JudikaturOLG Wien

33R49/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
27. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden, die Richterin Mag. a Tscherner sowie den Richter Mag. Schmoliner in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Allmayer Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* p.l.c ,** Malta, vertreten durch die BRANDL TALOS Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen Auskunftserteilung nach Art 15 DSGVO (Streitwert – nur - nach RATG: EUR 5.000), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 23.1.2025, ** 11, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 877,39 (darin EUR 146,23 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Die Beklagte, die über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt, bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die deutschsprachige Internetseite ** Online Glücksspiele auch in Österreich an. Der Kläger richtete dort ein Konto ein und nahm an solchen Spielen teil, wobei er Verluste in nicht feststellbarer Höhe erlitt.

Die Rechtsvertreter des Klägers forderten die Beklagte mit E Mail vom 14.12.2023 (./A) auf, ihnen eine Kopie aller Daten des Klägers, die Gegenstand der Verarbeitung durch die Beklagte sind, digital zu übermitteln.

Diese vollständige Aufstellung möchte der Kläger erhalten, damit er seine auf der Internetseite der Beklagten erlittenen Verluste einklagen kann.

Der Kläger begehrt von der Beklagten - in Übereinstimmung mit seinem außergerichtlichen Ersuchen unter Berufung auf Art 15 Abs 1 und 3 DSGVO die digitale Übermittlung einer Kopie sämtlicher seiner Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten sind.

Die Beklagte wendet die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein und beantragt die Abweisung dieses Begehrens. Dem Kläger gehe es nicht darum, die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten durchgeführten Datenverarbeitung zu überprüfen. Vielmehr verfolge er nur das Ziel, Beweismittel „für seinen Klagsanspruch“ zu sammeln. Das Auskunftsersuchen sei deshalb rechtsmissbräuchlich. Außerdem unterlägen die Daten einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Beklagten.

Mit dem nun angefochtenen Urteil verwarf das Erstgericht – unangefochten - die Einrede der internationalen Unzuständigkeit (Spruchpunkt I.) und gab dem Klagebegehren mit der (impliziten) Maßgabe statt, dass sich der Zuspruch auf die „personenbezogenen“ Daten des Klägers erstreckte (Spruchpunkt II.).

Neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegeben Sachverhalt traf es dazu folgende bekämpfte Feststellung:

„Der Kläger erhielt zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten eine vollständige Kopie sämtlicher seiner Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten gewesen sind.“

Rechtlich folgerte es, das Auskunftsersuchen sei auch dann zulässig, wenn der Auskunftsberechtigte mit ihm einen anderen Zweck verfolge als jenen, von der Verarbeitung seiner Daten Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das Ersuchen sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Eine Berufung auf Geheimhaltungsinteressen der Beklagten würde das Auskunftsrecht fast vollständig aushöhlen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger stellt in seiner Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Zur Mängelrüge:

Als mangelhaft rügt die Beklagte, das Erstgericht habe die von ihr beantragte Vernehmung der Zeugin C* zu Unrecht unterlassen. Deren Aussage hätte gezeigt, dass der ausschließliche Zweck dieser Datenauskunft die Beweismittelbeschaffung für einen späteren Prozess sei und es dem Kläger zumutbar und möglich gewesen wäre, in seine Transaktionshistorie Einsicht zu nehmen.

Wie die Behandlung der Rechtsrüge noch zeigen wird, besteht das Auskunftsbegehren selbst dann zu Recht, wenn ihr einziger Zweck in der Vorbereitung eines späteren Prozesses gelegen wäre. Das Unterbleiben der Einvernahme der Zeugin war damit nicht einmal abstrakt geeignet, einen für die Beklagte günstigeren Verfahrensausgang herbeizuführen (vgl RS0043049). Im Übrigen hat das Erstgericht ohnehin festgestellt, dass der Kläger die Aufstellung möchte, um seine Verluste einzuklagen.

Zum Beweis dafür, dass der Kläger jederzeitig Einsicht in seinen Spieleraccount Einsicht zu nehmen, hat die Beklagte die Zeugin in erster Instanz nicht geführt (vgl Klagebeantwortung ON 3, Seiten 4 ff).

