30Bs108/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Dr. Hornich, LL.M. in der Strafsache gegen Dr. A*und andere Beschuldigte wegen § 80 StGB über die Beschwerde des Sachverständigen Prim. Univ. Doz. Dr. B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. April 2025, GZ **-17, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Wien bestellte am 21. November 2024 in dem zu AZ ** gegen Dr. A* und andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren Prim. Univ. Doz. Dr. B* zum Sachverständigen und beauftragte ihn, binnen zwölf Wochen Befund und Gutachten zu den in ON 6 im einzelnen angeführten Fragen zu erstatten (ON 1.3).
Im Anhang zur Sachverständigenbestellung durch die Staatsanwaltschaft findet sich – hier relevant – unter dem Punkt „Wichtige Hinweise“ der § 25 Abs 1a GebAG entsprechende Passus: „Ist zu erwarten oder stellt sich bei der Sachverständigentätigkeit heraus, dass die tatsächlich entstehende Gebühr 4.000 Euro übersteigt, so hat die oder der Sachverständige die Staatsanwaltschaft rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen. Unterlässt der oder die Sachverständige diesen Hinweis, so entfällt insoweit der Gebührenanspruch.“ (ON 6, 3).
Der Sachverständige richtete am 23. November 2024 ein Ersuchen um eine vierwöchige Fristerstreckung an die Staatsanwaltschaft (ON 7), der mit Note der Staatsanwaltschaft vom 25. November 2024 (ON 8) stattgegeben wurde.
Weiters berichtete der Sachverständige mit Schreiben vom 12. Jänner 2025 über die erneut an die Klinik ** gerichtete Aufforderung zur Übermittlung der erforderlichen Unterlagen (ON 10.2), setzte die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 19. Februar 2025 über den Erhalt der gesamten Krankengeschichte in Kenntnis und ersuchte um Abstimmung hinsichtlich des Verbleibs der übermittelten Krankengeschichte mit dem Hinweis, dass bei einer Übermittlung an die Staatsanwaltschaft per Post mehr als 100 Euro Postgebühren anfallen würden. Eine Gebührenwarnung nach § 25 Abs 1a GebAG erfolgte durch den Sachverständigen jedoch nicht.
Für das am 21. Februar 2025 erbrachte Sachverständigengutachten (ON 12.1) beanspruchte dieser unter Aufgliederung der einzelnen Gebührenansätze 11.757,72 Euro (inklusive 20 % USt, Gebührennote ON 13).
Die Revisorin wandte gegen die Gebührennote ein (ON 13.1), dass der Sachverständige seiner Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG nicht nachgekommen sei und bei der Bemessung der Gebühr im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit ein Abschlag von 20% vorzunehmen gewesen wäre (§ 34 Abs 2 GebAG).
Der Sachverständige erwiderte in seiner Stellungnahme hierauf (ON 15.2), dass er zwar zugegebenermaßen die Gebührenwarnung verabsäumt habe, dass bei einem gegen drei Ärzte und unbekannte Täter geführten Strafverfahren wegen § 80 StGB ein 4.000 Euro übersteigendes Honorar zu erwarten sei. Darüber hinaus sei fraglich, ob sich am Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft Wien – bei rechtzeitiger Gebührenwarnung – etwas geändert hätte. Weiters sei die Mühewaltungsgebühr gegenständlich in voller Höhe des § 34 Abs 1 GebAG, somit ohne Abschlag, auszumessen, da das Gutachten eine besonders ausführliche wissenschaftliche Begründung enthalte und außergewöhnliche Kenntnisse auf wissenschaftlichem Gebiet voraussetze (OLG Graz, SV 2004/2, 107, SV 2004/4, 212).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen für die Erstattung von Befund und Gutachten (ON 17) mit 4.000 Euro und wies das Mehrbegehren von 7.758 Euro ab. Begründend führte die Erstrichterin im Wesentlichen aus, dass der Sachverständige seiner Warnpflicht iSd § 25 Abs 1a GebG nicht nachgekommen sei, sodass der 4.000 Euro überschreitende Gebührenanspruch – ungeachtet des vom Sachverständigen vorgebrachten Umstands, dass in gegenständlichem Fall selbst eine Gebührenwarnung nichts am Gutachtensauftrag geändert hätte – zu entfallen hat. Auf einen allfälligen Abschlag von 20% zum Wohl der Allgemeinheit sei angesichts des Entfalls der über 4.000 Euro liegenden Gebühr nicht mehr einzugehen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Prim. Univ. Doz. Dr. B* (ON 18.2), mit der dieser im Wesentlichen unter Wiederholung und Präzisierung der in seiner Stellungnahme zu den Einwendungen der Revisorin vorgebrachten Argumente neuerlich beantragt, die von ihm verzeichneten Gebühren antragsgemäß zu bestimmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst ist zur Frage der geltend gemachten Warnpflichtverletzung auszuführen, dass der oder die Sachverständige gemäß § 25 Abs 1a GebAG das Gericht bzw die Staatsanwaltschaft rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen hat, wenn sich herausstellt, dass diese die Höhe des Kostenvorschusses, mangels eines solchen, 4.000 Euro übersteigt. Unterlässt der oder die Sachverständige diesen Hinweis, entfällt insoweit der Gebührenanspruch. In dringenden Fällen können unaufschiebbare Tätigkeiten auch schon vor der Warnung oder dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Warnpflicht den Zweck verfolgt, dass sich Gericht und Parteien möglichst frühzeitig eine grobe Vorstellung von den Kosten des Gutachtens bzw der Übersetzung machen können, Sachverständigen-Gebühren in unerwarteter Höhe vermieden und im Hinblick auf die Klarstellung des Prozessaufwandes den Parteien Dispositionen im Verfahren ermöglicht werden ( Krammer/Schmidt-Guggenbichler 4§ 25 GebAG E 85 ff), wie gegebenenfalls den (Gutachtens-)auftrag präziser zu fassen, eine Umbestellung möglich zu machen (vgl RV 303 BlgNr 23. GP 47) oder um aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen überhaupt von der weiteren Beauftragung Abstand zu nehmen.
