7Ra94/24f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Derbolav-Arztmann und Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter Kammerrätin Anneliese Schippani und Ing. Mag. Michael Burger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , Vertragsbedienstete, **, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur, **, wegen (zuletzt) EUR 13.884,58,- s.A. und Feststellung (RATG EUR 17.000,-), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 4.4.2024, **-20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.724,35 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend. Es genügt daher eine auf die wesentlichen Punkte beschränkte Begründung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a zweiter Satz ZPO).
Die Klägerin war vom 1.9.1999 bis zur ex lege Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ablauf des 9.6.2021 als Vertragsbedienstete im Kanzleidienst bei der beklagten Partei beschäftigt. Zuletzt arbeitete die Klägerin am Bezirksgericht B* in einer Außerstreitabteilung. Aufgrund einer Autoimmunerkrankung und der damit im Zusammenhang stehenden besonderen Vulnerabilität galt die Klägerin im Rahmen der Covid-19-Pandemie als Risikopatientin.
Während des ersten Lockdowns vom 17.3.2020 bis 21.6.2020 war die Klägerin im Home-Office tätig. Die Home-Office-Regelung wurde vom Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichts B* (BG B*) mit Schreiben vom 15.6. widerrufen. Die Klägerin wurde angewiesen, ihren Dienst ab 22.6. vor Ort an der Dienststelle ausschließlich in Präsenz zu verrichten. Die Klägerin arbeitete am 22.6. und 30.6.2020 am Bezirksgericht B*.
Am 23.6.2020 sowie am 24.6.2020 blieb sie unentschuldigt vom Dienst fern. Vom 26.6.2020 bis 29.6. und ab 1.7.2020 bis zur ex lege Beendigung des Dienstverhältnisses befand sich die Klägerin im Krankenstand.
Während des Krankenstands wandte sich die Klägerin an das Oberlandesgericht C* (OLG C*) und ersuchte, ihre Tätigkeit im Home-Office fortsetzen zu können. Dieses Ersuchen wurde mit Schreiben vom 16.11.2020 abschlägig behandelt.
Mit Schreiben vom 18.2.2021 wurde die Klägerin in Kenntnis gesetzt, dass ihr Dienstverhältnis gemäß § 24 Abs 9 VBG mit Ablauf des 9.6.2021 enden werde, wenn der Dienst bis zu diesem Zeitpunkt nicht angetreten werde und sich die Klägerin bis dahin weiterhin im Krankenstand befinde. Die Krankenstände vom 26.6.2020 bis 29.6.2020 sowie ab 1.7.2020 wurden mit den vorangehenden vom 24.1.2020 bis 31.1.2020 und 2.3.2020 bis 10.3.2020 zusammengerechnet. Da die Klägerin innerhalb der Jahresfrist den Dienst nicht mehr antrat, wurde das Arbeitsverhältnis am 9.6.2021 ex lege beendet.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde von Seiten der Klägerin nicht bekämpft.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezog die Klägerin infolge vorübergehender Berufsunfähigkeit Rehabilitationsgeld.
Mit Klage vom 16.11.2023 begehrte die Klägerin (zuletzt) EUR 13.884,58,- s.A. (EUR 10.000,- Schmerzengeld und Verdienstentgang) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftige Schäden aufgrund der Verletzung der Fürsorgepflicht. Mit Schriftsatz vom 20.3.2024 begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die beklagte Partei aufgrund der Verletzung der Fürsorgepflicht und der Verweigerung von Homeoffice in dem mit 30.6.2021 beendeten Dienstverhältnis, für sämtliche künftige Schäden hafte, in eventu, aufgrund der Verletzung der Fürsorgepflicht und der Verweigerung von Homeoffice im Zeitraum 16.11.2020 bis 30.6.2021 für sämtliche künftigen Schäden hafte.
Sie brachte zusammengefasst vor, dass die beklagte Partei die Schäden aus der rechtswidrigen und schuldhaften Verweigerung einer Home-Office-Lösung mit Schreiben des Oberlandesgerichts C* vom 16.11.2020 und durch die Ablehnung der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht verursacht habe. Nach Anordnung der Dienstleistung in Präsenz durch den Gerichtsvorsteher des BG B* und der dadurch entstandenen Drucksituation sei die Klägerin an einer Angststörung erkrankt, habe sich allerdings bereits auf dem Weg der Besserung befunden und sei im Herbst 2020 davon ausgegangen, dass das OLG C* auf ihre Initiative den rechtmäßigen Zustand wieder herstellen würde. Da erst nach dem Schreiben vom 16.11.2020, als erster Stellungnahme der zur Entscheidung befugten Leitung der Dienstbehörde, klar gewesen sei, dass das OLG C* tatsächlich auf Präsenztätigkeit bestehe und eine Home-Office-Lösung sowie eine Dienstfreistellung verweigere, habe sie einen gesundheitlichen Zusammenbruch, eine schwere Erschöpfungsdepression, erlitten, welche bis dato andauere und welche kausal für die Ruhestandsversetzung gewesen sei. Der im Herbst 2020 bestehende Krankenstand wäre durch das rechtskonforme Verhalten des Arbeitgebers umgehend zu beenden gewesen.
Die Klägerin habe im Zuge ihrer mehrwöchigen Home-Office-Tätigkeit den Kanzleibetrieb erfolgreich und unbeanstandet geführt. Die Home-Office-Regelung sei vom damaligen Gerichtsvorsteher des BG B* ohne nähere Begründung überraschend widerrufen und die Klägerin angewiesen worden, ab 22.6.2020 Dienst in Präsenz zu verrichten. Am BG B* habe es während der Öffnungszeiten keine Räumlichkeiten gegeben, bei welchen ein Kontakt mit dritten Personen und sohin eine Infektion gänzlich unterbunden hätte werden können. Ein isolierter Raum sei nie angeboten worden. Es habe regelmäßigen Parteienverkehr gegeben, ein Kontakt zu allenfalls infektiösen Kollegen sei nicht auszuschließen gewesen. Darüber hinaus seien Parteien auf den Gängen anwesend gewesen und Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz nur unzureichend umgesetzt worden. Es habe weder Trennwände gegeben noch regelmäßige Reinigungen von Oberflächen.
