10Bs102/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 1. Fall, 15 Abs 1, 12 2. Fall StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 14. März 2025, Hv1*-103, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. Mai 2022 zu Hv1* wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 1. Fall, § 15 Abs 1, § 12 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, sodass der unbedingte Teil 4 Monate beträgt (ON 13).
Mit Beschluss vom 25. Juli 2022 wurde dem Verurteilten hinsichtlich des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs 1 SMG ein Strafaufschub bis 1. Juli 2024 gewährt. Dies unter der Bedingung, sich unverzüglich einer psychiatrischen Behandlung samt ADHS-Therapie, regelmäßiger Psychotherapie und Begleitung durch eine geeignete Drogenberatungsstelle (psychosoziale Beratung und Betreuung) für die Dauer des Strafaufschubes zu unterziehen und darüber unaufgefordert vierteljährlich Bestätigungen vorzulegen (ON 25). Mit Beschluss vom 14. September 2022 wurden eben diese Weisungen dahingehend ergänzt, dass sich der Verurteilte zusätzlich einer sechsmonatigen stationären abstinenzorientierten Therapie in der Therapieeinrichtung B* Verein für Suchtkranke zu unterziehen und darüber unaufgefordert vierteljährlich Bestätigungen vorzulegen habe (ON 35).
Mit 1. März 2023 schloss der Verurteilte die stationäre gesundheitsbezogene Maßnahme erfolgreich ab (ON 47), sodass er mit Note vom 30. März 2023 (ON 48) darauf hingewiesen wurde, sich nunmehr den mit Beschluss vom 25. Juli 2022 (ON 25) aufgetragenen ambulanten gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen und dem Gericht unaufgefordert vierteljährlich Nachweise vorzulegen.
Am 7. Juni 2023 gab der Verurteilte persönlich gegenüber dem Gericht an, dass er sich in psychiatrischer Behandlung samt ADHS-Therapie bei Dr. C** in ** befinde und er binnen 14 Tagen den entsprechenden Nachweis erbringen werde. Hinsichtlich Psychotherapie befinde er sich auf der Warteliste bei D*, außerdem habe er diesbezüglich am 28. Juli 2023 einen Termin bei der E*. Hinsichtlich der psychosozialen Beratung werde er nochmals Rücksprache mit D* halten (ON 54a, ON 54c).
Mit Beschluss vom 4. August 2023 (ON 55) wurden die dem Verurteilten auferlegten ambulanten gesundheitsbezogenen Maßnahmen – entsprechend seinem Einverständnis (ON 54a) – erweitert, nämlich um die ärztliche Überwachung seines Gesundheitszustandes, wobei ihm auch diesbezüglich die Pflicht zur vierteljährlichen Erbringung von Nachweisen aufgetragen wurde.
Nachdem vom Verurteilten in der Folge – mit Ausnahme einer Zeitbestätigung (ON 73) und einer ärztlichen Bestätigung betreffend seiner Medikation (ON 79) – keinerlei Nachweise mehr erbracht wurden, erfolgten mehrere – darunter drei förmliche – Mahnungen (ON 62 f, ON 68, ON 71, ON 75 f, ON 78). Dennoch konnten weder durch den Verurteilten selbst noch im Wege der Bewährungshilfe Nachweise hinsichtlich der ambulanten gesundheitsbezogenen Maßnahmen erlangt werden (ON 60 ff, ON 65a, ON 66a, ON 71, ON 74 f, ON 77a, ON 77c, ON 78).
Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. März 2024 zu Hv2* (ON 77) wurde A* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 1. Fall, 15 Abs 1, 12 3. Fall StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt. Vom Widerruf der mit obig angeführtem Urteil (Hv1 des Landesgerichtes Linz) gewährten bedingten Strafnachsicht wurde beschlussmäßig abgesehen, die Probezeit jedoch auf 5 Jahre verlängert. Laut den Urteilsfeststellungen war der Verurteilte zum Tatzeitpunkt suchtmittelabhängig und wollte sich durch seine Tathandlung Suchtmittel zum eigenen Gebrauch verschaffen (US 9 [ON 77]).
Mit Eingabe vom 19. Juli 2024 (ON 84) beantragte der Verurteilte nachträgliche Strafmilderung und Umwandlung der unbedingten Haftstrafe in eine bedingte Strafe – sohin offenbar ein Vorgehen nach § 40 Abs 1 SMG. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass er seine Handlungen bedauere, er mittlerweile ein sehr eigenständiges und stabiles Alltagsleben führe und sich in Substitutionstherapie befinde. Er halte sich strikt an alle Auflagen, einschließlich regelmäßiger Drogen- und Alkoholtests.
