4R4/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Viktorin und Dr. Nowak in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*ges.m.b.H. , FN **, **B*, vertreten durch Dr. Lukas Fantur, Rechtsanwalt in Wien, gegen die (erst)beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei C* , **, **, vertreten durch die DKFE Rechtsanwälte GmbH in D*, wegen EUR 49.141,51 samt Nebengebühren und Unterlassung (Streitwert EUR 10.000,-), hier wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: EUR 10.000,-), über den Kostenrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8.12.2024, **-17, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass sie lautet:
„Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 2.665,01 (darin EUR 444,17 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 267,07 (darin EUR 44,51 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Text
Mit Klage vom 1.10.2024 begehrt die Klägerin vom Erstbeklagten (sowie einer vom vorliegenden Provisorialverfahren nicht betroffenen Zweitbeklagten) die Zahlung von EUR 49.141,51 samt Nebengebühren. Weiters begehrt sie, den Erstbeklagten zu verpflichten, die Vornahme von Zahlungen von Bankkonten der Klägerin an die Beklagten zu unterlassen, sofern es sich dabei nicht um die Tilgung bestehender und fälliger Verbindlichkeiten der Zweitbeklagten handle.
Zur Sicherung ihres behaupteten Anspruchs auf Unterlassung unbefugter Geldentnahmen beantragte die Klägerin am 27.10.2024 (ON 3) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher dem Erstbeklagten ab sofort bis zur rechtskräftigen Erledigung der Hauptsache untersagt werde, Überweisungen von Bankkonten der Klägerin an die Beklagten sowie Barbehebungen von Bankkonten der Klägerin vorzunehmen, und brachte dazu vor, der Erstbeklagte habe unzulässige Auszahlungen von Konten der Klägerin vorgenommen.
Der Erstbeklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbekämpft ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz im Umfang von EUR 3.413,66. Begründend führte es zur Kostenentscheidung aus, dass die Klägerin als gefährdete Partei ihrem Gegner schon im Provisorialverfahren die Kosten des vom Hauptverfahren losgelösten Zwischenstreits nach den Kostenersatzregeln des Verfahrens in der Hauptsache zu ersetzen habe. Die vom Erstbeklagten verzeichneten Kosten kürzte es lediglich um den Streitgenossenzuschlag, da im Provisorialverfahren nur der Erstbeklagte Antragsgegner sei. Für die Bescheinigungstagsatzung vom 19.11.2024 sprach es – ohne gesonderte Begründung – den doppelten Einheitssatz zu.
Gegen die Kostenentscheidung dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Abänderungsantrag dahin, dass sie lediglich zum Ersatz von EUR 2.665,01 (darin EUR 444,17) verpflichtet werde.
Der Erstbeklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt .
Die Rekurswerberin wendet sich gegen die Verrechnung des doppelten Einheitssatzes für die Verrichtung der Bescheinigungstagsatzung am 19.11.2024 (ON 14).
Für Verhandlungen an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei kann ein Rechtsanwalt nach § 23 Abs 5 RATG den doppelten Einheitssatz verrechnen. Nach der Rechtsprechung sind die Mehrkosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nur dann zu ersetzen, wenn die Partei ihren Wohnsitz oder Sitz nicht am Gerichtsort hat oder wenn besondere Gründe für die Beiziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts vorliegen (RS0097384, RS0036203; Klauser/Kodek , JN – ZPO 18 § 41 ZPO E 159 ff).
Solche Gründe liegen vor, wenn etwa die Lage des Rechtsstreits und die Höhe des Streitwerts die Bestellung eines Anwalts des besonderen Vertrauens der Partei rechtfertigen oder sonst nach den Umständen des Falls die Bestellung des auswärtigen Anwalts zweckmäßig erscheint. Solche wichtigen Umstände sind zB eine im Vorfeld des Prozesses stattgefundene eingehende Befassung dieses Anwalts mit der Streitsache, die Kenntnis sonstiger interner, für den Prozess bedeutsamer Verhältnisse der Partei, oder ein Sachverhaltskomplex, der mehreren Prozessen an verschiedenen Gerichtsorten zugrunde liegt ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.254 mwN; Klauser/Kodek , aaO E 160 f, 162/1; M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 41 ZPO Rz 32).
Die Notwendigkeit der Beiziehung des auswärtigen Anwalts ist schon im Verfahren erster Instanz konkret zu behaupten und zu bescheinigen (RS0097384; 4 Ob 102/14z; 6 Ob 122/09y), und zwar spätestens mit der Überreichung des Kostenverzeichnisses (8 ObA 303/95).
Während der Erstbeklagte seinen Wohnsitz in B* (und somit am Gerichtsort) hat, befindet sich die Kanzleiadresse seiner Rechtsvertreterin in D*. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das die Beiziehung eines auswärtigen Anwalts rechtfertigen würde, wurde in erster Instanz nicht behauptet. Dass – wie nunmehr erstmals im Rahmen der Rekursbeantwortung in diesem Zusammenhang erwähnt wird – eine inhaltliche Vorbefassung der Rechtsvertreterin aufgrund des bestehenden Gesellschafterstreites und weiterer Gerichtsverfahren aus dem Prozessvorbringen des Erstbeklagten abgeleitet werden könnte, das in Erwiderung der im Provisorialverfahren angestellten Behauptungen erstattet wurde, vermag eine in erster Instanz vorzunehmende konkrete Behauptung besonderer Gründe, welche den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes nach § 23 Abs 5 RATG rechtfertigen könnten, nicht zu ersetzen. Selbst im Fall, dass eine ständige Vertretung gerichtsbekannt ist, kann (lediglich) die Bescheinigungspflicht entfallen (vgl Obermaier aaO Rz 1.254).
Der Erstbeklagte hat daher keinen Anspruch auf den Ersatz des doppelten Einheitssatzes für die Bescheinigungstagsatzung am 19.11.2024.
Dem Rekurs war sohin Folge zu geben und der Kostenzuspruch um EUR 748,66 (EUR 623,88 zzgl 20 % USt) zu reduzieren.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.