JudikaturOLG Wien

21Bs91/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
28. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden und die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 7. November 2024, GZ B*, C*-84.1, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Text

Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß (ergänze: § 495 Abs 1 StPO iVm) § 53 Abs 2 StGB die A* mit Urteilen des Landesgerichts St. Pölten vom 17. November 2022, AZ C*, und 3. April 2023, AZ B*, gewährten bedingten Nachsichten des Vollzugs der mit diesen Urteilen verhängten Freiheitsstrafen.

Begründend führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass der Verurteilte ungeachtet mehrmals erfolgter förmlicher Mahnungen weder ausreichend Bereitschaft zur Einhaltung der ihm erteilten Weisung zur Psychotherapie noch zur Kooperation mit dem bestellten Bewährungshelfer signalisiert habe, woraus eine absolut gleichgültige Einstellung bezüglich seines weiteren Werdegangs und eine äußerst problematische Persönlichkeit des Verurteilten hervorgehe. Im Hinblick auf die erfolglos gebliebenen zahlreichen und regelmäßigen Versuche der Mitarbeiter der Bewährungshilfe, Kontakt mit A* aufzunehmen und ihn zur Weisungseinhaltung zu motivieren, sei festzustellen, dass er sich nunmehr gänzlich dem Einfluss seines Bewährungshelfers entzogen habe und auch die ihm auferlegte Weisung mutwillig nicht befolge. Angesichts der wiederholten Verurteilungen des A* sei der Widerruf der ihm gewährten bedingten Strafnachsichten nunmehr dringend geboten, um ihn zu einem straffreien Leben zu motivieren.

Gegen diesen Beschluss, der A* erst nach Fahndung zwecks Aufenthaltsermittlung (siehe ON 89) am 25. Februar 2025 zugestellt werden konnte (siehe den zugehörigen Zustellnachweis), richtet sich dessen rechtzeitige Beschwerde. Mit dieser beantragt er unter Hinweis darauf, seit seiner Haftentlassung am 24. Jänner 2024 nicht mehr über eine feste Meldeadresse verfügt zu haben, aufgrund der Wegnahme seines Mobiltelefons durch seine damalige Partnerin keine Möglichkeit zur telefonischen Kontaktaufnahme gehabt zu haben, nach der förmlichen Mahnung durch das Landesgericht St. Pölten aus Angst vor einem Haftbefehl „untergetaucht“ zu sein, nunmehr eine Lehre als Speditionskaufmann anzustreben und das Haftübel bereits verspürt zu haben, erkennbar die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses (ON 102).

Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder eine bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht, und der Widerruf nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Die bloße Nichtbefolgung einer Weisung berechtigt in der Regel noch nicht zu dem Schluss, dass die Resozialisierungsmaßnahme erfolglos geblieben ist. Es müssen konkrete Anhaltspunkte Anlass zur Besorgnis geben, dass der Verurteilte seine soziale Integration nicht anstrebt und sich ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht straffrei verhalten werde (vgl Jerabek / Ropper in WK 2 StGB § 53 Rz 9). Die Nichtbefolgung der Weisung auch nach förmlicher Mahnung kann nur unter der weiteren Prämisse zum Widerruf führen, dass dies mutwillig geschieht, womit jede Art von Vorsatz einschließlich des dolus eventualis erfasst ist. Die bloß nachlässige (das heißt fahrlässige) Nichtbefolgung einer Weisung reicht nicht aus (OGH 12 Os 162/78; Jerabek / Ropper , aaO Rz 10, siehe dazu auch RIS-Justiz RS0092796).

Sich beharrlich dem Bewährungshelfer zu entziehen bedeutet, dass der Verurteilte die Einflussmöglichkeiten des Bewährungshelfers durch wiederholtes oder andauerndes Verhalten ausschaltet und solcherart zu erkennen gibt, Beratung und Hilfe des Bewährungshelfers nicht annehmen zu wollen (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 53 Rz 11 mwN).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* wurde mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 17. November 2022, GZ C* 13.2, unter anderem wegen des Vergehens des Diebstahls, teils durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 15 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Unter einem wurde gemäß § 50 Abs 1 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Nachdem laut Erstbericht der Bewährungshelferin (ON 17 in AZ C*) am 24. November 2022 der erste Termin mit A* stattgefunden hatte, musste er bereits am 25. Jänner 2023 förmlich gemahnt werden, wobei er dabei auf Probleme mit seinem Mobiltelefon sowie darauf verwies, infolge von Problemen mit seiner Pflegemutter in der Notschlafstelle nächtigen zu müssen (ON 19 in C*).

Nicht einmal einen Monat später beging A* die seiner nächsten Verurteilung durch das Landesgericht St. Pölten vom 3. April 2023, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ B*, zugrundeliegenden Tathandlungen nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB sowie § 50 Abs 1 Z 2 WaffG, für die eine Freiheitsstrafe von einundzwanzig Monaten verhängt wurde, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil im Ausmaß von vierzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (und die mit dem angefochtenen Beschluss widerrufen wurde).