Nach dem eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachen des Dr. F* vom 15. September 2024 (ON 87) habe der Verurteilte zwar die stationäre Entwöhnungstherapie regulär und abstinent beendet und eine psychiatrische Betreuung sowie eine ADHS-Therapie begonnen, jedoch keine psychosoziale Betreuung oder Psychotherapie. Es sei zudem – infolge des Kontaktes zur Drogenszene – zu einer völligen Suchtverlagerung auf Opiate mit raschem Kontrollverlust und seitdem bestehender Substitutionstherapie gekommen. Aktuell bestehe aus unerhebbaren Gründen keine ADHS-Therapie mit Strattera und keinerlei psychosoziale Begleitung oder Psychotherapie, sondern lediglich eine Substitutionstherapie. Therapie der Wahl wäre jedoch eine substitutionsgestützte Therapie. Insgesamt habe sich der Verurteilte aus medizinischer Sicht ohne Erfolg den gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterzogen.
Nachdem die Staatsanwaltschaft daraufhin am 19. September 2024 den Widerruf des Strafaufschubes beantragte (ON 89), ersuchte der Verurteilte mit Eingabe vom 27. September 2024 (ON 91), vom Widerruf des Haftaufschubes abzusehen. Begründend führte er aus, dass er seit längerem sämtliche Termine so weit wie möglich verlässlich wahrnehme, er regelmäßig zu seinem Bewährungshelfer gehe und seine monatlichen Termine bei der Substitutionstherapie einhalte. Ein Widerruf der Strafnachsicht wäre kontraproduktiv und würde sämtliche Bemühungen des Verurteilten torpedieren. Außerdem sei im Verfahren Hv2* des Landesgerichtes Klagenfurt ebenfalls die Möglichkeit von Therapie statt Strafe erörtert worden und sei der dortige Sachverständige gutachterlich zum Schluss gekommen, dass der Verurteilte nach wie vor therapierbar sei.
Daraufhin ergänzte der Sachverständige Dr. F* am 10. Dezember 2024 sein Gutachten und fasste schlüssig zusammen, dass der Wechsel von einer Abstinenztherapie zu einer substitutionsgestützten Therapie nötig sei, um eine Zunahme der Suchtproblematik zu verhindern. Die Substitutionstherapie sei in Kombination mit der Betreuung durch eine Drogenberatungsstelle fortzusetzen, vor allem mit Beginn einer Psychotherapie und zusätzlich psychiatrischer Begleitung mit medikamentöser Therapie (je nach Einschätzung des behandelnden Arztes). Der Sachverständige wies neuerlich darauf hin, dass es zu einer völligen Suchtverlagerung auf Opiate gekommen sei und die regelmäßige Drogenambulanz vorrangig der Weiterverordnung des Substitutionspräparates dienen würde. Es bestehe aktuell eine Stabilisierung nur auf geringem Niveau. Zwar sei der Verurteilte weiterhin therapierbar, jedoch bestehe aufgrund der fehlenden Betreuung in Form einer Psychotherapie eine labile Situation sowie eine erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit des Verurteilten bei Beikonsum anderer psychotroper Substanzen. Insofern habe sich der Verurteilte medizinisch gesehen – insbesondere aufgrund seiner Überforderung mit der Abstinenztherapie – ohne Erfolg den ambulanten gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterzogen (ON 99).
Der Verurteilte nahm mit Eingabe vom 15. Jänner 2025 (ON 102) zum ergänzten Sachverständigengutachten im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass er seine Versäumnisse bedauere, aus seinen Fehlern gelernt habe und seine Versäumnisse wiedergutmachen wolle.
Mit Beschluss vom 14. März 2025 (ON 103) sprach das Erstgericht aus, dass der mit Urteil des Landesgerichtes Linz zu Hv1* verhängte unbedingte Freiheitsstrafteil von vier Monaten mangels Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme nicht unter Bestimmung einer Probezeit gemäß § 40 Abs 1 SMG bedingt nachgesehen, sondern in Vollzug gesetzt wird, womit es den Antrag des Verurteilten abwies. Begründend führte das Erstgericht aus, dass mangels Erfolg kein Vorgehen iSd § 40 Abs 1 SMG in Betracht komme. Außerdem betreffe die Verurteilung des Landesgerichtes Klagenfurt zu Hv2* solche Tatzeiträume, die innerhalb der Aufschubsfrist liegen, womit der Widerrufsgrund des § 39 Abs 4 Z 2 SMG begründet werde und der Strafvollzug spezialpräventiv erforderlich sei.