In Anbetracht der technisch vorhandenen Möglichkeiten und des Umstands, dass die Klägerin an einer Autoimmunerkrankung leide, sei die beklagte Partei in Einhaltung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht angehalten gewesen, der Klägerin Home-Office zu gewähren oder sie vom Dienst freizustellen. Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht sei darauf ausgerichtet, Sittlichkeit und Gesundheit der Bediensteten zu schützen und deren Wahrung zu gewährleisten. Gerade dagegen sei verstoßen worden und somit die Gesundheit der Klägerin geschädigt worden. Im konkreten Fall sei daher der Rechtswidrigkeitszusammenhang jedenfalls erfüllt.
Das Klagebegehren sei nicht verjährt. Die Klägerin stütze sich auf die Rechtsverletzung durch die neuerliche Ablehnung des OLG C* vom November 2020. Zudem seien die Unterlassungshandlungen der beklagten Partei als Dauertatbestand zu werten, welcher den Beginn der Verjährungsfrist ausschließe. Eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit liege nicht vor, da die Klägerin aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands nicht in der Lage gewesen sei, die Beendigung des Dienstverhältnisses zu bekämpfen.
Die beklagte Partei wandte ein, dass sowohl der Gerichtsvorsteher des BG B* als auch der Präsident des OLG C* das Ansinnen der Klägerin auf Home-Office in Übereinstimmung mit den damals geltenden Covid-19-Bestimmungen abgelehnt hätten, ihnen kein rechtswidriges Verhalten und keine Verletzung der Fürsorgepflicht anzulasten seien. Jedenfalls stünden etwaige Gesundheitsschäden der Klägerin nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den in Rede stehenden dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen. Da das Bezirksgericht B* im Jahr 2020 noch nicht auf die digitale Aktenführung umgestellt gewesen sei, habe – mit Ausnahme der besonderen Krisenmonate von März bis Juni 2020, in denen der Arbeitsaufwand nicht mit jenem der Zeit nach dem 22.6.2020 zu vergleichen gewesen sei, da mit 1.7.2020 wieder auf den normalen Gerichtsbetrieb umgestellt worden sei, kein Kanzleibediensteter am dortigen Gericht im Home-Office gearbeitet. Lediglich Diplomrechtspflegern sei die Möglichkeit gegeben worden, an zwei Tagen pro Woche im Home-Office zu arbeiten. Dem Wunsch der Klägerin auf ausschließliche Telearbeit seien rechtliche, technische und faktische Gründe entgegen gestanden. Im Wissen um deren besondere Vulnerabilität sei ihr im fünften Stock des BG B* ein Einzelzimmer eingerichtet und sie von jeglichem Parteienverkehr befreit worden. Es seien ihr, wie den übrigen Bediensteten, Desinfektionsmittel, FFP2-Masken, ein Glasvisier zur Verfügung gestellt worden. Auch seien die Ansprüche im Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits verjährt gewesen. Bereits im Juli 2020 sei eine schwere depressive Angststörung diagnostiziert worden und ab 1.7.2020 habe sich die Klägerin im Dauerkrankenstand befunden. Die nunmehr geltend gemachten Ansprüche seien somit lediglich vorhersehbare Folgeschäden gewesen. Die Klägerin sei mit 15.6. zum Dienstantritt aufgefordert worden und seitens der beklagten Partei kein allfälliges weiteres schädigendes Verhalten gesetzt worden. Dass die Klägerin sich bis zum Schreiben vom 16.11.2020 eine andere Vorgehensweise erhofft habe, begründe keine neue schädigende Handlung durch dieses Schreiben. Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Klägerin bereits anwaltlich vertreten gewesen (./12). Da sie die Beendigung gegen sich habe wirken lassen, liege eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit vor. Sie hätte bereits im Jahr 2020 eine Feststellungsklage auf Zulässigkeit des Home-Office bzw auf Feststellung, dass sie nicht zum Dienstantritt vor Ort verpflichtet sei, einbringen müssen. Da der Anspruch schon dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe, fehle ein Feststellungsinteresse.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht sämtliche Klagebegehren ab.
Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als außerstreitstehend an und stellte weiters Folgendes fest:
Die Klägerin war beim Oberlandesgericht C* 21 Jahre im Kanzleidienst tätig. Zuletzt war sie in einer Außerstreitabteilung am BG B* beschäftigt. Die Klägerin konnte ihre Arbeitsstelle von Zuhause aus zu Fuß erreichen.
Das Bezirksgericht B* war im Jahr 2020 noch nicht auf die digitale Aktenführung umgestellt. Mit Ausnahme der ersten Lockdown-Phase von März bis Juni 2020 war keine Kanzleibedienstete und kein Kanzleibediensteter am dortigen Gericht im Home-Office tätig. Der Start der digitalen Aktenführung erfolgte beim BG B* in den Verfahrensgattungen C, Jv, MSch, Ns und U per 29.11.2021 (./9). Der Start der Pilotierung von D* im Außerstreitverfahren ist im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht erfolgt (./10). Da im Jahr 2020 und auch noch im Jahr 2021, selbst im Jahr 2024, die Aktenführung am BG B* im Außerstreitbereich auf Papier war, standen dem Wunsch der Klägerin auf ausschließliche Telearbeit technische und faktische Gründe entgegen.
