Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Erwirkung der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß §§ 42 ff EU JZG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Februar 2025, GZ **-84, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben.
Begründung:
Der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. Februar 2024, GZ C*57.1, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Pressburg vom 7. Oktober 2021, AZ **, gemäß §§ 31, 40 StGB unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Einem dagegen erhobenen Rechtsmittel gab das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom 12. Juni 2024 nicht Folge (ON 73.1).
Mit Beschluss vom 20. Juni 2024, AZ **, bewilligte das Erstgericht die Übergabe des Genannten an die slowakischen Behörden zur Strafverfolgung unter Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes, wobei es die Übergabe bis zur Beendigung der Strafhaft zum Verfahren ** aufschob. Dem Betroffenen liegt nach dem Inhalt des genannten Europäischen Haftbefehls zur Last, im Zeitraum von 18. Mai bis 26. Oktober 2021 in ** diverse Mengen Metamphetamin anderen überlassen bzw. mit dem Vorsatz besessen zu haben, dass es in Verkehr gesetzt werde (ON 75.1).
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2024, AZ 3 Ntc/45/2024, ersuchte das Landesgericht Pressburg um Zustimmung des Ursprungsstaats nach Artikel 9 Abs 1 lit j iVm Artikel 18 Abs 3 des Rahmenbeschlusses des Rates 2008/909/JI zur Strafverfolgung wegen des Verbrechens der „illegalen Herstellung von Rauschgiftstoffen und psychotropen Stoffen, Giften oder Präkursoren, ihren Besitz und Handel damit“ nach § 172 Abs 1 lit d des slowakischen Strafgesetzbuchs, weil – verkürzt dargestellt - beim Betroffenen am 23. Oktober 2019 bei einer Polizeikontrolle in ** Metamphetamin sichergestellt worden sei (ON 80.3 [Übersetzung]).
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht diese (zusätzliche) Strafverfolgung des A* gemäß § 42f EU-JZG.
Dagegen richtet sich dessen unmittelbar nach Beschlussverkündung erhobene Beschwerde (ON 83,3), die jedoch schriftlich nicht ausgeführt wurde.
Dem Rechtsmittel kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Vorweg ist zur Rechtsmittellegitimation auszuführen, dass § 42f EU-JZG im Gegensatz zu den §§ 41b Abs 5 und 42b Abs 7a leg cit keine Rechtsmittelmöglichkeit enthält, jedoch angesichts der gerichtlichen Entscheidung und deren Tragweite aufgrund der subsidiären Geltung der Strafprozessordnung eine Beschwerde an das übergeordnete Oberlandesgericht möglich ist ( Hinterhoferin WK² EU-JZG § 1 Rz 17; OLG Wien zu AZ 22 Bs 117/14p, 22 Bs 156/22k, 22 Bs 128/23v).
Das Verfahren nach §§ 42 ff EU-JZG bezieht sich jedoch auf die Erwirkung der Vollstreckung einer in Österreich verhängten Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme in einem anderen Mitgliedstaat der EU ( Hinterhofer aaO Vor §§ 42 bis 42g Rz 1), wobei § 42f Abs 1 leg cit normiert, dass die Verfolgung oder Verurteilung des Verurteilten wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen Handlung als derjenigen, die der Überstellung zugrundeliegt, vom Gericht, das zuletzt in erster Instanz erkannt hat, über entsprechendes Ersuchen der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats zu bewilligen ist, wenn die Voraussetzungen für eine Übergabe nach dem 2. Hauptstück dieses Bundesgesetzes vorliegen. Daraus folgt, dass diese Bestimmung nur im Bezug auf eine an den Vollstreckungsstaat überstellte Person (vgl. Hinterhofer aaO § 42f Rz 1) anzuwenden ist.
Da aber die im Inland über A* verhängte Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Hirtenberg vollstreckt wird und eine Erwirkung der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat nicht aktenkundig ist, sondern (nur) die Übergabe zur Strafverfolgung laut bereits zitierter Entscheidung des Erstgerichts vom 20. Juni 2024 (ON 75.1), liegt kein Anwendungsfalldes § 42f EU-JZG vor.
Vielmehr ist gegenständlich nach § 27a EU-JZG vorzugehen, der das Verfahren bei nachträglichem Übergabeersuchen regelt, mithin § 31 Abs 1 erster Satz, Abs 2 bis 5 und Abs 6 erster und dritter Satz ARHG sinngemäß anzuwenden sein wird, wobei aufgrund des Aufenthalts des Betroffenen in Österreich auch eine Verhandlung in Betracht kommt (§ 27a Abs 2 EU-JZG).
Der angefochtene Beschluss war daher ersatzlos zu beheben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
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