Gleichzeitig sah das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 3 StGB vom Widerruf der A* mit dem vorangegangenen Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte die Probezeit dazu gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre. Mit gleichzeitigem Beschluss wurde wiederum gemäß § 50 Abs 1 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und A* gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, unmittelbar nach Haftentlassung eine Psychotherapie zu absolvieren und deren Verlauf unaufgefordert vierteljährlich dem Gericht nachzuweisen. Aus dem unbedingt verhängten Teil dieser Freiheitsstrafe wurde A* am 7. Juli 2023 aus der Justizanstalt ** bedingt entlassen (ON 35 in AZ B*).

Nachdem die Bewährungshelferin am 13. September 2023 (GZ B*-41) zunächst noch berichtet hatte, dass sich die Betreuungsbeziehung zu A* mangels Terminverlässlichkeit noch im Aufbau befinde, musste er am 22. April 2024 neuerlich im Rahmen einer Anhörung förmlich gemahnt werden (GZ B*-58). Da der Verurteilte bei diesem Termin über finanzielle Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Weisung zur Psychotherapie klagte, erörterte der Erstrichter mit ihm die Möglichkeit der Antragstellung der Kostentragung nach § 46 JGG und gewährte ihm für die Vorlage der Weisungseinhaltung eine Frist bis Ende Mai 2024. Beides führte zu keinen weiteren Veranlassungen des Verurteilten.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2024 (GZ C* 29, B* 68) teilte die Bewährungshelferin mit, dass sich der Verurteilte trotz ihrer intensiven Bemühungen nicht an die vereinbarten Termine halte, weshalb es lediglich zu lückenhaften Kontakten, zuletzt persönlich am 5. Juni 2024 und telefonisch am 10. Juli 2024 gekommen sei. Weitere Termine habe er trotz Vereinbarung nicht eingehalten.

Am 1. August 2024 beantragte die Staatsanwaltschaft St. Pölten den Widerruf der dem Verurteilten gewährten bedingten Strafnachsicht mit der Begründung, dass sich dieser beharrlich dem Einfluss der Bewährungshilfe entziehe und trotz förmlicher Mahnung die Weisung zur Psychotherapie nicht befolge (GZ C* 31, B* 69).

Bei dem Termin zur Anhörung zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft am 19. August 2024 (GZ C* 34, B* 72) gab A* an, am 13. August 2024 einen Termin bei einer Psychotherapeutin in D* wahrgenommen zu haben, wobei die Bestätigung darüber dem Gericht noch am selben Tag übermittelt wurde (GZ B* 71). Bei diesem Termin legte der Erstrichter A* nochmals nahe, die Termine mit seinem Bewährungshelfer wahrzunehmen und die Weisung zur Psychotherapie einzuhalten und sagte ihm zu, mit der Entscheidung über den Widerruf bis Ende September 2024 zuzuwarten.

Allerdings war dem weiteren Zwischenbericht vom 24. Oktober 2024 (GZ C* 39, B* 78) wieder kein regelmäßiger Kontakt des A* zur Bewährungshilfe zu entnehmen, vielmehr habe er seit 9. September 2024 nicht mehr telefonisch erreicht werden können und sei einer schriftlichen Einladung zu Terminen am 25. September sowie am 24. Oktober 2024 nicht nachgekommen (GZ B* 78, C* 39).

Gemäß dem Bericht vom 31. Oktober 2024 (GZ C* 43, B*-82) sei A* nach wie vor für den Bewährungshelfer nicht mehr greifbar, insbesondere sei er über die von ihm angegebene Telefonnummer nicht mehr erreichbar gewesen und habe außerdem auch nicht versucht, anderweitig Kontakt aufzunehmen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Verurteilten sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft Termine nicht wahrnehmen werde, weshalb gegen einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht keine Gründe vorgebracht werden könnten.

Im Akt erliegen auch seither keine weiteren Berichte über die Wiederaufnahme des Kontakts zur Bewährungshilfe oder über die Einhaltung der dem Verurteilten erteilten Weisung zur Psychotherapie.

Aus all dem lässt sich in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zwanglos ableiten, dass sich der Verurteilte ungeachtet vorangegangener kurzer Phasen unregelmäßiger Frequenz nunmehr seit mittlerweile über neun Monaten bzw acht Monaten (die letzten persönlichen Kontakte bestanden am 5. Juni 2024 und am 22. August 2024, der letzte telefonische Kontakt am 9. September 2024 [GZ C* 29 und 39, B* 68 und 78]) beharrlich dem Einfluss seines Bewährungshelfers entzogen hat.

Trotz Verdeutlichung der Notwendigkeit der Einhaltung der Termine mit der Bewährungshilfe anlässlich zweier förmlicher Mahnungen am 25. Jänner 2023 (GZ C* 19) sowie am 22. April 2024 (GZ B* 58) sowie anlässlich der Anhörung zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 19. August 2024 (GZ C* 34, B* 72) zeigte sich A* lediglich jeweils eine kurze Zeit schleppend compliant und hielt in weiterer Folge nicht nur die Termine nicht ein, sondern war für die Bewährungshilfe immer wieder und dann seit 9. September 2024 nicht einmal telefonisch erreichbar (GZ C* 39 und 43, B* 78 und 82), wobei er auch nicht versuchte, selbst Kontakt mit der Bewährungshilfe aufzunehmen. Das Argument des A*, seine Partnerin habe ihm sein Mobiltelefon bzw seine SIM-Karte weggenommen, ist angesichts der langen Zeiträume, in denen es keine Kontaktaufnahme seinerseits gab, nicht überzeugend.