Mit der Novellierung des § 25 BRÄG 2008 wurde die Warnpflicht für Sachverständige auch für das Strafverfahren angeordnet, weil der Umstand, dass ein Gutachten von Amts wegen angeordnet wird, nicht generell dazu führen sollte, dass jede Warnpflicht des Sachverständigen entfällt. Dadurch würde etwa auch dem Gericht die Möglichkeit entzogen werden, im Hinblick auf die Kosten einen anderen Sachverständigen zu bestellen oder mit den Parteien Möglichkeiten einer günstigeren Erhebung der maßgeblichen Umstände zu erörtern.
Nun führt nach ständiger Judikatur auch im Strafverfahren bereits die – ohne Nennung eines konkreten Betrages – bloße Mitteilung, dass die Gebühren den Kostenvorschuss bzw die Grenze von 4.000 Euro übersteigen könnten, zu einem Verlust des darüber hinausgehenden Gebührenanspruchs ( Krammer/Schmidt-Guggenbicher 4§ 25 GebAG E 146, 151, 154 ua). Gegenständlich wurde nicht einmal eine solche (wenn auch nicht ordnungsgemäß vorgenommene) Gebührenwarnung trotz laufender Korrespondenz zwischen dem Sachverständigen und der Staatsanwaltschaft (ON 7 und ON 10.2) vorgenommen.
Die auf (vereinzelte) Rechtsprechung gestützte Ansicht des Beschwerdeführers, dass eine Kürzung der Sachverständigengebühr nicht stattzufinden habe, wenn das Gutachten zur amtswegigen Wahrheitserforschung notwendig gewesen sei und auch eine rechtzeitige Kostenwarnung zu keiner Änderung des Gutachtensauftrags geführt hätte (idS OLG Wien AZ 21 Bs 102/24i [hier jedoch nur zu geringe Schätzung der voraussichtlichen Kosten] und OLG Wien AZ 17 Bs 82/23t, wobei hier ausdrücklich in die Erwägungen des Rechtsmittelgerichts einfloss, dass der Sachverständige die Warnpflicht – im Gegensatz zu vorliegendem Fall – nicht gänzlich unterlassen hat, sondern lediglich keinen konkreten Betrag angegeben hat), überzeugt nicht, soll doch die Warnpflicht nicht nur die Parteien vor Überraschungen, sondern auch den Bund vor allzu großen Vorfinanzierungskosten schützen. Darüber hinaus ist der Entfall des Gebührenanspruchs bei Verletzung der Warnpflicht an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ( Krammer/ Schmidt /Guggenbichler, SDG - GebAG 4[2018] § 25 GebAG E 184 ff).
Damit bleibt für die vom Sachverständigen in seiner Beschwerde vorgebrachten Argumente (samt deren Judikatbelege), der Zweck der Warnpflicht müsse wohl eingeschränkt gesehen werden, wenn Sachverständigenaufträge nicht der Parteiendisposition unterliegen, sondern zur amtswegigen Strafverfolgung und Erforschung der materiellen Wahrheit unabdingbar sind (idS zuletzt OLG Wien 17 Bs 82/23t, AZ 21 Bs 102/24i, AZ 21 Bs 368/24g), kein Raum (vgl die Glosse von Krammer zu LG Klagenfurt 30.3.2012, 1 R 70/12g, SV 2013, 105; OLG Innsbruck 03.08.2010, 7 Bs 340/10y = SV 2011, 159; OLG Graz 8 Bs 234/23g, vgl auch 16 Ok 7/10 [in Bezug auf eine zu geringe Schätzung der voraussichtlichen Kosten]).
Der Sachverständige kam somit seiner Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG gegenüber der auftraggebenden Staatsanwaltschaft Wien (wenn auch aus Versehen) nicht nach, sodass – § 25 Abs 1a GebAG berücksichtigend – spruchgemäß zu entscheiden ist, womit sich ein Eingehen auf den weiters geltend gemachten Beschwerdepunkt des Abschlags von 20% bei der Bemessung der Gebühr im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit (§ 34 Abs 2 GebAG) schon aus rechnerischen Gründen erübrigt.
Gegen diese Entscheidung steht kein weiterer Rechtszug zu. Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 41 Abs 1 GebAG (RIS-Justiz RS0106197; Krammer/Schmidt/Guggenbichler , SDG-GebAG 4 § 41 E 96).