JudikaturOLG Wien

31Bs37/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und andere wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall; 15 StGB über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2024, GZ **-78, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher MAS LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Alexander Wandl durchgeführten Berufungsverhandlung am 24. April 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch unbekämpft gebliebene Privatbeteiligtenzusprüche, Verfallserkenntnisse und Schuld- und Freisprüche von Mitangeklagten enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB wurde hinsichtlich des Genannten ein Betrag von 370.720,70 Euro für verfallen erklärt. Gemäß § 366 Abs 2 iVm § 369 Abs 1 StPO wurde A* weiters verpflichtet, der Privatbeteiligten Republik Österreich binnen 14 Tagen 370.720,70 Euro zu zahlen, hinsichtlich jener Beträge, zu denen die weiteren verurteilten Mitangeklagten zu Zahlungen an die Privatbeteiligte verpflichtet wurden, zur ungeteilten Hand mit diesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* zwischen März 2021 und Oktober 2022 an nicht mehr feststellbaren Orten teils unter Mitwirkung von vier im Urteil genannten Beitragstätern

I./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der B* GmbH (kurz: B*) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB), teils unter Benützung falscher Daten, nämlich der Verwendung fremder Namen unter Vorlage entfremdeter bzw. fremder Ausweiskopien, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet bzw. zu verleiten versucht, die die Republik Österreich in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, indem er teils stillgelegte/inaktive Vereine teils ohne die Zustimmung der eigentlichen Vereinsfunktionäre reaktivierte, teils bestehende (aktive) Vereine ohne Wissen und ohne Zustimmung der eigentlichen Vereinsfunktionäre übernahm und für all diese Vereine insgesamt 127 Förderanträge über insgesamt 724.356,34 Euro an die B* richtete, um Zahlungen aus dem NPO-Unterstützungsfonds zu erhalten, die in weiterer Folge ihm zuflossen bzw zufließen sollten, obwohl die Vereine die Fördervoraussetzungen tatsächlich nicht erfüllten, nämlich insbesondere die Voraussetzung, durch einen durch die Ausbreitung von COVID-19 verursachten Einnahmenausfall beeinträchtigt gewesen zu sein, und großteils die Anträge nicht von den rechtmäßigen Vereinsorganen, sondern vom Angeklagten gestellt wurden, wobei es

A./ zu den im Urteil (US 4 bis 12) genannten 99 Anträgen zu Auszahlungen (in Höhe von 555.042,67 Euro – US 29) kam und

B./ zu den im Urteil (US 12 bis 15) genannten weiteren 28 Anträgen mit denen insgesamt weitere Förderungen in Höhe von 169.313,67 Euro begehrt worden waren (US 29) zu keinen Auszahlungen kam.

Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat als erschwerend die (zumindest vier) einschlägigen Vorstrafen, den langen Tatzeitraum, das zweifache Übersteigen der höchsten Wertqualifikation des § 147 Abs 3 StGB, die Mehrfachqualifikation sowie die vielen - über die zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit notwendigen, hinausgehenden - Fakten, als mildernd hingegen den teilweisen Versuch, die teilweise erfolgte Schadensgutmachung und den Umstand, dass es aufgrund automatischer Rückbuchungen der Empfängerbanken teils selbst bei vollendeten Fakten zu keinem Schaden kam.

Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungsgründe erachtete der Schöffensenat als besonders verwerflich das Ausnutzen der absoluten Notfallsituation, die im Zuge der COVID-19-Pandemie auftrat, wobei A* danach trachtete, sich selbst - getrieben von Profitgier - zu Lasten der hilfeleistenden Republik (und somit der Allgemeinheit) im maximalen Umfang zu bereichern (US 67).

Gegen dieses Urteil richten sich - nach Zurückweisung der angemeldeten (ON 77,56), aber nicht zur Ausführung gebrachten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten durch Beschluss des Erstgerichtes vom 22. Jänner 2025 (ON 128) - die mit gegenläufigem Anfechtungsziel erhobenen Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (angemeldet in ON 77, 56 und ON 1.127,1; ON 87.1; ausgeführt in ON 127 und ON 111).

