18Bs340/24t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers A* gegen den Privatangeklagten und Antragsgegner B*wegen § 111 Abs 1 und 2 StGB; § 6 MedienG über die Berufung des Privatangeklagten und Antragsgegners wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. September 2024, GZ **-40, nach der am 15. Mai 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder, in Abwesenheit des Privatanklägers und Antragstellers A*, jedoch in Anwesenheit seiner Vertreterin Mag. Bogensberger sowie des Privatangeklagten und Antragsgegners B* durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG fallen dem Privatangeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger B* der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt und (ergänze: unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB) nach § 111 Abs 2 StGB zu einer - gemäß § 43a Abs 1 StGB im Ausmaß von 30 Tagessätzen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Geldstrafe von 60 Tagessätzen à sechs Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt (I./). Ferner sah das Erstgericht wegen fünf dieser Veröffentlichungen in Bezug auf den Privatankläger den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt (§ 6 Abs 1 MedienG) und verurteilte den Privatangeklagten deswegen als Medieninhaber binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zur Bezahlung im Einzelnen angeführter Entschädigungen (in Summe 1.800 Euro) an den Privatankläger (II./ und III./), trug diesem gemäß § 34 Abs 1 MedienG die Veröffentlichung der im Spruch genannten Urteilsteile in Frist und Form des § 13 MedienG unter der Sanktion des § 20 MedienG auf der Webseite ** auf (IV./), verwies jedoch den Privatankläger mit seinen Privatbeteiligtenanschlüssen auf den Zivilrechtsweg (V./).
Nach dem Inhalt des Urteils wurde
I./ B* schuldig erkannt, in ** A* in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft geziehen bzw eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt zu haben, indem er zu nachstehenden Zeitpunkten auf der frei zugänglichen Website ** behauptete
1.) am 19. Mai 2023 (Beilage ./1), dieser sei durchgeknallt und mutmaßlich nicht nur ein Hochstapler, sondern ein Betrüger;
2.) am 14. Juni 2023 (Beilage ./2), dieser habe den miesen Charakter eines Hochstaplers mit dem strengen Duft nach Betrugsvorsatz;
3.) am 1. Oktober 2023 (Beilage ./3), dieser sei ein hochstapelnder Brachialtroll;
4.) am 15. Oktober 2023 (Beilage ./4), dieser sei ein mit einem Bein im Kriminal stehender Hochstapler;
5.) am 10. Jänner 2024 (Beilage ./5), dieser sei ein durchgeknallter Hochstapler;
6.) am 27. Jänner 2024 (Beilage ./6), dieser sei ein hochstapelnder mehrfacher Bankrotteur mit der Wahnvorstellung, er sei ein Journalist;
7.) am 14. April 2024 (Beilage ./7), dieser sei ein durchgeknallter Hochstapler;
8.) am 12. August 2023 (Seite 18 in ON 1.1), dieser sei ein übler Hetzer und Dummschwätzer vom äußersten rechten Rand, dessen Bemühungen, ein Günstling zu werden, in der Rolle des servilen Brachialtrolls geendet hätten
wobei er die Taten durch Veröffentlichung auf der genannten Website, sohin auf eine Weise beging, durch die sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurden;
II./ festgestellt, dass durch die unter I./ beschriebenen Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2023 (Beilage ./3), 15. Oktober 2023 (Beilage ./4), 10. Jänner 2024 (Beilage ./5), 27. Jänner 2024 (Beilage ./6) und 14. April 2024 (Beilage ./7) in einem Medium in Bezug auf den Privatankläger den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt wurde (§ 6 Abs 1 MedienG);
III./ für die dadurch erlittene persönliche Beeinträchtigung der Privatangeklagte als Medieninhaber gemäß § 8 Abs 1 MedienG schuldig erkannt, dem Privatankläger binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen:
1.) für die Veröffentlichung vom 1. Oktober 2023 (Beilage ./3) 500 Euro;
2.) für die Veröffentlichung vom 15. Oktober 2023 (Beilage ./4) 400 Euro;
3.) für die Veröffentlichung vom 10. Jänner 2024 (Beilage ./5) 350 Euro;
4.) für die Veröffentlichung vom 27. Jänner 2024 (Beilage ./6) 300 Euro;
5.) für die Veröffentlichung vom 14. April 2024 (Beilage ./7) 250 Euro
(in Summe somit 1.800 Euro)
IV.) der Privatangeklagte gemäß § 34 Abs 1 MedienG zur Veröffentlichung folgender Urteilsteile in der Frist und Form des § 13 MedienG und unter Sanktion des § 20 MedienG auf der Website ** verpflichtet:
„Im Namen der Republik
B* ist schuldig, er hat in ** A* in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft geziehen bzw eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt, indem er zu nachstehenden Zeitpunkten auf der frei zugänglichen Website ** behauptete
1.) am 19.5.2023, dieser sei durchgeknallt und mutmaßlich nicht nur ein Hochstapler, sondern ein Betrüger;
2.) am 14.6.2023, dieser habe den miesen Charakter eines Hochstaplers mit dem strengen Duft nach Betrugsvorsatz;
3.) am 1.10.2023, dieser sei ein hochstapelnder Brachialtroll;
4.) am 15.10.2023, dieser sei ein mit einem Bein im Kriminal stehender Hochstapler;
5.) am 10.1.2024, dieser sei ein durchgeknallter Hochstapler;
6.) am 27.1.2024, dieser sei ein hochstapelnder mehrfacher Bankrotteur mit der Wahnvorstellung, er sei ein Journalist;
7.) am 14.4.2024, dieser sei ein durchgeknallter Hochstapler;
8.) am 12.8.2023, dieser sei ein übler Hetzer und Dummschwätzer vom äußersten rechten Rand, dessen Bemühungen, ein Günstling zu werden, in der Rolle des servilen Brachialtrolls geendet hätten;
wobei er die Taten durch Veröffentlichung auf der genannten Website, sohin auf eine Weise beging, durch die sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurden.