Ein primärer Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

2. Zur Beweisrüge:

Anstelle der zuvor wörtlich zitierten Feststellung begehrt die Beklagte die Ersatzfeststellung, der Kläger habe von der Beklagten auf seine Anfrage hin ein 1.000 Seiten starkes Dokument erhalten, das eine zahlenmäßige Aufstellung enthalten habe. Es sei davon auszugehen, dass es sich dabei um eine Aufstellung der Ein- und Auszahlungen sowie der getätigten Spiele und Transaktionen gehandelt habe.

Aus der Aussage des Klägers ergibt sich nur, dass ihm zwar etwas zugestellt worden sei, was jedoch „nicht lesbar“, sondern „etwas Kryptisches“ gewesen sei. Um eine Auskunft über die Ein- und Auszahlungen habe es sich dabei jedoch nicht gehandelt (ON 9.4, S 2).

Andere Beweisergebnisse dazu liegen nicht vor. Bezeichnenderweise hat die Beklagte, die dafür beweispflichtig ist, dass sie den Anspruch bereits erfüllt hat, das Dokument, das sie dem Kläger übermittelt hat, im Gerichtsverfahren nicht vorgelegt, um eine Überprüfung zu ermöglichen, ob sie damit ihrer Auskunftspflicht nachgekommen ist. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte zwar vorprozessual ihrer Auskunftspflicht nachgekommen sein sollte, um dann im Prozess vehement ebendiese Verpflichtung zu bestreiten.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die bekämpfte Feststellung.

3. Zur Rechtsrüge:

Darin hält die Beklagte ihren Prozessstandpunkt aufrecht, das Auskunftsersuchen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, weil sein einziger Zweck darin bestehe, Beweismittel für eine spätere Klage zu sammeln.

Entgegen dieser Argumentation hat der Oberste Gerichtshof jüngst klargestellt, dass ein auf Art 15 Abs 1 und 3 DSGVO gestütztes Auskunftsersuchen auchdann einem legitimen Zweck dient, wenn es darauf abzielt, Beweismaterial für eine spätere Prozessführung zu beschaffen (6 Ob 233/23t [Rz 28 bis 30, anknüpfend an EUGH C 307/22, FT - Copies du dossier médical ]: Legitimität des Verlangens nach einer Kopie einer Krankengeschichte, um mit Hilfe dieser Behandlungsunterlagen Ansprüche aus einem Arbeitsunfall geltend zu machen). Das Berufungsgericht sieht – wie bereits zu hg 14 R 48/24t, 33 R 23/25g ua - keinen Anlass, von dieser überzeugenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen. Daraus folgt aber, dass die dem vorliegenden Auskunftsersuchen zugrunde liegenden Motive des Klägers keiner näheren Prüfung bedürfen und das angefochtene Urteil in diesem Bereich auch mit keinen (sekundären) Feststellungsmängeln behaftet ist. Denn selbst wenn man annimmt, dem Kläger gehe es allein darum, einen späteren Prozess vorzubereiten, schlägt der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht durch.

Da sie ihr Geheimhaltungsinteresse nach § 4 Abs 6 DSG ivM Art 15 Abs 4 DSGVO ebenfalls aus dem behaupteten Rechtsmissbrauch ableiten will, überzeugt auch diese Argumentation nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum Daten aus einer gemeinsamen Geschäftsbeziehung der Streitteile überhaupt ein Geschäftsgeheimnis der Beklagten darstellen sollen (vgl zum Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses: Haidinger in Knyrim, DatKomm Art 15 DSGVO Rz 51/2).

Weitere Argumente enthält die Rechtsrüge nicht, weshalb die Berufung insgesamt erfolglos bleiben musste.

4.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

5.Ein Bewertungsausspruch entfällt, weil der verfahrensgegenständliche, auf die DSGVO gestützte Auskunftsanspruch infolge seines höchstpersönlichen Charakters keiner Bewertung zugänglich ist (RS0042418 [insb T12, T17 und T18]).

6.Da sich das Berufungsgericht an der Rechtsprechung des EuGH und OGH orientieren konnte, liegen keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.