Die Beschwerde des Verurteilten (ON 106), zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht geäußert hat, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 40 Abs 1 SMG hat das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen, wenn der Aufschub der Strafe nicht widerrufen wurde (§ 39 Abs 4 SMG), oder sich ein an ein Suchtmittel gewöhnter Verurteilter sonst mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen hat. Die Voraussetzung, dass sich ein an Suchtmittel gewöhnter Verurteilter „mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen“ hat, gilt auch für den ersten Fall des § 40 Abs 1 SMG, wenn ein Aufschub des Strafvollzugs gewährt wurde ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz , WK 2SMG § 40 Rz 8). Was als „Erfolg" iSd § 40 Abs 1 SMG zu werten ist, lässt sich nicht allgemeingültig definieren. Es handelt sich um einen Rechtsbegriff, dessen juristischer Gehalt nicht in allen Fällen mit ärztlichem, psychologischem oder psychotherapeutischem Begriffsverständnis zur Deckung gebracht werden kann. Der Erfolg der gesundheitsbezogenen Maßnahme hängt letztlich davon ab, welches Ziel die jeweilige Maßnahme verfolgt, das für den Einzelfall festgelegt werden kann. Er ist somit anzunehmen, wenn das im konkreten Fall aus der Sicht der jeweiligen Wissenschaft mögliche Ziel dieser Behandlung erreicht ist (RIS-Justiz RS0122911). Dass der Behandlungserfolg so nachhaltig sein müsste, dass es zu dessen Erhaltung keiner ergänzenden ärztlichen Vorkehrungen mehr bedarf und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte in Hinkunft niemals mehr illegale Rauschmittel konsumieren und sich nicht dem Genuss von Suchtgift ergeben werde, ist aus dem Gesetz nicht ableitbar (vgl RIS-Justiz RS0088765 [T2]; Oshidari in Hinterhofer, SMG 2§ 40 Rz 10 ff). So kann eine Verlagerung der Abhängigkeit des Verurteilten auf erlaubte Suchtmittel (Substitution) und die damit einhergehende Rehabilitation ein Erfolg iSd Abs 1 sein, zumal die Substitutionsbehandlung eine nach § 11 Abs 2 SMG statthafte gesundheitsbezogene Maßnahme ist ( Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG 3 § 40 Rz 16). Bei der Beurteilung des Erfolgs einer Substitutionstherapie ist der Behandlungsverlauf zu beachten (Gegenüberstellung der Anfangs- und Endverfassung des Therapierten). Grundlage der Beurteilung des Erfolgs ist die Bewertung des Therapieverlaufs durch den Behandler ( Oshidari in Hinterhofer, SMG 2 § 40 Rz 13, 15).
Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Verurteilung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. März 2024 zu Hv2* als Widerrufsgrund nach § 39 Abs 4 Z 2 SMG bei der Entscheidung nach § 40 Abs 1 SMG außer Betracht zu bleiben hat, da die zweijährige Aufschubsfrist nach § 39 Abs 1 SMG bereits mit 1. Juli 2024 abgelaufen ist. Wie vom Erstgericht jedoch zutreffend beurteilt, zeigen die oben dargestellte Chronologie des Behandlungsverlaufes und das eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten (ON 87, samt Ergänzung [ON 99]) deutlich, dass beim Verurteilten nicht von einem „Erfolg“ der gesundheitsbezogenen Maßnahmen gesprochen werden kann. Zwar unterzog sich der Verurteilte einer sechsmonatigen stationären Therapie und begann auch eine ADHS-Therapie, wobei er letztere nicht zum Abschluss brachte. Eine psychosoziale Betreuung oder eine Psychotherapie, welche ihm bereits von Beginn seines Strafaufschubes an aufgetragen wurde, hat er demgegenüber überhaupt nicht in Anspruch genommen. Dies obwohl eine substitutionsgestützte Therapie mit Begleitung durch eine Drogenberatungsstelle, Psychotherapie und psychiatrischer Betreuung die Therapie der Wahl wäre, um eine Zunahme der Suchtproblematik beim Verurteilten zu verhindern. Schließlich kam es bei diesem infolge des Kontaktes zur Drogenszene zu einer völligen Suchtverlagerung auf Opiate mit raschem Kontrollverlust und seitdem bestehender Substitutionstherapie. Da sich die aktuelle Stabilisierung des Verurteilten jedoch nur auf geringem Niveau befindet und aufgrund der fehlenden Betreuung durch eine Psychotherapie zurzeit eine labile Situation sowie eine erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit bei Beikonsum anderer psychotroper Substanzen besteht, kann die Verlagerung der Abhängigkeit des Verurteilten von illegalen Suchtmitteln in eine geregelte Dauersubstitution mit legalen Suchtmitteln allein noch nicht als Erfolg iSd § 40 Abs 1 SMG gewertet werden. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund wiederholter Therapiechancen, die der Verurteilte über zwei Jahren nicht für sich zu nutzen vermochte, liegen die Voraussetzungen nach § 40 Abs 1 SMG mangels erfolgreich absolvierter gesundheitsbezogener Maßnahmen insgesamt nicht vor. Daran vermag auch der Umstand, dass der Verurteilte nunmehr seine Versäumnisse bedauert, nichts zu ändern.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.