JudikaturOLG Wien

32Bs14/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 4. November 2024, GZ **4, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Vollzugsgericht einer Beschwerde des A* gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt ** vom 26. August 2024, GZ **, mit welchem dessen Antrag auf Vollzug von Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 24 Monaten, resultierend aus Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 26. September 2023, AZ ** (Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten), und des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 3. April 2023, AZ ** (Freiheitsstrafe von sechs Monaten), in Form des eüH abgewiesen worden war (ON 26 im eüH-Akt), nicht Folge.

Das Erstgericht stützte seine abweisende Entscheidung darauf, dass die zeitlichen Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 1 StVG nicht vorlägen. Gegen die Annahme einer bedingten Entlassung spräche zunächst das massiv belastete Vorleben des Beschwerdeführers. Nach Darstellung der Strafregisterauskunft wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer insgesamt zwölfteils im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehende Vorverurteilungen aufweise, die sich überwiegend gegen das Rechtsgut des fremden Vermögens richten würden. Insgesamt habe er im Zeitraum von Anfang 2005 bis Mitte 2018 Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 48 Monaten verbüßt. Das verspürte Straf übel habe ihn nicht davon abgehalten können, abermals einschlägig in mehreren Angriffen gegen das Rechtsgut des fremden Vermögens zu delinquieren, was eine beeindruckende Sanktions und Resozialisierungsresistenz zeige, sodass im Einklang mit der Einschätzung des Leiters der Justizanstalt ** anzunehmen sei, dass er aus dem Vollzug der in Rede stehenden Freiheitsstrafen nicht bedingt entlassen werde. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er die gesamte Freiheitsstrafe verbüßen werde.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, der moniert, dass das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweiche und der Beschluss rechtswidrig sei. Ein eüH komme für Verurteilte in Betracht, deren Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren betrage, wenn eine bedingte Entlassung zur Hälfte angenommen werde. Die Prognose für eine bedingte Entlassung bzw das dafür anzuwendende Ermessen sei vom Anstaltsleiter wie auch vom Vollzugsgericht nicht im Einklang mit dem Gesetz vorgenommen worden. Diese hätten sich nicht näher damit auseinandergesetzt, ob er in den Genuss einer bedingten Freiheitsstrafe (gemeint wohl: bedingten Entlassung) kommen könnte, es sei pauschal darauf hingewiesen worden, dass er dafür zu viele Vorstrafen habe. Die Prognose des künftigen Verhaltens erfordere eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, des Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Das Vollzugsgericht führe diese Grundsätze selbst an, würde sie aber nicht anwenden und nur darauf hinweisen, dass eine bedingte Entlassung aufgrund diverser einschlägiger Vorverurteilungen nicht in Betracht komme. Das private Umfeld, das redliche Fortkommen in Freiheit und dergleichen seien im Beschluss nicht einmal erwähnt worden, obwohl er bereits im Rahmen seines Antrags angegeben habe, dass er gemeinsam mit seinen Kindern eine geeignete Unterkunft bewohne und über eine geeignete Beschäftigung verfüge, bei der er ein monatliches Einkommen von 2.000 Euro erziele. Er sei auch ausreichend unfallund krankenversichert. Darüber hinaus sei er noch nie in den Genuss einer bedingten Entlassung gekommen und wäre es für ihn ein grober Nachteil, einen Teil der Freiheitsstrafe in Haft verbringen zu müssen, weil dies negative Konsequenzen für seinen Arbeitsplatz habe, sowie für seine beiden minderjährigen Kinder, die ihren Vater als Bezugsperson brauchen würden. Dass das Vollzugsgericht diese Umstände zu berücksichtigen gehabt hätte, ergebe sich auch aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, AZ 32 Bs 280/23w. Dort sei im Fall eines mehrfach einschlägig vorbestraften Antragstellers, der bereits mehrfach das Haftübel verspürt habe, ausgeführt worden, dass das Erstgericht sich etwa nicht damit auseinandergesetzt habe, dass der Verurteilte sich nach seinem letzten Strafvollzug wohlverhalten und nicht neuerlich delinquiert habe. Es sei nicht auf sämtliche für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände Bedacht genommen worden und daher der innerhalb der gesetzlichen Parameter zukommende Beurteilungsspielraum überschritten und nicht im Sinne des Gesetzes geübt worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Verurteilte seit seiner zuletzt erfolgten bedingten Entlassung am 28. März 2021 keine strafbaren Handlungen mehr gesetzt habe (ON 5).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Hat das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern ( Pieber in WK 2StVG § 16a Rz 5; Drexler/Weger, StVG 5 § 16a Rz 2).