Er hat dadurch die Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB begangen und wurde dafür zu einer Geldstrafe sowie zur Zahlung einer Entschädigung an A* verurteilt.
Landesgericht für Strafsachen Wien
Abt. 113, am 2.9.2024“
V./ der Privatankläger mit seinen Privatbeteiligtenansprüchen wird auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Bei der Strafbemessung (zu I./) wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, als mildernd hingegen den bislang ordentlichen Lebenswandel.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach der Urteilsverkündung mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 39,7), jedoch unausgeführt gebliebene „ volle Berufung “ des Privatangeklagten.
Da der (Privat)angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung noch innerhalb offener Rechtsmittelfrist (§ 467 Abs 1 StPO) ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert findet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will, war auf die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe gemäß § 467 Abs 2 iVm § 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen. Dem angefochtenen Urteil haftet im Übrigen auch keine gemäß den §§ 290 Abs 1, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit an.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung wegen Nichtigkeit ist daher zurückzuweisen.
Bei der Berufung wegen Schuld, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche genügt hingegen die bloße Angabe, das Urteil anzufechten. Das Rechtsmittelgericht muss – auch ohne Vorbringen – alle für den Standpunkt des Berufungswerbers sprechenden Argumente aus eigenem in Anschlag bringen, außer der Berufungswerber hätte hinsichtlich einzelner Argumente unmissverständlich eine Einschränkung gemacht ( Ratz in WK-StPO § 467 Rz 2) bzw außerhalb der Ausführungsfrist erstattetes Vorbringen berücksichtigen.
Im Rahmen der Schuldberufung ist vom Rechtsmittelgericht prüfen, ob das Erstgericht für das Verfahren wesentliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse einer nachvollziehbaren und den Denkgesetzen entsprechenden Würdigung unterzog und die wesentlichen Gründe für die entsprechenden Tatsachenfeststellungen in gedrängter Form zur Darstellung brachte. Dabei gilt: Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, tut dies nichts zur Sache. Die Frage der Glaubwürdigkeit des Angeklagten und der Zeugen sowie die Beweiskraft ihrer Aussage sind der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten. Aus dem Grundsatz „ in dubio pro reo“ lässt sich nämlich keine negative Beweisregel ableiten, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich für die aus Sicht des Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Schuldberufung keine Berechtigung zu. Der Einzelrichter stützte seine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichungen ebenso wie zum Wahrheitsbeweis nachvollziehbar und widerspruchsfrei auf die vorliegenden Beweisergebnisse und legte auch mängelfrei dar, weshalb er davon ausging, dass der Privatangeklagte mit der erforderlichen subjektiven Tatseite handelte (US 8 ff).
Diesen Ausführungen konnte sich das Berufungsgericht bedenkenlos anschließen. Da somit auch das Rechtsmittelgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hegt, hat der Schuldspruch – ebenso wie die medienrechtliche Anspruchsgrundlage nach § 6 Abs 1 MedienG - Bestand.
Aber auch die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe/Höhe der Entschädigungsbeträge ist erfolglos.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsparameter zu Pkt I./ vollständig erfasst und auch tat- und schuldangenmessen gewichtet. Bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen nach § 111 Abs 2 StGB von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen ist die noch im untersten Bereich gefundene Sanktion tat- und täterschuldadäquat und wird auch generalpräventiven Erfordernissen gerecht. Die Anzahl der Tagsätze ist daher keiner Reduktion zugänglich.
Die Tagsatzhöhe basiert auf den festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten auch unter Berücksichtigung des Anspannungsprinzips ( Lässigin WK² StGB § 19 Rz 10). Die für den Nichteinbringungsfall festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe gründet auf § 19 Abs 3 StGB.
Eine bedingte Nachsicht eines größeren Strafteils kommt angesichts der Mehrzahl der Angriffe spezialpräventiv nicht in Betracht.
Ebenso wenig erfolgreich ist die Berufung in Ansehung der Entschädigungshöhe (Pkt III./ des Urteilsspruchs). Der Erstrichter hat die Entschädigungsbeträge bei einem gesetzlichen Rahmen nach § 8 Abs 1 MedienG (100 Euro bis 40.000 Euro pro Veröffentlichung) zutreffend unter Berücksichtigung der eher geringen Pension des Berufungswerbers, der persönlichen Beeinträchtigung des Privatanklägers und des Umstandes einer „Serienberichterstattung“ ausgemittelt (US 13).
Die Urteilsveröffentlichung wurde gesetzeskonform ausgesprochen.
Insgesamt ist der Berufung daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.