JudikaturOLG Wien

7Rs122/24y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Derbolav-Arztmann und Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter Kammerrätin Anneliese Schippani und Mag. Michael Burger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle **, **, wegen Invaliditätspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 19.6.2024, ** 40, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1.10.2022 gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, dass Invalidität nicht vorliegt und kein Anspruch auf medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation und kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung besteht.

Auf den festgestellten Sachverhalt (Urteilsseiten 2 bis 4) wird verwiesen und daraus Folgendes hervorgehoben:

Der Kläger ist am ** geboren und hat seit 1.10.2007 insgesamt 75 Beitragsmonate der Pflichtversicherung durch eine Erwerbstätigkeit in der Pensionsversicherung erworben.

Spätestens seit September 2022 besteht beim Kläger die nachstehende eingeschränkte Arbeitsfähigkeit (Leistungskalkül): Der Kläger kann nur mehr körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten. Arbeiten gebückter, gebeugter oder Zwangshaltung mehr als zweidrittelzeitig diskontinuierlich maximal 40 Minuten ununterbrochen, Arbeiten in Nässe und/oder Kälte, an höhenexponierten Stellen, an sturzgefährdeten Stellen, an gefährlichen Maschinen, mit Lenken eines Fahrzeuges über 3,5 Tonnen, feinstmotorische Tätigkeiten sowie Nacht- und Schichtarbeiten kann der Kläger nicht mehr ausüben. Er kann geistig mittelschwere Arbeiten unter maximal drittelzeitig besonderem Zeitdruck verrichten, die mit einer maximal mittleren Verantwortlichkeit verbunden sind und eine maximal mittlere emotionale Stabilität erfordern. Der Kläger kann den Arbeitsplatz uneingeschränkt erreichen. Wenn der Kläger im Rahmen dieses Leistungskalküls arbeitet, so sind Krankenstände nicht zu erwarten. Eine absehbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht zu erwarten.

Mit diesem Leistungskalkül kann der Kläger unter anderem noch folgende Berufstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben: Verpackungsarbeiten in Leichtwarenbranchen. […]

Rechtlichfolgerte das Erstgericht, in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1.10.2022 habe der Kläger 75 Pflichtversicherungsmonate durch eine Erwerbstätigkeit nach dem ASVG erworben, sodass seine Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen sei. Da es aber Berufstätigkeiten auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gebe, die er mit seiner gesundheitlich eingeschränkten Arbeitsfähigkeit noch ausüben könne, sei er weder invalid iSd § 255 noch iSd § 255b ASVG.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unzutreffender Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung, in eventu iSd des Eventualbegehrens abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens meint der Berufungswerber in einem Begründungs- und Stoffsammlungsmangel zu erblicken und moniert die Unterlassung seiner Einvernahme als Partei, die er im Zusammenhang mit den bestehenden physischen und psychischen Einschränkungen beantragt habe, die aber vom Erstgericht ohne Begründung abgelehnt worden sei. Aus seiner Einvernahme wäre eine abweichende neurologisch-psychiatrische Beurteilung zu erwarten gewesen, aufgrund welcher der Klage stattzugeben gewesen wäre.

Die Mängelrüge kann schon aufgrund der fehlenden konkreten Angabe der Feststellungen, die durch seine Einvernahme zu treffen gewesen wären, nicht erfolgreich sein (RS0043039). Ebenso wenig vermag er die Relevanz der vermissten Begründung anzuführen.

Im Übrigen ist die Parteienvernehmung im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung zur Klärung medizinischer Fragen regelmäßig entbehrlich, dies insbesondere dann, wenn der Kläger, wie im vorliegenden Fall, im Rahmen der Anamnese bei den gerichtlichen Sachverständigen, so auch bei jenem aus dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet (ON 29), Gelegenheit hatte, seine Leidenszustände zu schildern, die das Gericht mangels eigener medizinischer Kenntnisse ohnehin nicht beurteilen könnte (SV-Slg 44.343, 44.366, 44.382 uva).

Mit der Beweisrüge bekämpft der Kläger die bei der auszugsweisen Wiedergabe des festgestellten Sachverhalts unterstrichenen Feststellungen und begehrt statt dessen auf Basis der unbeachtet gebliebenen Ausführungen des behandelnden Psychiaters (./M) folgende:

„Der Kläger leidet an einem depressiven Syndrom, Panikattacken, einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie an Insomnie. Der Kläger ist gegenwärtig – bis auf weiteres - nicht arbeitsfähig. Demgemäß ist der Kläger nicht mehr in der Lage, einer am allgemeinen Arbeitsmarkt noch bewerteten Tätigkeit nachzukommen; eine wie auch immer geartete Arbeitsfähigkeit ist aufgrund der bestehenden Einschränkungen definitiv ausgeschlossen; eine Besserbarkeit kann nicht erwartet werden.“

Das Erstgericht hat die bekämpften Feststellungen zum Leistungskalkül des Klägers nachvollziehbar auf die ihm schlüssig erschienenen Gutachten der von ihm im Verfahren bestellten medizinischen Sachverständigen aus diversen Fachgebieten gestützt. Daran vermag die Berufung keine Bedenken zu erwecken.

Entgegen der Behauptung des Berufungswerbers blieb der Befund des behandelnden psychiatrisch-neurologischen Facharztes vom 5.4.2024 (./M) keineswegs unberücksichtigt. Vielmehr hat der vom Erstgericht bestellte Sachverständige aus eben diesen Fachgebieten diesen Befund samt darin angeführter Diagnosen und Status in seinem Gutachten berücksichtigt und diesem zu Grunde gelegt (S 2 in ON 29). Damit hat sich das Erstgericht im Verfahren auch mit diesem Befund im ausreichenden Maße beschäftigt. Einer weiteren, von der Berufung vermissten Auseinandersetzung bedurfte es hier nicht.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, allfällige Widersprüche zwischen einem Befund und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten anschließen. Dem Privatgutachten bzw Befunden wird damit wegen der fehlenden gesetzlichen Garantien der Unparteilichkeit ein geringerer Beweiswert beigemessen (vgl RS0040592 [T2]). Sie können somit das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht widerlegen.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts.

Damit war der unberechtigten Berufung ein Erfolg zu versagen.

Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG wurden in der Berufung nicht vorgebracht und sind auch aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen.

Da keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten war, ist die ordentliche Revision nicht zuzulassen. Eine Rechtsrüge wurde nicht erhoben.