JudikaturOLG Wien

18Bs234/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
01. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 27 Abs 2a zweiter Fall SMG, 15 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. August 2025, GZ **-7, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Untersuchungshaft ist wegen Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortzusetzen.

Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 erster Halbsatz StPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Über den am ** in ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* wurde nach dessen Festnahme am 14. August 2025, 15:00 Uhr, und Einlieferung in die Justizanstalt Wien Josefstadt am selben Tag (ON 3) – über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien (ON 1.2) - mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. August 2025 (ON 6 und 7) die Untersuchungshaft wegen des dringenden Verdachts des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln nach §§ 27 Abs 2a zweiter Fall SMG, 15 StGB aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO mit (infolge gleichzeitiger Einbringung eines Strafantrags) unbefristeter Wirksamkeit verhängt.

Gegen diesen Beschluss erhob der Angeklagte unmittelbar nach dessen Verkündung Beschwerde (ON 6), die mit Schriftsatz vom 26. August 2025 (ON 13) ausgeführt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die Untersuchungshaft darf nach § 173 Abs 1 StPO nur dann verhängt oder fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig, sohin mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter ist. Ein solcher Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Dringender Tatverdacht ist mehr als eine bloße Vermutung und mehr als einfacher oder gewöhnlicher Verdacht ( Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 173 Rz 3). Es genügt das Vorliegen von Indizien, die zwar nicht für sich allein, jedoch in ihrem Zusammenhang eine logisch und empirisch einwandfreie und tragfähige Begründung der Annahme der Täterschaft darstellen ( Mayerhofer/Salzmann , Strafprozessordnung 6§ 173 Rz 4) bzw die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann. Ein Schuldbeweis ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0107304).

Das Beschwerdegericht teilt im Rahmen seiner reformatorisch zu treffenden Entscheidung (§ 174 Abs 4 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0116421) den vom Erstgericht angenommenen dringenden Tatverdacht (§ 173 Abs 1 StPO) des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln nach §§ 27 Abs 2a zweiter Fall SMG, 15 StGB:

Demnach habe A* am 14. August 2025 in ** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Substitol (enthaltend Morphinsulfatpentahydrat) in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, nämlich im Ausgangsbereich der U-Bahnstation **, öffentlich im Wahrnehmungsbereich von zumindest 15 Personen anderen gegen Entgelt

I./ BzI B* als verdecktem Ermittler überlassen, und zwar zwei Tabletten, welche er für 20 Euro verkaufte und übergab;

II./ nicht mehr ausforschbaren Abnehmern zu überlassen versucht, und zwar drei Tabletten zum Preis von 10 Euro pro Stück, indem er diese zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereit hielt.

Zum dringenden Tatverdacht in subjektiver Hinsicht wird ebenso wie zur Begründung dieses Tatverdachts auf den zutreffenden, sorgfältig begründeten erstgerichtlichen Beschluss verwiesen (siehe BS 2 ff). Darin hat sich das Erstgericht nachvollziehbar mit dem belastenden Beweisergebnissen, nämlich insbesondere der Betretung des Beschwerdeführers quasi „ auf frischer Tat “ (= beim Verkauf von Substitol an einen verdeckten Ermittler) samt Sicherstellung des Suchtgifts, den Angaben der Zeugen BzIB* und CI C* sowie der Personenfrequenz an der Tatörtlichkeit auseinandergesetzt, hingegen die leugnende Einlassung des Beschwerdeführers als Schutzbehauptung gewertet.

Der Beschwerdesenat teilt diese erstgerichtlichen Erwägungen – denen die Beschwerdeausführung nicht entgegentritt - vollinhaltlich.

Die erstgerichtlichen Ausführungen zum dringenden Tatverdacht haben daher in objektiver und subjektiver Hinsicht Bestand.

Ausgehend von dieser Verdachtslage liegen in casu auch die vom Erstgericht angezogenen Haftgründe der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO vor.

Diese hat das Erstgericht zutreffend aus seinem durch 16 (!) größtenteils einschlägige Vorstrafen getrübten Vorleben, dem raschen Rückfall in spezifisch einschlägige Delinquenz sowie seiner tristen finanziellen Situation abgeleitet, sodass auch in diesem Punkt auf die Erwägungen im erstgerichtlichen Beschluss verwiesen werden kann. Weshalb die „ Vorstrafenliste“ oder seine aktuelle Einkommens- und Vermögenslosigkeit keine – Tatbegehungsgefahr begründenden – konkreten Tatsachen sein sollten, bleibt der Beschwerdeführer zu erklären schuldig. Dass es grundsätzlich im Bezug auf die Anzahl der Tatangriffe oder die Suchtgiftmengen schwerwiegendere Taten nach dem SMG gibt, trifft zwar zu, ändert aber ebenso wenig am konkreten Vorliegen der Haftgründe wie das Argument, die Tat begründe „ keine schweren Folgen “ bzw indiziere „ keine massive kriminelle Energie “, von welchen Umständen das Erstgericht ohnedies nicht ausgegangen ist. Für die Untersuchungshaft irrelevant ist schließlich das Vorliegen diverser (in der Haft zumindest ebenso gut behandelbarer) Erkrankungen.

Den angeführten Haftgründen kann im Hinblick auf ihre Intensität nicht effektiv ( Mayerhofer, StPO 6§ 173 E 192) durch gelindere Mittel des § 173 Abs 5 StPO begegnet werden, weil taugliche gelindere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Die in der Beschwerdeausführung vorgeschlagene tägliche Meldepflicht könnte den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht substituieren, vorläufige Bewährungshilfe oder das Gelöbnis, „ keinen Kontakt zu Suchtgiftabnehmern aufzunehmen “, kommen mangels jedweder Erfolgsaussichten zur effektiven Substitution der Haftgründe nicht in Betracht.

Auch steht die Fortsetzung der rund zwei Wochenandauernden Untersuchungshaft weder zur Bedeutung der Sache noch zu der im Falle eines Schuldspruchs zu erwartenden Strafe (der derzeitige Strafrahmen beträgt infolge Vorliegens der Rückfallvoraussetzungen gemäß § 27 Abs 2a SMG iVm § 39 Abs 1 StGB bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe) außer Verhältnis. Die (hypothetische) Möglichkeit einer bedingten Entlassung ist ebenso wenig wie jene einer (teil)bedingten Strafnachsicht Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 173 Abs 1 StPO (ua 14 Os 63/10m).

Der Ausspruch über die Haftfrist gründet sich auf § 175 Abs 5 StPO.

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.