30Bs141/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 17. März 2025, GZ **35.3, durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich LL.M. als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:
Spruch
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen.
In Stattgebung der Berufung wegen Schuld wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen .
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch Privatbeteiligtenzusprüche enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 125, 126 Abs 1 Z 7) StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 5. Juni 2024, AZ **, unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB nach § 287 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sich A* in der Nacht zum 7. März 2024 in B*, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch fremde Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Schaden beschädigt, und zwar
a./ den PKW Peugeot 308 mit dem Kennzeichen ** der C* D* (Schaden EUR 774,25),
b./ den PKW Hundai I30 mit dem Kennzeichen ** des E* (Schaden 1.009,15 Euro),
c./ den PKW KIA mit dem Kennzeichen ** der F* (Schaden 787 Euro),
d./ den PKW Seat Ibiza mit dem Kennzeichen ** des G* (Schaden 4.607,64 Euro),
e./ die Eingangstür, eine Hinterhoftür und ein Gitter des Wohnhauses H* I* mit einem Stein (Schaden 3.167,29 Euro)
und sohin Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB zugerechnet würden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach der Verkündung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete Berufung des Angeklagten (ON 35.2,14), die in der Folge unausgeführt blieb.
Rechtliche Beurteilung
Auf die Berufung wegen Nichtigkeit war gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StGB keine Rücksicht zu nehmen, weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung seiner Berufung noch in der Berufungsschrift ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnis er sich beschwert erachtet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem angefochtenen Urteil nicht an.
Der nicht ausgeführten Berufung wegen Schuld ist vorauszuschicken, dass für diese die bloße Angabe genügt, das Urteil wegen des Ausspruchs über die Schuld anzufechten. Das Rechtsmittelgericht hat alle für den Standpunkt des Berufungswerbers sprechenden Argumente – auch ohne Vorbringen – aus Eigenem in Anschlag bringen, außer der Rechtsmittelwerber hätte – was hier nicht der Fall ist - hinsichtlich einzelner Argumente unmissverständlich eine Einschränkung gemacht ( Ratzin WK StPO § 467 Rz 2).
Wenngleich das Gericht nach § 258 StPO in der Beweiswürdigung vollkommen freie Hand hat, ist es doch verpflichtet, im Urteil zu zeigen, dass es alle vorgekommenen entscheidenden Beweismittel gewürdigt habe, und zu erörtern, wie es über die seinen Feststellungen entgegenstehenden Beweistatsachen hinweggekommen ist (RIS-Justiz RS0098495). Die Bewertung aller relvanten Beweismittel hat gewissenhaft unter Beachtung deren Gesamtzusammenhangs und der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen und ist nachvollziehbar zu begründen ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 25 f, 31 f).
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die die entscheidungsrelevanten Feststellungen in Frage stellende Beweisergebnisse ungewürdigt ließ, nicht gerecht.
Gegenständlich hielt der Tatrichter zur Annahme der Täterschaft des Angeklagten wörtlich fest:
„Ungeachtet seiner Einlassung und trotz Fehlens von dem Angeklagten eindeutig zuordbaren Spuren an den Tatorten, wie DNA- oder Fingerabdruckspuren, oder unmittelbarer Wahrnehmungen durch Zeugen, ist die Täterschaft des Angeklagten aus nachfolgenden Überlegungen zweifelsfrei erwiesen: Berücksichtigt man den Abschlussbericht und die korrigierte Zeit im Anlass-Bericht der PI J* (ON 8.2 und ON 18, S. 2), wonach der Angeklagte am 07.03.2024 um 02:30 Uhr in der Dienststelle der PI J* vorstellig und in weiterer Folge um 03:40 Uhr von Polizeibeamten im Stiegenhaus der H* I*, ** B* auf dem Boden liegend und schlafend angetroffen wurde, erscheint es unter Heranziehung der Lichtbildbeilagen (ON 8.6), worauf der Angeklagte beim Betreten und Verlassen des Hauptbahnhofs B* um 02:43 bis 02:44 Uhr zu sehen ist, aufgrund der örtlich und zeitlichen Übereinstimmung des naheliegenden, weil direkten Fußweges des Angeklagten in die H* I* mit dem rekonstruierten Tathergang der PI J* (ON 8.6) und der Aussage der Zeugin C* K* zum ersten Tatzeitpunkt (vormals D*), wonach sie in der Nacht vom 07.03.2024 um 03:00 von einem Geräusch geweckt wurde, welches sich