Die Bewilligung eines eüH hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dieser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 StVG keine Rechtswidrigkeit.

Voraussetzung der Bewilligung des eüH ist gemäß § 156c Abs 1 Z 1 StVG unter anderem auch, dass die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs 2 StVG voraussichtlich nicht übersteigen wird, wodurch bei Beurteilung der noch zu verbüßenden Strafzeit auch auf eine voraussichtliche bedingte Entlassung Bedacht zu nehmen ist ( Drexler/Weger , aaO § 156c Rz 4). Die Vollzugsbehörde erster Instanz hat eine eigene auf den entscheidungsrelevanten Zeitpunkt bezogene Prognose darüber anzustellen, ob bzw wann der Beschwerdeführer voraussichtlich bedingt entlassen wird. Dabei ist nicht nur auf die Persönlichkeit des Strafgefangenen und seine Aussicht auf ein redliches Fortkommen nach der Haft zu blicken, sondern auch auf die Entscheidungspraxis der Vollzugsgerichte ( Drexler/Weger , aaO Rz 4/1; Walser, Recht und Wirklichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests, S 94 mit Verweis auf EBRV 772 BlgNR 24. GP 6). Für die Annahme bedingter Entlassung ist jedenfalls hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich ( Drexler/Weger, aaO Rz 4 mwN). Die Einschätzung der voraussichtlich noch zu verbüßenden Strafzeit unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Zeitpunkts der bedingten Entlassung ist eine typische Ermessensentscheidung im Sinne des § 16a Abs 2 StVG (Oberlandesgericht Wien, AZ 33 Bs 329/16y, AZ 132 Bs 345/18g).

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist ein Verurteilter nach Verbüßung zumindest der Hälfte der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe nur dann bedingt zu entlassen, wenn anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abgehalten wird. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 46 Abs 2 StGB).

Zunächst ist festzuhalten, dass eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der 24-monatigen Freiheitsstrafe nicht geeignet ist, die zeitlichen Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 1 StVG herzustellen, da die Reststrafzeit über einem Jahr liegt.

Die Annahme einer bedingten Entlassung zum Hälftestichtag würde die Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 1 StVG zwar herstellen. Diese wurde aber vom Erstgericht fallkonkret zutreffend verneint.

Vorauszuschicken ist, dass Bezugspunkt der Entscheidung nur der Beschluss des Vollzugsgerichts, nicht jedoch die – vom Beschwerdeführer auch in Kritik gezogene - Entscheidung des Anstaltsleiters sein kann.

Zunächst vermag das Monitum des Beschwerdeführers, das Erstgericht habe seine Ablehnung auf einen einzigen Grund, nämlich sein „massiv belastetetes Vorleben“ gestützt, nicht zu überzeugen, weil das Erstgericht nicht nur die Vorstrafen anführte, sondern sich mit diesen auch auseinandersetzte und insbesondere aus dem mehrfach verbüßten Haftübel und den dennoch neuerlich gesetzten strafbaren Handlungen logisch nachvollziehbar auf eine beeindruckende Sanktions- und Resozialisierungsresistenz des Beschwerdeführers schloss. Inwiefern der vom Beschwerdeführer aufgezeigte Umstand, dass er noch nie in den Genuss einer bedingten Entlassung gekommen sei, für seinen Beschwerdestandpunkt sprechen soll, vermag sich dem Vollzugssenat nicht zu erschließen.

