20Bs40/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Angeklagten wegen § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten A* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 5. Juni 2024, GZ ***, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Strnad sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Andreas Jeidler durchgeführten Berufungsverhandlung am 8. April 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch ein rechtskräftiges Konsiskationserkenntnis umfassenden Urteil wurde – soweit für das gegenständliche Rechtsmittelverfahren relevant - der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens der Schlepperei nach §§ 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I./3.) sowie des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (I./6.) schuldig erkannt und hiefür unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach dem Strafsatz des § 114 Abs 4 FPG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.
Danach hat er in ** und andernorts
I./ „im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit anderen Mitgliedern (dieser Vereinigung) als Mittäter“ die rechtswidrige Einreise bzw Durchreise von (aus Syrien und der Türkei bzw anderen nicht europäischen Staaten kommenden) Fremden, die für ihre Schleppungen Entgelt von mehreren tausend Euro zu bezahlen hatten, in „und durch“ ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union, nämlich zumindest von Ungarn nach Österreich, mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er bereits vor deren Einreise nach Österreich deren Abholung und Weitertransport nach ** zusagte (US 7f, 12f), und zwar
3.) am 12. November 2021 in Bezug auf vier Fremde, die er aus einem Waldstück bei ** abholen und nach ** bringen sollte, wobei er vor Ort sehen konnte, dass diese gerade von Angehörigen des Bundesheeres aufgegriffen worden waren;
6.) am 4. November 2021 in Bezug auf einen Fremden, den er über Auftrag des und gemeinsam mit B* aus einem Waldstück bei ** abholen und nach ** bringen sollte, wobei sie kurz vor der Aufnahme des Fremden von der Polizei festgenommen wurden.
Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat den bisher ordentlichen Lebenswandel und die lange Verfahrensdauer - jedoch ohne deren rechnerische Spezifikation - als mildernd, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die mehrfache Tatqualifikation. Eine bedingte Nachsicht auch nur eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe kam für die erkennenden Richter insbesondere aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A* mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. Jänner 2025, GZ 12 Os 136/24b 4, liegt nunmehr dessen zu ON 103 ausgeführte Berufung zur Entscheidung vor, mit welcher er die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung.
Soweit der Berufungswerber - ohne die verhängte Freiheitsstrafe als überhöht zu kritisieren - seine Tathandlungen als untergeordnete Tätigkeit verstanden wissen will, ist klarzustellen, dass ihm der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 6 StGB nicht zukommt. Dieser Milderungsgrund liegt nämlich nur dann vor, wenn das strafbare Verhalten nach Art und Umfang für die Tatausführung nicht erheblich ist. Dies trifft etwa auf nicht notwendige, aber noch in einer kausalen Beziehung stehende Aufpasserdienste zu (Riffel in WK 2 § 34 Rz 16). Von einem solchen für die Tatausführung nicht erheblichen Verhalten kann mit Blick auf den Umstand, dass sich der Angeklagte mit anderen Personen zu einer kriminellen Vereinigung zusammenschloss, und die Verbringung der Fremden persönlich, somit als unmittelbarer Täter vornehmen sollte, nicht die Rede sein.
Dem Einwand dreijährigen Wohlverhaltens seit der Tat ist zu entgegnen, dass sich der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB an der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB orientiert (11 Os 129/05p), weshalb dem Berufungswerber dieser Milderungsgrund nicht zukommt.
In Bezug auf die vom Berufungswerber angesprochene Dauer des Ermittlungsverfahrens, das in der Anklageerhebung am 17. Juli 2023 mündete, wobei die Hauptverhandlung am 5. Juni 2024 mit Urteilsverkündung abgeschlossen werden konnte (ON 97), ist zunächst festzustellen, dass das Urteil - unter deutlicher Überschreitung der in § 270 Abs 1 StPO normierten Frist - am 24. Oktober 2024 ausgefertigt wurde und das Rechtsmittelverfahren am 8. April 2025 beendet werden konnte. Für die – vom Erstgericht ohnehin bereits mildernd veranschlagte Verfahrensverzögerung – war die unterbliebene rechnerische Spezifizierung (RIS-Justiz RS0114926 [T3, T5]; Riffel in WK 2StGB § 34 Rz 58) vorzunehmen, wobei die mit Blick auf die Tatkumulation sowie den hohen Handlungs- und Gesinnungsunwert der Taten grundsätzlich angemessene Freiheitsstrafe von 13 Monaten um ein Monat zu reduzieren war.
Eine weitere Reduktion der vom erkennenden Gericht ohnehin mit der Mindeststrafe ausgemessenen Sanktion war daher keineswegs indiziert, insbesondere gebietet der Akteninhalt keinen Anlass für die Anwendung des § 41 StGB.
Eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der Strafe kam sowohl aufgrund der Gewichtigkeit und der konkret gesetzten strafbaren Handlungen sowie insbesondere aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht. Angesichts der bereits vom Erstgericht dargestellten besorgniserregenden Wachstumsraten bei der Schlepperei ist es im Sinne der geordneten Rechtspflege von immanenter Bedeutung, potentiellen Nachahmungstätern mit Blick auf die enormen Verdienstmöglichkeiten vor Augen zu führen, dass derartige, der Schwerkriminalität zuzuzählenden Delikte streng geahndet werden und die verfügbaren Abwehrmöglichkeiten, von denen der Strafübelswirkung ganz wesentliche Bedeutung zukommt, auch konsequent wahrgenommen werden (vgl etwa OLG Wien, 22 Bs 5/24g).