Dessen ungeachtet arbeiteten während des ersten Lockdowns die meisten Bediensteten im Home-Office. Dieses Home-Office war allerdings von der echten Telearbeit, wofür ein entsprechender Arbeitsplatz und die technische Ausstattung erforderlich waren (./2), zu unterscheiden. Auch die Klägerin arbeitete in dieser Phase erfolgreich im Home-Office. Sie bekam einen Laptop zur Verfügung gestellt und hatte Zugriff auf sämtliche Register. Das Gerichtstelefon wurde auf ihr Handy übergeleitet und sie hatte die Möglichkeit, Parteiengespräche zu führen und stand im ständigen Austausch mit den Rechtspflegern und Richtern. Die Klägerin bereitete die einzelnen Arbeitsschritte Zuhause vor und ließ die erforderlichen Schriftstücke, beispielsweise Ladungen, am Gericht ausdrucken.
Allabendlich musste ein Aktentausch vorgenommen werden, den die Klägerin mit der Unterstützung ihres Mannes bewältigte. Ihr Gatte führte die Klägerin mit dem PKW von und zur Arbeitsstätte und transportierte mit demselben die umfangstarken P-Akten zwischen Gericht und Wohnung. Die Klägerin arbeitete jeden Abend in der Kanzlei noch ein bis zwei Stunden, sortierte die Ausdrucke in die jeweiligen Akten, kuvertierte die Ladungen, legte die Akten in die jeweiligen Einlauffächer und kontrollierte die Kostenfächer. Sodann übernahm sie den Stapel der für sie vorbereiteten Akten, um ihn am nächsten Tag im Home Office zu erledigen. Die Klägerin kam am Abend zu einer Zeit aufs Gericht, als sie niemandem sonst begegnete und konnte durch ihren persönlichen Einsatz die an sie gestellten Anforderungen erfüllen. Es gab zu keiner Zeit Beanstandungen. Der Gerichtsbetrieb war in dieser Zeit auf das Notwendigste reduziert.
Mit Mail des damaligen Gerichtsvorstehers des BG B* vom 19.5.2020 wurde die Klägerin in Kenntnis gesetzt, dass die Telearbeit bis 19.6. verlängert werde, der Dienst ab 22.6. in Präsenz aufzunehmen sei und sie am Montag, Mittwoch und Freitag (keine Amtstage) an der Dienststelle ihre Arbeit zu verrichten habe. An den restlichen Tagen werde weiterhin Home-Office genehmigt (./1). Bereits mit diesem Schreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass für sie der Amtsraum ** – ein Einzelraum – zur Verfügung stehe und sie ausschließlich für die Bearbeitung von Akten und das Führen von Telefonaten zuständig sei. Den Parteienverkehr habe die Mundantin bzw die Vertretung zu übernehmen (./1). Des Weiteren wurde die Klägerin in Kenntnis gesetzt, dass die notwendige Schutzausrüstung (Glasvisier, Mundschutzmaske und Desinfektionsmittel) vorhanden sei.
Mit 1.7. sollte nach dem Aufheben des Lockdowns und weiteren Lockerungen und mehreren Verordnungen, mit denen an den Dienststellen diverse Sicherheitsvorkehrungen etabliert werden konnten, der reguläre Gerichtsbetrieb im OLG-Sprengel C* wieder aufgenommen werden (./1). Grundsätzlich sollten ab diesem Zeitpunkt alle Bediensteten mit Ausnahme der echten Telearbeit ihren Dienst wieder an der Dienststelle verrichten (./2). Mit Mail an sämtliche Präsident:innen und Gerichtsvorsteher:innen vom 14.6.2020 stellte der damalige Präsident des Oberlandesgerichtes C* klar, dass Dienstverrichtung im „Home-Office“ im Unterschied zu der echten Telearbeit nur mehr für Bedienstete mit einem Covid-19-Attest, denen überdies ein sicherer Arbeitsplatz oder eine weitestgehend sichere Anreise zur Dienststelle nicht gewährleistet werden könne, und für Bedienstete mit gravierenden Betreuungsproblemen zu ermöglichen ist (./2).
Da ab 1.7.2020 auf einen regulären Gerichtsbetrieb umgestellt wurde, waren die Anforderungen allgemein und auch jene an die Klägerin im Außerstreitbereich am BG B* höher. Da der Klägerin kein Telearbeitsplatz zur Verfügung stand, wären die Anforderungen im Home-Office nicht zu erfüllen gewesen.
Entsprechend der Anordnung vom 19.5.2020 (./1) nahm die Klägerin am Morgen des 22.6.2020 ihren Dienst am BG B* auf. Zu diesem Zeitpunkt war für sie bereits im fünften Stock ein Einzelzimmer eingerichtet und sie war tatsächlich von jeglichem Parteienverkehr befreit. Die von ihr zu bearbeitenden Akten wurden ihr vor die Kanzleitür gelegt, der Parteienverkehr wurde von der Vertretung bzw der Mundantin vorgenommen. In dem für die Klägerin bestimmten Amtsraum lagen Desinfektionsmittel, Mundschutzmasken, Desinfektionsmittel und ein Glasvisier für sie bereit. Die Klägerin verwendete ihre eigenen FFP2-Masken und ihr eigenes Desinfektionsmittel. Ab Beschaffung der FFP2-Masken durch den Dienstgeber wurden diese an die Bedienstetetn weiter gegeben. Das war noch im Sommer spätestens Herbst 2020, jedenfalls vor dem 16.11.2020 (./B).
Die Klägerin konnte nicht jeglichen Personenkontakt vermeiden. Zum einen begegneten ihr Kollegen auf dem Weg zum WC bzw auf dem Weg in die Küche, zum anderen betraten auch unaufgefordert Personen ihr Zimmer. Es handelte sich dabei nicht um Parteien, sondern um Personen, die sich im Gerichtsgebäude nicht zurechtfanden und von ihr Auskunft verlangten, bzw um die Putzfrau und einen Mitarbeiter der Geschäftsstelle und einen Techniker. Bis auf die beiden zuletzt genannten konnte die Klägerin die Personen zeitnah aus ihrem Zimmer hinaus bitten. In dem der Klägerin zur Verfügung gestellten Amtsraum konnte die Klägerin die Fenster öffnen, die Tür war versperrbar.
