stellen. Bei einem Tatzeitraum von fast zwei Jahren sind Abweichungen in Aussagen wie in der Berufungsschrift moniert, erwartungsgemäß und menschlich verständlich. Die Erstrichterin hat sich wie bereits dargelegt intensiv mit dem Aussageverhalten der Belastungszeugin auseinandergesetzt und auch aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks diese für glaubwürdig erachtet. Auch mit der Aussage des Zeugen F* hat sich die Erstrichterin auseinandergesetzt (US 16), darin aber nachvollziehbar keinen Grund gesehen, an der Richtigkeit der Aussage der Belastungszeugin zu zweifeln. Dass wie weiter thematisiert die Zeugin C* B* am 2. Jänner 2023 erst aus der Wohnung geflohen sei, dann aber wegen ihrer Geldbörse wieder zurückkehrt sei, stellt die Glaubwürdigkeit der Zeugin ebenfalls nicht in Frage. Das weiter in Frage gestellte Hämatom, welches auf dem Lichtbild ON 30.4 nicht sichtbar sei, ist durch das Bild 2 in ON 2.10 objektiviert. Darüber hinaus ist Bildqualität des Lichtbilds vom 18. September 2022 nicht die beste, außerdem kann seit der Zufügung am 10. September 2022 schon eine die Sichtbarkeit beeinflussende Heilung eingetreten sein, auch könnte ein Hämatom überschminkt werden.

Das Erstgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung jedenfalls auch mit diesem Aspekt logisch einwandfrei auseinandergesetzt (US 12).

Wenn der Angeklagte erneut Fotos, diesmal vom 4. Jänner 2023 ins Spiel bringt, aus welchen die Würgemale der Zeugin B* nicht sichtbar seien, sind ihm die zutreffenden Erwägungen des Erstgerichts entgegenzuhalten, wonach weder die Auflösungsqualität der Fotos, noch die von der Zeugin getragene Oberbekleidung eindeutige Schlüsse auf das vom Angeklagten begehrte Beweisthema zuließen.

Letztlich bestehen auch keine Bedenken gegen die festgestellten Tatfolgen der psychologischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert. Bedenken an den von der Privatbeteiligten vorgelegten Urkunden vermag der Angeklagte nicht aufzuzeigen. Im Übrigen basieren die entsprechenden Feststellungen wesentlich auf der Aussage der Zeugin C* B*, welche das Erstgericht zu Recht für glaubwürdig erachtete.

Wenn der Angeklagte in der Schuldberufung letztlich auch die den Angeklagten belastende Aussage des E* in Frage zu stellen sucht, ist ihm abschließend entgegenzuhalten, dass selbst dann, wenn ein Verfahrensresultat mehrere Auslegungen oder Schlussfolgerungen zuließe, das Gericht keineswegs gehalten ist, die sich für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen zu machen, es kann sich vielmehr jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht ( Mayerhofer StPO 6 § 258 E 42a). Diesen Anforderungen wurde die erstgerichtliche Beweiswürdigung auch mit Blick auf diesen Zeugen gerecht (siehe US 12 f).

Auch die Berufung wegen Strafe bleibt erfolglos.

Das Begehren nach Verhängung einer Geldstrafe muss schon deswegen scheitern, weil damit ein ungewollter Bagatellisierungseffekt bei Gewaltdelikten in der Familie einhergehen würde. Die Schuld des Angeklagten ist als so gewichtig anzusehen ist, dass die über immerhin fast zwei Jahre andauernden Tathandlungen schon aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer Freiheitsstrafe gebieten. Gleiches verlangen auch generalpräventive Erwägungen. Als zusätzlich erschwerend muss der Angeklagte den Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 2 StGB gegen sich gelten lassen (Tathandlungen gegen seine Ehefrau), sodass er sich mit der lediglich ein Drittel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens ausmachenden Sanktion ungeachtet seines bisher ordentlichen Lebenswandels nicht beschwert erachten kann.

Hingegen kommt der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche Berechtigung mit der Konsequenz der Zurückweisung des Privatbeteiligtenanschlusses zu, weil der Angeklagte und die Privatbeteiligte einen gerichtlichen Vergleich auch über die im Verfahren erster Instanz zugesprochenen Beträge schlossen, womit der privatrechtliche Anspruch erloschen ist.

Der Berufung war daher im spruchgemäßen Ausmaß Folge zu geben.