JudikaturOLG Wien

8Rs96/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Sozialrecht
29. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, die Richter Mag. Zechmeister und MMag. Popelka sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Marianne Zeckl-Draxler und Michael Grandinger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* B*, **, Polen, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, *, *, vertreten durch Ass. jur. C*, ebendort, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 22.8.2024, GZ **, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Anlässlich der Geburt ihres Sohnes D* B* am 2.9.2022 beantragte die Klägerin pauschales Kinderbetreuungsgeld in der Variante 365 Tage bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer. Die Eltern leben getrennt. Das Kind wird hauptsächlich von der Mutter betreut. Sie lebt in ** in Polen. Der Vater des Kindes hat seinen Hauptwohnsitz in **. Seit 21.4.2023 ist er am Hauptwohnsitz der Klägerin zum Nebenwohnsitz gemeldet. Er bezog für das Kind von 1.12.2022 bis 29.2.2024 Familienbeihilfe.

Die Eltern schlossen folgende Vereinbarung:

„Wir A* B* und F* B*, die Eltern von D* B*, vereinbaren, dass der Vater die Familienbeihilfe für D* im Auftrag der Mutter beziehen und ihr diese immer auszahlen soll“.

Die Vereinbarung ist mit 30.11.2022 datiert.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 2.9.2022 bis 1.9.2023 gerichtete Klagebegehren ab. Über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus traf es eine Negativfeststellung zur Frage, wann die Eltern die Vereinbarung tatsächlich abgeschlossen haben. Rechtlich verneinte es einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, weil die Klägerin die Anspruchsvoraussetzung des tatsächlichen Bezugs von Familienbeihilfe nicht in eigener Person erfülle. Daran könne auch eine interne Vereinbarung zwischen den Eltern – unabhängig davon, wann sie abgeschlossen worden sei – nichts ändern.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinn eine Stattgebung der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Tatsachenrüge :

1.1 Die Klägerin wendet sich gegen die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, wann die Eltern die mit 30.11.2022 datierte Vereinbarung tatsächlich abgeschlossen haben (Urteil Seite 2). Sie begehrt die Ersatzfeststellung: „Die Kindeseltern haben die Vereinbarung Beilage ./B am 30.11.2022 geschlossen.“

Es liege kein Grund vor, die Richtigkeit des Datums des Abschlusses anzuzweifeln.

Bloß aufgrund der Urkunde lässt sich aber nicht beurteilen, ob die Vereinbarung allenfalls rückdatiert ist. Weitere Beweise liegen nicht vor und wurden im Übrigen von der bereits in erster Instanz anwaltlich vertretenen Klägerin auch nicht angeboten; eine Verfahrensrüge erhebt sie ohnedies nicht. Auch der Berufung sind keine die Negativfeststellungen widerlegenden Beweisergebnisse zu entnehmen.

Gegen die erstgerichtliche Negativfeststellung bestehen daher keine Bedenken.

1.2 Darüber hinaus ist die bekämpfte Feststellung auch nicht entscheidungswesentlich.

Die Klägerin argumentiert, wegen der zwischen den Eltern getroffenen Vereinbarung sei im Rechtssinn von einem „tatsächlichen Bezug“ der Familienbeihilfe durch die Klägerin auszugehen. Der Vater habe die Familienbeihilfe zwar „im Tatsachensinn“ bezogen, dies jedoch aufgrund des ihm dazu von der ebenso wie er bezugsberechtigten Klägerin erteilten Auftrags, dies „auf ihre Rechnung“ zu tun, dh mit der Verpflichtung, die von ihm bezogene Familienbeihilfe an sie weiterzuleiten. Es liege ein Fall mittelbarer Stellvertretung vor.

Dem ist nicht zu folgen.

Voraussetzung für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ist – soweit hier relevant –, dass für das Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird (§ 2 Abs 1 Z 1 KBGG). Bei getrennt lebenden Eltern muss der antragstellende Elternteil, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, obsorgeberechtigt sein und die Anspruchsvoraussetzung nach Abs 1 Z 1 in eigener Person erfüllen (§ 2 Abs 8 KBGG idF BGBl I Nr 53/2016; nunmehr § 2 Abs 7 KBGG). Nach stRsp muss gemäß dieser Bestimmung im Fall getrennt lebender Eltern der antragstellende Elternteil die Voraussetzung des Bezugs der Familienbeihilfe selbst („in eigener Person“) erfüllen. Es bedarf demnach der Personenidentität zwischen dem Familienbeihilfe- und dem Kinderbetreuungsgeldbezieher (RS0132594 [T6]).

An dieser gesetzlichen Voraussetzung kann eine zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung nichts ändern. Dass der Vater des Kindes die Familienbeihilfe im eigenen Namen bezogen hat, steht unbestritten fest. Damit ist er der Familienbeihilfeempfänger. Unabhängig von einer allenfalls vertraglich vereinbarten Weiterleitung der Beträge an die Mutter hat er die Familienbeihilfe iSd § 2 Abs 1 Z 1 und Abs 7 KBGG in eigener Person tatsächlich bezogen, sodass ein Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch die von ihm getrennt lebende Mutter ausscheidet.

2. Zur Rechtsrüge :

Die Rechtsrüge geht von der Prämisse aus, dass die Vereinbarung zwischen den Eltern am 30.11.2022 abgeschlossen worden sei. Damit entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und kann daher keiner weiteren Behandlung zugeführt werden (vgl RS0043603, insb [T8]). Im Übrigen wurden die rechtlichen Argumente der Klägerin ohnedies bereits im Rahmen der Tatsachenrüge behandelt.

Die Berufung ist daher nicht erfolgreich.

3. Für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergeben sich weder aus dem Vorbringen noch aus dem Akt Anhaltspunkte (vgl RS0085829, auch [T1]), weshalb die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen hat.

4. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen.