JudikaturOLG Wien

18Bs167/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung und im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2025, GZ **-53.2, nach der am 24. Juli 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS LL.M., ferner in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Eva Velibeyoglu durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen nicht bekämpften Konfiskationsausspruch enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* des Verbrechens der Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs 2 StGB (I./) und der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt, hierfür unter aktenkonformer Vorhaftanrechnungund Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.

Danach hat A* in **

I./ zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt zwischen dem 23. August 2024 und 15. September 2024 in einem für viele Menschen zugänglichem Medium den terroristischen Anschlag vom 23. August 2024 in **, Deutschland, bei dem der syrische Staatsangehörige B* im Namen der terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation IS-Islamischer Staat drei Menschen mit einem Messer tötete und acht weitere Personen zum Teil schwer verletzte, somit terroristische Straftaten iSd § 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB in einer Art gutgeheißen, die geeignet war, die Gefahr der Begehung einer oder mehrere solcher Straftaten herbeizuführen, indem er auf TikTok ein glorifizierendes Lichtbild des B* teilte, auf dem unter anderen die Worte „Nur aus Gottes Gnade kamen wir (euch) mit dem Abschlachten (sodass ihr keine Sünden mehr macht).“ angebracht waren und das mit dem arabischen Nasheed „Ihr Moslem haltet euch bereit, denn die Ungläubigen haben sich gewendet (zu euch schlechthin), und an jedem Ort der islamischen Welt/ in jedem islamischen Land sickern die Ungläubigen durch bzw. sind schon durchgesickert. Sie haben euch sich mit ihrer Denkweise eingeschlichen." unterlegt war (ON 2.30).

II./ andere mit dem Tod gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

A./ am 5. Mai 2024 C* indem er ihm via WhatsApp Nachrichten schickte und sinngemäß äußerte, dass er ihn und seine Familie „ficken“ werde und ihm "seine Männer" schicken würde, wobei er ihm zur Untermauerung ein Video mit uniformierten und bewaffneten Soldaten auf einem Trainingsplatz schickte;

B./ zumindest sieben Prostituierte, indem er sie via WhatsApp jeweils nach vorgetäuschten Anbahnungsversuchen mit dem Umbringen bedrohte und seine Drohung mit verschiedenen Lichtbildern untermauerte, und zwar

1./ am 1. Februar 2025 D* mit den Worten „Du bist T“ und „Ich schicke meine Männer dich zu Töten Ich weiß wo du bist“, wobei er zur Untermauerung ein Video von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger schickte (AS 25 ff und 66 ff in ON 17.20);

2./ am 2. Februar 2025 E* mit den Worten „Du bist Tot“ und „Ich schicke dir meine männer dich zu bringen“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger sowie ein Lichtbild eines Messers schickte (AS 74ff in ON 17.20 und ON 31.13);

3./ am 6. Februar 2025

a./ F* mit den Worten „Ich schicke dir meine männer dich zu bringen“ sowie „Du bist Tot“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger sowie ein Lichtbild eines Messers schickte (ON 31.4 und ON 31.8);

b./ G* mit den Worten „Allhhh Akbar Du bist Tot“ und „ich schicke dir meine männer dich zu bringen“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger sowie ein Lichtbild eines Messers schickte (ON 31.5 und ON 31.9);

c./ H* mit den Worten „du bist Tot Allhhh Akbar“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger schickte (ON 31.6 und ON 31.10);

d./ I* mit den Worten „Ich schicke dir meine männer dich zu bringen“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger sowie ein Lichtbild eines Messers schickte (ON 31.7 und ON 31.11);

e./ J* mit den Worten „Ich schicke dir meine männer dich zu bringen“, Allhhh Akbar Du bist Tot“ und „Du bist hure und hure muss Tot Allhhh Akbar“, wobei er zur Untermauerung ein Foto von sich mit Sturmmaske und erhobenem Zeigefinger sowie jeweils ein Lichtbild eines Messers und einer Axt schickte (ON 31.12).

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Beitrag zur Wahrheitsfindung als mildernd, hingegen das Zusammentreffen von mehreren Vergehen als erschwerend.

Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 53.1, 12), fristgerecht zu ION 55.1 ausgeführte Berufung des Angeklagten, die sich (ausschließlich) gegen die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum richtet und in der beantragt wird, die Anordnung nach § 21 Abs 1 StGB ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung („amtswegig am Tisch“) aufzuheben, in eventu das Gutachten der Sachverständigen Dr. K* wegen Befangenheit als unbeachtlich zu erklären und ein neues Gutachten von einer anderen forensischen Fachperson einzuholen (ON 55.1, 5).

