32Bs156/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 11. April 2025, GZ *4, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der bekämpfte Beschluss aufgehoben und in der Sache selbst erkannt :
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
Begründung
Mit dem bekämpften Beschluss wies das Erstgericht eine Beschwerde des A* vom 30. Oktober 2024 (ON 1.7 S 1 ff) gegen eine „Entscheidung“ des Leiters der Justizanstalt * vom 28. Oktober 2024 (ON 1.5 S 1 und S 3 [Eingabe 3]) als unbegründet ab.
Das Erstgericht hielt - wortwörtlich wiedergegeben - fest wie folgt:
„Laut Stellungnahme der Justizanstalt * ON 1.4 beschwerte sich A* beim Anstaltsleiter, dass er im Rahmen seiner Verbringung in die besonders gesicherte Zelle und während des Aufenthalts in der besonders gesicherten Zelle nach § 103 StVG am 21. September 2024 und am 22. September 2024 von allen Justizwachebeamten mit „DU“ angesprochen worden sei.
Aus dem Kundmachungsprotokoll ON 1.5, Seite 3 Eingabe 3 ergibt sich, dass A* am 28. Oktober 2024 mitgeteilt wurde:
„Die Bestimmungen des § 22 StVG sind allen Justizwachebeamten bekannt und werden in der Grundausbildung unterrichtet.
Zwischen verurteilten Straftätern und den Mitarbeitern ist eine Distanz zu wahren. Vertrauliche Beziehungen werden nicht gepflegt.
Die Anschuldigungen, dass sie von fast allen Mitarbeitern mit „Du“ angesprochen wurden, kann nicht gefolgt werden. Es entspricht auch nicht meiner Berufserfahrung. Im Übrigen entziehen sich pauschale Anschuldigungen einem Ermittlungsverfahren. Einem Sachverhalt mit konkreten Angaben zur Person wird entgegengesehen.
Die Beschwerde wird zur Verbesserung zurückgewiesen.“
Weiters wurde erwogen, dass sich - basierend auf den vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit dem Inhalt der Schreiben des A* - nicht feststellen lasse, dass dieser in der Zeit vom 20. September 2024 bis 22. September 2024 von den Justizwachebeamten der Justizanstalt * nicht mit Ruhe, Ernst und Festigkeit oder ungerecht oder unter Verletzung seines Ehrgefühls oder seiner Menschenwürde behandelt worden wäre. Es lasse sich nicht feststellen, dass er im Gespräch nicht mit „Sie“ oder mit „Herr“ und seinem Familiennamen angesprochen worden sei. Es erscheine weder plausibel noch nachvollziehbar, dass über drei Tage hinweg die Grundsätze des § 22 StVG von allen diensthabenden Justizwachebeamten gegenüber A* verletzt worden seien, vielmehr handle es sich offenkundig um Pauschalvorwürfe, die unter anderem sein aggressives Verhalten im Zusammenhang mit der Verlegung in einen besonders gesicherten Haftraum entkräften sollen. Eine Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Behandlung im Sinne des § 22 Abs 1 StVG liegen daher nicht vor.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, der erheblich zusammengefasst wiedergegeben moniert, im Zuge der Absonderung ausnahmslos mit „Du“ angesprochen worden zu sein. Vom 20. bis 22. September 2024 sei er ebenso von fast allen Justizwachebeamten geduzt worden. Er habe beantragt, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und ihm Parteiengehör einzuräumen. Er habe keinen Pauschalvorwurf erhoben, sondern bereits in seiner Beschwerde an das Landesgericht für Strafsachen Graz ausgeführt, dass sich seine Beschwerde auf bestimmte Justizwachebeamte beziehe, etwa jene, welche beim Verbringen in die Absonderungszelle beteiligt gewesen seien. Die Namen der Beamten seien ihm - abgesehen vom Namen des Abteilungskommandanten - nicht bekannt.
Der Anstaltsleiter sei von Amts wegen verpflichtet ein Ermittlungsverfahren zu führen. Dieser habe ihm Ergebnisse von scheinbar zumindest teilweise vorgenommenen Ermittlungen aber nicht mitgeteilt. Im Übrigen sei ihm von einem angeblich aggressiven Verhalten nichts bekannt. Es liege kein aufgeklärter Sachverhalt vor. Die freie Beweiswürdigung dürfe aber erst nach vollständiger Beweiserhebung einsetzen (ON 5).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen iSd Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Das Erstgericht hält zwar in seiner Entscheidung fest, dass der Anstaltsleiter die verfahrenseinleitende Beschwerde des A* zur Verbesserung zurückgewiesen habe (BS 2), setzt sich aber nicht damit auseinander, ob damit ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG erteilt wurde.
In der Erledigung des Anstaltsleiters wird zwar auch zum Ausdruck gebracht, dass der Anschuldigung von fast allen Mitarbeitern mit „Du“ angesprochen zu werden, nicht gefolgt werde, weil dies etwa nicht der Berufserfahrung des Anstaltsleiters entspräche. Im Übrigen wird aber auch festgehalten, dass sich die pauschalen Anschuldigungen einem Ermittlungsverfahren entzögen und konkreten Angaben zur Person entgegen gesehen werde. Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Erledigung, die mit der im Fettdruck hervorgehobenen Passage „Die Beschwerde wird zur Verbesserung zurückgewiesen“ endet, ist die Entscheidung des Erstgerichts, das implizit von einer inhaltlichen Erledigung ausgeht, nicht nachvollziehbar. Der bekämpfte Beschluss war daher – aus Anlass der Beschwerde – aufzuheben und nach § 121b Abs 3 StVG in der Sache selbst zu erkennen.
Bei der in Rede stehenden Erledigung des Leiters der Justizanstalt * (ON 1.5 S 3) handelt es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung, insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Erledigung, mit der im Fettdruck hervorgehobenen Passage „Die Beschwerde wird zur Verbesserung zurückgewiesen“ endet, inhaltlich um einen Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG.
Bei einem Verbesserungsauftrag handelt es sich um eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrensanordnung ( Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 29 mwN). Die dagegen gerichtete Beschwerde des A* war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Im fortgesetzten Verfahren wird der Anstaltsleiterunter Einbeziehung der Eingabe des A* vom 30. Oktober 2024 (ON 1.7 S 1 ff), der zu entnehmen ist, dass er sich nicht in der Lage sehe, die Namen der entsprechenden Justizwachebeamten mitzuteilen, über dessen Beschwerde vom 23. September 2024 (ON 1.7 S 7 ff) zu entscheiden haben. Dabei wird zu beachten sein, dass eine Behörde nur gemäß § 13 Abs 3 AVG vorgehen darf, wenn das Anbringen einen „Mangel“ aufweist, also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges fehlerfreies Anbringen abweicht ( Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 27). Sollte der Anstaltsleiter weiterhin Mängel des schriftlichen Anbringens ersehen, wäre zu berücksichtigen, dass dem Einschreiter (hier: A*) die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung aufzutragen ist, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird (§ 13 Abs 3 AVG). Wird die Mangelhaftigkeit des Anbringens zu Unrecht angenommen (und hätte die Behörde daher in der Sache entscheiden müssen), ist ein deshalb ergangener Zurückweisungsbescheid im Übrigen unabhängig davon, ob der Einschreiter nur eine teilweise oder nur eine verspätete Verbesserung vornimmt, diese gar nicht versucht oder ausdrücklich verweigert hat, rechtswidrig ( Hengstschläger/Leeb, AVG aaO)
Rechtsmittelentscheidung :
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.