Rechtliche Beurteilung

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Vor Eingehen in die Rechtsmittelerledigung waren die Erschwerungsgründe zu korrigieren. Bei Vermögensdelikten ist der (eingetretene oder beabsichtigte) Vermögensschaden nach § 32 Abs 3 StGB immer zu berücksichtigen (vgl Mayerhofer, StGB 6 § 32 Anm zu E 24). Die explizit erschwerende Wertung eines hohen Schadens im Rahmen besonderer Strafbemessungsgründe kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Schadensbetrag sich der nächsten Wertgrenze bereits annähert oder die höchste Wertgrenze um ein Mehrfaches übersteigt (R iffel in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 32 Rz 77). Ein Schaden, der nicht einmal das Dreifache der Wertgrenze erreicht, gibt keinen besonderen Erschwerungsgrund ab (RS0091130 [T23, 24, 33]).

Der Angeklagte reklamiert die zusätzliche Berücksichtigung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 14 StGB, weil er versuchte, vor Kenntnis von der Anzeige des B* freiwillig von Tathandlungen zurückzutreten, dies auch zum Teil mit Erfolg. Dabei übergeht er jedoch die eindeutigen gegenteiligen Konstatierungen, wonach es bei 99 Anträgen zu Auszahlungen der beantragten Förderungen in Höhe von insgesamt 555.042,67 Euro gekommen war, während bei 28 weiteren Anträgen die Auszahlungen in Höhe von insgesamt 169.313,67 Euro abgelehnt worden waren. Von den zunächst angeführten Auszahlungen wiederum waren 161.280,59 Euro nach Einlangen bei den in den Anträgen angeführten Empfängerbanken von diesen automatisch an die B* zurücküberwiesen worden, wobei A* daran nicht mitwirkte. Zusätzliche 23.041,38 Euro überwies er selbst wieder an die B*, dabei handelte es entweder um Teile des unter Vorgabe falscher Tatsachen Erlangten oder zwar um eine Überweisung des gesamten Betrages in Teilzahlungen, wobei die gänzliche Zurückzahlung erst am 9. Jänner 2023, somit nach Einbringung der Sachverhaltsdarstellung der B* am 21. Dezember 2022 erfolgt war (US 26-27). Von den 28 Antragstellungen laut I./B./ des Schuldspruchs hinsichtlich derer es zu keiner Auszahlung durch die B* kam, wurden in 14 Fällen von A* „Rücktritts-Emails“ versandt, großteils zu einem Zeitpunkt nach der Strafanzeige der B*, zu dem die Strafverfolgungsbehörden bereits Verdacht gegen den Berufungswerber und weitere Angeklagte hegte. Außerdem versandte A* die Emails nicht freiwillig, sondern lediglich deshalb, da sich seine Erfolgsaussichten drastisch verschlechtert hatten, da die B* zur Bearbeitung der Anträge noch weitere detaillierte Unterlagen anforderte. Die „Rücktritts-Emails“ erfolgten daher, da A* von keiner Erfolgsaussicht mehr ausging und fürchtete, erwischt zu werden, sollte er nicht von den Anträgen „zurücktreten“ (US 32-34). Letztlich erfolgten „Rücktritts-Emails“ auch nach bereits erfolgter Auszahlung durch die B*, jedoch ohne dem Taten folgen zu lassen, etwa im Wege der angekündigten Rückzahlung (US 34).

Zwar ist der Berufung des Angeklagten in ihren rechtlichen Ausführungen im Grundsätzlichen beizupflichten, allerdings fehlt ihr der dazu notwendige Sachverhaltsbezug, denn sie übergeht die bereits dargestellten erstgerichtlichen Konstatierungen.

Der Einwand, dass der Versuch des Angeklagten unbeachtet geblieben sei, von den Tathandlungen zurück zu treten, verkennt, dass der Versuch bereits beendet ist, sobald der Täter nach seiner Vorstellung alles unternommen hat, was zur Herbeiführung der Deliktsvollendung notwendig ist; er glaubt diese werde, ohne dass es eines Handelns von ihm bedürfte, eintreten ( Leukauf/Steininger/Durl/Schütz , StGB 4 § 16 Rz 8). Unter diesem Aspekt ist der Zeitpunkt der Anzeigeerstattung irrelevant; teilweise Rückzahlungen wurden ebenso wie der Umstand, dass es zu keinen Auszahlungen gekommen war, bereits mildernd gewertet. Zum Nichtvorliegen von tätiger Reue oder Rücktritt vom Versuch genügt es, auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Erstgerichtes (US 65) zu verweisen.

