20Bs168/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A*nach § 21 Abs 2 StGB, über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 28. Mai 2025, GZ ** 34, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 13. Dezember 2016, AZ **, wurde A* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster und vierter Fall StGB und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt. Weiters ordnete das Erstgericht gemäß § 21 Abs 2 StGB die Einweisung des A* in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an (ON 13).
Der Schuldspruch erfolgte, weil A* in der Nacht auf den 26. März 2016 in **
I./ mit einer unmündigen Person, und zwar dem am ** geborenen B*, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternahm, indem er sich entkleidete, den Genannten aufforderte, seinen erigierten Penis in den Mund zu nehmen, und anschließend dazu veranlasste, Oralverkehr an ihm bis zum Samenerguss vorzunehmen, wodurch B* in besonderer Weise erniedrigt wurde, zumal er in dessen Mund bzw zumindest in sein Gesicht ejakulierte, wobei die Tat eine posttraumatische Belastungsstörung bei B*, sohin eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte;
II./ im Anschluss an die unter Spruchpunkt I./ geschilderte Handlung B* durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihn und seinen Vater umbringen, sollte er etwas sagen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, und zwar einer Aussage über den unter Punkt I./ geschilderten Vorfall gegenüber seinem Vater, zu nötigen versuchte.
Bei der Strafbemessung wurde unter anderem die festgestellte Persönlichkeitsstörung des Angeklagten im Sinne einer geistigen Abartigkeit höheren Grades, die intellektuelle Minderausstattung des Angeklagten sowie seine Enthemmung durch Alkohol mildernd gewertet.
Das urteilsmäßige Strafende war am 16. Oktober 2024, seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Untergebrachte im Maßnahmenvollzug.
Im ersten Rechtsgang ordnete das Erstgericht mit Beschluss vom 25. April 2025 (ON 23) - nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens Dris. C* (ON 17) - sowie nach Anhörung des Untergebrachten (ON 22) gemäß § 47 StGB die bedingte Entlassung des A* aus dem Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 2 StGB ab Rechtskraft des Beschlusses, frühestens per 15. Mai 2025 unter Bestimmung einer zehnjährigen Probezeit, Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilungen detailliert angeführter Weisungen, darunter Alkoholkarenz, an.
Nach Erhebung einer Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 16. Mai 2025, GZ 20 Bs 131/25y, der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dr. C* den Antrag des Untergebrachten auf bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug ab und stellte fest, dass die weitere Unterbringung des A* in einem forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB notwendig ist (ON 34).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Untergebrachten (ON 35.3), der keine Berechtigung zukommt.
Zum Sachverhalt und den bisherigen Verfahrensgang wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf den Beschluss vom 16. Mai 2025, AZ 20 Bs 131/25y, sowie die zutreffenden Ausführungen des Landesgerichts Krems an der Donau im angefochtenen Beschluss (ON 34), verwiesen (RIS-Justiz RS0098568).
Entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers, der sich auf das einholte Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. C* vom 6. Mai 2025 (ON 32) bezieht, ist das Kalkül des Erstgerichts, dass nach einer wertenden Zusammenschau sämtlicher Stellungnahmen der Anstaltsleitung der Justizanstalt **, des Maßnahmenteams sowie der Äußerung der BEST im Zusammenhalt mit dem angeführten aktuellen psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. C* (ON 17) ungeachtet der weiterhin befürwortenden Stellungnahmen des betreuenden Maßnahmenteams, der Äußerung der Nachbetreuungseinrichtung D* (ON 31.3) sowie des eine bedingte Entlassung befürwortenden Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen (ON 32) sowie des positiven Therapieverlaufs in der Vergangenheit mit Blick auf einen sofortigen Weisungsbruch noch vor Rechtskraft der eine bedingte Entlassung bewilligenden Entscheidung im ersten Rechtsgang nicht davon auszugehen sei, dass die einweisungsrelevante Gefährlichkeit beim Untergebrachten bereits im ausreichenden Ausmaß abgebaut sei, nicht zu beanstanden.
Berücksichtigt man nämlich, dass aus dem aktuellen psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. C* vom 5. April 2025 (ON 17) hervorgeht, dass der Untergebrachte an einer Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent (ICD 10 F10.20) und an einer Kokainabhängigkeit, gegenwärtig abstinent (ICD 10 F14.20) leidet und D* in Ansehung der Unterbrechung der Unterbringung berichtete, dass sich der Untergebrachte vom Substanzgebrauch distanziert habe und im Vorfeld der Entscheidung über die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug im ersten Rechtsgang sämtliche Alkoholtests negativ verlaufen seien (ON 20.2 Seite 2), der Untergebrachte darüber hinaus sowohl gegenüber dem Sachverständigen Dr. C* deponierte, keinerlei Bedürfnis nach Alkohol zu verspüren (ON 17 Seite 30) und sich der Untergebrachte im Rahmen der Anhörung am 25. April 2025 darüber hinaus mit einer strikten Alkohol- und Drogenabstinenz einverstanden erklärte (ON 22), der Untergebrachte jedoch in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden bedingten Entlassung und somit positiven Erwartungshaltung im Rahmen der Unterbrechung der Unterbringung gegen die ihm dort erteilte Weisung der Alkoholkarenz verstieß, in dem er mehrere Pfirsich Spritzer konsumierte und darüber hinaus deutlich verspätet in die Nachsorgeeinrichtung zurückkehrte (ON 20.2 Seite 4; ON 25), ist nicht davon auszugehen, dass die einweisungsrelevante Gefährlichkeit im ausreichenden Ausmaß abgebaut ist.
