1R79/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch Senatspräsident Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Teamleiter, **, **, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. B* , geboren am **, Verwaltungsassistentin, **straße **, ** und 2. C* AG , FN **, **straße **, **, alle vertreten durch Fürlinger Langoth Obermüller Rachbauer Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, wegen EUR 7.700,00 sA, über den Kostenrekurs der beklagten Parteien gegen die Kostenentscheidung im Endurteil des Landesgerichtes Linz vom 22. Juni 2025, Cg*-23, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 370,19 (darin EUR 61,70 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Am 16. März 2024 ereignete sich auf der Kreuzung **straße/D* in ** ein Verkehrsunfall, bei dem das vom Kläger gelenkte Klagsfahrzeug und das von der Erstbeklagten gelenkte und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Beklagtenfahrzeug beteiligt waren.
Der Kläger begehrte unter Anrechnung eines 50 %igen Mitverschuldens von den Beklagten die Zahlung von EUR 7.700,00 sA (Fahrzeugschaden EUR 15.300,00 und Spesen EUR 100,00, davon die Hälfte) und brachte vor, dass die Erstbeklagte ein 50 %iges Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe, weil sie sorglos an einer stehenden Kolonne rechts vorbeigefahren sei.
Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen und erwiderten, das Alleinverschulden treffe den Kläger, weil er – trotz des Beklagtenfahrzeuges im Gegenverkehr – vorrangverletzend nach links in den D* eingebogen sei. Ferner wandten die Beklagten der Klagsforderung einen Fahrzeugschaden von EUR 9.258,33, ein Schmerzengeld der Erstbeklagten von EUR 1.000,00 sowie unfallkausale Spesen von EUR 70,00 kompensando ein.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Zwischenurteil vom 19. März 2025 erkannte das Erstgericht ausgehend von einem gleichteiligen Verschulden die Klagsforderung von EUR 7.700,00 sA als dem Grunde nach zu Recht bestehend.
Hierauf überwies die Haftpflichtversicherung des Klägers am 29. April 2025 EUR 5.164,17 an die Beklagtenvertreter. Die Zahlung setzt sich zusammen aus EUR 4.629,17 an Fahrzeugschaden, EUR 500,00 Schmerzengeld und EUR 35,00 an Spesen.
Mit dem nur in seiner Kostenentscheidung angefochtenen Endurteil erkannte das Erstgericht (in Punkt 1.) die eingeklagte Forderung mit EUR 6.365,00 als zu Recht bestehend und (in Punkt 2.) die Gegenforderungen der beklagten Parteien als nicht zu Recht bestehend. Es verpflichtete (in Punkt 3.) die Beklagten zur ungeteilten Hand, dem Kläger EUR 6.365,00 samt 4 % Zinsen seit 15. Mai 2024 binnen 14 Tagen zu zahlen und wies (in Punkt 4.) das Mehrbegehren von EUR 1.335,00 sA ab. Ferner verpflichtete das Erstgericht (in Punkt 5.) die beklagten Parteien, der klagenden Partei die mit EUR 3.779,15 (darin EUR 438,70 USt und EUR 1.146,96 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht – soweit hier relevant – fest, die Gegenforderungen der Beklagten seien erfüllt worden und bestünden folglich nicht zu Recht. Da die herrschende Ansicht die Bildung fiktiver (oder hypothetischer) Verfahrensabschnitte in der Kostenentscheidung ablehne, was auch für Gegenforderungen gelte, sei die Erfüllung der Gegenforderung kostenrechtlich ohne Relevanz. Das bedeute, dass kein Verfahrensabschnitt bis zur Erfüllung der Gegenforderung zu bilden sei.
Gegen die Kostenentscheidung erheben die beklagten Parteien einen Kostenrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem sie beantragen, die erstinstanzliche Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die klagende Partei zu einem Kostenersatz von EUR 2.482,29 an die beklagten Parteien verpflichtet werde.
Der Kläger beantragt in seiner Kostenrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagten Parteien meinen, es wären zwei Verfahrensabschnitte zu bilden gewesen, und zwar ein Verfahrensabschnitt bis zur Zahlung der Gegenforderung, in dem die beklagten Parteien auch in dieser Höhe mit der Gegenforderung durchgedrungen seien, und ein Verfahrensabschnitt (der die Streitverhandlung vom 12. Mai 2025 umfasse) nach Tilgung der Gegenforderung. Sie berufen sich dazu auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 11. April 1997, 2 R 51/97a, (AnwBl 1997/7413) und auf die Lehrmeinung von Thiele (in Anwaltskosten 4 125 Rz 132).
Dazu ist auszuführen:
Gemäß §§ 41, 43 ZPO richtet sich der Kostenersatzanspruch nach dem Prozesserfolg. Die obsiegende Partei erhält die erstattungsfähigen Kosten im Verhältnis ihres Obsiegens (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 Band II/1 Vor §§ 40 ff ZPO Rz 5). Das Erfolgsprinzip gilt auch für Gegenforderungen (Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.121). Ob die Partei gänzlich oder nur teilweise obsiegt, ist in der Endentscheidung in der Regel nach dem Umfang der Sachanträge bei Schluss der mündlichen Verhandlung zu beurteilen; ändert sich der Streitgegenstand im Laufe des Verfahrens jedoch umfänglich oder qualitativ, ist die Frage nach dem Obsiegen und Unterliegen in den unterschiedlichen Verfahrensabschnitten zu prüfen (M. Bydlinski aaO § 43 ZPO Rz 1). Beim Streitgegenstand handelt es sich nach herrschender Meinung um einen rein prozessualen Begriff. Dieser weist zwei Bestandteile auf: Klagebegehren und Klagegrund, also einerseits den Urteilsantrag und andererseits die Tatsachenbehauptungen, auf die sich dieser Antrag gründet (zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff [Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 Vor § 226 Rz 15).
Thiele vertritt (in Anwaltskosten 4 125, Rz 132) gestützt auf Anwaltsblatt 1997/7413 die Auffassung, dass dann, wenn eine (berechtigte) Gegenforderung vom Kläger erst im Laufe des Verfahrens bezahlt wird, der Beklagte bis dahin als obsiegend zu betrachten sei, sodass für die Kostenentscheidung jedenfalls Verfahrensabschnitte zu bilden seien. Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat für den vorliegende Fall schon deshalb nicht anzuschließen, weil die Beklagten nach Zahlung der Hälfte ihrer eingewandten Gegenforderungen weder das Klagebegehren im berechtigten Umfang anerkannten noch zahlten und überdies auch die weitere Hälfte ihrer eingewendeten Gegenforderungen nach wie vor aufrecht erhielten (vgl Obermaier aaO Rz 1.287), sodass sie allein schon deshalb insoweit kostenrechtlich als unterlegen anzusehen sind. Überdies würde die Berücksichtigung eines „fiktiven Phasenerfolgs“ das Erfolgsprinzip verletzen, wonach der Prozesserfolg nur durch den Vergleich des eingeklagten mit dem letztlich zugesprochenen Betrag unabhängig von den Gründen, die zum Erfolg oder Misserfolg geführt haben, zu berücksichtigen ist, wie Obermaier (in Kostenhandbuch 4 Rz 1.142) mit überzeugenden Argumenten dargestellt hat.
Dem Kostenrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren gründet auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO iVm § 11 RATG.