1R86/25k – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch Senatspräsident Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **gasse **, ** B*, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* , geboren am **, **straße **, ** B*, vertreten durch die Oberlojer Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen Feststellung (EUR 300.000,00) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 1. Juli 2025, Cg*-12, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.792,04 (darin EUR 465,34 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Unstrittig ist, dass aufgrund eines vollstreckbaren Notariatsakts vom 13. April 2024 (Notariatsakt zu GZ 49 des öffentlichen Notars Mag. D* mit Sitz in B*-**) Exekution gegen die Klägerin vor dem Bezirksgericht Hietzing zu E* zur Hereinbringung einer Forderung von EUR 1,250.000,00 sA geführt wird.
Mit ihrer beim Landesgericht Linz am 13. Februar 2025 eingebrachten Klage ficht die Klägerindiesen vollstreckbaren Notariatsakt und den von ihr als Kreditnehmerin mit der Beklagten als Kreditgeberin abgeschlossenen Kreditvertrag sowie die Pfandurkunde, alle vom 13. April 2023, insbesondere wegen Wucher, Sittenwidrigkeit und Verkürzung über die Hälfte an und begehrt festzustellen, dass diese Rechtsgeschäfte nicht rechtswirksam seien und daher nicht rechtswirksam bestehen würden, in eventu begehrt sie, diese Rechtsgeschäfte als rechtswidrig, in eventu als sittenwidrig (§ 879 ABGB) aufzuheben; in eventu begehrt sie, ihr die Verbindlichkeiten aus den vorgenannten drei Rechtsgeschäften gänzlich gemäß § 25d KSchG zu erlassen. Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sich die Klägerin auf eine in Punkt 9.2. des Kreditvertrages getroffene Gerichtsstandsvereinbarung.
Die Beklagteerhob die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und bemängelte außerdem den Streitwert. Sie beruft sich auf die Lehrmeinung von Trenker, in NZ 2021/191, und meint, ausgehend von dieser Rechtsmeinung sei in Abkehr von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung das rechtsunwirksame Zustandekommen eines Notariatsakts nur mittels Oppositionsklage geltend zu machen, in welcher allerdings die Beschränkung auf nova producta nicht anzuwenden sei, jedoch die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts und die Eventualmaxime schon gelten würden. Dieser Meinung scheine auch das Höchstgericht in 3 Ob 53/06z obiter zu folgen.
Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das Erstgericht(in Punkt 1.) die Einrede der Unzuständigkeit und wies (in Punkt 2.) die Streitwertbemängelung ab. Zur Einrede der Unzuständigkeit führte das Erstgericht aus, mit einer Klage nach § 35 EO könne grundsätzlich nicht über die Gültigkeit oder das rechtswirksame Zustandekommen eines vollstreckbaren Notariatsaktes, der den Exekutionstitel bilde, abgesprochen werden (3 Ob 2044/96a; 3 Ob 20/97f; 3 Ob 266/98h). Die Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes nach Artikel XVII EGEO gelte nur für Klagen, mit denen die Exekutionskraft des Notariatsaktes aus formellen Gründen bestritten werde, nicht aber für Klagen, mit denen das im Notariatsakt beurkundete Rechtsgeschäft aus materiellen oder formellen Gründen angefochten werde (RS0001541). Es handle sich dabei um eine besondere Klage mit der Wirkung des § 39 Abs 1 Z 1 EO, mit der materiell rechtliche Einwendungen gegen das Zustandekommen des Notariatsaktes geltend gemacht werden und für die auch die Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes gemäß Artikel XVII EGEO nicht gegeben sei. Demnach stehe für die Rechtsgestaltungsklage auf Unwirksamerklärung eines einen Exekutionstitel bildenden Notariatsaktes der Oppositionsprozess gerade nicht zur Verfügung. Vielmehr sei diese Rechtsgestaltung tatsächlich mit negativer Feststellungsklage geltend zu machen (OLG Linz 3 R 167/23h).