Ohne den bis dahin als positiv beschriebenen Therapieverlauf herabsetzen zu wollen, erscheint eine bedingte Entlassung zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenkundig als verfrüht.
§ 50 Abs 1 StGB normiert, dass einem Rechtsbrecher, dem die Strafe oder die mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme bedingt nachgesehen oder dieser aus einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen wird, das Gericht ihm Weisungen zu erteilen oder Bewährungshilfe anzuordnen hat, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
Der Sachverständige Dr. C* führt in seinem Ergänzungsgutachten (ON 32) aus, dass ein einmaliger Rückfall in den Kontext eines insgesamt trotzdem positiven Therapieverlaufs gesetzt werden müsse, mit Besserung der Symptome seiner kombinierten Persönlichkeitsstörung. Die Gefahr eines Alkoholkonsums bestehe in dem wiederkehrenden Alkoholkonsum mit der Möglichkeit einer Downward Spirale inklusive Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen, Wegfall der Tagesstruktur und etwaiges erneutes Abrutschen in Kokainkonsum, was letztlich wiederum in eine Steigerung der Gefährlichkeit münden könnte. Ein einmaliger Alkoholrückfall stelle noch nicht den Endpunkt einer derartigen problematischen Entwicklung dar, sondern allenfalls einen möglichen ersten Schritt (ON 32).
Berücksichtigt man jedoch weiters, dass der Untergebrachte dem Sachverständigen gegenüber den Alkoholkonsum damit rechtfertigte, dass ihm anlässlich einer von ihm besuchten Feier mit Freunden der Zustand der Wohnung eingefallen sei, in die er nach bedingter Entlassung einziehen solle und in welch schlechtem Zustand diese sei, er hätte sich gedacht, da seien die Zellen in ** sauberer gewesen und hätte dann aus Frust weitere PfirsichSpritzer (insgesamt vier oder fünf) getrunken, dann auf die Uhr gesehen und realisiert, dass er sich bereits verspäte (ON 32 Seite 3 f), ist angesichts der offenkundig äußerst gering ausgeprägten Frustrationstoleranz des Untergebrachten und der Nichtbefolgung der (bereits im Rahmen der Unterbrechung der Unterbringung) erteilten Weisungen keineswegs von der erforderlichen Pakttreue auszugehen, die für eine bedingte Entlassung unabdingbar ist. Wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt besteht beim Untergebrachten weiterhin die diagnostizierte nachhaltige und schwerwiegende psychische Störung verbunden mit der hohen Wahrscheinlichkeit betreffend die Begehung von einweisungsrelevanten Prognosetaten mit schweren Folgen in absehbarer Zeit wobei die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug sowohl vom Department Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 2 StGB der Justizanstalt ** (ON 20.3 S 5) als auch vom psychiatrischen Sachverständigen (ON 17 S 26, S 68) lediglich unter Einhaltung flankierender Weisungen wie insbesondere die Einhaltung der strikten Alkohol- und Drogenabstinenz sowie Duldung der Durchführung regelmäßiger unangekündigter diesbezüglicher Kontrollen (ON 17 Seite 26 und 68) befürwortet wurde. Folglich kann der (bereits im Rahmen der Vollzugslockerung) erfolgte Weisungsbruch, der noch dazu unmittelbar vor der in Aussicht stehenden bedingten Entlassung aus der Maßnahme erfolgte - wobei dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt die Erteilung einer entsprechenden Alkoholkarenzweisung bekannt war - nicht bagatellisiert werden. Im Zusammenhang mit mangelnder compliance ist darüber hinaus zu betonen, dass A* im Zuge der im ersten Rechtsgang gewährten bedingte Entlassung auch die Weisung erteilt worden war, die verordneten triebhemmenden Medikamente (SSRI – ON 17 S 25) weiterhin einzunehmen (ON 23 Seite 2 Punkt 3). Erwägt man die Ausführungen des Betroffenen gegenüber dem Sachverständigen, in Bezug auf die Anlassverurteilung und damit dem schweren sexuellen Missbrauch eines 8-jährigen Buben auf der Toilette eines Heurigenbetriebs (ON 17 S 32ff), erschiene eine mangelnde compliance in Bezug auf die weitere Einnahme triebhemmender Medikamente geradezu fatal. Veranschlagt man nämlich, dass der Sachverständige in seinem Gutachten ausführte, dass sich gegenwärtig keine Symptome der Hypersexualität festmachen lassen, wobei unsicher ist, zu welchem Anteil dies der medikamentösen Therapie oder dem Nachreifungsprozess geschuldet ist (ON 17 S 62), wirft sich die Frage auf, ob den Ausführungen des Beschwerdeführers in Bezug auf sein sexuelles Verlangen (ON 17 S 30 oben, 32) ähnlicher Wahrheitsgehalt beizumessen ist, wie seiner Beteuerung, keinerlei Verlangen nach Alkohol zu verspüren.
Soweit der Beschwerdeführer das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen (ON 32) ins Treffen führt, ist dem Sachverständigen zwar beizupflichten, dass ein einmaliger Alkoholrückfall noch nicht geeignet erscheint, eine „Downward-Spirale“ auszulösen, es ist jedoch unschlüssig, eine bedingte Entlassung nur unter Auferlegung von Weisungen zu befürworten, der Befolgung dieser Weisungen jedoch keine Relevanz beizumessen.
Da die Gefährlichkeit des Untergebrachten nur im Falle der peniblen Einhaltung der auferlegter Weisungen kontrolliert werden kann, die Einhaltung der erteilten Weisungen jedoch nunmehr fraglich ist, entspricht der bekämpfte Beschluss der Sach- und Rechtslage.
Der Beschwerde war daher kein Erfolg beschieden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).