Der erste Fall des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 14 StGB setzt für die Schadensenthaltung Freiwilligkeit voraus, die nur dann gegeben ist, wenn die Zufügung größeren Schadens nach dem Tatplan beabsichtigt oder in der Tatsituation leicht möglich war (12 Os 37/04, 11 Os 113/04) und der Täter davon ohne äußere Veranlassung und nicht aus „verbrechensrationalen Gründen“ – wie fallaktuell - Abstand genommen hat ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 32). Die ins Treffen geführten „Rücktritte“ erfolgten aber gerade deshalb, weil der Angeklagte in diesen Fällen aufgrund der Aufforderung der B* weitere, detaillierte Unterlagen – u.a. aus der Buchhaltung – nachzureichen, von keiner ausreichenden Erfolgsaussicht ausging und fürchtete, erwischt zu werden, sollte er nicht von den Anträgen „zurücktreten“ (US 33).

Letztlich wurde zutreffend als mildernd berücksichtigt, dass es zu einem nicht unerheblichen Teil der Auszahlungen zu Rückbuchungen gekommen war, weil dadurch jedenfalls das objektive Gewicht der Tat vermindert wird (ÖJZ-LSK 1976/310); das gilt auch bei bloß teilweiser objektiver Schadensgutmachung (13 Os 133/176). Die Bereitwilligkeit zum Schadenersatz oder ein bloßes Anerkenntnis (vgl RIS-Justiz RS0091354; 13 Os 124/18m; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 34 Rz 23), hingegen stellt diesen Milderungsgrund nicht her.

Das Ausmaß der Tatfolgen und demnach der Umfang und das Gewicht deren Gutmachung richtet sich nach dem Zeitpunkt ihrer Beurteilung. Eine Wiedergutmachung kann somit auch noch während des Verfahrens und sogar noch im Rechtsmittelverfahren mit strafmildernder Wirkung erfolgen, allerdings sind im Gegenstand keine weiteren Rückzahlungen erfolgt.

Auch wenn dem Täter eine Schadensgutmachung nicht gelungen ist, er sich aber ernstlich darum bemüht hat, soll ihm dies als mildernd zugutekommen. Nach ErläutRV 1971, 128 fußt dieser Milderungsgrund auf dem Schuldprinzip, weil durch dieses Bemühen eine noch vorhandene Bindung an die rechtlich geschützten Werte oder doch jedenfalls eine Schuldeinsicht indiziert sei. Worin das ernstliche Bemühen des Angeklagten um Schadensgutmachung gelegen sein soll, wurde nicht einmal der Privatbeteiligtenanschluss der Republik Österreich anerkannt(vgl ON 2.150; ON 77,28), lässt das Rechtsmittel offen.

Liegt nur der Versuch einer Straftat vor, so ist dieser regelmäßig unrechtsreduzierende Umstand nach dem zweiten Fall des § 34 Abs 1 Z 13 StGB stets zu berücksichtigen. Einem – wie im Gegenstand - missglückten Ausführungsversuch kommt aber im Vergleich zu einem mangels Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen eines strafbefreienden freiwilligen Rücktritts strafbaren Versuch idR geringeres Gewicht zu.

Dem Angeklagten gelingt es mit seinem Vorbringen daher nicht, zusätzliche Milderungsgründe zu gewinnen, wurden doch der teilweise Versuch, die teilweise erfolgte Schadensgutmachung und der durch Rückbuchung verhinderte Schadenseintritt bereits zu seinen Gunsten berücksichtigt.

Das Erstgericht hat die ansonsten angeführten Erschwerungs- und Milderungsgründe richtig gelistet.

Zutreffend verweist die Staatsanwaltschaft auf die penible Planung der Straftaten, indem sich der Angeklagte in einem vielaktigen Vorgehen Vereine, Personendatensätze und Bankkonten verschaffte und Beitragstäter anwarb, über einen Zeitraum von 20 Monaten insgesamt 127 betrügerische Förderanträge stellte, durch die ein Gesamtschaden von über 720.000 Euro hätte entstehen sollen. Auch weist der Angeklagte tatsächlich ein massiv getrübtes Vorleben auf, wegen Vermögensdelikten und von Gewinnstreben getragener Suchtgiftdelinquenz war er bereits zu mehrjährigen Freiheitsstrafen (vier Jahre; 1 Jahr; 18 Monate; 36 Monate) verurteilt worden, die er zumindest teilweise auch verbüßte, sodass die vom Angeklagten begehrte Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt.

Die vom Schöffensenat verhängte Sanktion trägt aber andererseits den von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Tatmodalitäten (hohe Faktenzahl, hoher Schaden und das äußerst professionelle vielaktige Vorgehen), dem hohen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten wie auch Erfordernissen der Spezial- und Generalprävention bereits hinlänglich Rechnung, sodass es bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe der begehrten Erhöhung der Sanktion nicht bedurfte.

Rückverweise