JudikaturOLG Linz

9Bs125/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
11. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzend und Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 28. März 2025, Hv*-26, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts HR Mag. Daxecker, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Arthofer durchgeführten Berufungsverhandlung am 11. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, dass die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 24 Monate sowie der gemäß § 43a Abs 3 StGB bedingt nachgesehene Straf-teil auf 16 Monate angehoben werden.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, auf die die Zeit der Vorhaft vom 20. Jänner 2025, 17:40 Uhr, bis zum 28. März 2025, 12:07 Uhr, angerechnet wurde. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der über ihn verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen.

Im Adhäsionserkenntnis wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, dem Privatbeteiligten B* einen Teilschmerzengeldbetrag von EUR 3.000,00 zu bezahlen. Mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen wurde der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Schuldspruch hat A* am 11. Jänner 2025 in ** B* dadurch, dass er ihm sechs bis sieben wuchtige Faustschläge gegen den Kopf versetzte, vorsätzlich an sich schwer am Körper (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer Blowout Fraktur am rechten Auge, einer nicht verschobenen Nasenbeinfraktur und eines ausgeprägten Monokelhämatoms verletzt.

Gegen den Strafausspruch dieses Urteils wendet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel der Verhängung einer höheren, gänzlich unbedingten Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 39a Abs 1 Z 3 iVm Abs 2 Z 3 StGB (ON 27), wogegen sich der Angeklagte aussprach (ON 28). Die Oberstaatsanwaltschaft beantragte unter Verweis auf die Berufung der Staatsanwaltschaft die Erhöhung des Strafmaßes bei gleichzeitiger Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd das Geständnis des Angeklagten, das auch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, erschwerend dagegen drei einschlägige Vorstrafen.

Dieser Strafzumessungskatalog bedarf nominell keiner Korrektur.

Entgegen der Berufungskritik der Staatsanwaltschaft war das Erstgericht auch (noch) nicht zur Anwendung eines erweiterten Strafrahmens gehalten:

Nach § 39a Abs 1 Z 3 iVm Abs 2 Z 3 StGB erhöht sich die Mindeststrafdrohung von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe, wenn der Täter eine vorsätzliche strafbare Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt oder nachdem der Tat eine solche Gewaltanwendung vorausgegangen ist, verübt hat. Die Formulierung entspricht dem Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 5 StGB. Damit sollen, bezogen auf den Schweregrad des zu definierenden Gewaltbegriffs – gleich der „schweren Gewalt“ in § 104a Abs 4 StGB und § 106 Abs 3 StGB – brutale und rücksichtslose Aggressionshandlungen erfasst werden, die von besonderer Intensität sind und ein besonderes Risiko für das Leben des Opfers darstellen ( Flora in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 39a Rz 10 mwN; Riffel in Höpfel/Ratz , WK² StGB § 33 Rz 34/5 mwN). Zwar kommen, wie die Anklagebehörde ins Treffen führt, grundsätzlich auch mehrfache und wuchtige, mit der Faust geführte Schläge gegen das Gesicht (vgl 12 Os 64/23p) oder Schläge und Tritte gegen das Gesicht und den Körper (vgl 15 Os 141/19b) als exzessive Gewalt iSd § 39a Abs 1 Z 3 StGB in Betracht. Gemessen an den dort konkret inkriminierten Handlungsweisen, wie sie der angesprochenen höchstgerichtlichen Judikatur zugrunde lagen (vgl auch 12 Os 29/23s; 12 Os 32/22f; Schröder in SbgK § 39a Rz 60 f mN), ist aber hier auf Basis der unbedenklichen Urteilsannahmen zum verletzungskausalen Tathergang, wonach der Angeklagte dem B* – ohne auch nur im Geringsten zu bagatellisieren – schlicht sechs bis sieben wuchtige bzw heftige Faustschläge gegen den Kopf (darunter auch gegen das rechte Auge, den Schläfenbereich und hinter das Ohr) versetzt hat (US 3), die von § 39a Abs 1 Z 3 StGB vorgezeichnete Schwelle qualifizierter Intensität körperlicher Attacken noch nicht überschritten.

Die im Zuge eines Streits ohne feststellbaren Grund mehrfach und wuchtig gegen Kopf und Gesicht geführten Faustschläge, wobei sich das Opfer den Tätlichkeiten aus Angst nicht widersetzte, sondern sich passiv verhielt und sich zur Vermeidung weiterer Angriffe auf den Boden kauerte, zeugen allerdings von einem signifikant gesteigerten Gesinnungs- und Handlungsunwert, der in der Zusammenschau mit dem Katalog an besonderen Strafzumessungsgründen eine Strafmaßanhebung über das erste Drittel des zur Verfügung stehenden Rahmens (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) hinaus erfordert. Eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten ist tat- und schuldadäquat.

Mit Rücksicht allerdings darauf, dass über den dreifach einschlägig vorbestraften Angeklagten bislang ausschließlich Geldstrafen verhängt wurden (ON 16.1) und er nun erstmals das Haftübel verspürt, kann trotz Erhöhung des Strafmaßes weiterhin gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen werden, lässt sich dem Angeklagten doch nach dem Vollzug des – gesetzlich längstmöglichen – unbedingten Strafteils von acht Monaten unter der Voraussetzung maximaler Beobachtungsfrist wieder eine ausreichend günstige Sozialprognose für die bedingte Nachsicht der verbleibenden 16-monatigen Freiheitsstrafsanktion erstellen.