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Im Verfahren nach § 21 Abs 2 StGB ist ausschließlich die Gefährlichkeitsprognose als Ermessensentscheidung Bezugspunkt der Berufung (RIS-Justiz RS0113980 [T1]). An das Vorliegen der gesetzlichen Unterbringungsvoraussetzungen des auf einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung beruhenden Zustands und dessen maßgeblichen Einfluss auf die begangene Anlasstat ist das Oberlandesgericht gebunden (§ 295 Abs 1 StPO; vgl RIS-Justiz RS0090341 [T14]).

Die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB setzt – neben einer unter dem maßgeblichen Einfluss einer im Zeitpunkt der Tat, ohne zurechnungsunfähig zu sein, bestehenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung begangenen und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Anlasstat im Sinne des Abs 3 leg cit – eine ungünstige Prognose dahin voraus, dass der Rechtsbrecher nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Zutreffend ging der Schöffensenat davon aus, dass Anlasstaten iSd § 21 Abs 3 StGB vorliegen.

Als Erkenntnisquelle für die Befürchtung der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen (Prognosetat) unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung nennt das Gesetz die Person des Rechtsbrechers, seinen Zustand (im Urteilszeitpunkt) und die Art der Anlasstat. Durch deren konjunktive Verknüpfung wird eine Gesamtwürdigung angeordnet (RIS-Justiz RS0118581 [T7], Haslwanter, WK² StGB § 21 Rz 24).

Die vom Erstgericht auf das von der Sachverständigen Dr. K* schriftlich erstattete (ON 36.3) und in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltene sowie erörterte (ON 53.1, 9 ff) Gutachten gestützte Gefährlichkeitsprognose, nämlich die Befürchtung der Begehung einer gegen Leib und Leben gerichteten mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen, ist nicht zu beanstanden und mangels gegenteiliger Verfahrensergebnisse weiterhin aktuell.

Denn angesichts der vorliegenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer strukturschwachen kombinierten Persönlichkeitsstörung zuzüglich islamistischer Radikalisierung, unter deren maßgeblichen Einfluss der Angeklagte die Anlasstaten begangen hat, besteht in Verbindung mit der Tatwiederholung innerhalb eines mehrmonatigen Zeitraums nach seiner Person, seinem Zustand und der Art der Anlasstaten auch weiterhin die real-konkrete Befürchtung (RIS-Justiz RS0090401), der Berufungswerber werde ohne Unterbringung unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung auch in absehbarer Zukunft (siehe zur Begrifflichkeit Haslwanter , aaO Vor §§ 21-25, RZ 4/1) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen gegen Leib und Leben, und zwar zumindest schwere Körperverletzungen wie auch die Umsetzung qualifizierter Drohungen bis zu Tötungsdelikten, das heißt Taten, die mit deutlich mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht und gegen Leib und Leben gerichtet sind, begehen (vgl US 11; ON 36.3, 39).

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, wonach seine früher diagnostizierte bipolare affektive Störung (aufgrund welcher im Verfahren zu AZ ** des Landesgerichts St. Pölten die Einweisung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB erfolgt war [ON 48; US 4]) aktuell nicht im Tatbezug stehe und es somit bereits an der maßgeblichen Ursächlichkeit der aktuellen psychischen Verfassung für die Begehung der konkreten Straftaten im Sinn des § 21 Abs 2 StGB fehle (ON 55.1, 2), ist zu entgegnen, dass fallbezogen die Tatbegehung unter dem maßgeblichen Einfluss einer anderen schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer strukturschwachen kombinierten Persönlichkeitsstörung zuzüglich islamistischer Radikalisierung, erfolgte und das behauptete Fehlen dieser Voraussetzung des § 21 Abs 2 StGB nicht mit Berufung geltend gemacht werden kann. Wenn er aus seinem Verhalten in der Hauptverhandlung ableitet, dass er sich provokativ, aber bewusst distanziert und gesteuert geäußert habe, diese Aussagen seien in erster Linie als Verbalradikalismus und möglicherweise als Folge der prekären persönlichen Situation (Inhaftierung, Isolation, Frustration) zu bewerten, nicht jedoch als Ausdruck psychischer Unzurechnungsfähigkeit oder einer überdauernden Gefährdung (ON 53.2, 3), verkennt er wiederum, dass im vorliegenden Fall zwar eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, nicht jedoch eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Störung iSd §§ 11, 21 Abs 1 StGB vorliegt und für die Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 2 StGB nicht nur sein Verhalten in der Hauptverhandlung maßgeblich ist.

