JudikaturOLG Wien

31Bs195/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Spreitzer LL.M. und die Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*und andere Angeklagte wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall; 15 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Juli 2025, GZ **-169, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

A* wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2024, bestätigt durch OLG Wien vom 24. April 2025 zu 31 Bs 37/25f (ON 78; ON 147) des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt.

Am 14. Mai 2025 wurde ihm die Aufforderung zum Strafantritt zugestellt (vgl ON 148).

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2025 beantragte A* die Gewährung des Aufschubs des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit gemäß § 5 Abs 1 StVG (ON 151). Demnach leide er an einer von Selbstmordgedanken begleiteten mittelgradig depressiven Episode (ICD F32.1). Überdies beantragte er gemäß § 7 Abs 3 StVG die Hemmung der Anordnung des Strafvollzugs bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag.

Das Erstgericht beauftragte daraufhin die psychiatrische Sachverständige Dr. B* mit der Erstattung eines Gutachtens und hemmte zugleich gemäß § 7 Abs 3 StVG die Anordnung des Strafvollzuges bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag (ON 153).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies es den Antrag nach Einlangen des Sachverständigengutachtens, welches dem Verurteilten Strafvollzugstauglichkeit attestierte, ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 177), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 5 Abs 1 StVG ist, wenn ein dem Wesen der Freiheitsstrafe (§ 20 StVG) entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustands auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 StVG) mit den Einrichtungen der in Betracht kommenden Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nicht durchführbar ist oder im Hinblick auf einen dieser Zustände das Leben des Verurteilten durch die Überstellung in die betreffende Anstalt gefährdet wäre, die Einleitung des Strafvollzugs so lange aufzuschieben, bis der Zustand aufgehört hat.

Ob in diesem Sinne Vollzugsuntauglichkeit vorliegt ist eine (nicht vom Sachverständigen sondern) vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage ( Pieber in Höpfel/Ratz, WK 2StVG § 5 Rz 12). Der Sachverständige kann nur den Krankheitszustand (hier:) des Verurteilten beschreiben und daraus Schlüsse darüber ziehen, welcher Behandlung er nach den Regeln der medizinischen Kunst bedarf. Anhand der ärztlich festgestellten Erfordernisse können im Bedarfsfall sodann Vollzugsbehörden Auskunft geben, ob eine Justizanstalt über die gebotene Betreuungsmöglichkeit verfügt und ob unter den gegebenen Umständen aus ihrer Sicht eine erzieherische Gestaltung des Vollzugs im Sinne des § 20 Abs 1 und 2 StVG realisierbar ist. Das Gericht hat auf dieser Grundlage schließlich zu beurteilen, ob der Gesundheitszustand des Verurteilten einem zweckmäßigen Strafvollzug entgegensteht ( Pieber aaO Rz 11 f).

Fallbezogen kam der Erstrichter insbesondere auf Basis des nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen Dr. B* mit ausführlicher Begründung zu dem nicht zu kritisierenden Schluss, dass beim Beschwerdeführer kein Zustand vorliegt, der den Vollzug der Freiheitsstrafe hindert, zumal die medizinisch indizierten Notwendigkeiten der Betreuung und Überwachung des Verurteilten sichergestellt werden können (vgl §§ 66 ff StVG).

Nach dem aktuellen Gutachten vom 25. Juni 2025 (ON 162.1), das einerseits den vorgelegten Befundbericht vom 28. Mai 2025 berücksichtigt (ON 162.1, 5) und andererseits auf einer psychiatrisch-klinischen Testuntersuchung sowie auf den subjektiven Angaben des Beschwerdeführers beruht (ON 162.1, 6 ff), diagnostizierte die Sachverständige eine belastungsreaktive leichte Anpassungsstörung (F43.2), wie sie typisch in protrahierten Krisen und in Lebensveränderungsprozessen vorkommt, wohingegen eine mittelschwere depressive Episode psychiatrisch-klinisch ebenso wie eine akute Suizidalität nicht festgestellt werden konnte. Die Sachverständige fand eine Persönlichkeitsakzentuierung mit vermeidenden Zügen, eine Tendenz zur Aggravation, ein regelrechtes visuelles-räumliches Gedächtnis, eine erhöhte subjektive Belastung, die mit dem bevorstehenden Haftantritt in unmittelbaren Bezug zu bringen war, wie auch eine Neigung zu psychosomatischer Konfliktverarbeitung in Form von Somatisierungstendenzen. Im Vordergrund steht daher keine mittelschwere Depression, sondern die lebensbegleitende Persönlichkeitsakzentuierung und eine regressiv vermeidende Grundhaltung mit fehlender Verantwortungsübernahme und Verlagerung für Auslöser eigenen Fehlverhaltens in die äußere Umgebung.

Es sind keine psychiatrisch relevanten Störungen fassbar, die mit einer Gefahr für das Leben des Verurteilten in unmittelbaren Bezug zu bringen sind. Auch finden sich psychiatrisch keine Hinweise auf eine Erkrankung, die in unmittelbarem Bezug zu einer akut suizidalen Gefährdung steht.

Nach der Expertise von Dr. B* bedarf der Verurteilte im Strafvollzug – im Falle von psychischen Krisen – einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Observanz und sollte es die Möglichkeit geben, eine medikamentöse Adaptierung anzubieten, wie es bei Strafvollzugsanstalten mit angeschlossener Krankenabteilung der Fall ist (vgl ON 162.1,20).

Mit seinem Beschwerdevorbringen gelingt es dem Verurteilten nicht, Zweifel an der fachlichen Einschätzung der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen zu wecken, handelt es sich bei den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen doch um einen - im Wesentlichen zu jenem vom 28. Mai 2025 identen – Befund, der den Antrag bereits hätte stützen sollen, und der demgemäß von der genannten Expertin schon in ihr Kalkül miteinbezogen wurde. Dabei nahm sie auch auf die im fachärztlichen Schreiben genannte Diagnose des behandelnden Arztes („mittelgradige depressive Episode“ – ON 162.1,17) Bezug, sodass sich die Ausführungen des Verurteilten in seiner Beschwerde im Ergebnis in der bloßen spekulativen Behauptung einer mit einer suizidalen mittelgradigen Episode einhergehenden Vollzugsuntauglichkeit („ kann nicht ausgeschlossen werden , dass sich das Krankheitsbild des Verurteilten seit der Begutachtung durch die Sachverständige wesentlich verschlechtert hat und er nunmehr vollzugsuntauglich ist“ – ON 177.1,2) erschöpft. Letztlich ist selbst aus dem aktuellen „Status“ des fachärztlichen Befundberichts vom 8. Juli 2025 eine Strafvollzugsuntauglichkeit nicht ableitbar, eine Distanzierung von Suizidgedanken („hier vor Ort“) wird ausdrücklich vermerkt (vgl dazu auch die korrespondierenden eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Befundaufnahme durch die Sachverständige – ON 162.1,8).

Die attestierte belastungsreaktive leichte Anpassungsstörung (vgl ON 162.1, 6ff) des Verurteilten ist im Rahmen von (bestehenden) Strafvollzugsanstalten mit angeschlossener Krankenabteilung therapierbar und ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug durchführbar, weil unter den von der Sachverständigen eingeforderten Haftbedingungen (psychiatrisch-psychotherapeutische Observanz und Möglichkeit zur medikamentösen Adaptierung) gesundheitliche Gründe körperlicher oder geistiger Natur einer erzieherischen Beeinflussung nicht entgegenstehen.

Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.