anhörte, als wäre Glas zu Bruch gegangen (vgl HV-Protokoll vom 17.03.2025, S. 6) als höchstwahrscheinlich, dass der Angeklagte die Sachbeschädigungen begangen hat. Der Zeitpunkt der ersten Tathandlung gegen 03:00 Uhr in der H* L* deckt sich mit jenem Zeitpunkt, an dem es dem Angeklagten auch möglich gewesen wäre, sich an besagtem Tatort zu befinden, wenn man bedenkt, dass sich der Angeklagte spätestens um 03:40 Uhr im Stiegenhaus der H* I* befand. Auch der Umstand, dass Steine mithilfe derer die Eingangstüre und Hintertüre offenbar eingeschlagen wurden, im unmittelbaren Umfeld des schlafend angetroffenen Angeklagten vorgefunden wurden, lässt auf die Zerstörung der Türen durch den Angeklagten schließen, insbesondere, weil dieser nach den Angaben der Zeugin M* sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, das Stiegenhaus zu betreten und die Zeugin zeitnahe Beschädigungen an den Türen ausschließen konnte (HV-Protokoll vom 17.03.2025, S. 8f). Vergleicht man nun den modus operandi der Beschädigungen an den Türe im Mehrparteienhaus mit dem jenem an der Mehrzahl der Fahrzeuge, so offenbart sich ein identes Muster, nämlich das Einschlagen von Glasscheiben mittels schwerer Sachen wie zB Steinen und Holzstücken. Hält man sich nun vor Augen, dass diese Sachbeschädigungen mitten in der tiefsten Nacht, sohin auch in B* zu einer wenig frequentierten Zeit ausgeführt worden sind und somit zeitnahe Beschädigungen durch andere Personen oder gar Nachahmungstäter wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Begehung und Entdeckung nahezu auszuschließen sind, ist aufgrund des zuvor Gesagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass eine vom Angeklagten verschiedene Person für all die inkriminierten Sachbeschädigungen verantwortlich zeichnet.
Mögen auch die betreffend der Tatbegehung im Wohnhaus H* I* (e./) dargebrachten Beweisergebnisse für die Überführung des Angeklagten als Täter ausreichend erscheinen, überzeugt die erstrichterliche Beweiswürdigung zu den (für die Überschreitung der Wertgrenze des § 126 Abs 1 Z 7 StGB relevanten) Fakten a./ bis (insbesondere) d./, der zufolge der Angeklagte – gestützt auf das auffällige Gelegenheitsverhältnis und den modus operandi - „höchstwahrscheinlich“ der Täter sei, nicht. Gerade das behauptete idente Muster lässt sich der Aktenlage nicht entnehmen, wurden doch in drei Fällen (a./ bis c./) Heck- bzw Frontscheiben nach der Verdachtslage mit einem Holzklotz eingeschlagen, ein weiteres Fahrzeug (d./) an der fahrerseitigen A Säule, am Gummi auf der Beifahrerseite und am fahrerseitigen Seitenspiegel mit einem nicht bekannten Gegenständ beschädigt und die Türen im Wohnhaus (e./) mit großen Steinen eingeschlagen (Lichtbilder ON 2.10, 2.11, 2.18, 2.19). Der Geschädigte G* gab bei seiner erstmaligen Befragung vor der Polizei an, den von ihm als „Verkehrsunfall Parkschaden“ eingestuften Schaden anlässlich der Rückkehr zu einem Fahrzeug nach einer Inbetriebnahme am 9. März 2024 festgestellt zu haben (ON 2.16, 1 f). Bei den von Polizeibeamten vor Ort durchgeführten Erhebungen allfälliger weiterer Geschädigter in der H* am 7. März 2024 waren keine Schäden an dem vor der Hausnummer ** geparkten Fahrzeug des Zeugen G* festgestellt worden (ON 8.10, 2). Auch blieb die Tatsache, dass die nach den Angaben der Zeugin K* (vormals D*) bei dem Vorfall entwendete(n) Decke(n) (ON 2.8; ON 35.2, 6) nicht beim Angeklagten gefunden wurden (ON 8.2, 6), unerörtert.
Da aufgrund des zwar durchaus auffälligen zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs (ON 8.6) alleine mit Blick auf das Gelegenheitsverhältnis jedes Passanten bei der derzeitigen Beweislage nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Täterschaft des Angeklagten (zu a./ bis d./) ausgegangen werden kann, bedarf es einer genaueren Beleuchtung der Tatumstände (ua konkrete körperliche Verfassung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt durch Einsichtnahme in die Videoaufzeichnungen des Bahnhofs und Befragung der involvierten Polizeibeamten, Erhebungen zur Herkunft der Tatwerkzeuge) und des denkmöglich Rückschlüsse zulassenden getrübten Vorlebens des Angeklagten (ON 2.3).
Da sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zwecks Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage somit als notwendig erweist, war das Urteil in Stattgebung der Berufung wegen Schuld bereits nichtöffentlich aufzuheben, die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen und der Angeklagte mit seiner Berufung wegen Strafe auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.