Dem Vollzugsgericht ist beizupflichten, dass angesichts der – unter Berücksichtigung von zwei verhängten Zusatzstrafen gemäß §§ 31, 40 StGB - acht bis ins Jugendalter zurückreichenden Vorstrafen, der mehrfachen Erfahrung des Haftübels im Gesamtausmaß von 48 Monaten, wobei die letzte Strafe mit 22. Juni 2018 vollstreckt wurde, und des Umstands, dass dem nun anstehenden Strafvollzug mehrere Tatangriffe zugrunde liegen, bereits aus spezialpräventiven Erwägungen tatsächlich nicht von einer bedingten Entlassung zum Hälftestichtag auszugehen ist.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 26. Februar 2024, AZ 32 Bs 280/23w, ins Treffen führt, ist vorauszuschicken, dass das Oberlandesgericht in diesem Fall die erstgerichtliche Entscheidung aufhob, weil – bei einem mehrfach vorbestraften Täter, der auch bereits das Haftübel verspürt hatte - gänzlichunberücksichtigt geblieben war, dass der Verurteilte eine in einem Bedachtnahmeurteil verhängte Freiheitsstrafe nicht nur (teilweise) im Wege des eüH verbüßt hatte, sondern auch, dass er aus dieser Strafhaft im März 2021 bedingt entlassen worden war und sich seither wohlverhalten hatte, womit für die nach § 156c Abs 1 Z 1 StVG zu treffende Prognoseentscheidungen bedeutsame und damit ins Kalkül zu ziehende Umstände übergangen worden seien. Zunächst liegt beim Beschwerdeführer ein (zwischenzeitig) erfolgreich im eüH verbüßter Vollzug nicht vor. Dass er zuletzt im Juni 2022 strafbare Handlungen gesetzt hat und das Haftübel zuletzt im Jahr 2018 verspürt hat, wurde vom Erstgericht – wenngleich teilweise nur implizit – ohnedies berücksichtigt (vgl BS 7), sodass das Erstgericht gerade keinen bedeutsamen und damit ins Kalkül zu ziehenden, für den Beschwerdeführer sprechenden Umstand außer Betracht gelassen hat. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang moniert, dass das Erstgericht weder die geeignete, mit seinen im Jahr 2017 und 2020 geborenen Kindern bewohnte Unterkunft noch die geeignete Beschäftigung oder seine Krankenund Unfallversicherung berücksichtigt habe, ist er zunächst darauf zu verweisen, dass das Vorliegen dieser Umstände geeignet ist, die Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 2 lit a, b, c und d StVG herzustellen und damit unverzichtbare Grundlage jedes eüH sind. Welchen Einfluss das Vorhandensein eines Kranken- und Unfallversicherungsschutzes auf die im Rahmen des § 46 Abs 1 StGB vorzunehmende Prognoseentscheidung haben soll, vermag die Beschwerde nicht zu erklären. Gleiches gilt für den Umstand, Kinder zu haben, konnte dies den Verurteilten doch auch nicht von der Begehung der zuletzt gesetzten strafbaren Handlungen abhalten. Da nicht einmal behauptet wird, dass er zum Zeitpunkt der zuletzt gesetzten strafbaren Handlungen keine Beschäftigung oder keine Unterkunft gehabt hätte, war auch nicht indiziert, dass eine Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre, unter denen er die Taten begangen hat (vgl § 46 Abs 4 StGB).

Sohin hat das Vollzugsgericht in seiner Ermessens entscheidung auf die wesentlichen Umstände Bedacht genommen und damit den innerhalb der gesetzlichen Parameter zukommenden Berurteilungsspielraum nicht überschritten. Der Schlussfolgerung, dass von einer bedingten Entlassung zum Hälftestichtag angesichts des Vorlebens des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen ist, haftet demnach keine Willkür an.

Da die in §§ 156b und 156c StVG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines eüH nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen müssen, wobei das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen zur Ablehnung des Antrags führt ( Drexler/Weger, StVG 5 § 156d Rz 5 mwN), war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung :

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.