Trotz der getroffenen Vorkehrungen fühlte sich die Klägerin in ihrem Einzelzimmer schon aufgrund des Umstandes, dass sie im Gerichtsgebäude anderen Leuten begegnete, durch die Schleuse musste, den Lift nicht benützen wollte, unwohl.
Am 23. und 24.6. blieb die Klägerin dem Dienst fern. Vom 26.6. bis 29.6. befand sie sich im Krankenstand. Am 30.6. arbeitete sie einen weiteren Tag in Präsenz. Seit 1.7.2020 bis zur ex lege Beendigung des Dienstverhältnisses befand sich die Klägerin durchgehend im Krankenstand. Die Klägerin litt ab Juli 2020 an einer schweren depressiven Anpassungsstörung, diese wurde im nervenärztlichen Befund vom 16.7.2020 auf die ihr nicht nachvollziehbare Verweigerung der Heimarbeit zurückgeführt (./5).
Mit Bezug auf ein Schreiben des Klagevertreters vom 06.11.2020 legte die Vizepräsidentin des Oberlandesgerichtes C* mit Schreiben vom 16.11.2020 die Beweggründe für die nicht mögliche Weitergewährung von Home-Office dar. Im Wesentlichen wurde die Anordnung der Arbeitsleistung in Präsenz mit dem Fehlen eines geeigneten Telearbeitsplatzes und der sicheren Arbeitsplatzgestaltung in Entsprechung des § 735 Abs 3 Z 2 ASVG begründet.
Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin anwaltlich vertreten (./12, ./B).
Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Umfang der Fürsorgepflicht bestimme sich mangels gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Regelungen im Wesentlichen nach der Verkehrsauffassung oder einer betrieblichen Übung und finde ihre Grenze in den für das Dienstverhältnis relevanten Interessen des Arbeitnehmers und andererseits im allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Arbeitgeber sei nicht gehalten, eigene und schutzwerte Interessen zu vernachlässigen. Ausgangspunkt und Kernbereich der relevierten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sei der Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber sei gehalten, notwendige Maßnahmen zu ergreifen und unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen. Für den Umfang der Fürsorgepflicht und die Frage deren Verletzung sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht die Möglichkeit echter Telearbeit gehabt habe, sie ua auch deswegen im Home-Office während des regulären Gerichtsbetriebs bei weitem nicht den Arbeitserfolg wie in Präsenz erzielen hätte können und der Dienstgeber eine Reihe von Maßnahmen zur Gewährleistung sicheren Arbeitens am Arbeitsplatz getroffen habe. Für echte Telearbeit sei stets ein entsprechender Arbeitsplatz und die entsprechende technische Ausrüstung erforderlich. Da im Jahr 2020 und im Außerstreitbereich auch in den Folgejahren D* im Kanzleibereich nicht implementiert gewesen sei, sei für die Klägerin echte Telearbeit nicht in Betracht gekommen. § 5c VBG, wonach mit Bediensteten unter gewissen sonstigen Voraussetzungen Telearbeit vereinbart werden könne, setze den entsprechende Einsatz der erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnik voraus. Dementsprechend sehe Pkt 5 der Richtlinie Telearbeit des Bundesministeriums für Justiz die Gewährung von Telearbeit lediglich dann vor, wenn ein Tätigkeitsbereich bzw Arbeitsplatz vorhanden sei, der für die Verrichtung der Telearbeit geeignet sei. Ungeachtet des Umstands, dass generell kein Anspruch auf Telearbeit bestanden habe, habe es auch an der technischen und organisatorischen Möglichkeit gefehlt. Zugehörige zur Covid-19-Risikogruppe hätten nach § 735 Abs 3 ASVG Anspruch auf Freistellung und Fortzahlung des Entgelts gehabt, wenn weder die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte so hätten gestaltet werden können, dass eine Ansteckung mit Covid-19 mit „größtmöglicher“ Sicherheit ausgeschlossen worden sei, noch die Arbeitsleistung auch im Home-Office habe erbracht werden können. Der Klägerin sei ein Einzelzimmer im fünften Stock zur Verfügung gestellt und sie von jeglichem Parteienverkehr befreit worden. Arbeitsinhalt sei die Bearbeitung von Akten in Präsenz, die ihr von Arbeitskollegen vor die Zimmertür gelegt und nach Bearbeitung durch die Klägerin wieder weggebracht worden seien. Eine entsprechende Schutzausrüstung beinhaltend Desinfektionsmittel, Putztücher, Mundschutz und Glasvisier sei zur Verfügung gestanden. Die Klägerin habe privat besorgte FFP2-Masken verwendet. Sobald das BG B* über FFP2-Masken verfügt habe, seien diese an die Bediensteten weitergegeben worden. Da die Klägerin das BG B* fußläufig von ihrem Wohnort habe erreichen können, seien keine Vorkehrungen zur sicheren Erreichung des Arbeitsplatzes erforderlich gewesen. Durch die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes sei dem Erfordernis, die Ansteckung mit Covid-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausschließen zu können, weitestgehend Rechnung getragen worden. Am effektivsten gegen eine Ansteckung habe sich die Zuteilung eines Einzelzimmers und die Vermeidung von Parteienverkehr erwiesen. Vor einer Ansteckung durch gelegentliche Begegnungen am Gang habe sie sich durch die Verwendung einer FFP2-Maske schützen können. Erforderlichenfalls habe sie in ihrem Zimmer jederzeit das Fenster öffnen, eventuell ein Türschild anbringen bzw ihre Zimmertür versperren können. Dass die Klägerin bei Betreten des Gerichtsgebäudes durch eine Schleuse habe treten müssen bzw in der Küche und auf der Toilette keine Fenster vorhanden gewesen seien, ändere nichts an der Beurteilung, dass ihr Arbeitsplatz in einer dem Gesetz entsprechenden Weise ausgestaltet gewesen sei. Ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 735 Abs 3 ASVG scheide aus. § 735 Abs 3 ASVG erweise sich geeignet, die Fürsorgepflicht des Dienstgebers unter dem Aspekt der zur Gefahrenabwehr ergriffenen Maßnahmen zu konkretisieren. Unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeitsgrenze seien die Schutzmaßnahmen als adäquat und ausreichend zu qualifizieren. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung in der Wohnung nicht erbringen können. Am BG B* sei noch keine Telearbeit im Kanzleibereich implementiert, die Aktenführung auf Papier gewesen. Nach Etablierung des Normalbetriebs an den Gerichten im Oberlandesgericht-Sprengel C* mit Beginn Juli 2020 sei auch das Arbeitspensum auf das übliche Ausmaß angestiegen. Unter Beibehaltung des im Lockdown eingehaltenen Regimes hätte die Klägerin täglich am Abend ihre Akten tauschen müssen. Dies hätte auch bedeutet, dass kein einziger Akt taggleich hätte erledigt werden können. Dienstliche Interessen seien daher der Weitergewährung von Home-Office außerhalb der echten Telearbeit entgegen gestanden. Weder die Anordnung der Arbeitsleistung in Präsenz durch den Gerichtsvorsteher des BG B* noch die Bestätigung dieser Entscheidung durch das Schreiben des Oberlandesgerichts C* vom 16.11.2020 seien daher als rechtswidrig zu qualifizieren. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei aufgrund des Zusammenwirkens der von Dienstgeberseite gesetzten effektiven Maßnahmen und des Mangels an zur Arbeitsleistung in Präsenz zufriedenstellender Alternativen zu verneinen. Ein Anspruch auf Schadenersatz sei daher mangels Rechtswidrigkeit von Vornherein ausgeschlossen.
§ 735 Abs 3 ASVG bezwecke den Schutz der Dienstnehmer vor einer Ansteckung mit Covid. Der Normzweck gehe nicht so weit, Dienstnehmer vor Angststörungen im Hinblick auf eine lediglich potentiell mögliche Ansteckung mit Covid (trotz effektiver Schutzmaßnahmen) zu schützen. Die am Normzweck orientierte Auslegung stehe in Einklang mit der allgemeinen Rechtsprechung zum Rechtswidrigkeitszusammenhang, dass dienstrechtliche Maßnahmen oder Unterlassungen, selbst wenn sich diese als unberechtigt erweisen sollten - es sei denn, es handle sich dabei um Mobbing - außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhang lägen. Der Eintritt von Gesundheitsschädigungen stehe nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen, sollten sie sich später auch als unberechtigt erweisen. Auch liege keine fortgesetzte Schädigung und kein Dauertatbestand vor. Die Klägerin sei am 15.6.2020 zum Dienstantritt vor Ort aufgefordert worden. Seitdem sei von der beklagten Partei kein weiteres potentiell Schaden verursachendes Verhalten gesetzt worden, sondern lediglich die bereits mit 15.6.2020 festgelegten Vorgaben beibehalten worden. Das Schreiben des Oberlandesgerichts C* vom 16.11.2020 könne daher nicht als Anknüpfungspunkt für allfällige Schadenersatzansprüche und für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist herangezogen werden. Hätten sich aus einer einzelnen schädigenden Handlung fortlaufend gleichartige schädliche Folgen entwickelt, die im überschaubaren Zusammenhang stünden und schon ursprünglich voraussehbar gewesen seien, handle es sich um einen einheitlichen Schaden, der schon durch die erste schädliche Auswirkung entstanden sei. In diesem Fall gelte die durch den ersten Schaden (Primärschaden) ausgelöste Verjährungsfrist für alle vorhersehbaren Folgeschäden. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung mit 16.11.2023 sei die Anordnung zum Dienstantritt vom 15.6.2020 und auch der Beginn des bis zum Ende des Dienstverhältnisses dauernden Krankenstands bereits mehr als drei Jahre zurückgelegen. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch wäre daher auch verjährt. Da der Anspruch schon dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe, habe die Klägerin auch kein Feststellungsinteresse.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unzutreffender Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung samt der Geltendmachung sekundärer Verfahrensmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Zur zunächst ausgeführten Rechtsrüge meint die Klägerin zusammengefasst, die beklagte Partei habe mit ihrem Schreiben vom 16.11.2024 – im Wege einer Unterlassung – die Gesundheit der Klägerin nachhaltig geschädigt, da trotz der Klarstellung der Klägerin, Aufklärung über ihre Erkrankung und der Aufforderung, zumutbare Maßnahmen zur Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes zu setzen, die Einhaltung der Fürsorgepflicht abgelehnt und diese Ablehnung in der Folge aufrechterhalten worden sei. Wäre ihr die begehrte Homeoffice-Lösung gewährt worden, wäre ihr nicht nur die Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit, sondern auch die Genesung durch Wegfall der belastenden Drucksituation ermöglicht worden. Da die beklagte Partei nach Einforderung und Klarstellung durch die Klägerin die gebotenen Fürsorgemaßnahmen offensiv verweigert habe, habe sie zu haften, wobei der Schadenseintritt mit Zugang des Schreibens vom 16.11.2020 gegeben sei. Ein Verjährungseintritt sei daher auszuschließen. Auch würden Feststellungen zur Erreichung des konkreten Arbeitspensums sowie zu den Schäden, insbesondere zu den Schmerzperioden und zum Verdienstentgang vermisst.
