11R71/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien fasst als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Fidler und Dr. Berka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Ltd , **, Malta, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 26.550 s.A. im Verfahren über die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20.03.2025, GZ: **-17, über den Antrag der beklagten Partei auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision im Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 22.5.2025, 11 R 71/25d-3, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
Spruch
Der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs und die ordentliche Revision der beklagten Partei werden zurückgewiesen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Beklagte zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
1.Die Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellung zum Zeitraum und Ort der Glücksspielteilnahmen des Klägers, der Verwendung der E-Mail-Adresse, seinen Einzahlungen und den Auszahlungen sowie zu dem sich daraus ergebenden Spielverlust betrifft eine Tatfrage. Eine weitere Geltendmachung in dritter Instanz ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst (vgl RIS-Justiz RS0043371). Warum es die Beweisrüge als unbegründet erachtete, führte das Berufungsgericht aber unter Würdigung der ihm nachvollziehbar erscheinenden Beweisergebnisse des Erstgerichts aus, worauf die Beklagte in ihrem Antrag nicht eingeht. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils wird von der Beklagten nicht behauptet.
2.Im Berufungsurteil wurde zur behaupteten Unschlüssigkeit der Klage und zur Beilage ./C ausführlich Stellung genommen. Die Beklagte geht in ihrem Antrag darauf nicht ein. Dass ein Klagsvorbringen schlüssig ist, wenn der Kläger zwar nicht jedes einzelne von zahlreichen Spielen nennt, wohl aber den Zeitraum angibt, in dem er auf der Website der Beklagten an Glücksspielen teilnahm, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (vgl 4 Ob 199/16t; 4 Ob 232/23f; zuletzt 8 Ob 54/25m [8 f]).
3.Soweit die Beklagte meint, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil ansonsten die Möglichkeit eines „risikolosen Spiels“ bestehe, lässt sie die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (7 Ob 16/25s [Rz 7 f] mwN, 2 Ob 187/24z, 8 Ob 54/25m [10]). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Spieler bei verbotenem Glücksspiel die Wett- oder Spielschuld zurückfordern kann (RS0134152; zuletzt etwa 6 Ob 19/25z). Dem steht die Möglichkeit des Glücksspielanbieters, den aus dem verbotenen Glücksspiel lukrierten Gewinn vom Spieler zurückzufordern, nicht entgegen (8 Ob 21/24g). Entgegen den Ausführungen der Beklagten liegt damit umfassende höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, auf die im Übrigen bereits im Berufungsurteil hingewiesen wurde. Dass die Beklagte die in den zitierten Entscheidungen vertretene Rechtsansicht nicht teilt, begründet keine erhebliche Rechtsfrage.
4. Mit ihren neuerlich vorgetragenen Argumenten zum „nemo auditur-Grundsatz“ und zum Grundsatz von Treu und Glauben wird die Beklagte auf das Berufungsurteil und die darin zitierte Rechtsprechung verwiesen. Sie setzt sich in ihren Ausführungen weiterhin darüber hinweg, dass nach dem festgestellten Sachverhalt der Kläger keine Kenntnis von der Möglichkeit hatte, die verspielten Beträge später zurückfordern zu können. Somit besteht schon kein direkter Zusammenhang zwischen dem rechtswidrigen oder sittenwidrigen Handeln und der Geltendmachung des Rechts.
5. Zur Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielrechts liegt umfangreiche höchstgerichtliche Judikatur vor, die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols ist daher abschließend beantwortet (1 Ob 229/20p; 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p ua).
6.Entgegen der Darstellung der Beklagten ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (7 Ob 86/24h). Auch darauf nimmt die Berufungsentscheidung bereits Bedacht, ebenso auf die anhängigen Rechtssachen C-9/25 sowie C-440/2 (Abweisung des Unterbrechungsantrags). Darauf geht die Beklagte nicht ein.
Auch zur Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, wird auf das Berufungsurteil verwiesen, das sich mit den in der Berufung wiederholt vorgetragenen Argumenten der Beklagten bereits auseinandergesetzt hat.
7.Zusammenfassend liegen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Änderung des Zulassungsausspruches nicht vor. Der Antrag der Beklagten samt der ordentlichen Revision ist deshalb gemäß § 508 Abs 4 ZPO zurückzuweisen.