Den Spruchpunkt 1. dieser Entscheidung ficht die Beklagte mit ihrem Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag an, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Klage wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den erstinstanzlichen Beschluss zu bestätigen.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte wiederholt in ihrem Rechtsmittel ihre im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragene Rechtsmeinung, die Unwirksamkeit des im Notariatsakt verbrieften, materiell rechtlichen Anspruchs könne nur mittels Oppositionsklage geltend gemacht werden, in welcher die Beschränkung auf nova producta nicht, jedoch die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts und die Eventualmaxime gelten würden; sie beruft sich dazu auf Trenker, Der vollstreckbare Notariatsakt als Alternative zur einvernehmlichen Streitbeilegung, in NZ 2021/191. Bei der vorliegenden Klage handle es sich um eine solche nach Artikel XVII EGEO, der auf § 36 EO verweise. Alle Rechtsstreitigkeiten, die mit einer Exekutionsführung in unmittelbarem Zusammenhang stünden, darunter Klagen nach § 36 EO oder § 39 EO, seien entweder vor dem Exekutionsbewilligungsgericht oder dem Exekutionsvollzugsgericht auszutragen. Die Klage wäre daher wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen.
Dazu ist auszuführen:
Ausgehend vom Entscheidungsgegenstand des angefochtenen Beschlusses und dem dagegen erhobenen Rekurs ist hier nur die Frage der Zuständigkeit des Erstgerichts zu behandeln. Wie das Erstgericht korrekt ausgeführt hat, ist die materielle Unwirksamkeit des Notariatsakts nicht mit Impugnationsklage, sondern mit einer der in § 39 Abs 1 Z 1 EO erwähnten Klagen geltend zu machen (Jakusch in Angst/Oberhammer Exekutionsordnung 3Artikel XVII EGEO Rz 2 mwN). Gerichtlich erst geltend zu machende Gestaltungsrechte, wie die Anfechtung wegen Irrtum, List, Sittenwidrigkeit (vgl RS0014815 [T6]) sind in keinem Fall taugliche Oppositionsgründe (3 Ob 20/97f; 3 Ob 266/98h). Im Oppositionsstreit kann weder über die Gültigkeit, noch über das rechtswirksame Zustandekommen des Notariatsakts abgesprochen werden (3 Ob 2044/96a). Für die Geltendmachung eines materiell rechtlichen Unwirksamkeitsgrundes des Notariatsakts steht auch die Klage nach § 36 EO bzw Artikel XVII EGEO nicht zur Verfügung (3 Ob 2044/96a mwN). Nach gesicherter Rechtsprechung des Höchstgerichts kann demnach das rechtsunwirksame Zustandekommen eines Notariatsakts nicht durch Klage nach § 35 EO oder § 36 EO bzw Artikel XVII EGEO, sondern nur nach § 39 Abs 1 Z 1 EO geltend gemacht werden (RS0001262). Der Meinung Trenkers in NZ 2021/191, die Klage entgegen der Rechtsprechung von vornherein als Oppositionsklage zu begreifen, indem deren Anwendungsbereich bei einvernehmlichen Exekutionstiteln Kraft Analogie auch auf „nova reperta“ erstreckt werde, vermag sich der erkennende Berufungssenat bereits deshalb nicht anzuschließen, weil dem der klare Wortlaut des § 35 Abs 1 EO entgegensteht.
Aus der Entscheidung 3 Ob 53/06z ist dazu für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil sich das Höchstgericht in dieser Entscheidung nur mit der Reichweite des Prozesshindernisses der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung im Vorprozess auseinander gesetzt hat.
Da mit der vorliegenden Klage die Nichtigkeit bzw Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte wegen bereits beim Abschluss vorgelegener materieller Mängel (Wucher, Sittenwidrigkeit, Laesio enormis etc) geltend gemacht wird, hat das Erstgericht korrekt und mit zutreffender Begründung die Unzuständigkeitseinrede verworfen (§§ 526 Abs 3, 500a ZPO; vgl OLG Linz 3 R 167/23h).
Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO (vgl Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 1.316).
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.