Wenngleich es seit den Anordnungen von Bewährungshilfe am 17. November 2022 (GZ C* 13.2) bzw am 3. April 2023 (GZ B* 31.2) sporadisch zu Kontakten mit der Bewährungshilfe kam, so ist insgesamt und aufgrund des Abbruchs des Kontakts seit 22. August 2024 und somit seit nunmehr über neun Monaten davon auszugehen, dass sich A* der Bewährungshilfe beharrlich entzieht, zumal ein sinnvoller deliktsabhaltender Einfluss der Bewährungshilfe auf diese Weise nicht möglich ist.

Aber auch hinsichtlich der Einhaltung der Weisung zur Psychotherapie mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 3. April 2023 ist in Übereinstimmung mit dem Erstgericht deren mutwillige Nichtbefolgung anzunehmen. Trotz förmlicher Mahnung zur Weisungseinhaltung im Rahmen der persönlichen Anhörung am 22. April 2024 (GZ B* 58) ließ der Verurteilte eine ihm bis Ende Mai 2024 zur Vorlage einer entsprechenden Bestätigung gewährte Frist ungenützt verstreichen. Einen Termin bei dem Psychotherapeuten Mag. E* habe laut dessen Mitteilung vom 10. Juni 2024 (GZ B*-62) die Großmutter des A* vereinbart, beiden Terminen sei der Verurteilte aber unentschuldigt ferngeblieben.

Erst am 19. August 2024 übermittelte A* dem Gericht eine Bestätigung (GZ B*-71), wonach er am 13. August 2024 ein psychotherapeutisches Erstgespräch in der psychotherapeutischen Ambulanz in D* absolviert habe. Mangels Vorlage weiterer Bestätigungen durch A* ist jedoch nicht davon auszugehen, dass er Folgetermine eingehalten hat.

Weitere Aktivitäten bezüglich der Einhaltung seiner Weisung zur Psychotherapie sind dem Akt nicht zu entnehmen. Vielmehr ist dem Schreiben der Pflegemutter des A* vom 5. April 2024 (GZ B* 53) zusammenfassend zu entnehmen, dass der Verurteilte kein Interesse an der Absolvierung einer Psychotherapie habe (GZ B* 53).

Da sich die Bemühungen des A* zur Einhaltung der ihm aufgetragenen Psychotherapie im Zeitraum vom 3. April 2023 bis dato, und somit in über zwei Jahren in der Absolvierung eines Erstgesprächs an der psychotherapeutischen Ambulanz in D* am 13. August 2024 erschöpfen, ist in einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Verurteilten von Mutwilligkeit und nicht von einer bloß nachlässigen Nichtbefolgung der ihm aufgetragenen Weisung auszugehen.

In Übereinstimmung mit dem Erstgericht zeigen die wiederholten Verurteilungen des A*, und zwar je durch das Landesgericht St. Pölten, zunächst am 17. November 2022 (AZ C*) ungeachtet der mit seiner ersten Verurteilung am 6. September 2022 (AZ **) angeordneten Bewährungshilfe, neuerlich am 3. April 2023 (AZ B*), somit bereits etwa viereinhalb Monate nach der vorangegangenen Anordnung von Bewährungshilfe, sowie - ungeachtet der nächsten Anordnung von Bewährungshilfe sowie einer Weisung zur Psychotherapie – zuletzt neuerlich am 26. September 2023 (AZ **), deutlich auf, dass bei dem nunmehr neunzehnjährigen A* sowohl Bewährungshilfe und Psychotherapie dringend angezeigt wären, um ihn von der weiteren Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Da er diese Resozialisierungshilfen ungeachtet des Verspürens des Haftübels ablehnt bzw zu selten in Anspruch nimmt und vielmehr innerhalb kurzer Zeit wieder straffällig wurde, ist der Widerruf der A* bisher gewährten bedingten Strafnachsichten spezialpräventiv erforderlich, um ihn durch den Vollzug der verhängten Freiheitstrafen effektiver von der Begehung weiterer strafbarer Tathandlungen abzuhalten. Im Übrigen ist bei der Staatsanwaltschaft Wien nunmehr neuerlich ein Ermittlungsverfahren anhängig, zu dem sich A* seit 18. Februar 2025 in Untersuchungshaft befindet (AZ **). Die weiteren Versuche, ihn zur Inanspruchnahme von Bewährungshife und von Psychotherapie zu bewegen, sind daher auch im Hinblick auf die Zeiten, die er sich immer wieder in Haft befindet und durch die eine durchgehende Bearbeitung seiner Persönlichkeitsdefizite kaum möglich ist, nicht sinnvoll durchführbar.

Da der angefochtene Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen gerichteten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.