Die Berufungsausführungen überzeugen nicht. Die Entscheidung des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden (§ 500a ZPO). Lediglich ergänzend ist der Berufung Folgendes entgegenzuhalten:
Allgemein ist der Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag iSd § 1151 ABGB va durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, gekennzeichnet, welche sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert. Für den Arbeitsvertrag wesentlich ist daher eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, welcher hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist, oder, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt (sh etwa RIS-Justiz RS0021306; RS0021472; RS0021332). Aus arbeitsvertraglicher Sicht ist entscheidend, ob die Anordnung des Dienstgebers über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers durch den Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist oder sich aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt (etwa 9 ObA 37/17g). Eine Anordnung ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie sich innerhalb der durch den Dienstvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten gezogenen Grenzen hält (etwa RS0021472).
Auf eine generelle vertragliche Vereinbarung für das Arbeiten im Home-Office stützt sich die Klägerin nicht.
Dass die Klägerin in der Phase des ersten Lockdowns 2020 erfolgreich im Home-Office arbeitete, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt. Daraus ist aber hier – wie das Erstgericht rechtlich richtig folgerte – für die Klägerin nichts zu gewinnen, steht doch (unbekämpft) fest, dass der Gerichtsbetrieb in dieser Zeit auf das Notwendigste reduziert war.
Unstrittig war die Klägerin im Kanzleidienst, zuletzt in einer Außerstreitabteilung am Bezirksgericht B* beschäftigt. Dieses war im Jahr 2020 noch nicht auf die digitale Aktenführung umgestellt. Da im Jahr 2020 und auch noch im Jahr 2021, selbst im Jahr 2024, die Aktenführung am BG B* im Außerstreitbereich auf Papier war, standen dem Wunsch der Klägerin auf ausschließliche Telearbeit technische und faktische Gründe entgegen. Demgemäß war mit Ausnahme der ersten Lockdown-Phase von März bis Juni 2020 keine Kanzleibedienstete und kein Kanzleibediensteter am dortigen Gericht im Home-Office tätig.
Die Entscheidung über Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung ist von der Art der Tätigkeit und den Weisungen des Arbeitgebers abhängig. Eine Wahl der grundsätzlich bestehenden Anwesenheitsverpflichtung besteht in der Regel für den Arbeitnehmer gerade nicht. Eine Verletzung der den Dienstgeber treffenden arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht kann hier aus dem Umstand, dass der Dienstgeber – schon im Hinblick auf den festgestellten Umfang der bloß in Papierform vorgelegenen, von der Klägerin zu bearbeitenden Akten – auf die Anwesenheit der Klägerin Wert legte und darauf bestand, nicht erblickt werden. Die festgestellte eingetretene Erkrankung der Klägerin ist somit nicht dem Dienstgeber anzulasten. Vielmehr hat der Dienstgeber – gerade in Erfüllung der Fürsorgepflicht - alles unternommen, um die Klägerin bestmöglich zu schützen:
. der Klägerin wurde ein Einzelzimmer im fünften Stock am Bezirksgericht B* zur Verfügung gestellt
. dessen Tür war versperrbar, sodass es der Klägerin möglich war, durch deren Versperren ein Betreten zu verhindern
. dessen Fenster waren zu öffnen, also ein Luftaustausch durch Lüften möglich
. sie sollte ausschließlich für die Bearbeitung von Akten und das Führen von Telefonaten zuständig sein
. und war von jeglichem Parteienverkehr befreit
. der Parteienverkehr war stattdessen von der Mundantin bzw der Vertretung zu übernehmen
. die von ihr zu bearbeitenden Akten wurden ihr vor die Kanzleitür gelegt
. der Klägerin lagen in dem für sie bestimmten Amtsraum Desinfektionsmittel, Mundschutzmasken, Desinfektionsmittel und ein Glasvisier bereit
. ab Beschaffung der FFP2-Masken durch den Dienstgeber wurden diese an die Bediensteten weiter gegeben; das war noch im Sommer, spätestens Herbst 2020, jedenfalls vor dem 16.11.2020
. der Arbeitsplatz, das Bezirksgericht B*, war zu Fuß zu erreichen.
Dadurch war die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Covid-19 weitestgehend und bestmöglich vermieden. Eine gänzliche Vermeidung einer Ansteckung hätte im Übrigen nicht einmal bei Home-Office bei ihr zu Hause sichergestellt sein können, zumal sie – wie sich ihrem eigenen Vorbringen entnehmen lässt - mit ihrem Ehemann zusammenlebte und somit unmittelbaren Kontakt zu diesem hatte. Auch wenn die Klägerin am Gericht tatsächlich nicht jeglichen Personenkontakt außerhalb des ihr eigens und allein zugewiesenen Amtsraums verhindern konnte, konnte sie auch hiebei eine Ansteckungsgefahr etwa durch Abstandhalten und Tragen einer Maske minimieren. Ein Zutritt ihres Amtsraum hätte durch Absperren und etwa auch – wie das Erstgericht aufzeigte - durch Anbringen eines Türschilds mit entsprechendem Hinweis vermieden werden können. Dass sie sich bei ihrer Tätigkeit in Präsenz tatsächlich mit Covid-19 infiziert hätte, wird nicht einmal behauptet.
Entgegen der Behauptung der Berufung ist der beklagten Partei, die den Gerichtsbetrieb aufrecht zu erhalten hatte, daher ein unzureichender Schutz der Klägerin vor einer Ansteckung nicht zum Vorwurf zu machen; vielmehr wurde – durch die angeführten festgestellten adäquaten Maßnahmen – für größtmöglichen Schutz gesorgt.
