JudikaturOLG Wien

3R110/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
18. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Müller und Mag. a Kulka in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*ges.m.b.H. , FN **, 2. B*ges.m.b.H. , FN **, 3. C* GmbH , FN **, alle **, alle vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. D* , Rechtsanwalt, **, als Masseverwalter der E* GmbH , ** des Handelsgerichts Wien, vertreten durch Schmidt Pirker Podoschek Rechtsanwälte OG in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei F* AG , FN **, **, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Absonderung (Streitwert EUR 5,088.273,65 sA), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21.5.2025, GZ ** 35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs der Erstklägerin und der Drittklägerin wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit ihrer Klage vom 29.8.2024 begehren die Klägerinnen insgesamt EUR 5,088.273,65 sA vom Beklagten, jeweils bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen die Nebenintervenientin aus dem Versicherungsverhältnis mit der E* GmbH. Am 24.1.2025 hat das Erstgericht das die Klage abweisende Urteil verkündet. Nach der Ausfertigung und Zustellung dieses Urteils haben die Klägerinnen am 28.3.2025 eine Berufung eingebracht und gleichzeitig Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO beantragt, also für die Pauschalgebühr des Berufungsverfahrens (von EUR 116.950, ). Dazu legten alle drei Klägerinnen Vermögensverzeichnisse vor, nach einem Verbesserungsauftrag des Erstgerichts wurden Vermögensverzeichnisse wirtschaftlich Beteiligter nachgereicht.

Die Nebenintervenientin und auch die Beklagte beantragten, den Verfahrenshilfeantrag abzuweisen.

Die Klägerinnen erwiderten darauf (ON 30.1), der Immobilienmarkt und die Immobilienbranche befänden sich seit der massiven Zinsenerhöhung und dem restriktiven Einschreiten der Finanzmarktaufsicht in einer veritablen Krise, weshalb jetzt keine Kreditfinanzierungen bewilligt werden, obwohl die Klägerinnen nicht überschuldet und nicht kreditunwürdig seien. Dass die Klägerinnen, wie die Nebenintervenientin in ihrer Äußerung richtig ausführt, über ausreichende Sicherheiten für eine Erhöhung der Kreditlinie verfügen, ändere daran nichts. Die Klägerinnen verfügten zwar über ausreichendes Immobilienvermögen, dies sei allerdings in der aktuellen Lage aus den genannten Gründen nur sehr schwierig/eingeschränkt verwertbar. Sobald sich die Situation wieder normalisiert habe, womit die Klägerinnen in absehbarer Zeit rechnen, werde auch der Wohnungsverkaufsmarkt wieder anspringen und der derzeitige Liquiditätsengpass behoben sein. Die Nebenintervenientin habe zwar recht, dass den Klägerinnen die Verwertung des Vermögens zumutbar sei das sei schließlich der Geschäftszweck der Klägerinnen, dies sei aber aufgrund der generellen Vermögenssituation nicht geboten. Die Klägerinnen seien keine Bauträger im Sinne des BTVG, sondern verkauften Wohnungen generell erst nach Fertigstellung. Trotz nachhaltiger und ernsthafter Bemühungen sei diese Verwertung bei der bestehenden Marktlage mehr als nur zäh möglich.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag der Klägerinnen ab. Es traf dazu die auf den Seiten 2 bis 13 des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Feststellungen, worauf verwiesen wird. Insbesondere stellte das Erstgericht fest, dass die G*ges.m.b.H., eine Gesellschafterin der Erst und der Zweitklägerin, ausreichendes Vermögen habe, um die anfallende Pauschalgebühr zu bezahlen, und dass die Klägerinnen bzw die wirtschaftlich Beteiligten die anfallende Pauschalgebühr mittels Bankkredit finanzieren können. In seiner rechtlichen Beurteilung führte er aus, die Klägerinnen haben erhebliches Liegenschaftsvermögen, das schon nach ihrer offensichtlich sehr zurückhaltenden Schätzung an die EUR 8 Mio wert sei. Es könne kein Zweifel bestehen, dass Wohnungen und Stellplätze in ** jederzeit veräußerbar seien, wenngleich möglicherweise nicht zu dem Preis, den sich die Klägerinnen vorstellen. Weil die Klägerinnen gewerblich Immobilien an und verkaufen sei ihnen die Veräußerung der Immobilien selbstverständlich zuzumuten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerinnen wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihn derart abzuändern, dass ihnen antragsgemäß Verfahrenshilfe bewilligt werde.

1.Für die Berufung zu entrichtende Pauschalgebühr haften die Klägerinnen als Berufungswerber solidarisch (§ 7 Abs 1 Z 1a und Abs 4 GGG). Über das Vermögen der Zweitklägerin ist mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8.7.2025 zu ** das Konkursverfahren eröffnet worden; am selben Tag hat das Oberlandesgericht Wien der Berufung der Klägerinnen nicht Folge gegeben. Mit Beschluss vom 10.7.2025 hat das Erstgericht ausgesprochen, dass das Verfahren hinsichtlich der Zweitklägerin gemäß § 7 IO unterbrochen ist. Daher ist über den von der Zweitklägerin vor der Eröffnung des Konkurses eingebrachten Rekurs vorerst nicht zu entscheiden ( Mohr, IO 11 E 109 zu § 7).

