7Bs30/25y – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Einzelrichter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A*und weitere Personen wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlung über die (Kosten-)Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 27. Februar 2025, HR* (= St*-15 der Staatsanwaltschaft Wels) entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Wels führte aufgrund eines Anlassberichts der Polizeiinspektion B* vom 14. Oktober 2024 (ON 2) ein Ermittlungsverfahren gegen den am ** geborenen A* wegen Vergehen des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB, § 207a Abs 1 Z 2 dritter Fall StGB und § 207 Abs 3 erster Satz zweiter Fall StGB (zu 1.) sowie der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (zu 2.). Dem lag der Verdacht zugrunde, er habe am 7. Oktober 2024 in B*
Mit Verfügung vom 18. Dezember 2024 stellte sie das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO (idF BGBl I 19/2004) ein (ON 1.4).
Am 21. Februar 2025 beantragte A* unter Anschluss einer Leistungsaufstellung (über etwas mehr als EUR 8.000,00), ihm einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren „in Höhe von jedenfalls EUR 3.000,00“ sowie Barauslagen von EUR 26,00 für Fahrtkosten seines Verteidigers zuzuerkennen (ON 14).
Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Pauschalbeitrag mit EUR 900,00 und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab (ON 15).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 16), zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat.
Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Dieser Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf (hier interessierend) in der Grundstufe den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO).
Wie beim Kostenbeitrag nach Freispruch im Hauptverfahren (§ 393a Abs 1 StPO) sind dabei (auch im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge) nicht die gesamten notwendigen und zweckmäßigen Verteidigungskosten zu ersetzen (vgl Lendl in WK-StPO § 393a Rz 10; ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 6), sondern handelt es sich (schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut) um einen (bloßen) Beitrag, der pauschal zu bestimmen ist. Die dafür maßgeblichen Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität (von ganz einfachen Fällen wie einem einfachen Diebstahl oder einer gefährlichen Drohung bis hin zu umfangreichen Strafverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren von entsprechend höherer Komplexität) variieren kann und bei dem auch Aspekte wie beispielsweise die Art der wirtschaftlichen Verflechtungen (Schachtelfirmen, mehrfache Auslandsbeteiligungen), die Besonderheiten von schwer nachvollziehbaren Geldflüssen (unklare Geldverschiebungen in andere Länder) oder Sachverhaltskonstellationen, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwändig (Erfordernis von Sachverständigengutachten und Rechtshilfeersuchen) gestalten, zu berücksichtigen sind (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 3).
Konkret ist bei der Bemessung des Beitrags für ein durchschnittliches Verfahren der Grundstufe auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein so genanntes Standardverfahren auszugehen und dieser Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Je nach Umfang der Ermittlungen, Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und konkretem Verteidigungsaufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen kann sich der Betrag dann dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern oder sich von diesem weiter entfernen. Der durchschnittliche Verteidigungsaufwand in einem einfachen (zum Landesgericht ressortierenden) Ermittlungsverfahren umfasst nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe samt einem Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium, Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden. Er schlägt damit unter Heranziehung der Kostenansätze der allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) mit rund EUR 3.000,00 zu Buche, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz zu berücksichtigen ist, die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben (vgl ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5).
Demgemäß orientiert sich dieser Beitrag nicht (mehr) primär an der gesetzlichen Höchstgrenze, sondern an den durchschnittlichen Verteidigerkosten im Standardverfahren. Infolgedessen kann die bisherige Rechtsprechung zur Regelung des § 393a Abs 1 StPO (idF vor BGBl I 96/2024), die bei durchschnittlich einfachen Verteidigungsfällen den Einstieg bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrags fand, nicht mehr aufrechterhalten werden (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 8; OLG Graz 8 Bs 302/24h, OLG Linz 9 Bs 59/25b; vgl auch: Concin , Verteidigungskostenersatz NEU, ecolex 2024/458, 807).
Hier ist allerdings von einem äußerst überschaubaren Verfahrensumfang auszugehen. Die Ermittlungen dauerten etwa zwei Monate an und im Zeitpunkt der Einstellungsverfügung umfasste der Akt gerade einmal acht Ordnungsnummern. Die Komplexität der Vorwürfe ist deutlich unterdurchschnittlich, galt es im Verfahren doch allein die Fragen zu klären, wer das Video der geschlechtlichen Handlung der mündigen Minderjährigen mit D* und E* hergestellt, besessen und anderen überlassen habe, und ob es gegen ihren Willen zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zwischen ihr und dem Beschwerdeführer gekommen sei. Allein aus der Sicherstellung seines Mobiltelefons (ON 3 und ON 5.2; zur Ausfolgungsanordnung: ON 1.4) ergibt sich ein minimal erhöhter Verteidigungsaufwand.
Die aktenkundige Tätigkeit des Verteidigers beschränkte sich auf die Anwesenheit bei der knapp einstündigen Beschuldigtenvernehmung vom 23. Oktober 2024 (ON 5.4). Schriftliche Eingaben liegen keine vor. Zwar führt er in seinem Antrag nachvollziehbar Positionen an (ON 14, 3), die naturgemäß keinen Niederschlag im Akt finden. Gerade die Kosten für (hier zahlreiche) Telefonate sind aber regelmäßig durch den – auch in den AHK vorgesehenen (§ 6 Abs 1 AHK) und vom Gesetzgeber bei Umschreibung der Kosten des durchschnittlichen Verteidigungsaufwands ausdrücklich berücksichtigten (vgl erneut: ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5) – Einheitssatz für Nebenleistungen abgedeckt (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.11 Fn 2710).
Insgesamt reichte das Ermittlungsverfahren daher weder nach seinem Umfang noch nach seiner Komplexität an einen Durchschnittsfall heran und blieb auch der Verteidigungsaufwand hinter dem in den Gesetzesmaterialien skizzierten Regelfall zurück.
Vor diesem Hintergrund ist die Festsetzung des Pauschalkostenbeitrags mit EUR 900,00 (was 30 % der dem Gesetzgeber für ein Standardverfahren vorschwebenden Kosten entspricht) noch nicht korrekturbedürftig. Zur zutreffenden Abweisung des Antrags auf Ersatz auch von (vermeintlichen) Barauslagen, der von der Beschwerde jedoch ohnehin (bloß pauschal und) nicht inhaltlich angefochten wird, ist auf die Begründung des Erstgerichts zu verweisen.
R echtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).