Soweit die Berufungswerberin meint, es wäre der beklagten Partei zuzumuten gewesen, einen allenfalls nicht hundertprozentigen Arbeitserfolg zu erhalten, um der Klägerin eine ihrer Gesundheit nicht abträgliche Tätigkeit zu ermöglichen und ihren Arbeitsplatz – und somit ihre Existenz – zu sichern, ist ihr entgegen zu halten, dass ein hundertprozentiger „Arbeitserfolg“ bzw eine hundertprozentige Arbeitsleistung ohnehin nicht erwartet wurde. Vielmehr wurde die Klägerin sogar von jeglichem Parteienverkehr befreit, gerade um eine Gefahr einer Ansteckung durch einen solchen zu vermeiden. Diese Arbeit musste hingegen von anderen Mitarbeitern der beklagten Partei übernommen und geleistet werden.
Auf (den damals geltenden) § 735 Abs 3 ASVG kommt die Berufung – zu Recht – nicht mehr zurück. Auch zu dem vom Erstgericht vermissten Rechtswidrigkeitszusammenhang enthält diese keine Ausführungen.
Abgesehen davon, dass der beklagten Partei sohin keine Verletzung der sie treffenden Fürsorgepflicht und kein rechtswidriges Verhalten zum Vorwurf zu machen ist, ist dem Erstgericht und der beklagten Partei auch darin zu folgen, dass die geltend gemachten Ansprüche im Zeitpunkt der Klagserhebung am 16.11.2023 bereits verjährt gewesen wären.
Die Klägerin stützte die von ihr erhobenen Ansprüche ausdrücklich nicht auf das Verhalten des Vorstehers des Bezirksgerichts (auch ausdrücklich nicht auf Bossing; S 7 in ON 12), sondern ausschließlich auf die Verweigerung von Home-Office mit Schreiben der Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts C* vom 16.11.2020 (S 6 in ON 12). Die Behauptung, erst durch dieses Schreiben sei der Schaden als „Primärschaden“ eingetreten, überzeugt nicht. Vielmehr steht fest, dass die Klägerin (jedenfalls) schon ab Juli 2020 an einer schweren depressiven Anpassungsstörung litt, die bereits auf die ihr nicht nachvollziehbare Verweigerung der Heimarbeit zurückgeführt wurde und ihre Arbeitsunfähigkeit bzw ihren Krankenstand mehrere Monate vor dem kritisierten Schreiben vom 16.11.2020 begründete. Entgegen der Ansicht der Berufung (im Rahmen der als sekundäre Feststellungsmängel vermissten Feststellungen) hat das schon seit Monaten, nicht nur latent, sondern tatsächlich bestehende Krankheitsbild bereits eine langfristige Dienstunfähigkeit begründet. Schon mit Eintritt dieser ihrer Dienstunfähigkeit war der behauptete (Primär-)Schaden eingetreten und auch eine Ex-lege-Beendigung ihres Dienstverhältnisses bei entsprechend langem Krankenstand vorhersehbar (etwa RS0097976).
Weiterer Feststellungen bedarf es daher nicht.
Mit der Beweisrüge bekämpft die Klägerin die bei der Wiedergabe des festgestellten Sachverhalts unterstrichenen Feststellungen und begehrt folgende:
„Wäre der Klägerin gemäß ihrem Ersuchen statt der Ablehnung vom 16.11.2024 die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Homeoffice-Lösung angeboten worden, so hätte sie ihre Dienstplichten kurzfristig wieder aufgenommen und ihre Arbeitsleistung im Rahmen des unter den durch COVID-19 bedingten Umständen in zumutbarer und zufriedenstellender Weise erbringen können; dadurch hätte die Klägerin ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, sodass der Fortbestand ihres Dienstverhältnisses erhalten geblieben wäre.
Aufgrund der Verweigerung der Homeoffice-Tätigkeit mit 16.11.2020 verstärkte sich jedoch das latent vorhandene Krankheitsbild der Klägerin, sodass eine langfristige Dienstunfähigkeit gegeben war, welche letztlich zur Auflösung des Dienstverhältnisses führte. Die Klägerin hatte in diesem Zusammenhang Schmerzperioden zu durchleiden, welche den geltend gemachten Schmerzengeldanspruch von EUR 10.000,00 jedenfalls rechtfertigen. Darüber hinaus hatte die Klägerin gemäß der unwidersprochen gebliebenen Aufstellung der beklagten Partei den nachstehenden Verdienstentgang bis 30.6.2022 erlitten:
Dezember 20 EUR 1.700,59 – 1.137,18 = EUR 563,41
Jänner 21 EUR 1.700,59 – 919,61 = EUR 780,98
Februar 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
März 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
April 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
Mai 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
Juni 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
SZ 21 EUR 1.700,59 – 919,57 = EUR 780,98
Summe EUR 6.030,27
Der Krankengeldbezug schlüsselt sich auf wie folgt:
BVAEB EUR 107,99 (für Dez)
April BVAEB EUR 777,56 (16.12.20 - 12.1.21)
April BVAEB EUR 777,56 (13.1.21 - 9.2.21)
April BVAEB EUR 777,56 (10.2.21- 9.3.21)
April BVAEB EUR 777,56 (10.3.21 - 6.4.21)
Krankengeld Mai und Juni 21
Mai BVAEB EUR 777,56 (7.4.21- 4.5.21)
Juni BVAEB EUR 83,31 (5.5.21- 7.5.21)
Juni BVAEB EUR 694,25 (8.5.21- 1.7.21)
Summe daher EUR 4.773,35
Die Differenz für den Zeitraum bis 1.7.2021 beträgt somit netto EUR 1.256,92.