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Erstklägerin und der Drittklägerin sind nicht berechtigt.

2. Nach den unbekämpften Feststellungen sind Gesellschafter der Erstklägerin und der Zweitklägerin jeweils zu 95 % die H*ges.m.b.H. und zu 5 % die G*ges.m.b.H., die Gesellschafter der Drittklägerin sind die Erstklägerin (zu 90 %) und die Zweitklägerin (zu 10 %). Die Gesellschafter der H*ges.m.b.H. sind I* J* (zu 50 %) sowie K* J* und L* J* (jeweils zu 25 %). Die H*ges.m.b.H. ist außerdem zu 98 % Gesellschafterin der G*ges.m.b.H.. Das Erstgericht hat außerdem detaillierte Feststellungen zu dem Vermögen, den Forderungen und den Verbindlichkeiten der Klägerinnen und der wirtschaftlich Beteiligten getroffen. Hervorzuheben ist, dass die Erstklägerin Eigentümerin von vier Wohnungen und vier Autoabstellplätzen in M* im Wert von EUR 2 Mio ist und die Drittklägerin Eigentümerin von sieben Wohnungen und vier Stellplätzen in N* ist, die insgesamt EUR 5,6 Mio wert sind.

3. Die Rekurswerberinnen bekämpfen in ihrer Beweisrüge die Feststellung des Erstgerichts, dass die G*ges.m.b.H. ausreichend Vermögen habe, um die anfallende Pauschalgebühr zu bezahlen, und dass die Klägerinnen bzw die wirtschaftlich Beteiligten die anfallende Pauschalgebühr mittels Bankkrediten finanzieren können. Sie wollen stattdessen festgestellt haben, die G*ges.m.b.H. sei mangels ausreichenden Vermögens nicht in der Lage, die Pauschalgebühr zu zahlen, und die Klägerinnen, die wirtschaftlich Beteiligten und die Mitglieder der Familie J* könnten keine Kreditmittel erhalten, um die anfallende Pauschalgebühr zahlen zu können. Auf diese Beweisrüge muss aber nicht eingegangen werden, zeigt sich doch, dass der Verfahrenshilfeantrag der Erstklägerin und der Drittklägerin schon aufgrund ihres Liegenschaftsvermögens zu Recht abgewiesen worden ist:

4.Die Erstklägerin und die Drittklägerin setzen sich damit in ihrem Rekurs auch auseinander und zitieren zuerst den Rechtssatz RS0116780 (= 1 Ob 164/02b), wonach die Belastung oder Veräußerung von Liegenschaftsvermögen nur dann gefordert werden könne, wenn dies im Einzelfall zumutbar ist. Allerdings behaupten sie in ihrem Rekurs gar nicht, dass ihnen die Veräußerung oder Belastung der in ihrem Eigentum stehenden Wohnungen oder Stellplätze generell unzumutbar wäre. In ihrer Äußerung ON 30.1 haben sie das Gegenteil ausdrücklich zugestanden, weil der Verkauf von Wohnungen ihr Geschäftszweck sei.

Ihre Argumentation beschränkt sich dann darauf, dass das Erstgericht offen lasse, wie es bewerkstelligt werden könnte, so schnell zu einer Belastung, Vermietung oder gar Veräußerung der Liegenschaftsanteile zu gelangen, dass eine rechtzeitige Bezahlung der Gebühren möglich wäre, und zwar ohne dass dies mit einem Notverkauf und der wohl unzweifelhaft unzumutbaren Vernichtung wirtschaftlicher Werte verbunden wäre.

5. Dem ist zu entgegnen, dass die Erstklägerin und die Drittklägerin seit Ende Jänner 2025 wissen, dass sie den Prozess in erster Instanz verloren haben und, wenn sie dagegen berufen wollen, dass sie dafür eine beträchtliche Pauschalgebühr werden zahlen müssen. Sie haben daher für das Erwirtschaften der dafür nötigen Mittel schon bis zum Einbringen der Berufung zwei Monate Zeit gehabt, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über ihren Verfahrenshilfeantrag kommen zumindest weitere vier Monate dazu.

Die Einschätzung des Erstgerichts, dass Eigentumswohnungen in ** grundsätzlich jederzeit zumindest während eines Zeitraums von mehreren Monaten veräußerbar sind, entspricht durchaus der Lebenserfahrung. Wenn im Rekurs von einem „Notverkauf“ und einer „unzumutbaren Vernichtung wirtschaftlicher Werte“ gesprochen wird, dann fehlt dafür einerseits jede Bescheinigung und wird andererseits auch ignoriert, dass schon durch den - wenn auch möglicherweise zu billigen - Verkauf einer einzigen Eigentumswohnung die Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren beglichen werden kann. Der möglicherweise ungünstige Verkauf einer einzigen Eigentumswohnung ist Verfahrenshilfewerbern, die gewerblich mit Immobilien handeln und über solche Immobilien im Wert von zumindest knapp EUR 8 Mio verfügen, jedenfalls zuzumuten.

Das Rekursgericht teilt daher dieses Argument des Erstgerichts, weshalb dem Rekurs (ohne noch auf die Beweisrüge eingehen zu müssen) nicht Folge zu geben ist.

6.Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.