19Bs118/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 83 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. April 2025, GZ B*-29, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
B e g r ü n d u n g :
Text
A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Jänner 2024, GZ B*-16, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1 und Abs 1a StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 19. Oktober 2023, AZ **, nach dem Strafsatz des § 105 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43a Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen fünfmonatigen Zusatzfreiheitsstrafe und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á4 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt (ON 16). Gleichzeitig wurde ihm gemäß §§ 50 Abs 1, 51 StGB die Weisung erteilt, sich einem Antigewalttraining zu unterziehen, dem Gericht binnen einem Monat eine Bestätigung über den Beginn bzw zumindest einer Kontaktaufnahme mit einem solchen Institut und sodann alle fünf Monate bis zum Ende der Probezeit oder bis zur erfolgreichen Absolvierung dieses Antigewalttrainings Nachweise darüber vorzulegen (ON 16). Zum der gegenständlichen Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt wird auf den Protokolls- und Urteilsvermerke ON 16 verwiesen. Dem Bedachtnahmeurteil liegt ein Raufhandel (§ 91 Abs 1 StGB; Tatzeit 24. Juli 20 22 ) zu Grunde (Einsicht VJ).
Zunächst übermittelte A* eine Zeitbestätigung der C* vom 24. Jänner 2024, wonach er den Infotag des „D*) in der C* besuchte (ON 18.3). Diese Beratungs- und Betreuungsstelle spricht speziell Männer an, die von diversen Problemlagen betroffen sind, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen bzw eine Vermittlung erschweren (Internetrecherche [**]). Mit dem aufgetragenen Antiaggressionstraining steht diese Beratung schon ganz offensichtlich nicht in Zusammenhang. Am 9. Februar 2024 nahm der Verurteilte an einem Erst informationsgespräch bei der C* teil (ON 19.2). Den für 1. März 2024 vereinbarten Folgetermin nahm er nicht wahr (vgl ON 19.2). Nach Urgenz des Erstgerichts (vgl die Vfg und den Amtsvermerk auf ON 22) langte eine Bestätigung der Männerberatung bei der E* ein. Danach war A* 30. Juli 2024 von 17 bis 18 Uhr in der Beratungsstelle F* anwesend (ON 23.2).
Die mit 25. Februar 2025datierte (schriftliche) förmliche Mahnung gemäß § 53 Abs 2 StGB erhielt A* am 3. März 2025 (ON 24, ON 25 samt Zustellnachweis). Es langte keine weitere Bestätigung betreffend die Absolvierung der ihm erteilten Weisung bei Gericht ein. Am 16. April 2025gab A* anlässlich seiner Anhörung gemäß § 495 Abs 3 StPO (ON 25; zum Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf vgl ON 27) bekannt, dass ihm die Absolvierung eines Antiaggressionstrainings aufgrund von Schwangerschaftsproblemen seiner Frau nicht möglich gewesen sei. Nach wiederholter Terminverschiebung sei er von der C* nicht mehr zum Antiaggressionstraining zugelassen worden (ON 27).
Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht die gewährte bedingte Nachsicht des Vollzugs gemäß § 53 Abs 2 StGB aufgrund mutwilliger Nichtbefolgung der ihm aufgetragenen Weisung und der spezialpräventiven Notwendigkeit des Vollzugs der über ihn verhängten Freiheitsstrafe (ON 29).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 30), der keine Berechtigung zukommt.
Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht und dies nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Der Widerruf nach § 53 Abs 2 erster Fall StGB setzt die Erteilung einer förmlichen Mahnung und die nachfolgende Nichtbefolgung der Weisung aus bösem Willen voraus (RIS-Justiz RS0092796). „Mutwillig“ meint jede Art von Vorsatz. Eine bloß „nachlässige“ (also fahrlässige) Nichtbefolgung einer Weisung reicht nicht aus. Zudem muss der Vollzug der Strafe nach den Umständen geboten erscheinen, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Konkrete Anhaltspunkte müssen demnach Anlass zur Besorgnis geben, dass der Verurteilte seine soziale Integration nicht anstrebt und sich ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht straffrei verhalten werde ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 53 Rz 9f). Es kommt auf die persönliche Entwicklung des Rechtsbrechers insgesamt und die für deren Beurteilung maßgeblichen Umstände an ( Birklbauer/Oberlaberin SbgK § 53 StGB Rz 27).
Sämtliche Voraussetzungen für einen Widerruf liegen – so schon zutreffend das Erstgericht - gegenständlich vor.
Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers, der in einem Zeitraum von fünfzehn Monaten trotz Urgenz und einer fruchtlosen förmlichen Mahnung keine Bestätigung über den Beginn oder die Absolvierung eines Antigewalttrainings vorlegte, sondern – soweit weisungsrelevant – bloß eine Bestätigung über ein Erstinformationsgespräch und ein nicht näher definiertes Beratungsgespräch bei der Männerberatung der E*, ist kein ernstliches Bemühen abzuleiten, die ihm erteilte Weisung zu erfüllen. Die Angaben des Verurteilten, aufgrund von Schwangerschaftsprobleme seiner Frau zur Verschiebung von Terminen genötigt gewesen zu sein, woraufhin die Männerberatung die Betreuung beendet habe, überzeugen mit Blick auf den langen (frustrierten) Zeitraum von 15 Monaten nicht, zumal sich keine Bemühungen des Genannten erkennen lassen, ein Antiaggressionstraining, beispielsweise beim Verein G* (Internetrecherche), zu absolvieren. Damit geht auch sein Argument, dass Erstgericht von seinen Problemen in Kenntnis gesetzt zu haben, ins Leere.
Aus der Strafregisterauskunft erhellt ein massives Gewalt- und Aggressionspotential des neun (!) einschlägige Vorstrafen aufweisenden Verurteilten (auch Suchtgiftverbrechen richten sich gegen die menschliche Gesundheit [RIS-Justiz RS0091972]), der offenkundig nicht bereit ist, sein Charakterdefizit in Angriff zu nehmen. Die spezialpräventive Notwendigkeit des Widerrufs erhellt gerade aus dem stark getrübten Vorleben, der Wirkungslosigkeit bislang zahlreich gewährter Resozialisierungsmaßnahmen (Bewährungshilfe, teilbedingte Strafnachsicht, bedingte Entlassung, Probezeitverlängerung [Strafregisterauskunft ON 26]) und der Tatsache, dass er trotz des Verspürens eines insgesamt mehr als zehnjährigen Haftübels sich bloß zwei Jahre nach seiner Enthaftung aus einer mehrjährigen Haftstrafe (Punkt 9 der Strafregisterauskunft) erneut spezifisch einschlägig delinquierte (Raufhandel), dies zuletzt in ansteigender krimineller Energie (Körperverletzung und Nötigung).
Die - vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte - bis dato gelungene Vermeidung neuerlicher Delinquenz seit der verfahrensgegenständlichen Verurteilung stellt in Anbetracht der obigen Ausführungen keinen geeigneten Anhaltspunkt für eine günstige spezialpräventive Prognose dar.
Damit war der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.