Ab Juli 2021 hatte die Klägerin einen Anspruch auf Rehabilitationsgeld; dieser beträgt EUR 50,43 netto pro Tag, somit EUR 1.512,90 pro Monat; demgemäß ergibt sich eine monatliche Differenz von EUR 187,69 netto pro Monat ab 1.7.2021, somit eine jährliche Differenz von EUR 2.627,66 netto für den Zeitraum von 1.7.2021 bis 30.06.2022. Auch bestehen nach wie vor Krankheitsfolgen, welche auf die Verweigerung der zumutbaren Homeoffice-Tätigkeit mit Schreiben vom 16.11.2024 zurückzuführen sind, sodass das Feststellungsbegehren gerechtfertigt ist.“
Die Beweisrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, werden doch keine ersatzweise zu treffende Feststellungen, sondern zusätzliche Festellungen begehrt. Insofern macht sie inhaltlich einen sekundären Feststellungsmangel geltend, der aber – wie dargelegt – nicht vorliegt, da das Klagebegehren schon dem Grunde nach nicht zu Recht besteht. Ob das Feststellungsbegehren gerechtfertigt ist, stellt im Übrigen nicht einmal eine feststellbare Tatsache, sondern eine rechtliche Schlussfolgerung dar.
Im Übrigen sei erwähnt, dass es auf die bekämpften Feststellungen (mangels Anspruchs auf Home-Office-Arbeit) rechtlich nicht entscheidend ankommt, sie aber auch nicht zu beanstanden sind. Schon in Anbetracht der unbekämpften Feststellung, dass der Gerichtsbetrieb in der ersten Lockdown-Phase von März bis Juni 2020 auf das Notwendigste reduziert war sowie der festgestellten aufwändigen Bearbeitungsschritte während dieses derart eingeschränkten Betriebs, entsprechen die weiters festgestellten und kritisierten Schlussfolgerungen der Logik und der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei regulärem Gerichtsbetrieb die Anforderungen allgemein und auch jene an die Klägerin im Außerstreitbereich höher waren und die Anforderungen im Home-Office nicht zu erfüllen gewesen wären.
Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens meint die Berufung in der Ablehnung von Beweisanträgen zu erblicken. Zur Möglichkeit der Verrichtung von Homeoffice am Bezirksgericht B* und der Erreichung des vorgegebenen Arbeitserfolgs habe die Klägerin zwei Richterinnen und ihren Gatten als Zeugen namhaft gemacht. Zum Beweis der Auswirkung des Schreibens vom 16.11.2020 auf ihren Gesundheitszustand sowie zur Frage der Zumutbarkeit des eingerichteten Arbeitsplatzes habe die Klägerin die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Immunologie sowie der Neurologie und Psychiatrie beantragt. Jene Beweisanträge habe des Erstgerichts mit Verweis auf die unrichtige rechtliche Beurteilung für irrelevant erklärt. Die Arbeitsleistung der Klägerin im Home-Office (wofür die beiden Richterinnen beantragt seien) wäre wesentlich für die Frage der rechtskonform zu setzenden Maßnahmen gewesen, insbesondere für die Zumutbarkeit jener Maßnahme auch ohne Einrichtung eines „fertigen“ Tele-Arbeitsplatzes iSd (noch ausständigen) Digitalisierung der Justiz. Ebenso wäre die Einholung des Gutachtens sowie die Einvernahme ihres Gatten nötig gewesen, um über die Auswirkung des Schreibens vom 16.11.2020 auf die Klägerin urteilen zu können. Bei Einholung der beantragten Beweise wäre festzustellen, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage gewesen sei, ihre Aufgaben am Gericht in Präsenz zu erfüllen, wogegen bei Erlaubnis der eingeforderten Home-Office-Tätigkeit eine Erfüllung der Dienstpflichten bei entsprechendem Arbeitserfolg jedenfalls gegeben gewesen wäre; ebenso wäre unter Beweis gestellt worden, dass jene Maßnahme zumutbar und möglich, sowie rechtlich geboten gewesen wäre; auch wäre festzustellen gewesen, dass die Klägerin dadurch gesunden und ihr Dienstverhältnis aufrecht erhalten hätte können, sodass die Verweigerung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht trotz Aufklärung über die umfassende Sachlage mit Schreiben vom 16.11.2020 als rechtswidrige Schädigungshandlung zu sehen sei, die als kausal und schuldhaft gesetzte Ursache für die geltend gemachten Schäden zu werten sei. Auch werde gerügt, dass das Erstgericht – wie von ihm selbst ausgeführt – keinerlei Entscheidungs- bzw Beweisgrundlage für die Unterscheidung zwischen „Home-Office“ und „Telearbeit“ biete, dennoch aber ausführe, es wäre der Klägerin bei Stattgebung des Ersuchens auf Homeoffice nicht möglich gewesen, den vorgegebenen Arbeitserfolg zu erreichen.
Damit gelingt es der Berufung nicht, einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der beklagten Partei ist – wie zur Rechtsrüge ausgeführt – angesichts des für die Klägerin konkret ausgestatteten Arbeitsplatzes und der eingeschränkten Arbeitsverpflichtung (insbesondere ohne Parteienverkehr) kein Vorwurf zu machen, insbesondere keine Verletzung der sie als Arbeitgeberin treffende Fürsorgepflicht anzulasten, wenn sie auf der Anwesenheit der Klägerin bestand. Auf die Frage, ob bei Verrichtung von Home-Office ein hinreichend entsprechender Arbeitserfolg hätte erreicht werden können, und die Frage der Auswirkung des Schreibens vom 16.11.2020, kommt es sohin rechtlich nicht entscheidend an. Ob Arbeit im Home-Office oder in Präsenz zu verrichten gewesen wäre, stellt hier letztlich eine Rechtsfrage dar, die aber mangels Verpflichtung der beklagten Partei hier nicht näher zu klären war.
Unstrittig war das Bezirksgericht B* noch nicht auf die digitale Aktenführung umgestellt. Die – umständliche und aufwendige - Durchführung des „Home-Office“ während der ersten Lockdown-Phase hat das Erstgericht ebenfalls unbekämpft festgestellt. Einer weiteren Unterscheidung zwischen „Home-Office“ und „Telearbeit“ bzw einer weiteren Begründung bedurfte es hier nicht.
Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts.
Zusammengefasst erweist sich die Berufung sohin als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 2 ASGG und 41, 50 ZPO.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil eine Frage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung vorlag.