Die Kritik des Berufungswerbers, die Zukunftsprognose sei nicht tragfähig begründet, beschränkt sich auf das Vorbringen, wonach diese nicht auf spekulativen Annahmen und pauschalen Zuschreibungen beruhen dürfe (ON 55.1, 3) und übergeht dabei die auf das vorliegende Gutachten (ON 36.3) gestützten Erwägungen des Erstgerichts (US 11 ff).

Anhaltspunkte dafür, dass seit der Hauptverhandlung ein relevanter Behandlungserfolg eingetreten wäre, ergeben sich weder aus dem Akteninhalt oder der eingeholten Stellungnahme der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom 21. Juli 2025 noch dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers.

Soweit der Angeklagte im Rahmen der Berufung Zweifel an der Objektivität der Sachverständigen Dr. K* vorbringt, ist zunächst festzuhalten, dass ein dem Angeklagten nachteiliges (schriftliches) Gutachten (ON 36.23) bereits vor Beginn der Hauptverhandlung vorlag. Nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens wurde jedoch entsprechendes Vorbringen auch in der Hauptverhandlung nicht erstattet und auch kein Antrag auf Beiziehung eines anderen Sachverständigen gestellt. Liegt ein für den Beschwerdeführer nachteiliges Gutachten bereits vor, kann bei (in dessen Vernehmung bestehender) Beiziehung dieses Sachverständigen zur Hauptverhandlung nur durch Aufzeigen von nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebenen Mängeln im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO das Gutachten eines weiteren Sachverständigen unter der Sanktion des § 281 Abs 1 Z 4 StPO erwirkt werden. Auf mangelnde Sachkunde des Sachverständigen gegründete Einwendungen sind nach Erstattung von Befund und Gutachten nicht mehr zulässig (RIS-Justiz RS0115712 insb [T10]).

Das Vorbringen, wonach sich die Sachverständige wesentlich auf Video- und Chatnachrichten stützte, die außerhalb des persönlichen Kontakts mit dem Beschuldigten gelegen seien, die explorative Interaktion selbst sei nur flüchtig dargestellt worden (ON 55.1, 4), spricht keinen Mangel, sondern die – der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts unterliegende – Überzeugungskraft des Gutachtens an (RISJustiz RS0097433). Im Übrigen erfolgten psychiatrisch klinische, neurologische und Testuntersuchungen des Beschuldigten durch die Sachverständige am 14. Februar 2025 und am 24. Februar 2025 (ON 36.3, 2), deren Inhalt ausführlich dokumentiert wurde (ON 36.3, 13 ff). Für die unsubstantiierte Behauptung der Befangenheit der Sachverständigen nach § 47 Abs 1 Z 2 StPO (ON 55.1, 4) lassen sich dem Akteninhalt keine begründeten Anhaltspunkte entnehmen. Dem Berufungswerber gelingt es mit seinem weiteren Vorbringen, dass fallbezogen eine konkrete Gewalttätigkeit nicht vorliege (ON 55.1, 4), nicht, die Gefährlichkeitsprognose zu erschüttern, ist doch die tatsächliche Ausführung eines Gewaltdelikts für das Vorliegen einer Anlasstat nicht erforderlich. Das Berufungsvorbringen zur „fehlende[n] Differenzierung“ (ON 55.1, 4) übergeht wiederum, dass die islamistische Radikalisierung zusätzlich zur strukturschwachen kombinierten Persönlichkeitsstörung vorliegt, unter deren maßgeblichem Einfluss die vorliegenden Straftaten begangen wurden. Für das spekulative Vorbringen, dass die Diagnose und Prognose der Sachverständigen „auch aus sicherheits- und gesellschaftspolitischen Erwägungen beeinflusst sein könnten“, finden sich im Akt keinerlei Anhaltspunkte und wurde in der Berufung auch nicht konkret dargelegt.

Somit liegt die die Unterbringungsanordnung nach § 21 Abs 2 StGB rechtfertigende Gefährlichkeit des Angeklagten weiterhin vor, weshalb sich die Entscheidung des Erstgerichts in Ansehung dieser Anordnung gleichfalls nicht als korrekturbedürftig erweist.

Eine bedingte Nachsicht der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme ist schon gesetzlich nicht möglich, weil die Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB nur gemeinsam mit der Strafe bedingt nachgesehen werden darf (§ 157a Abs 1 letzter Satz StVG).

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.